Ich glaube, ganz banal, die Politikverdrossenheit kommt auch daher, das die Wähler/innen nicht mehr das Gefühl haben, das es der Masse der Politiker/innen um das grosse Ganze geht. Also um Deutschland und seine Menschen, um ein besseres Leben in der Welt, sondern primär um persönliche Eitelkeiten und Vorteilsnahme. Das dabei nicht immer die Warheit gesagt wird, Fakten verdrehr, Dinge verschwiegen werden, ist ein erwarteter Nebeneffekt.
Es fehlen viefach auch die Persönlichkeiten denen man Vertrauen entgegenbringen möchte.
Ein Ergebnis der lange propagierten Ich-Gesellschaft, in der nur der Erfolg zählt?
Ich glaube da schieben wir zu viel Verantwortung auf die Politiker. Persönliche Eitelkeit oder Vorteilnahme ist sicher in Einzelfällen gegeben. Aber wenn man sich typische Karrierewege in der Politik anschaut, dann bin ich schon davon überzeugt, dass wir genügend Politiker haben, denen es ums große Ganze geht.
Wie jede Institution haben allerdings auch Parteien eine Bestrebung zur Selbsterhaltung, was oft leider dazu führt, dass sie stärker gesellschaftlichen Stimmungen hinterher laufen als gute Konzepte zu entwickeln.
Der Grund für den Erfolg von Populismus ist daher m.E. vor allem, dass er vom Wähler belohnt wird. Das können wir aber einfach ändern, indem wir einem Vorstoß z.B. von Robert Habeck der ganz klar seine Ziele beim Ausbau erneuerbarer quantifiziert und messbar offen legt, entsprechenden Respekt zollen und diejenigen, die sich mit vagen Aussagen aus der Affäre ziehen wollen, entsprechend abstrafen.
Wenn dann am Ende abgerechnet wird, sieht natürlich auf den ersten Blick derjenige schlechter aus, dessen Misserfolg transparent und messbar ist, als derjenige, der seinen Misserfolg aufgrund vager Aussagen wegdiskutieren kann. Gerade hier reagieren Journalisten und Wähler m.E. maximal unfair.
Politiker sollen ja Volksvertreter sein bzw sind es ja. Also sollen den Wählerwillen politisch vertreten.
Dieser Wählerwille ist allerdings nicht einfach zu erfassen, oft sogar ambivalent. Also beruht das Handeln der politik zwangsläufig oft auf einer Interpretation des Wählerwillens. Da kann man auch mal daneben liegen, völlig normal und menschlich.
Die AfD hat es da vielleicht einfacher, deten Wählerschaft äussert ihren willen klar und einfach.
Die grossen Parteien sind da etwas in der Zwickmühle bei der Vielfalt an Interessen, die sie abdecken wollen.
Das die Masse schon ihren Job gut macht, denke ich auch. Mehr Offenheit und Kommunikationsmanagement wäre fein, zudem mehr auf Augehöhe, soweit möglich. Das würde schon helfen
Warum wird die Bezeichnung „Ideologie“ immer den Grünen zugeordnet? Persönlich finde ich andere Parteien viel ideologischer, allen voran die FDP.
Gerade die Grünen haben in Regierungsverantwortung mehr als einmal gezeigt, dass sie nicht um jeden Preis an ihren Überzeugungen festhalten. Ich empfinde sie als weitaus pragmatischer als alle anderen.
Mein Punkt ist ja gerade, dass „Ideologie“ kein spezifisches Problem einzelner Parteien, sondern ein Parteiübergreifendes ist.
