LdN 357 - Wärmeplanung und Fernwärme

Hallo,
ein kleiner Hinweis zur Wärmeplanung und Fernwärme. Ich lebe in Schleswig-Holstein und hier müssen alle mittleren und großen Städte die Wärmeplanung bis Ende 2024 fertig haben.

Das führt dazu, dass man dieses im Alltag bereits merkt. Die hiesige Stadtwerke macht regelmäßige Informationsveranstaltungen in den Stadtteilen um über die zukünftige Versorgung zu informieren. Auch im aktuellen Wahlkampf zur Bürgermeister*in ist es fester Bestandteil.

In einer Stadt ohne nennenswerte Industrie und einer modernen Recycling ohne Verbrennung, wird es „Nahwärmenetze“ geben, die in den Stadtteilen stehen und dann die umliegenden Gebäude versorgt.

Damit sind viele Bürger*innen, die Kommune, die Stadtwerke und selbst die Interessenvertretung Haus und Grund der Eigenheimbesitzer zufrieden.

https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/schleswig-holstein_magazin/shmag105708-amp.html

Beste Grüße

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Fernwärme und Wärmenetze kommen mir als Laie immer widersprüchlich vor.
Soweit ich weiß entsteht Fernwärme ja häufig als Nebenprodukt aus der Industrie (Abwärme). Diese Abwärme wird dann verteilt zum Heizen.
Nun ist es aber in Sinne der Nachhaltigkeit ein Ziel Abwärme zu reduzieren wo es geht, weil deren Existenz ja immer ein Zeichen von fehlender Effizienz ist.
Wenn man nun sukzessive Effizienz steigert und Abwärme reduziert, dann fuhrt das doch Fernwärme ad absurdum.

Edit: und zentrale Verfeuerung von Gas, Kohle oder Wasserstoff ist natürlich Quatsch weil ebenfalls ineffizient.

Oder liege ich irgendwo gravierend falsch?

Irgendwo ist dann aber auch Schluss mit der Effizienz und es bleibt Wärme auf einem Temperaturniveau, welches nur noch zum Heizen reicht, übrig.

Also zumindest deutlich effizienter und flexibler (Strom und Wärme) als viele einzelne Gas– oder Ölheizungen in den Häuser in für ein Wärmenetz ausreichend dicht besiedelten Gebieten.
Künftig sollten diese natürlich auch nur noch mit grünen Gasen betrieben werden

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Wenn man Abwärme aus KWK darin einschließt, dann ja. Da du dich aber eigentlich auf die Industrie beziehst stimmt es ai nicht. In 2019 lag der Anteil industrieller Abwärme bei 2% (AGFW). Vermutlich wird der Anteil deshalb auch nicht mehr im neuesten Bericht der AGFW genannt: AGFW

Was den KWK Anteil angeht sind es aktuell überwiegend fossile Optionen. Hier ist es entweder Wärme als „Abfall“ der Stromproduktion oder die Anlage wird wärmegeführt gefahren und der Strom ist nicht das primär angestrebte Produkt.

Was aber gut zu sehen ist. In der Fernwärme ist der Anteil der erneuerbaren schon jetzt deutlich über dem Durchschnitt der Wärmebereitstellung. Der Anteil liegt mit ca. 30% deutlich über den durchschnittlichen 12%. Das zeigt glaube ich ganz gut, dass es vergleichsweise einfach ist dort potenzial zu heben als dezentral in jedem Gebäude anzusetzen. Die entsprechenden lokalen Bedingungen mit einer hohen Wärmedichte der Nachfrage vorausgesetzt.

Zu deinem Punkt der Abwärme noch: Da der Anteil gering ist, besteht durch die weitere Einbindung von Abwärme trotz Effizienzsteigerungen ein großes Potenzial diese, anderweitig einfach an die Umgebung abgegebene Wärme einzubinden.

Edit: Link angepasst.

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Es gibt diverse Arten von abwärme. Diese unterscheiden sich im Temperaturniveau. Z.b. in Frankfurt ist das Fernwärmenetz noch mit Dampf. Früher lagen die Temperaturen oft über 100°C. Heute oft schon drunter. Man nutzt halt oft Kraftwerke um sie zu speisen. Früher gab’s öfter reine Heizwerke, heute viel mehr Heizkraftwerk, die eben neben Wärme auch Strom produzieren. Ob die wärme oder der Strom das Nebenprodukt ist kann man sehen wie man will.
Durch niedrigere Temperaturen gibt es aber auch schon netzte mit 30 oder 50 Grad. Hier können viel mehr Abwärme Produzierende Anlagen eingebunden werden. Z.B. auch die Abwärme großer Kältererteuger. Quellen gibt es viele. Aber in der Regel ist es keine Abwärme sondern ein Kraftwerk in dem explizit wärme produziert wird. Hier kann man dann auch Wärmepumpen einsätzen, also den Erzeuger tauschen. Hochtemperatur Wärmepumpen schaffen 100°C, bis 200°C ist in der F&E. Tiefe Geothermie kann auch eine Quelle sein.
Was viele nicht wissen. Auch Elektrolyseure haben Abwärme. Gibt in Esslingen ein Quartier wo die zum Heizen genutzt wird.

