LdN 311: Klimaproteste: Straßenblockaden vs. Attacken auf Kunstwerke

Das Problem dabei ist, dass diese Argumentation zwar durchaus logisch konsistent ist, bei der Mehrheit der Bevölkerung jedoch nicht ankommen wird.

Protest ist immer in dem Spannungsverhältnis zwischen „Möglichst viel Aufmerksamkeit erregen“, wozu auch eine Disruption der Allgemeinheit hört, aber gleichzeitig die Sympathie der Allgemeinheit zu gewinnen. Die radikalen Protestformen gegen die Castortransporte (z.B. „Castor Schottern“) waren zumindest großen Teilen der Bevölkerung (dh. allem links der CDU) noch vermittelbar und wurden von Grünen und Linken nahezu einhellig befürwortet. Die aktuellen radikalen Aktionsformen hingegen werden selbst innerhalb der Grünen harsch kritisiert, laut diversen Umfragen sprechen sich teilweise über 90% der Bevölkerung gegen diese Aktionsformen aus.

Die vorgebrachten Argumentationen, warum man die Aktionen der „Letzten Generation“ als Kunst verstehen sollte, werden daran wenig ändern. Klar kann man die Sache so sehen - aber es hilft nicht, wenn die Mehrheit der Bevölkerung sich dieser Sichtweise nicht anschließt.

Die Tatsache, dass die ständigen Forderungen der Union nach Strafrechtsverschärfung leider jetzt selbst in der Ampel-Koalition auf fruchtbaren Boden gefallen sind (siehe Tagesschau - Buschmann erwägt härtere Strafen) ist die Konsequenz mangelnden Rückhalts in der Bevölkerung für diese Aktionsformen.

Solche radikalen Aktionsformen machen Sinn, wenn die Mehrheit der Bevölkerung nicht nur hinter dem Ziel der Maßnahmen steht (das ist wohl gegeben), sondern auch die Radikalität der Aktionsformen unterstützt. So lange das nicht der Fall ist, bringt man mit diesen Aktionsformen nur die Bevölkerung gegen sich auf, was es der Politik sehr leicht macht, härtere Gesetze gegen diese Aktionsformen zu erlassen - eben weil das in dieser Situation sogar der populärste Kurs der Politik ist.

Ich bleibe daher bei meiner Meinung, dass auch wenn ich die Ziele der Aktivisten vollumfänglich unterstütze, ich diese Aktionsformen schlicht für massiv kontraproduktiv halte, weil sie weit mehr negative als positive Auswirkungen haben…

Natürlich ist das auch ein Ziel gewisser Interessengruppen. Umso wichtiger, hier nicht stumpf berechenbar das zu tun, was diese Gruppen wollen!

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sehe ich ähnllich

Google mal Hamburger Kessel. Ich weiß nicht ob der Vergleich so trägt, zum einen weil die grünen sich eher Richtung Zentrum bewegt haben, weil viele von den linken ausgetreten sind. Zum anderen war die Reaktion der Sicherheitsbehörden extrem heftig.

Die andere Sache ist dass du hier die ganze Zeit von einem funktionierenden politischen Diskurs ausgehst. Das passt aber nicht, wenn schon der Kanzler bei einem einfachen Protest Klimaktivisten mit nem Nazi Vergleich deligitimiert. Hier fehlt es an Responsivität auf linker seiter für einen effektiven politischen Diskurs.

Den Aktivisten gehts darum die Hegemonie bzw das Overton Window zu verschieben und das ist notwendig um systemverändernde Klimapolitik betreiben zu können. Die Allgemeinheit trägt solche starken veränderungen nicht einfach durch den zwanglosen Zwang des besseren Arguments. Mit deiner Logik sind sämtliche größeren Reformen bzw. Veränderung nicht möglich, weil Aktivisten und Politik sich immer nach der Allgemeinheit richten muss. Nicht nur dass sondern man trägt auch noch die Verantwortung für reaktionären Backlash.

