Im Sinne der Datensparsamkeit stellt sich die Frage, warum überhaupt ein oder mehrere Attribute des Typs „Geschlecht“ erfasst werden sollten. Zwei offensichtliche Gründe wären (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
-
Schutz von Eizellen und Embryonen: Wie bspw. im Strahlenschutzgesetz geregelt, sind gebärfähige Frauen [steht so im Gesetz, könnte man aber durch „gebärfähige Personen“ ersetzen] besonders schutzwürdig. Die Information, ob eine Person gebärfähig ist (i.d.R. eine biologische Frau vor der Menopause), sollte bei Bedarf u.a. dem Arbeitgeber bekannt gemacht werden können.
-
Optimale medizinische Versorgung: Medizinische Therapien wirken u.U. verschieden auf biologische Frauen und Männer. Ein Arzt sollte daher das biologische Geschlecht seiner Patienten kennen. Vermutlich ist es recht leicht für einen Arzt, das biologische Geschlecht ad-hoc zu rekonstruieren. Nichtsdestotrotz wäre es sinnhaft, dass das genau einmal (korrekt) gemacht wird und dann im Melderegister hinterlegt wird. Insbesondere bei der Notaufnahme könnte die zusätzliche Zeit zur Geschlechtsbestimmung drastische Folgen haben. Des Weiteren sind diverse Krankheiten vorrangig an das biologische Geschlecht geknüpft. Es ergibt Sinn, wenn eine Krankenkasse aus finanziellen Überlegungen nur biologischen Frauen Werbung für ein Brustkrebs-Screening zukommen lässt. Dafür muss der Krankenkasse aber das biologische Geschlecht seiner Versicherten vorliegen.
Drei weitere mögliche Gründe für einen Geschlechtseintrag:
-
Geschlechtsspezifische Räume: Es ist überlegenswert, ob der Zugang zu bzw. die Unterbringung in besonderen geschlechtsspezifische Räumen (z.B. öffentliche Toiletten, Justizvollzugsanstalten) zukünftig nicht mehr an das biologische oder soziale Geschlecht geknüpft wird, sondern an das phänomenologische Geschlecht, d.h. insbesondere an das primäre Geschlechtsorgan. Allerdings sehe ich keine Notwendigkeit, das im Melderegister zu vermerken (es kann bei Bedarf nachträglich oder vorsorglich durch einen Amtsarzt ermittelt werden).
-
Wehrpflicht: Falls die geschlechtspezifische Wehrpflicht wieder aktiviert wird, müssten alle Personen gemustert werden, statt nur die angeforderten (i.d.R. phänomenologische Männer).
-
Internationale Anforderungen an die Personenfreizügigkeit: Ich könnte mir vorstellen, dass diverse Staaten nur solchen Personen die Einreise erlauben, in deren Reisedokumenten eine nachvollziehbare Geschlechtszuordnung dokumentiert ist.
Mein Fazit: Es sollte auf jeden Fall (mindestens) das biologische Geschlecht im Melderegister hinterlegt sein. Zusätzlich könnte auch noch das phänomenologische und das soziale Geschlecht aufgenommen werden. Siehe auch FAZ Einspruch, Boris Schinkels: „Geschlecht und Genderidentität sind nicht funktional vergleichbar“.