Das liegt aber vor allem daran, dass gegen die Atomkraft zu sein, der Gesellschaft nichts abverlangt hat. Ich bin mir nicht sicher, ob die LG so schlechte Publicity hätte, wenn es ein Thema wäre, das der Gesellschaft nicht so ein schlechtes Gewissen machen würde. Man möchte an das Thema in seinem Alltag halt nicht erinnert werden und schon gar nicht daran, dass endlich etwas passieren müsste.
Am meisten Sorgen macht mir, dass der Staatsregierung klar sein muss, dass der harte Kern der LG sich davon nicht einschüchtern lassen wird, sondern es im Gegenteil zu einem trotzigen jetzt-erst-recht führen wird, während Gemäßigte immer mehr an Einfluss verlieren werden. Je härter gegen sie vorgegangen wird, desto extremer wird sie also werden und die Kampfrethorik der Politiker wird zur selbsterfüllenden Prophezeiung.
Das Problem ist weniger das Verhalten der Generalstaatsanwaltschaft München, sondern, wie oben schon mal angemerkt, die Unbestimmtheit und Weitläufigkeit des § 129 StGB.
Wir haben in Deutschland 24 Oberlandesgerichte und damit auch 24 Generalstaatsanwaltschaften. Dass irgendwann die konservativsten dieser Behörden das volle Spektrum des juristisch Vertretbaren ausschöpfen, kann nicht verwundern.
Meines Erachtens muss der § 129 StGB generell reformiert werden, die Voraussetzungen müssen deutlich angehoben werden. Gleichzeitig ist der „Letzten Generation“ zu raten, von schwereren Straftaten wie Sabotageaktionen Abstand zu nehmen, um den Behörden keine Angriffspunkte zu bieten. Organisatorische und Personelle Trennung ist hier das Zauberwort, die letzte Generation muss intern klar kommunizieren, dass Straftaten, die über das für die gesamte Organisation vertretbare hinausgehen, nicht erwünscht sind und auch nicht innerhalb der Organisationsstrukturen diskutiert und geplant werden dürfen. Tun sie das nicht, öffnen sie Tür und Tor für massive Repression.
Aber genau da liegt doch der Fehlschluss in der aktuellen (juristischen - und nicht gesellschaftlichen) Diskussion. Es ist weder notwendig, noch hinreichtend, dass jemandem Angst und Bange wird, dass eine bestimmte Gruppierung eben unter eine gewisse juristische Definition fällt.
Die Betrachtung der öffentlichen Diskussion zeigt, dass die meisten, die sich äußern, gar nicht genau wissen, was eine „kriminelle Vereinigung“ ist. Sie verbinden den Begriff vielmehr ganz allgemein mit „Organisierte Kriminalität“, Schwerverbrechen, Terrorismus usw.; die Bewertung oder Einordnung erfolgt dann nach Maßgabe moralisch-intuitiver Bewertungen. Das mag für eine allgemeine Moral-Diskussion ausreichen, sollte sich dann aber nicht mit rechtlichen Kategorien vermischen oder diese fehlerhaft verwenden.
Es ist daher notwendig, sich zunächst einmal klarzumachen, was eine „kriminelle Vereinigung“ im Sinn von § 129 StGB überhaupt objektiv ist.Bereits oben erwähnte Quelle
„Die heutigen Maßnahmen zeigen, dass der Rechtsstaat sich nicht auf der Nase herumtanzen lässt“, sagte Faeser der Funke-Mediengruppe
Derweil darf das SPD geführte Bauministerium und in besonders dreister Weise das FDP-geführte Verkehrsministerium mit dem Segen des Kanzlers Artikel 20A einfach ignorieren.
Ich halte das Vorgehen der Bayern auch für völlig übertrieben und wahl-taktisch motiviert. Erst recht, wenn man bedenkt, dass es in München bis vor kurzem kaum Aktionen gab, aber vor ein paar Tagen wohl wieder ein paar Aktionen angekündigt wurden:
Bayern (und damit die CSU) will hier wohl unbedingt Härte zeigen, obwohl die meisten Aktionen ja eigentlich in Berlin stattfinden und weitergehende Ermittlungen, wenn überhaupt, doch eigentlich eher von Berliner Behörden zu erwarten wären.
Was mich bei all dem aber am meisten stört, ist dass die CSU sehr genau weiß, wie ernst die Lage beim Klima ist. Aber aus reinem wahltaktischem Egoismus hauen sie jetzt juristisch massiv auf die Letzte Generation ein.
Ich frage mich bei solchen Verhalten ja immer, wie diese Leute das vor sich selbst rechtfertigen, was sie da so tun. Aber vielleicht werden ihre Kinder usw. sie mal irgendwann vor solche Fragen stellen.
Ich hätte da mal einen Tipp:
Macht doch mal die Gegenprobe. Nehmt ein Thema, bei dem ihr nicht auf der Linie mit potenziellen Aktivisten liegt und überlegt, wenn diese Aktivisten zu den gleichen Protestaktionen wie die LG greift:
Hypotetisches Beispiel: Mal angenommen eine Gruppe radikaler Friedensaktivisten klebt sich jede Woche ein oder zwei Tage an DB und BVG Züge im Großraum Berlin. Der gesamte Bahnverkehr wird dadurch blockiert. Ihre Forderung ist einfach: Sie wollen, dass die Bundesregierung ihren Einfluss geltend macht und sich für Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine einsetzt.