Es ist nicht die Schuld der Akivistinnen oder der allgemeinheit, dass die Ampel über rechte Ordnungspolitik nachdenkt. Das haben die schon vorher gemacht, siehe das ewige hin und her bei der Vorratsdatenspeicherung oder dass man bei der spd recht stumm ist, wenn der Bundespräsident mal wieder laut über den Reichsarbeitsdienst nachdenkt. Das ist bestenfalls populistische Politik schlimmstenfalls reaktionäre.

Die Anpassung an die gesellschaftliche Hegemonie und civility politics haben aus der größten marxistischen Partei europas eine neoliberale Partei gemacht die nicht mal mehr angemessen auf aktive Bedrohungslagen reagieren kann, von progressiver Politik ganz zu schweigen.

Ich finde es nach wie vor extrem äufflig, wie weit du hier bereit bist das Verhalten der Politik und der Medien über externe Zwänge legitimieren, während Akivistinnen scheinbar unter gar keinen Zwängen stehen und damit die volle Verantwortung tragen. Ich verstehe einfach nicht, wie man sich als linker verstehen kann und (staatliche/strukturelle) Macht dermaßen affimieren kann, dass man jegliche Kritik und Analyse dieser ignoriert und dass bei einem Thema, dass man selbst für zentral hält.

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Das mag sein. Es trägt allerdings meines Erachtens auch nicht zu einer größeren Akzeptanz in der Bevölkerung bei, wenn Journalismus auf Erklärungen und Kontextualisierungen verzichtet, und stattdessen mit Volkes Stimme spricht.

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Die Aktivisten tragen natürlich die Verantwortung dafür, wie ihre Aktionen von der Öffentlichkeit aufgenommen werden, so wie jede Partei, jeder Politiker und jeder Staat die Verantwortung dafür tragen, wie ihr Handeln aufgenommen wird. Dass die Medien - je nach politischer Ausrichtung - die Öffentlichkeitswirkung noch mal modifizieren, ist klar (bedeutet: die Öffentlichkeitswirkung in der BILD oder WELT wird negativer sein als in der Süddeutschen oder der Taz).

Die Frage, welche Aktionsformen angemessen sind, ist eben eine strategische Frage - und bei dieser Frage kann man zu ganz unterschiedlichen Antworten gelangen, je nachdem, wie man die unterschiedlichen Punkte gewichtet. Daraus machst du dann, dass man die „Kritik und Analyse“ ignorieren und den „Staat affirmieren“ würde, obwohl letztlich lediglich eine unterschiedliche Einschätzung und Gewichtung von Kritik und Analyse vorliegt. Und das führt eben gefährlich schnell zum Fanatismus, zum Schwarz-Weiß-Denken - wer nicht unsere Kritik und Analyse teilt, versteht das Thema nicht und/oder ist der Gegner.

Ich gewichte z.B. die Spaltung der Umweltschutzaktivisten deutlich höher als du. Diese Spaltung sehen wir schon hier, wenn ich die Aktivisten kritisiere, weil ich ihre Aktionsformen problematisch finde und du mir dann vorwirfst, meine Kritik sei quasi den Staat legitimierend und damit aus Sicht des Umweltaktivismus schädlich, mit dem Ergebnis, dass du in Frage stellst, ob ich überhaupt „richtig“ hinter der Sache stehen würde. Das sind diese typisches Spaltungs-Debatten, den einen sind die Ziele und Mittel nicht radikal genug, den anderen sind sie zu radikal. Und am Ende bekämpft man sich gegenseitig, statt zusammen etwas zu bewegen.

Im Resultat sind wir uns einig: Die Politik unternimmt aktuell noch deutlich zu wenig, um den Klimawandel hinreichend zu begegnen. Es müsste noch mehr geschehen. Der Unterschied liegt vermutlich vor allem in der Prognose für die Zukunft: Du siehst den unzureichenden Status Quo und einen Verkehrsminister wie Wissing und sagst: „Das endet in einer Katastrophe!“, ich hingegen schaue mir die Fortschritte an, die wir die letzten 5 Jahre gemacht haben, und sage: Es bewegt sich etwas in die richtige Richtung - immer noch deutlich zu langsam, aber es bewegt sich zweifelsohne etwas.

