LdN 334: Grüner „Filz“ im BMWK, Causa Graichen/Trauzeuge/DENA etc

Das Kuriose ist ja, dass im Prinzip alles seit mindestens 2021 bekannt war, die Taz hatte damals einen Artikel zu Thema geschrieben.
„Damit aber bei Graichen/Kellner aus der Schwäger- keine Vetternwirtschaft wird, macht das Ministerium die Wahlverwandschaften im Amt gleich öffentlich. Außerdem werde „selbstverständlich sichergestellt, dass keine Interessenkonflikte bei der Vergabe von Studien oder Aufträgen entstehen“, heißt es. Die „hierfür notwendigen Schritte und Strukturen“ würden „rechtssicher eingerichtet und umgesetzt“.“
(Link weiter oben anscheinend schon erwähnt)

Es bleibt beim Eindruck, dass manche dieses Vorfällchen allein schon deswegen aufplustern wollen, um es so aussehen zu lassen als seien die Grünen auch nicht besser als andere, würden zu Unrecht auf einem hohen Ross sitzen und sollten in Zukunft die Verfehlungen Anderer (von denen es ja etliche, viel, viel schwerwiegendere gibt) nicht weiter kritisieren dürfen

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Man stelle sich vor, ein Politiker würde eine Redakteurin daten und jemand aus dem Vorstand dieses Konzerns würde an seine Angestellten schreiben, man möge jene Partei bitte nach oben schreiben.
Oder man stelle sich vor, der Vorsitz eines staatsnahen Unternehmens, zum Beispiel der Sparkasse, würde mit einem ehemaligen Finanzminister besetzt.
Würde so was auch darunter fallen?

Das ist natürlich richtig und dennoch zeichnet sich ein Muster ab.

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Das einzig gute daran ist, dass man sich jetzt hoffentlich wieder auf die Sacharbeit und die Wärmewende konzentrieren kann.

Edit:
Macht die Union natürlich nicht:

Zitat:

Wie die Vorwürfe gegen Graichen mit der GEG-Reform zusammenhängen, führten weder Linnemann noch Liese näher aus.

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Jede compliance-Schulung würde nahelegen:

  • Besorgnis der Befangenheit bei der Auswahl von Personen offenzulegen - und sich dann ggfs. zurück zu ziehen (n diesem Fall)
  • und keine Aufträge an Verwandte zu vergeben.

Whataboutism macht’s nicht besser…

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Du hast wohl recht.
Als ich noch Beamtin war, habe ich auch nur den kleinsten Hauch von Vorteilsnahme-Anschein vermieden. Noch nicht einmal einen Kugelschreiber hätte ich angenommen.
Eigentlich darf man das von allen Personen in öffentlichen Ämtern erwarten.
Wahrscheinlich verlieren die Leute auf dem Weg nach oben das Gefühl für unangemessenes Verhalten.

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Könnte das nicht genau das Ziel der Union gewesen sein? Solche Kampagnen kommen doch immer wenn man unliebsame Politiker wegräumen will/muss.

Wenn jemand mal den Mut hat Änderungen anzugehen, dann wird so lange gesucht bis ich die Person öffentlich diskreditiere. Bei dem Chef vom BSI wurde das doch auch versucht, die Vorwürfe sind nun als vollkommen haltlos zurückgewiesen worden.

Ich bin da ambivalent. Möglicherweise hast du recht.

Andererseits habe ich in der Wissenschaft (öffentliche Institute und Universitäten) erlebt, dass solche Dinge wie in der Graichen-Causa völlig normal sind.

Ich habe erlebt wie Stellen jobsuchenden Familienmitgliedern von Institutsangehörigen zugeschustert wurden (oder falls der Lehrstuhlinhaber sich anders entscheidet, ist das Kollegium entsetzt). Forschungsstellen werden teils (/oft) nicht nach Fähigkeiten verlängert oder vergeben, sondern nach Sympathie oder persönlichen Beziehungen.

Ein Freund bewarb sich im Post-Doc auf Professoren-Stellen. Sein Track-Record machte ihn zum top Kandidaten. Unter der Hand beim Konferenz-Bier wurde er hingegen zur Seite genommen und darüber informiert, dass man die Stelle einem anderen Kandidaten geben werde, da ein Kommisionsmitglied mit diesem vor Jahren bereits zusammen gearbeitet hätte und ihn gut kenne. Tatsächlich flog mein Freund in der Endrunde raus, der angekündigte Wunschkandidat bekam die Stelle.

Auch bei der Vergabe von Forschungsgeldern habe ich mehrfach mitbekommen, dass ein gutes Netzwerk weit wichtiger ist als die Qualität der wissenschaftlichen Arbeit. Da wurden Professoren als (Erst-)Autor in Fachartikel oder in Projektanträge geschrieben, obwohl diese keinen Handschlag daran getan haben. Das war nötig, da man wusste, dass deren Namen die positive Begutachtung zum Selbstläufer macht. Nicht weil die Gutachter von dessen Genialität im Fachbereich überzeugt waren, sondern weil man sich einfach sehr gut kennt.

