LdN 330 - Interview mit Ronen Steinke - Klassenjustiz?

Mich beschäftigt vor allem eine Frage.
So wurde gesagt, dass man sich das Geld (die Strafe) ja von jemand anderem erstatten lassen könne.
Das ist nach meinem Verständnis dann eine Schenkung und dementsprechend würde bei hohen Strafen Schenkungsteuer anfallen?
Wer das über crowdfunding macht, ist natürlich fein raus.
Aber im Falle des VW-Chefs (ich nehme an Winterkorn) hat das ja sein Unternehmen gemacht. Da muss er ja dann dementsprechend zumindest um die 30% nochmal draufgezahlt haben, wenn es als Lohn gesehen wurde, evtl. sogar noch mehr.

Oder greift hier das überwiegende betriebliche Interesse? Das wäre dann schon zu hinterfragen, ob das dem Sinn einer Bestrafung dann nicht zuwider läuft.

Ich habe das Buch nicht gelesen, aber was das Interview angeht finde ich nicht, dass Steinke den Eindruck erweckt hat, dass die Justiz verantwortlich für die Gesetze ist, die sie umsetzt.

Und ja, er hat eine Grundsatzkritik formuliert, und zwar eine grundsätzliche Kritik an der Blindheit der Gesellschaft (bzw. der sozialen Gruppen, die in staatlichen Institutionen und Medien vorwiegend agieren) gegenüber bestimmten sozialen Lagen und dem damit verbundenen „Klassencharakter“ der Justiz sowie an dem eklatanten Widerspruch, in dem dieder zur im Grundgesetz verbrieften Gleichheit vor dem Gesetz steht.
Steinke hat aber meines Wissens nie behauptet, dass es diese Probleme nur in der Justiz gibt oder dass die Justiz allein für dieses gesellschaftliche Verhältnis zu Armut verantwortlich wäre.
Daher würde ich mir eher noch mehr ähnliche Analysen sozialer Ungleichheit in anderen Bereichen der Gesellschaft wünschen (z. B. Bildung, politische Partizipation oder Gesundheit).

Es wäre auf jeden Fall schon mal gut, Fahren ohne Fahrschein würde auf eine Ebene mit Falschparken gestellt, ersteres ist eine Straftat, letzteres eine Ordnungswidrigkeit, bei dem dann die Verkehrsbetriebe selbst einen zivilrechtlichen Prozess anstrengen müssten.

Bei Straftaten bzw. einem Offizialdelikt muss meinem Verständnis nach die Staatsanwaltschaft selbstständig anklagen. Auch ob der Diebstahl eines Apfels vom Baum nun gesellschaftlich wirklich „schlimmer“ ist, als das Zuparken eines Behindertenparkplatzes ist für mich fragwürdig. Mit Steuerhinterziehung will ich hier gar nicht anfangen.

Die Beispiele sind kein Problem der Justiz sondern solche des Gesetzgebers. Vermutlich sollte es nicht Klassenjustiz sondern Klassenlegislatur heißen.

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Hinter der Grundsatzkritik stehe ich auch total, aber ich finde schon, dass der Kontext nicht klar wird. Ich finde auch super, dass überhaupt das Thema mal auf den Tisch kommt.
Zum Thema rechtliches Gehör bei Vollstreckung der Ersatzhaft wird ja z.B. schon gestritten, aber nur im Fachkontext (RiBvferG Radtke sieht sie z.b. auch als notwendig an). In der Hinsicht ist das Buch natürlich sehr wertvoll!

Vielleicht ist das auch zu sehr mein persönlicher Eindruck, dass hier zu sehr versucht wird, der Justiz als gesellschaftlichem Teilbereich ein gesamtgesellschaftliches Problem in die Schuhe zu schieben.

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Genau.
Außerdem bitte Autos, die Fußgänger und Radfahrer durch Falschparken behindern, direkt abschleppen. Die Ordnungswidrigkeitsstrafe für solche Leute ist viel zu gering. Das ist kein Kavaliersdelikt.
Und hier sieht man auch wieder ein Ungleichgewicht: Menschen, die sich gar kein Auto leisten können, werden für vergleichbare „Taten“ viel, viel härter bestraft. Das ist kein Zufall, denke ich.

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Das ist etwas durcheinander. Die Ahndung der Owi obliegt der Verfolgungsbehörde und es gilt das „Opportunitätsprinzip“, § 47 OwiG. Die Behörde entscheidet also anders als im Strafverfahren (dort „Legalitätsprinzip“) nach Ermessen. Man kann aber auch im Rahmen des Owi-Verfahren in Erzwingungshaft, § 96 OwiG. Die Abstufung des „Schwarzfahrens“ zur Owi bringt also in der Hinsicht nicht so viel.