Pragmatischer ja:
Weitaus nein. Die Grünen müssen sich in Themen wie Homöopathie und grüner Gentechnik dringend bewegen. Das wird auch dadurch nicht besser, dass sich die FDP in anderen Bereichen dringender bewegen muss
Politikverdrossenheit kommt auch daher, dass man sich nicht mehr von irgendeiner Partei vertreten fühlt oder verraten fühlt. Weder Grüne, noch SPD fordern wirklich vehement sozialen Ausgleich, obwohl sie damit sehr aktiv auf Stimmenfang gegangen sind. Stattdessen werden die Fördertöpfe für Förderungen genutzt, die vor allem Vermögende abgreifen können. Nur Hubertus Heil hat letztes Jahr nochmal ein einkommensabhängiges Klimageld gefordert, was absolut richtig wäre im Moment. Und ja, das Problem liegt bei Lindners Unfähigkeit im Moment, aber wo sind denn die Stimmen von SPD und Grünen, die immer wieder Druck machen? Das macht die kleine FDP be Ihren Themen schon besser. Das sagt mir nur, dass ich meine nächste Wahlentscheidung überdenken muss, da die Grünen und die SPD beide eben keinerlei Interesse haben irgendwas mit echtem sozialem Ausgleich zu fördern. Man würde hiermit übrigens, wie in der Lage erwähnt, auch Menschen auf seine Seite ziehen und mehr Zustimmung für Maßnahmen ernten. Jetzt haut man nur Maßnahmen und Forderungen nach Maßnahmen raus und verunsichert so sogar ohne die Populisten viele Menschen. Wenn man aber mal Geld aus Maßnahmen wie der CO2 Bepreisung verteilen würde, käme das ganze anders rüber.
Ein starker sozialer Ausgleich würde m.E. sowohl von wissenschaftlicher Seite als auch von der Bevölkerung Rückendeckung bekommen. Dass SPD und Grüne hier zurückhaltend sind kann ich mir nur dadurch erklären, dass sie befürchten, die FDP würde andernfalls die Koalition sprengen.
Sorry, Markus, aber diese beiden Themen spielen in der öffentlichen politischen Diskussion der letzten 2 Jahren so gut wie überhaupt keine Rolle und sind m.E. in der Partei „durch“:
Google mal „Wie steht die Partei „Die Grünen“ zur Gentechnik?“: Die Top-Treffer sind aus den Jahren 20 und 21.
Und Homöopathie betraf eine grüne Kernwählerschaft v.a. in BaWü - das Thema ist seit dem Parteitag 2020 faktisch abgeräumt und die Parteispitze im Bund und in vielen Landesverbänden haben sich klar distanziert.
Ich würde sehr gerne noch einmal auf die Frage zurückkommen, was die systemischen Ursachen des populistischen Verhaltens sind, wegen dem dieser Thread gestartet wurde: Falsches Framing und offen Lügen über wissenschaftliche oder technische Fakten, mit denen Teil der Wählerschaft verunsichert und auf die eigene Seite gezogen werden sollen.
Beispiel:
- Framing „Heizungsvorbotsgesetz“,
- Insinuieren: „Mit Wärmepumpen wird es in viele Wohnungen im tiefen Winter kalt“ / „Wegen der Grünen werdet Ihr im Winter frieren“
- Insinuieren: „Für Wärmepumpen muss man große Teile der Bestandsimmobilien kostspielig sanieren“ / „Die Grünen sorgen für die Verarmung der Immobilienbesitzer“ / „Enteignung“
Was für mich als Grund das Ganze nicht besser macht. Da muss ich meine Wahlentscheidung sehr überdenken. Gerade die Grünen haben sehr auf dieses Thema gepocht und damit Stimmenfang betrieben. Nun entwickelt sich das Gefühl, dass es den grünen reicht, ihre gut bürgerliche Klientel zu versorgen. Bei der SPD sind die jungen Wilden und Kühnert auch eine Enttäuschung. Da kommt halt auch zu wenig, wobei dort zumindest intelligente Dinge wie die einkommenssteuerpflichtigen Zahlungen kamen. Aber beiden werde ich Stand jetzt ehr nicht mehr meine Stimme geben, dann gehe ich er zu einer Kleinstpartei.
Offensichtlich nicht, denn wir haben nach wie vor ein Homöopathie-Gesetz und keine eine Neuregelung Gentechnikscher Verfahren in der Zulassung neuer Pflanzenarten. Und ich habe auch noch nicht vernommen, dass die Grünen sich geeinigt hätten, das zu ändern. Zu letzterem Thema gab es in den letzten 2 Jahren durchaus vermehrt Beiträge in den öffentlich rechtlichen Wissenschaftskanälen - Terra X, Quarks, Maithink-X, gerade weil offensichtlich die öffentliche Wahrnehmung gestärkt werden sollte. Dass Formate wie die Lage das Thema bisher nicht interessiert ist schade, aber ist halt so.