Andere Forscher, die sehr gute Arbeit und tolle Veröffentlichungen ablieferten, aber sozial schwierig sind, mussten hingegen stets um die Finanzierung ihrer Arbeitsgruppe kämpfen, geschweige denn um eine eigene Verlängerung ihrer Post-Doc-Stellen, zittern.

Daher verwundert mich der Fall Graichen wenig. Ich denke, ein signifikanter Teil der Finanzierung und Stellenbesetzungen der öffentlichen Forschung läuft über persönliche Beziehungen. Und eigentlich wissen wir das doch alle.

Genau diesen Mechanismus sehen wir nun eben im Fall von Graichen. Ich fürchte, wenn der Fall Graichen nun der Maßstab ist, dann müssten wir auch viele Wissenschaftseinrichtungen neu besetzen.

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Du beschreibst auch so etwas wie einen Widerspruch in sich. Angemessen wäre es sich über den Kugelschreiber zu freuen und den Schenkenden weiterhin objektiv zu behandeln. Weil es Fälle wie gerade in der Ukraine gibt, wird bei uns Jagd auf die Kugelschreiber gemacht. Der Fall Graichen ist rein politisch motiviert. Niemand sonst käme auf die Idee Topleute gegen 2. Klasse einzutauschen.
Beziehungen sind essenziell für eine gute Zusammenarbeit. Das hat mit Korruption erstmal nichts zu tun

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Nur weil Nepotismus und Korruption so alt wie die Menschheit ist und sowohl in Wirtschaft als auch in Verwaltung regelmäßig passiert, heißt es nicht, dass es einfach so hingenommen werden darf.
Graichen wollte sicherstellen, dass sein best man einen 200k Jahresgehalt Job bekommt. Der Fall ist schon etwas größer als ein Kugelschreiber und seine Entlassung daher die logische Konsequenz.

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Wir alle wissen nicht, ob Graichen seinem Trauzeugen (und mutmaßlich guten Freund) einen guten Job zuschanzen wollte, oder ob er einfach einen sehr guten Mann für den Job haben wollte, dem er vertrauen konnte und der halt zufällig auch sein Trauzeuge ist und er im Stress der Abwendung der Energiekrise einfach übersehen hat, dies transparent zu machen. Beides ist möglich und auch der zweite Fall ist ein schwerer Fehler.

Hier solche völlig unbelegten Behauptungen rauszuposaunen hat - sorry- Stammtischniveau. Wir schulden es allen Mitlesern hier im Forum, so etwas zu unterlassen. Beiträge in diesem Forum sollen die anderen weiterbringen, zum Denken anregen oder neue, faktenbasierte Informationen einbringen.

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Ich finde du gehst hier viel zu nachsichtig mit diesem schweren Fehler um. Fakt ist, er hatte zig Gelegenheiten mitzuteilen, dass es eine mögliche Befangenheit gibt und hat dies nicht getan. Unwissenheit kann ich mir da beim besten Willen nicht vorstellen. Hinzu kommt die Auftragsvergabe an seine Schwester, was auch schon sehr intransparent ablief. Er hat nun mal erst gezuckt, als es raus war.

Edit: Würdest du bei der Union so zurückhaltend mit deiner Kritik sein?

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Danke @pitus, ich kann alles, was Du über den Wissenschaftsbetrieb schreibst, nur zu 100% unterstützen. Ich spreche da immer vom „letzten Hort des Feudalismus“ in Deutschland und bin froh, dass ich da raus bin und jetzt einen Job habe, bei dem es draum geht, was ich mache und nicht wen ich kenne.

Aber die Konsequenz muss doch sein, diesen Sumpf (der übrigens dann auch so Phänomene wie die kopierte Diss einer Bürgermeisterin hervorbringt) trockenzulegen und nicht zu sagen: es gibt eh überall Schmu, also schaffen wir Compliace jetzt auf offiziell ab.

Sprich: Ja, Graichen sollte der Maßstab sein und ja, die Finanzierung von Forschung und Lehre sollte grundlegend umstrukturiert werden!

Mir ging es hier lediglich darum, dass in diesem Forum keine unbelebteren Unterstellungen (falsches Framing, Fake) verbreitet werden, die keiner belegen kann und die ausschließlich den Zweck haben, jemanden in Misskredit zu bringen. Eigentlich hätten wir diesen Beitrag gar nicht freigeben dürfen (ist uns wohl durchgerutscht).

Es ging überhaupt nicht darum, wie ich selbst zu diesem Vorfall stehe (darüber habe ich in anderen Beiträgen hier im Thread geschrieben).