Mit den zivilrechtlichen Ansprüchen der jeweils Geschädigten hat das alles aber nicht zu tun.

Nein, das ist schlicht nicht der Fall.
Jeder Beschuldigte wird von der Polizei vorgeladen, aber der Vorladung zu Folgen ist weder gesetzlich vorgeschrieben, noch i.d.R. empfehlenswert. Allenfalls, wenn die Person auf frischer Tat ertappt und vorläufig festgenommen wird erfolgt eine Anhörung oft vor der Entlassung (auch die ist natürlich nicht verpflichtend!). Aber da wir hier über Straftaten reden, die im Strafbefehlsverfahren gelöst werden, sind das in aller Regel keine Straftaten, bei denen es zu einer vorläufigen Festnahme gekommen wäre.

Gerade die Personengruppen, über die wir hier sprechen (Demente, die überfordert sind, Depressive, die ihre Post nicht öffnen können usw.) werden regelmäßig nicht von der Polizei vernommen. Die werden irgendwo bei einer Straftat erwischt, die Mitarbeiter nehmen die Personalien auf und leiten die Anzeige zur Polizei weiter. Auf die Vorladung der Polizei zur Vernehmung wird dann - aus oben genannten Gründen - nicht reagiert, sodass es auch zu keiner Vernehmung kommt.

Hier muss man klar zwischen Theorie und Praxis unterscheiden.
Ja, ein Gericht muss bei einem Strafbefehlsverfahren zustimmen, aber das ist in der Praxis eine reine Formalie, weil die Richter in aller Regel auf die Einschätzung der Staatsanwälte so weit vertrauen, dass sie den Fall maximal überfliegen. Da findet jedenfalls keine eingehende rechtliche Prüfung statt.

Bei dem von dir angeführten § 163a StPO weise ich auf Abs. 1 S. 2 hin, denn da spielt die Musik:

Und da sind wir dann wieder beim rein schriftlichen Verfahren, in dem der Beschuldigte aus o.g. Gründen nicht antworten kann und folglich auch keine wirksame Anhörung stattfand. Zumindest ist es mehr als vertretbar, zu argumentieren, dass eine Anhörung auch voraussetzt, dass sie vom Betroffenen faktisch in Anspruch genommen werden kann (siehe Dolmetscher-Pflicht und co.), was hier im Hinblick auf psychische Störungen, die das ausschließen, nicht der Fall ist.

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Aber genau um diese Leute geht es. Es spielt dabei keine Rolle, ob die Gruppe besonders groß ist. Sie existiert. Das genügt, um eine Änderung zu fordern. Es geht in dem ganzen Beitrag natürlich nicht um Menschen, die einfach keinen Widerspruch einlegen wollen, sondern um solche, die es tatsächlich nicht können.

Das Resozialisationsziel im Strafvollzug ist ein ehrenwertes Ziel, keine Frage.

Aber es darf nicht dazu führen, dass wir den Strafvollzug als Therapie-Ersatz betrachten. Im Strafvollzug sollen ausschließlich Menschen landen, die nach dem Schuldprinzip bestraft werden sollen - wenn nun regelmäßig durch das Strafbefehlsverfahren Fälle im Strafvollzug landen, die im Falle eines Gerichtsprozesses möglicherweise als Schuldunfähig aus der Sache gegangen wären, ist das unbestreitbar ein großes Problem - und kann unter keinen Umständen mit der Resozialisationsaufgabe des Strafvollzugs gerechtfertigt werden.

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Und genau solche Begriffe und Konzepte machen es sogar mir mit abgeschlossenem Studium schwierig, dies zu durchdringen. Justiz und Behörden koppeln sich durch unverständliche Sprache ab, können aber im Nachgang dann immer belegen, dass ja ein Einspruch hätte eingelegt werden können.

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Ich kann mich an keinen Strafbefehl erinnern, der beantragt wurde vor dem Hintergrund, dass jmd nicht auf die Vorladung zur Beschuldigtenvernehmung reagiert hat. Also kein explizites „ich möchte hierzu nichts sagen“, sondern ein Verstreichen lassen der Frist. Ich möchte nicht behaupten, dass es sowas nicht gibt, aber für mich scheint das Beispiel weit weg von der mir erlebten Praxis.