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Und auch wärmepumpen können an fernwärme angeschlossen werden. Durch die höhere Temperatur haben die dann einen höhere Effizienz im Winter, weil sie sich die Wärme aus dem Netz und nicht von -10°C Außenluft holen

Finde ich sehr überraschend. Das wird vor allem Biomasse sein. Die hat natürlich ihre Grenzen in der Verfügbarkeit. Manche Hardcore Aktivisten lehnen die auch komplett ab.

Biomasse ist keine skalierbare Lösung.

Skalieren = viele und größere Anlagen bauen könnte man schon.
Mein Punkt ist aber vielmehr, dass bitte nicht der Anschein erweckt wird, zentrale Anlagen wären schon mit Renewables unterwegs. Das ist eben vor allem mit Müll und Biomasse der Fall. Die eine Geothermie in München ist halt wenig. Große Anlagen mit Solarthermie oder WP sind super exotisch in DE. Da sollten wir uns nichts vormachen.

Je höher die Temperatur, die von einer Wärmepumpe erreicht werden soll, desto niedriger ist der Wirkungsgrad der Wärmepumpe. Das ist leider physikalisch bedingt (Stichwort „Carnot-Kreisprozess“). Das ist auch der Grund, weshalb ich skeptisch gegenüber dem Thema Fernwärme und Großwärmepumpen bin. Bestehende Netze benötigen in der Regel 80°-100° und in diesem Temerpaturbereich sind Wärmepumpen ziemlich ineffizient. Zudem steigen mit der Temperatur auch die Verluste im Wärmenetz.

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Wenn ich es richtig sehe, bräuchte man dann mehr Material, was mehr Anbau von Energiepflanzen wie Mais bedeutet oder mehr Holz. Was in großen Mengen schwierig werden dürfte.

Vom DLR gibt’s eine Pilotanlage (CoBra). Das sind andere Prozesse als bei den Hauswärmepumpen. Sie gehen von einem COP von 2.35 aus. Und selbst bei 1 wäre es noch besser als Gas zu verbrennen. Wenn der Strom erneuerbar ist.

Und wie so oft ist Skandinavien schon weiter

Wieso sollte es bei uns dann nicht klappen. Auf Island habe ich auch eine Fernwärmepumpe mit Meerwasser als Wärmequelle gesehen. Man sollte da technologieoffen denken, was die Wärmequelle betrifft :wink: Und nicht zu sehr an die Hauswärmepumpe

Die Effizienz von Biomasse ist einfach schrecklich. Mit der halben der aktuell vorhandenen für Energiepflanzen genutzten Flächen (mais, Biokraftstoff) bestückt mit PV und Strom ließe sich Deutschland bilanziell komplett erneuerbar versorgen (Speicherthema ausgeklammert)
Anm. Mod.: Gibt es da konkrete Daten oder Quellen?)

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Und das ist ziemlich grausig. Dann kommen noch die Verluste über das Wärmenetz dazu und man landet bei einem COP von 2. Bei vernünftig geplanten Hauswärmepumpen kommt man auf einen. COP von 4-5. Man braucht also doppelt so viel Strom! Und damit mehr Windkraftanlagen und mehr Reservekraftwerke. Das ist doch ein ökologischer und ökonomischer Irrweg

Naja für die Fernwärme reicht ja 100°C oder weniger aus. Die 2.35 sind bei 250°C für die Industrieprozesse.
Und den cop von 4-5 bekommst du ja nur, wenn du wie du sagst niedrige Temperaturen im Haus einstellen kannst. Das Haus also gedämmt ist und ne Fußbodenheizung hast. Hast du aber nicht bei den an die Fernwärme angeschlossenen Häuser. Und die alle auf ne eigene Wärmepumpe umzustellen + Sanierung ist ja wirtschaftlich auch nicht sinnvoll. Geht hier ja darum erstmal die bestehenden Netzte CO2 neutral zu machen. Nicht den Neubau im Dorf an Fernwärme anzuschließen.

Also man könnte über die Wirkungsgrade argumentieren.
Der der Photosynthese liegt bei ca. 1-3 %.
Photovoltaik hat einen Wirkungsgrad zwischen 20-25 %.
Die Energiepflanzen muss man auch noch bewirtschaften (Maschinen laufen mit Diesel) und in mittelfristig speicherbares Biogas oder langfristig speicherbares biogeneses Methan umwandeln.
Selbst wenn man den PV-Strom noch in Wasserstoff und dann ggf. in synthetisches Methan zu Speicherzwecken umwandelt ist der Wirkungsgrad immer noch besser. Und das Argument der Grundlastfähigkeit für Biogas statt PV ist auch dahin.
Ich glaube das einzige was dem entgegen steht sind zu tätigende Investitionskosten und jahrelange Lobbyarbeit der landwirtschaftlichen Biogasanlagenverbände und damit einhergehende Gesetztesgebungen und Subventionen.
Eigentlich macht nur Biogas aus Abfällen und Reststoffen Sinn. Also z.B biologische Reste aus der Papier- und Lebensmittelindustrie, Gülle & Mist, Fäkalien im Abwasser oder gesammelter Abfall aus der Biotonne.