Du willst nun diese langsame Bewegung mit einem starken Ruck beschleunigen - ich hingegen sehe die Gefahr, dass ein zu starker Ruck irreparable Schäden erzeugen könnte. Die Frage, wer Recht hat, kann man ehrlicherweise nicht beantworten. Werden wir auch mit einer langsamen Beschleunigung den Karren schnell genug aus dem Dreck ziehen können, bevor die verderblichen Güter zu stark verrottet sind - oder brauchen wir zwangsläufig die Chance (samt Risiko) eines starken Rucks, durch den wir entweder unser Ziel rechtzeitig erreichen - oder der Karren dabei zu Bruch geht.

Ich sage nicht, dass ich diese Frage beantworten kann. Du verlangst mit Recht, dass sich die Gegner der radikaleren Aktionsformen mit der Frage der Risiken eines zu späten Einlenkens der Politik beschäftigen - und ich tue nichts anderes, als zu verlangen, dass sich auch die Vertreter des radikalen Aktivismus mit den möglichen Konsequenzen ihres Handels beschäftigen. Beide Seiten können natürlich nun auf Studien verweisen, die ihren Standpunkt stützen, die daher besagen, dass in diesem und jenem historischen Fall radikale Aktionsformen geholfen haben oder eben nicht. Beispiele gibt es für beides.

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s. auch hier

Zum Thema „Die Aktion hat nichts mit dem Thema des Protests zu tun“ möchte ich gerne
folgende Perspektive einbringen.

Die grandiose Samira El Ouasil vom Podcast Piratensender Powerplay erklärt den Widerspruch unserer Reaktion auf diese Aktion und der Intention der Aktivisten in sehr klugen Worten, viel besser als ich es jemals könnte.
Ein persönlicher O-Ton von ihr im nächsten Podcast fände ich hilfreich als Ergänzung und Ansatz zum Nachdenken.
Ich paraphrasiere Samiras Gedanken wie folgt:

Wir sprechen bei dem Gemälde von Van Gogh von einem Kulturgut, dass uns allen gehört. Es wird der gesamten Menschheit zur Verfügung gestellt in Form der Ausstellung in einem Museum. Das gleiche gilt für unsere Natur (gehört uns allen).

Vor den Augen aller wird dieses Kunstwerk nun scheinbar zerstört und das Motiv der Natur ist ganz kurz nicht mehr sichtbar. Diese Aktion nehmen wir empört auf, weil wir das Bild als schützenswert und wertvoll betrachten.

Wenn uns dieses Gemäldes also so lieb und teuer erscheint, warum schützen wir nicht das Motiv darauf genauso leidenschaftlich?

Die Zerstörung dessen was das Gemälde abbildet, macht uns also nicht wütend. Und hier reden wir von einer existenziellen realen Bedrohung, die ebenfalls vor uns aller Augen stattfindet. Ä

Die eigentliche Aussage ist also:
Sind wir mehr um den Schutz eines Gemäldes mit der Abbildung von Natur besorgt, als um den Erhalt unserer tatsächlichen Natur?

Ergänzung meinerseits:
Die Kunstwerkaktion hat keinerlei negative Auswirkungen auf Mensch und Kulturgut.

Die Proteste in denen Stau provoziert wird, obwohl thematisch unmittelbar an der Ursache, haben sehr wohl negative Auswirkungen. Unter anderem muss man bei solchen Aktionen mit der Rücksichtslosigkeit der Verkehrsteilnehmer rechnen. Dass die Rettungsgasse mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gebildet wird sehen wir täglich, wenn wir selbst im Stau stehen und dadurch sterben Menschen.

Gibt es also überhaupt eine Protestform, die uns allen passt und die wir nicht erst zu Tode kritisieren anstatt uns mit der Ursache des Protests zu beschäftigen?

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Genau das. Und mir scheint, die meisten haben nicht verstanden, was hier kommuniziert wurde. Glücklicherweise ist das aber egal. Die Hauptaussage (auch wenn sie oft nicht als solche verstanden wurde), die trotz allem fast überall angekommen ist: Etwas gegen die Klimakatastrophe zu tun, ist jetzt so dringend aber gleichzeitig so vernachlässigt, dass man einfach drauf aufmerksam machen muss, auch wenn (oder vielleicht sogar weil) die Methode recht kontrovers ist.