Ja, stimmt, damit hast Du sicherlich recht.
Lauterbach hat angekündigt, das ändern zu wollen, die FDP hat Zustimmung signalisiert. Wie die Grünen „offiziell“ dazu stehen, dazu habe ich nichts gefunden.
Allerdings fürchtet v.a. der Landesverband BaWü um einen nicht unerheblichen Teil seiner Wählerschaft (warum dieser Irrglauben da unten immer so weitverbreitet ist, habe ich nie verstanden).
Zum Thema Gentechnik habe ich nichts gefunden. Allerdings stecke ich in dem Thema auch nicht tief drin.
Die beiden Themen unterscheiden sich im Hinblick auf die Wissenschaftlichkeit / Evidenzbasiertheit wie folgt:
- Bei Homöopathie müsste der Nutzen nachgewiesen werden. Das kann Wissenschaft nicht. Daher gibt es keinerlei Grund für eine wie auch immer geartete Förderung / Erstattungsfähigkeit.
- Bei der Gentechnik muss die Wissenschaft mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ausschließen, dass sie keinen Schaden anrichtet. Dieses Problem gilt für alles, bei dem man begründete Zweifel haben kann, dass es einen nicht unerheblichen Schaden anrichten könnte. Atomkraft ist solch ein Fall. Aktuell auch Künstliche Intelligenz. Das ist m.W. schwer bis unmöglich (und war nicht wg. den Technologien an sich, sondern gilt das nach meinem Verständnis prinzipbedingt für wissenschaftliche Nachweise; wie lange hat die Wissenschaft z.B. gebraucht, um Zweifel an der Schädlichkeit von Mobilfunkstrahlen ausräumen zu können?). Bei allen diesen Dingen ist es zumindest theoretisch begründet denkbar, dass diese Technologie einen ganz erheblichen Schaden anrichten können. Und das man die Sache nicht mehr „zurück in die Tube“ kommt, wenn man der Technik freien Lauf lässt. [Ähnliches gilt übrigens für die aktuell hier im Forum diskutierte Wahrscheinlichkeit, dass das Erreichen bestimmter Kipppunkte die Klimakrise unabwendbar erheblich beschleunigen könnte.]. Ist es dann unwissenschaftlich oder gar wissenschaftsfeindlich, solchen Technologie zunächst einmal mit einer gesunden Skepsis zu begegnen?
Ich fände es auch gut, mal wieder auf das Hauptthema des Threads zurückzukommen. Ich denke, dass es unterschiedliche Ursachen für Populismus gibt. Als eine zentrale Ursache kann eine hier ja z.T. schon erwähnte Entfremdung angesehen werden. Das hat Colin Crouch in seinem Buch Postdemokratie m. E. sehr treffend beschrieben. ChatGPT fasst den Inhalt so zusammen:
Die Hauptthese von Colin Crouchs Buch „Postdemokratie“ ist, dass die westlichen Demokratien sich in den letzten Jahrzehnten von einer „partizipativen Demokratie“ zu einer „postdemokratischen“ Gesellschaft entwickelt haben. Crouch argumentiert, dass politische Entscheidungen zunehmend von Experten und Eliten getroffen werden, die weitgehend unabhängig von öffentlicher Kontrolle und Beteiligung agieren. In der Postdemokratie hat die politische Elite mehr Macht und Einfluss als die Bürger, und die politischen Institutionen haben ihre Verantwortung an private Unternehmen und supranationale Organisationen abgegeben. Crouch behauptet, dass diese Entwicklung zu einem Demokratiedefizit führt, da die Bürger immer weniger Einfluss auf politische Entscheidungen haben und sich immer mehr von der politischen Klasse entfremden.