Nur ein Gedanke und eine Richtigstellung, dann soll es von meiner Seite aus gut sein: mir sind keine Richter bekannt, die sich zum Büttel der StA machen (lassen). Ganz im Gegenteil - und den nicht durch Zahlen belegten Vorwurf, ein Gericht erlasse quasi ungeprüft, was ihr die StA vorlegt, ist ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die nach meiner Erfahrung verantwortungsvoll über Menschen entscheiden.

Im Übrigen kann die vermeintliche Schwäche des Systems nicht mit denjenigen Einzelfällen begründet werden, die Normen nicht anwenden, die dem Schutz des Bürgers dienen. Das bedeutete, das Institut des Eigentums mit der Tatsache in Frage zu stellen, dass es Diebe gibt. Es gilt insoweit vielmehr: in der Justiz eine ordentliche Fehlerkultur etablieren. Die Fälle ausmachen, in denen es schiefgeht und dabei untersuchen, ob es Einzelfälle sind oder strukturelle Probleme. Schon da hört man in der Podcastfolge nichts zu. Bis auf anekdotische Evidenz.

Wenn es aber Probleme sind, die der Gesetzgeber lösen muss - Stichwort: schriftliche Anhörung - dann soll man auch akzeptieren, dass wir in einem gewaltengeteilten Land leben und die Justiz sich nicht aussuchen kann, welche Gesetze sie anwenden soll. Und der Haushaltsgesetzgeber (erste Gewalt) - unbeschadet der Frage, ob man entsprechende Stellen auch besetzt bekäme - die Dritte Gewalt mit Haushaltsmitteln so knapp hält, wie er das eben tut.

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Ich schon, wie in dem anderen Thread geschrieben war ich längere Zeit als gesetzlicher Betreuer tätig und hatte zwei Fälle, bei denen in der beim Antrittsbesuch überreichten, ungeöffneten Post ein (mittlerweile rechtskräftig gewordener) Strafbefehl aufgefunden wurde. Diese Fälle existieren (oder existierten, da das Ganze schon 10 Jahre her ist) daher - zumindest hier in NRW - definitiv und ich sehe nicht, warum sie nicht existieren sollten. Denn die Gesetzeslage lässt diese Fälle - leider - zu.

Sorry, aber die Diskussion hatten wir schon öfter, z.B. auch im Hinblick auf Durchsuchungsbeschlüsse und die Sinnhaftigkeit der Einführung weiterer Richtervorbehalte (wo es regelmäßig ein valides Argument ist, dass die inflationäre Nutzung von Richtervorbehalten bei gleichzeitiger hoher Arbeitslast der Richter dazu führen kann, dass der Schutzzweck des Richtervorbehalts in einigen Fällen verfehlt wird, weil die Abarbeitung des „Vorbehaltsstapels“ geradezu mechanisch erfolgen muss.

Es ist zudem ganz natürlich, dass sich zwischen Richtern und Staatsanwälten, die ständig einander zuarbeiten, ein Vertrauensverhältnis entwickelt, welches dazu führt, dass man - gerade unter hoher Arbeitslast - Anträge der Staatsanwaltschaft nur flüchtig prüft und im Zweifel zustimmt.

Das Problem besteht arbeitspsychologisch - unabhängig von der Justiz - immer dann, wenn Entscheidungen von einer Stelle vordefiniert werden und eine andere Stelle diese Entscheidungen nur noch bewerten soll. In diesem Fall ist die Zustimmung immer einfacher als die Ablehnung.

Im Bezug auf die Justiz wird es immer dann problematisch, wenn eine schützende, einen Richter einbindende Funktion rein auf Aktenlage basiert (Beispiele sind hier eben das Strafbefehlsverfahren und der Richtervorbehalt beim Durchsuchungsbeschluss). In diesen Fällen ist die Grundsituation immer, dass die Staatsanwaltschaft sich erheblich in einen Fall eingearbeitet hat und dem Richter dann ihr Resultat mit Bitte um Genehmigung vorlegt. Der Richter kann hier nur eine rudimentäre Überwachungsfunktion ausüben, es kann nicht vom Richter verlangt werden, sich mit dem gleichen Zeitaufwand, den die Staatsanwaltschaft investiert hat, in die Sache einzuarbeiten (oder gar Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft zu hinterfragen).

Deshalb ist das Resultat der Betrachtung, dass zwar faktisch ein Richter das Strafbefehlsverfahren absegnet, es aber letztlich ganz schwerpunktmäßig auf die Initiative und Bewertung der Staatsanwaltschaft hinausläuft, ob ein solches durchgeführt wird oder nicht.