Würdet ihr das dann auch für einen legitimen Protest halten? Der Grund ist ja redlich und würde Menschenleben retten.
Oder würdet ihr auch gerne mal untersuchen, wer der Geldgeber dieser Gruppe ist, die offenbar versucht, mit gewaltfreien Aktionen, die an der Grenze zur Nötigung sind, dem Staat ihren Willen aufzuwingen?
Die freiheitlich-demokratische Grundordnung wird nicht durch friedliche Proteste gefährdet, die auf die Einhaltung völkerrechtlicher Verpflichtungen (Paris-Abkommen) und nationale Gesetze pochen.
Die Gefahr geht vielmehr aus von Menschen in Machpositionen, die eben diese Gesetze völlig konsequenzbefreit ignorieren, den Protest dämonisieren und durch staatliche Organe der Exekutive Repressalien erwirken.
Das ist gelinde gesagt an den Haaren herbei gezogen.
In den Zahlen von 1990 ist zu nicht unbedeutenden Teilen die DDR Industrie enthalten die Anfang der 90er dann abgewickelt wurde.
Da war nichts mit gleichzeitigem Wirtschaftswachstum.
Auja, das nächste Ahrtal leiten wir einfach um nach Brandenburg.
Der aus meiner Sicht beste Vergleich sind Bauernproteste, die mit Traktoren Verkehr aufhalten, oder Gelbwesten-Proteste, die mit LKW den Verkehr aufhalten.
Jetzt sind die letzten Proteste mit Traktoren in Deutschland ein paar Tage her. Ich kann mich gerade an keine Razzia erinnern. Verschärfend für die Bauern kommt hinzu, dass sie nicht mit dem bloßen Körper demonstrieren, sondern große, gefährliche Werkzeuge einsetzen: Traktoren.
Nachdem die Klimakrise und deren Auswirkungen heute nicht mehr zu leugnen ist, wird dieses Argument „Kipppunkte und ihre Auswirkungen sind gar nicht sicher“ aktuell vermehrt verwendet.
Während es in der Wissenschaft unstreitig ist, dass das Vorkommen und die Auswirkungen von Kipppunkten eine geringere wissenschaftliche Sicherheit hat als beispielsweise die mittel- und langfristige Temperaturerhöhung an sich, hat die geringere Sicherheit keinerlei Auswirkungen auf die Notwendigkeit, noch auf den Umfang von Klimaschutz:
Ich verstehe solche Beiträge daher als den Versuch, die Klimakrise zu relativieren, in dem der Diskursraum mittels Strohmannargumenten verschoben wird.
Rechtsextreme demonstrieren seit Jahren „friedlich“ für ihre Herzensthemen im Rahmen von Pegida- und Corona-Demonstrationen oder auch an Straßen wie der B96 in Sachsen. Dabei blockieren sie zwar normalerweise keinen Autoverkehr, begehen aber allenthalben Nötigungen durch das Zeigen von Reichskriegsflaggen und Eisernen Kreuzen, durch die Äußerung rassistischer Beleidigungen, durch die Verherrlichung des Nationalsozialismus oder Bedrohung von Journalisten und Kritikerinnen. Von Politiker:innen werden sie dafür zuweilen hofiert, von lokalen Unternehmern finanziell unterstützt.
Für andere Formen rechtsradikalen „Protestes“ wäre es ein großer Fortschritt, würde er sich friedlich äußern und den Verkehr lahmlegen, und nicht in Form von Morden und Brandanschlägen. Bei der Letzten Generation soll das Umfeld durch Kriminalisierung eingeschüchtert werden, beim NSU interessiert sich die Justiz nicht einmal für das engste Netzwerk der Mörderbande oder die Beschützer in den Behörden.
Eigentlich noch gar nicht so lange, aber die Bauern werden halt von der Polizei geschützt:
@Micha, mich hat Dein Argument tatsächlich sehr zum Nachdenken gebracht (auch wenn ich mich mit radikalen Friedensaktivisten derzeit wenig identifizieren kann).
Ich würde die bewusste Inkaufnahme von strafrechtlich relevanten Verstößen gegen die Rechtsordnung nicht als „Demokratie“ ansehen. Die Frage ist: Ist dies angesichts der Relevanz, der Wichtigkeit und der Dringlichkeit der Klimakrise vor dem Hintergrund der Zögerlichkeit der Politik gerechtfertigt?
Nur, weil in diesem Fall die Staatsanwaltschaft sich zum Vorwurf machen lassen muss, nicht, zu wenig oder zu spät gehandelt zu haben, kann das nicht bedeuten, dass sie in anderen Fällen nicht handeln darf. Das ist nicht das richtige Argument. Auch wenn ich die Verärgerung über dieses zweierlei Maß auf emotionaler Ebene sehr gut nachvollziehen kann. so wie das hier sehr gut formuliert wurde:
Wäre es nicht viel eher zweierlei Maß zu erwarten, dass die Behörden bei Hanau, NSU usw. aktiv werden, aber beim eigenen Anliegen nicht?
Ich persönlich erwarte von den Behörden in beiden Fällen Handeln mit gleichen Standards, völlig egal ob mir das Ergebnis im Einzelfall gefällt oder nicht. Denn Justitia ist blind.