P.S. Hast du …

… beflissentlich überlesen?

Ich würde mir die Fakten anschauen und auf deren Basis bewerten. Meine Bewertung würde z.B. im Fall der PKW-Maut (Scheuer, vorhersehbarer Schaden, Höhe: 750 Mio. EUR), hohe Provisionen aus Masken-Deals (von Unions-Bundes- und -Landtagsabgeordneten) und Beschäftigung von Ehefrauen (CSU-Landstagsabgeordnete) - allesamt nicht zurückgetreten - sicher sehr viel deutlicher ausfallen. Dagegen ist das Fehlen einer Transparenz bezüglich eines möglichen Verdachts der Vetternwirtschaft (für letzteres gibt es keinerlei Beleg) weitaus niedriger einzuordnen

Dieses „Im Unrecht gibt‘s keine Gleichheit“-Narrativ kann ich nicht nachvollziehen: Nicht ohne Grund gibt es im Strafrecht nicht eine einzige Standard-Strafe, sondern es wird natürlich nach der Schwere der Tat differenziert.

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Ich kenne mich in der „freien Wirtschaft“ nicht so gut aus, aber ich dachte immer der Grundgedanke der Compliance ist, so transparent vorzugehen, dass man schon den Verdacht von Korruption, Einflussnahme, Vetternwirtschaft usw. vermeidet. Insofern ist ein Verstoß gegen dieses Transparenzgebot nicht nur eine Unachtsamkeit. Natürlich wiegt er weniger schwer als etwa eine nachgewiesene Vorteilsnahme - aber daher sollte eine gute Compliance-Policy m. E. auch immer ein Set unterschiedlicher und angemessener Sanktionen beinhalten. Und wenn es unter einer Aufgabe der jeweiligen Position nichts angemessenes gibt, ist das halt so.

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Das ist kein „Narrativ“, sondern ein Rechtsprinzip. Ich mache das mal an einem Beispiel deutlich: Wenn in einem 1-Euro-Shop einen Artikel klaue, dabei erwischt und dafür bestraft werde, kann ich mich nicht damit rausreden, dass der Chef einer Bande, die systematisch Autos im Wert von über 50.000 Euro klaut, vielleicht gefasst, aber nicht verurteilt wurde (aus was für Gründen auch immer, sagen wir alle wissen, dass er es war, aber es ist nicht gerichtsfest nachweisbar). Da käme auch niemand auf die Idee zu sagen, dass beide Diebstähle gleich schwer wiegen.

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Bitte auch meine Beiträge in Gänze lesen und bewerten:

Ich würde darum bitten, Beiträge anderer nicht immer nur als Kritik oder Widerspruch, sondern auch mal als Ergänzung zu verstehen :wink:

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Es geht doch hier darum, ob aus einem Fehlverhalten eine angemessene Konsequenz gezogen wird.

  • Im Fall des Trauzeugen-von-Graichen-Fall ein Disziplinarverfahren (was Habeck angestoßen hatte) oder ein Rücktritt (was Union und auch Teile der FDP gefordert hatten)
  • im Fall von Scheuer: nix! Bundeskanzlerin Merkel bzw. CSU-Parteichef haben auf eine Entlassung verzichtet, obwohl die „Beweislage“ klar war
  • im Falle von Maskendeals haben gewählte Abgeordnete der Union selbst finanziell in ganz erheblichem Umfang profitiert, als das BGM von von ihnen vermittelten Firmen Masken gekauft hatte. Auch hier war die Beweislage klar - die Abgeordneten haben das ja zugegeben. Unter skrupellosen Ausnutzung einer wirklich beklemmenden Lage in der Pandemie. Die jeweilige Unions-Fraktion hat entscheiden, keinerlei Konsequenzen (wie z.B. einen Fraktionsausschluss) zu ziehen.

Insofern ist es völlig unausgewogen, dass der für die Energie- und Wärmewende so wichtige Staatssekretär seinen Hut nehmen muss. Oder nicht?

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Ich glaube wir reden etwas aneinander vorbei. Um beim Beispiel von eben zu bleiben: Natürlich sollte systematischer Autodiebstahl härter bestraft werden als der einmalige Diebstahl eines 1-Euro-Artikels. In diesem Sinne hätte ich mir gewünscht, dass Scheuer & die Maskendealer nicht nur ihre Ämter verlieren, sondern auch strafrechtlich belangt werden. Aber wenn das nicht passiert, kann das kein Argument dafür sein, geringere Vergehen nicht zu ahnden. Und ob es nun ein Rücktritt sein musst oder ob es disziplinarrechtliche Schritte gereicht hätten, hängt m. E. eher von der Dynamik des öffentlichen Skandals und dem Ermessen und den politisch-strategischen Entscheidungen im Ministerium ab.

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