- Fortsetzung folgt -
- Teil 2 -
Dabei geht Crouch auch auf die Rolle des Populismus ein - ich übergebe wieder an die Maschine:
Crouch beschreibt Populismus als eine politische Strategie, die darauf abzielt, die öffentliche Meinung durch Vereinfachung von Themen und die Schaffung einer emotionalen Verbindung mit der Bevölkerung zu manipulieren. Crouch argumentiert, dass Populismus ein Symptom der Postdemokratie ist, da es in einer politischen Landschaft, in der Bürger sich von der politischen Klasse entfremdet fühlen, leichter ist, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Populistische Führer versprechen oft einfache Lösungen für komplexe Probleme und schüren Ängste und Unsicherheit, um Unterstützung zu gewinnen.
Crouch betont jedoch auch, dass Populismus nicht die Ursache, sondern vielmehr ein Symptom der Postdemokratie ist. Er argumentiert, dass eine Rückkehr zur partizipativen Demokratie und zur Stärkung der öffentlichen Kontrolle über politische Entscheidungen notwendig ist, um den Einfluss des Populismus und anderer politischer Manipulationen zu reduzieren.
Ich würde noch hinzufügen, dass eine Bedingung (wenn vielleicht auch nicht Ursache) für Populismus auch eine mediale Öffentlichkeit ist, die sehr stark mit Meinungen und Emotionen arbeitet. Und das möchte ich nicht als einseitige Manipulation verstanden wissen. Die Medienkonsument:innen verhalten sich ja auch entsprechend. So ist etwa die Nachfrage nach Beiträgen, in denen kurzfristige Emotionen mobilisiert werden, besonders hoch (sei es nun das Entsetzen über eine Flutkatastrophe, die Aufregung vor einer Wahl oder die Empörung über den jeweiligen politischen Gegner). Also versuchen die Medien dies zu bedienen und ein Thema, das „viel geklickt“ wurde, weiter auszunutzen. Und ebenso wie Politiker:innen häufig nur an den eigenen Posten oder die nächste Wahl zu denken scheinen, scheint es vielen Medien häufig eher um die Klickzahlen bzw. Quoten zu gehen. Das sage ich nicht, um „der Politik“ oder „den Medien“ die alleinige Schuld zu geben, sondern als Beschreibung eines Systems, an dem wir alle mitwirken.
Ich versuche es mal ganz kurz auf den Punkt zu bringen, damit mehr Platz für das Hauptthema des Threads ist.
Haupt-Streitpunkt bei der Gentechnik Debatte ist, ob eine durch Züchtung entstandene Pflanzenart gegenüber einer Pflanzenart mit identischem Erbgut (!), die mit der Genschere erzeugt wurde, eine andere Gefahr für ihre Umwelt darstellt. Hierzu gibt es seit Jahren einen gut dokumentierten wissenschaftlichen Konsens, den in Frage zu stellen ich in der Tat als Wissenschafts-Skepsis bezeichnen würde. Für weitere Diskussionen gibt es ja den entsprechenden Thread:
Aber liegt das alleinig in der Verantwortung der Grünen?
Wer ist denn Gesundheitsminister?
Und wer hat das Gesetz damals eingeführt?
Siehe dazu dieses interessante Experiment.
Die Vorschläge, die nach dem ersten Teil von Menschen eingingen sind wirklich außerordentlich interessant und vor allem konstruktiv.
Hallo beelar,
Ich teile Deine Einschätzung was die Entwicklung der Beiträge betrifft. Ich bin seit Anbeginn regelmäßiger Hörer und sehe da mittlerweile auch Tendenzen zu einer stärkeren Betonung der eigenen politischen Präferenzen. Den Vergleich mit Brandts Ostpolitik fand ich auch recht eigenwillig. Ich werde dennoch die Lage weiter hören, da es kaum ein Format gibt, das -zumindest vor der Einordnung in das eigene politische Weltbild - die relevanten Fakten zuverlässig zusammenträgt.
Da haben Lindner, Merz und Söder aber kein Patent drauf.
Mit geschickt eingepflanzten Märchenvorstellungen und massenhafter Minderinformiertheit ist Olaf Scholz Kanzler geworden (Stichworte: Sichere Rente, 400.000 neue Wohnungen p.a.)