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Hab’s im Podcast gehört aber kannte diese Quelle schon.

Kurz:
"Windkraft pro Hektar landwirtschaftlicher Verlustfläche durchschnittlich 18 Millionen Kilowattstunden (kWh) Strom pro Jahr erzeugt werden. Die landwirtschaftliche Verlustfläche ist dabei die Fläche, die nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden kann. Dabei handelt es sich um Flächen für Fundamente, Kranstellplätze und Zuwegung.
PV-FFA können pro Hektar durchschnittlich 700 Tausend kWh Strom pro Jahr erzeugt werden.

Biogasverstromung von Silomais durchschnittlich 23 Tausend kWh Strom pro Hektar + 3 Tausend kWh/ha/Jahr für Abwärmenutzung."
Wobei das mit den Windräder nicht ganz hinhaut, wie sie es gemacht haben, weil man sie ja nicht direkt nebeneinanderstellen kann.

Und die Energiepflanzenflächen sind von Statista.

Finde den Vergleich spannend, weil EE-Gegner ja neuerdings immer mit dem Flächenverbrauch und der Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion aufwarten.

Link zum Podcast
[Geladen - der Batteriepodcast] Grüner Wasserstoff: DIE Lösung in der Klimakrise? Ove Petersen (GPJoule) #geladenDerBatteriepodcast
https://podcastaddict.com/geladen-der-batteriepodcast/episode/162749347 via @PodcastAddict

Und ja Bioreststoffe kann man sinnvoll verströmen. In Dänemark wird das z.B. im großen Maßstab mit Gülle gemacht. Da sind 25% Biogas. Daher auch weniger Schock durch Gaspreisanstieg. Finde ich den besseren Ansatz als die kleinteilige Direktverstromung in Deutschland.

Und da (in der Fernwärme) geht dann international auch schon wieder einiges. Mal wieder Dänemark. Da hat MAN in Esbjerg Wärmepumpen gebaut (https://www.man-es.com/docs/default-source/document-sync/esbjerg-heat-pump-reference-case-eng.pdf?sfvrsn=45a29f76_3#:~:text=The%20heat%20pump%20can%20be,independent%20of%20the%20seawater%20temperature). Die Vorlauftemperatur beträgt um die 90C. Der COP im Winter ist mit 3,3 angegeben. Wärmepumpen stehen aber auch schon länger z.B. in Stockholm oder Helsinki. Bei letzterer habe ich den konkreten COP auf die Schnelle nicht rausgefunden (https://www.friotherm.com/wp-content/uploads/2017/11/katri_vala_e012_uk.pdf). Ich meine mich allerdings zu erinnern, dass ich da auch von etwas deutlich über 3 gelesen hatte. Auch dort sind entsprechend hohe Temperaturen (bis 88C) umsetzbar. Das geht also alles. Gerade auch, weil es in dicht bebauten, urbanen Gebieten nicht immer (vor allem ökonomisch) möglich ist alles auf den dezentralen Einsatz von Wärmepumpen umzurüsten.

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Ja, deutlich über die Hälfte sind Biomasse-basiert oder Geothermie. Letztere stellt dabei sicherlich nicht den Löwenanteil. Erstaunlich ist nur, was da teilweise geht, wenn man will (ohne das weiter zu bewerten).

Das ist letztes Jahr und wird dieses Jahr in Dänemark noch mal gesteigert: Biomethane. Sicherlich ist es nicht 1:1 übertragbar, es zeigt aber auch wieder, was machbar ist, wen ein Wille da ist. Langfrsitig ist das allerdings auch wieder starkt von der Verwertung und Verfügbarkeit von Reststoffen wie Gülle abhängig. Beispielsweise gibt es zuletzt einen Rückgang in der Schweinemast (Schweinebestand in Dänemark bricht stark ein | agrarheute.com), das bedingt langfristig das Angebot des Rohstoffs Gülle.

Hinzu kommt, dass Biomasse als Rostoff auch in anderen Sektoren gebraucht wird. Beispielsweise als Kohlenstoffquelle für Kraftstoffe oder in der Industrie. Es ist also auch aus dieser Sicht keine Abhilfe im großen Stil.

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Stimme dir zu!
Gerade wegen der Schwankungen bei der Biomasseproduktion in der Landwirtschaft wären zentrale Anlagen, die Gülle und Reste aus größerem Umkreis verarbeiten ggf sogar sinnvoller um diese Schwankungen auszugleichen.

@LeoWom
Die Ablehnung der Biomasse hat nix mit Hardcore Aktivismus zu tun sondern sinnvolle Gründe. Reicht eben nicht für alles aus, kann in anderen Bereichen sinnvoller genutzt werden und was die Flächen betrifft eben nicht sehr effizient in den kWh/Fläche Erträgen gegenüber PV und Wind.