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Hier sind wir uns absolut einig - natürlich ist vor allem der Gesetzgeber gefragt, die Situation zu ändern. Ich sehe den Vorwurf der Klassenjustiz aber auch nicht explizit an die Justiz gerichtet, natürlich ist das, was in der Justiz passiert, durch die jeweilige Gesetzeslage weitestgehend bestimmt.

Es ist auch völlig klar, dass sich eine Änderung der Problematik nur über eine Änderung der Rechtslage erreichen lassen wird. Insofern verstehe ich die im Podcast und von Ronen Steinke vorgebrachte Kritik auch vor allem als Kritik an der Gesetzeslage, nicht an der Richterschaft oder Staatsanwaltschaft. An Richter und Staatsanwälte kann man höchstens appellieren, im Falle von Beurteilungsspielräumen (z.B. bei der Festlegung der Tagessatzhöhen bei ALG II-Beziehern) die Problematiken der Klassenjustiz im Hinterkopf zu behalten, tiefgreifende Änderungen werden hier nicht erreicht werden.

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Genau darum geht es doch im Podcast. Wenn etwa 50% der jährlichen Hafteinweisungen nicht wegen vom Gericht verhängten Haftstrafen, sondern wegen Ersatzfreiheitsstrafen verbüßt werden, deutet das auf ein signifikantes, systematisches Problem hin.

Es geht in der gesamten Folge nicht um Einzelfälle, sondern um systematische Probleme, die sich auch belegen lassen - und die teilweise ja auch durchaus begründet sind (natürlich ist die Fluchtgefahr beim Obdachlosen oder beim Flüchtling höher als beim Deutschen Michel im Eigenheim mit Frau und Kind). Nichtsdestotrotz ist es wichtig, darüber zu sprechen, ob wir in einer Gesellschaft leben wollen, in denen nur die Ärmsten der Armen die volle Härte des Rechts zu spüren bekommen.

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Ich muss jetzt doch noch einmal kontern, weil es geboten ist: die „Härte“ des Gesetzes bekommen noch immer alle zu spüren, die mit dem Gesetz zu tun bekommen. Ob es alle gleich hart trifft, darüber kann man streiten, wobei sich auch fragt - muss das Gesetz denn wirklich hart treffen, damit der Zweck, nämlich zu resozialisieren, erreicht wird?

Die Kritik an dem Podcast erschließt sich doch schon, wenn man sich nur die Mühe macht, die gerichtliche Verurteilungsstatistik zu bemühen. Richten wir doch mal den Blick auf das Beispiel der dementen Person: angeblich, laut Steinke, sollen altersbedingte körperliche Leiden der Hauptgrund für den Missbrauch von Notrufen sein (behauptet er ab Minute 43:45). Das wäre strafbar nach § 145 StGB.
Nach der gerichtlichen Verurteilungsstatistik (abrufbar hier: Strafverfolgung - Statistisches Bundesamt) gab es bundesweit im Jahr 2021 insgesamt 915 gerichtliche Verurteilungen wegen Missbrauch von Notrufen (§ 145 StGB). Unter den Verurteilten waren aber nur 785 Erwachsene. Von denen wiederum waren 346 Verurteilte zwischen 30 und 60 Jahre alt, im Alter darüber gab es nur 64 (!) Verurteilungen bundesweit. Die Seriosität der Aussage zum Hauptgrund für den Missbrauch von Notrufen muss doch ernsthaft in Frage gezogen werden, wenn nach dem statistischen Bundesamt (abrufbar auf deren Website) 286 verurteilte Personen unter 30 Jahre alt und fast die Hälfte davon - 130 verurteilte Personen - noch in einem Bereich waren, in dem das Jugendgerichtsgesetz zur Anwendung hätte gebracht werden können bzw. müssen.

Im Übrigen dürfte es doch für einen Journalisten ein Leichtes sein, sich die 64 Fälle von Verurteilungen über 60 Jahren anzusehen (da kann man möglicherweise ohne großen Aufwand sogar physisch die Akten lesen, wenn man ein entsprechendes Datenschutzkonzept bei den Justizministerien vorlegt) und dann zu fragen, in wie vielen Fällen die von Steinke angesprochene Problematik „unerkannte Demenz, die auf Grund verschiedenster Umstände dazu führt, dass nie ein Volljurist den Beschuldigten/Angeklagten gesehen hat“ zum Tragen gekommen ist. DIESE Einordnung, die fehlt im Podcast. Und da hätte man sich von den Gastgebern, die sich nämlich sonst dadurch auszeichnen, genau solche Einordnungen vorzunehmen, etwas mehr den Hinweis gewünscht, dass ein anekdotischer Fall - ebensowenig wie 64 Fälle in der Verurteilungsstatistik - den juristischen Sommer ausmacht.

