Wie oft muss ich noch auf den signifikanten Unterschied zwischen Ordnungswidrigkeitenrecht und Strafrecht hinweisen, bis dieser unsägliche Vergleich nicht mehr kommt. Sorry, aber dieser Vergleich ist blanker Stammtisch-Populismus auf Oktoberfest-Niveau.
Ich sehe kein Recht darauf, uninformiert zu sein, ich sage nur, dass auf menschliche Fehler aus Gründen mangelnder Information im Rahmen der Verhältnismäßigkeit anders reagiert werden muss als auf Verhalten, dem kriminelle Energie innewohnt. Genau deshalb gilt im Ordnungsrecht auch das Opportunitätsprinzip.
Und hier sage ich ganz klar, dass das bereits der Fall ist. Wie gesagt: Opportunitätsprinzip. Es ist geltendes Gesetz, dass bei Ordnungswidrigkeiten nicht mit einem Absolutheitsanspruch vorgegangen wird.
Und da sind wir uns wie gesagt einig. Warum ich denke, dass wir dort über Aktionswochen und bundesweite Informationskampagnen effektiver hinkommen als über Bußgelder im Individualfall habe ich oben lang und breit erklärt. Aber inhaltlich wird auf nix eingegangen, stattdessen kommen persönliche Erfahrungen („Also bei mir auf der A666“) oder absurde Stammtisch-Vergleiche.
Nochmal:
Meine Ausgangsposition ist und bleibt ein gesunder Zweifel daran, ob Strafe wirklich zu weniger Verstößen führt, eben weil ich eher aus der Ecke der kritischen Kriminologie komme. Und ich bin mir sicher, wenn es um andere Themen gehen würde, würden viele meiner Ausgangsposition auch zustimmen.
Meine These zum Inhalt ist, dass niemand absichtlich und kaum jemand aus Faulheit eine Rettungsgasse blockiert, sodass es extrem nahe liegt, dass mangelnde Information das zentrale Problem ist, auch wenn in der hiesigen Bubble scheinbar die Meinung vorherrscht, dass alle Verkehrsteilnehmer so gut informiert seien wie diejenigen politisch interessierten Menschen, die hier mitdiskutieren. Der Durchschnittsbürger wird hier mMn massiv überschätzt.
Ich habe weiter oben schon zugegeben, dass mir - obwohl ich vor 15 Jahren selbst Rettungswagen durch die Gegend gefahren habe - auch vor dem Medienrummel um den Berlin-Zwischenfall nicht klar war, dass eine Rettungsgasse schon dann gebildet werden muss, wenn der Verkehr nur in Schrittgeschwindigkeit fließt. Ich ging vorher tatsächlich auch davon aus, dass sie erst gebildet werden müsse, wenn Einsatzfahrzeuge durch wollen. Zugegeben, ich habe seit über 10 Jahren kein Auto mehr, aber dennoch bin ich ausgesprochen politisch interessiert und juristisch überdurchschnittlich ausgebildet, dennoch hatte ich diese Informationslücke. Und wäre ich nicht so politisch interessiert, dass ich den ganzen Rummel um die Berlin-Aktion nicht verfolgt hätte, wäre ich heute vermutlich auch nicht schlauer.
Ich fände es schön, wenn auch andere Foristen hier sowas zugeben könnten - denn ich glaube absolut nicht, dass ich der Einzige bin, der vor der Berlin-Aktion diese Informationslücke hatte. Statt dessen tun alle so, als sei die präventive Bildung der Rettungsgasse das absolut selbstverständlichste, und natürlich wusste jeder das schon seit Jahren. Wie gesagt, das halte ich für extrem unwahrscheinlich.
Ein knallhartes Durchsetzen von Bußgeldern würde vor allem bildungsferne Menschen und Menschen mit schlechten Deutschkenntnissen treffen. Und das halte ich einfach für problematisch, wenn nicht zuvor alles versucht wird, gerade diese Menschen mit Informationen zu erreichen.
Ziel muss wie du richtig sagst der Herdentrieb sein - und dazu reicht es, 80-90% der Autofahrer direkt zu erreichen, sodass diese sofort eine Rettungsgasse präventiv bilden und die restlichen 10-20% durch Lichthupe und Co. darauf aufmerksam machen, mitzumachen. Denn einen Kern von Leuten, der es verpeilt, wird es immer geben, auch bei der schärfsten Bestrafung und maximalen Informationskampagnen.
Die Tatsache, dass es überhaupt Rettungsgassenprobleme gibt, beweist schon, dass das Wissen ob der Bildung der Rettungsgasse nicht so verbreitet zu sein scheint, wie hier viele denken. Denn es sind eben nicht „einzelne“ Unbeirrbare, die keine Rettungsgasse bilden, sondern es gibt oft nicht mal den gewünschten Herdentrieb, den es geben müsste, wenn doch angeblich fast jeder Autofahrer bescheid weiß.