Freilich wird jetzt an vielen Stellen darüber diskutiert, was denn Van Gogh mit dem Klima zu tun hat, oder ob Kartoffelbrei den Rahmen schadet, und vor allem, ob nicht eine andere Art des Protestes dem Anliegen besser genützt hätte. Aber dass diese Diskussionen auf diese Art geführt werden, zeigt mir, dass das Grundanliegen akzeptiert wurde und nur mehr über „Verfahrensfragen“ gesprochen wird.

Aktivisten werden in Talkshows eingeladen, Podcasts machen sich Gedanken über Protestformen, Konservative haben Angst vor einem neuen Terrorismus. Aber allen ist vor Augen geführt worden, dass junge Leute nicht mehr die Zeit haben, den langen Marsch durch die Institutionen anzutreten, um die Bedrohung ihres Lebens abzuwenden.

Ich sehe auch keinen Zusammenhang zwischen Bildern, die im Museum hängen und dem Treibhauseffekt. Aber ich sehe auch keine bessere Methode, das Thema ins Gespräch zu bringen. Immerhin sind Gefahren für Leib und Leben ziemlich ausgeschlossen und trotzdem eine maximale Öffentlichkeitswirkung erzielt.

Edit: Tippfehler

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Ich finde es schade, dass der Kern des Problems etwas außer Sicht zu geraten droht, auch in dieser Diskussion. Einige meiner Vorredner haben bereits wichtige Punkte genannt, an die ich anknüpfen möchte.

Fakt ist, dass die Klimakrise von den politischen Entscheidungsträgern nicht energisch genug bekämpft wird. In diesem Analyseschritt sind wir uns alle einig. Um daran etwas zu ändern, braucht es einen klaren politischen Konsens in der Gesellschaft und Menschen, die versuchen den politischen Diskurs darüber positiv zu befördern und zu beschleunigen, um den Druck auf die Politik zu erhöhen. Wir sind eine Demokratie und nur einen Demokratischen Konsens können wir etwas erreichen.

Um auf das Problem aufmerksam zu machen und für das Thema zu werben, ist Protest in allen möglichen Ausdrucksformen erlaubt. Da dürfen, ja müssen womöglich auch drastische Mittel gewählt werden. Wichtig ist aber, dass sich möglichst viele Bürger hinter den Motiven des Protests versammeln können und durch Sie angesprochen werden. Bestes Beispiel ist Fridays for Future. Grundsätzlich am Freitag nicht zur Schule zu gehen, war ein deutliches Zeichen des Bruchs mit Konventionen durch Tausende SchülerInnen. Aber durch die Art des Protests, durch die Vielzahl der Teilnehmer und den viele unterschiedlichen Gruppen, die sich unter dem Banner FFF versammelt haben (Scientists for Future und viele andere Nicht-SchülerInnen etc.), hat die Bewegung es geschafft ein positives aber deutliches politisches Bild zu vermitteln und für Ihre Botschaft zu werben.

Attacken auf Kunstwerken geht dieser Punkt völlig ab. Hier wird nur selten über die Beweggründe geredet, sondern über die Art des Protests. Dies mag durch Medien befeuert werden, ist aber meiner Ansicht nach erster Impuls bei einer Vielzahl unserer Mitmenschen. Dieser Umstand hilft weder den Initiatoren des Protests noch der Sache, also der Klimapolitik an sich. Vielmehr befürchte ich beim Akt des Beschmierens und Festklebens eine spaltende Wirkung auf die Gesellschaft, weil viele die Art des Protests ablehnen. Diskussionen über eine Metaebene führen doch in die Irre. Es ist egal, wieviel Kunst mit Klima zu tun hat, ob man höhere Strafen braucht oder ob die Kunstwerke Glasscheiben als Schutz haben oder auch nicht. Die meisten Menschen interessiert diese Diskussion wenig. Am Ende bleibt nur Tomatensuppe.