Und nun will ich aber wirklich nichts mehr dazu sagen.

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Hallo in die Runde,
als jemand der beruflich (Krankenpfleger Im Justizvollzug) mit der Materie befasst ist, kann ich nur sagen Ronen Steinke hat mit nahezu allem Recht was er sagt, auch wenn es teilweise anekdotisch (Dame mit Demenz) anmuten mag. Ich erlebe täglich schizophrene Menschen, die denken, sie sind der Herrscher der Welt, und dann muss man doch verdammt nochmal auch umsonst Bus fahren dürfen…Mindestens 90% der Inhaftierten (m/w/d auch wenn es zu 98% Männer sind) haben Suchterkrankungen, teilweise so massiv, dass Methadon substituiert werden muss oder mehrtägige bis mehrwöchige Entzugsbehandlungen erfolgen, mit dem Ergebnis, dass diese Menschen nach wenigen Tagen oder Wochen in Ihr vorheriges Millieu entlassen werden, ohne dass auch nur die geringste Chance besteht, an der Grunderkrankung etwas geändert zu haben!!
Wenn man Bürgergeldemfängerinnen automatisch ein Sozialticket bereitstellte, würde sich das Problem mit Sicherheit um ca.25%!! verringern.
Noch ein Wort zu den engagierten Sozialarbeiter
innen: Wieviel Zeit und Engagement bekommt ein Mensch wohl, wenn er/sie einer von weiteren 50 Klientinnen ist ?? Da reicht es gerade aus das notwendigste zu organisieren (Gespräche mit evtl. vorhandenen Angehörigen, Erhalt von evtl. vorhandenem Wohnraum, Evtl. organisation vor Ratenzahlungen oder Arbeit statt Strafe etc.)

Beste Grüße

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Sehr gutes Argument für ein Sozialticket!

Ganz genau. Das ist das Problem. In vielen Bereichen- so auch hier- wurde und wird zu sehr gespart.

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Ich glaube es ist anders. Es ging glaube ich darum, dass es egal ist wer die Strafe zahlt. Das ist vermutlich wie bei einem Knöllchen. Du kriegst einen Brief: Bitte Kohle überweisen. Von wem das Amt das Geld überwiesen bekommt ist denen egal, solange es fristgerecht eingeht. Vermutlich ist das damit noch nichtmals eine Schenkung…

Aber deswegen bin ich der Meinung: Ab einem gewissen Einkommenslevel, gibt es keine Geldstrafen mehr, sondern nur noch Knast. Ich glaube, dass es irgendeinem Vorstand der Millionen verdient durchaus gut tun würde mal einzusitzen - selbst wenn es nur kurz ist.

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Von mir auch ein fettes Dankeschön - ich wünsche mir das Buch direkt von meinen Eltern zum bevorstehenden zweiten Staatsexamen. Herr Steinke formuliert viele der Punkte, die mir in der Staatsanwaltschaftsstation meines Referendariats aufgestoßen sind, die ich aber nur in Ansätzen benennen und systemisch einordnen könnte. Beispielsweise einen Menschen, der bereits in Haft ist, zu einer Geldstrafe zu verurteilen, weil er Dinge aus der Drogerie geklaut hat, mit denen er dachte ein medizinisches Problem bekämpfen zu können, ging schlicht nicht in meine Kopf.

Hinzufügen möchte ich noch die Dimension der strukturellen Diskriminierungen, insbesondere auch des strukturellen Rassismus in unserer Gesellschaft insgesamt. Diese sind in der Justiz natürlich - es gibt ja nicht etwa flächendeckende Fortbildungen oder ähnliches - genauso präsent wie in anderen Bereichen. Ich meine damit explizit nicht böswilligen Fremdenhass. Im extrem grundrechtssensiblen Strafrecht kann es den entscheidenden Unterschied machen, wenn der/die Richterin es unterbewusst plausibel findet, dass der eingewanderte arabische Mann es mit der Rechtstreue eben nicht so genau nimmt oder schneller zu Gewalt greift. Die Frage, ob Zeuginnen geglaubt wird, ist eben keine exakte Wissenschaft und die Sozialisierung des Hörers kann nicht ausgeblendet werden.

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Und jetzt bitte nochmal für deutsche Muttersprachler ohne Jurastudium übersetzen.

Wenn du das geschafft hat, kannst du noch versuchen dass in ein Deutsch zu bringen welches eine Migrant versteht.

Du hast sicherlich Recht mit dem was du schreibst, nur nützt es dir nichts, wenn dein Gegenüber nicht versteht, dass du Recht hast ^^