Die Frage ist doch allein, ob die Proteste das Potenzial haben einend oder antreibend auf die Gesellschaft zu wirken und dem Diskurs zu befördern oder ihm zumindest mehr zu helfen als zu schaden. Dies sehe ich leider nicht. Wenn bis zu 90% der Menschen dieses Art des Protests ablehnen, laufen wir Gefahr, dass viele Menschen durch die Art der Proteste auch die Motive hinter den Aktionen kritisch sehen oder sich davon distanzieren.

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Exakt so….

Oder eine Bildunterschrift „Ist das Kunst oder kann das weg?“

Ein Bekannter von mir vertritt die These dass diese Form von Auseinandersetzungen nicht passiert, weil der Feuillton verschnupft ist. Schließlich wird die heilige Kunst angegriffen.

Dafür zeigt sich nun wes Geistes Kind die Menschen so sind in ihrer affektiven Ablehnung (die auch verständlich ist) und der entlarvende Effekt ist maximal- und zerreißt mir das Herz.

Da wird gepöbelt was das Zeug hält und es werden Worte wie „Terror“ inflationär genutzt.
So durchsichtig.

Und was wurde FFF von Denselben herabgesetzt und beschimpft. Überlasst es den Profis. Ja ne , is klar Herr Lindner.

Daran zeigt sich wie ernst es ist. Und wie weit einige bereit sind zu gehen um den Status Quo nicht aufzugeben. Es wird noch hässlicher werden.

Take your broken heart
Make it into art

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Strategie ^^ jetzt mal bitte Butter bei die Fische.
Was wäre eine einigermaßen konkrete Strategie wie man den politischen Diskurs soweit verschoben bekommt dass „kurzfristig“ Handlungsdruck entsteht und bei dem man die Allgemeinheit abholt? Wie mobilisieren wir Leute ? Was was wurde noch nicht versucht? Wo ist Handlungsspielraum? Wo soll man Grenzen ziehen ? Wie geht man mit den Medien um ? Wie soll mit reaktionären Reaktionen umgegangen werden? etc.

Ehrliche Frage

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Ich finde es merkwürdig, dass oft der Eindruck entsteht, dass bisherige Protestformen, wie z.B. die von Fridays for Future keinen Handlungsdruck erzeugt haben, die Allgemeinheit nicht abgeholt haben und keine Leute mobilisieren.

Persönlich finde ich es schade, dass deren Beitrag so klein geredet wird. Insbesondere durch diese Klimabewegungen und ihren (friedlichen, aber bestimmten) Protest ist das Bewusstsein entstanden, dass der Klimaschutz eins der wichtigsten Probleme ist, die angegangen werden müssen (siehe z.B. diese Umfrage :arrow_right: Einschätzung der wichtigsten Probleme für Deutschland 2022 | Statista). Auch ist der breiten Öffentlichkeit klar (83%), dass ein großer bis sehr großer Handlungsbedarf beim Klimaschutz besteht (siehe Umfrage hier :arrow_right: Handlungsbedarf im Klimaschutz 2021 | Statista). Das bedeutet, es geht nicht mehr um das ob, sondern nur noch um das wie. Auch eine Mobilisierung findet statt. Die Grünen, deren Markenkern der Klimaschutz ist, haben alleine 2019 fast 24.000(!) neue Mitglieder erhalten ([Quelle].(Mitgliederzahlen der politischen Parteien in Deutschland 2019 | Statista)) Das ist bei der eigentlichen Parteigröße eine immense Zahl. Eine der führenden FFF-Leute ist beim COP27 dabei und hat ein 4 Augen-Gespräch mit dem Kanzler oder auch mit dem Finanzminister. Das heißt, dass deren Perspektive direkt angehört wird und das ausschließlich durch friedlichen Protest. Das ist schon eine beachtliche Leistung.

Lange Rede, kurzer Sinn: Man schafft Awareness, Mobilisierung, etc. auch ohne sich auf die Straße zu kleben oder Kunstwerke mit Tomatensuppe zu bewerfen.
Die Frage die offenbleibt ist, wie man die Politik zu schnellerem Handeln bewegt. Das funktioniert, meiner Ansicht nach, aber in keinem Fall mit zivilem Ungehorsam, weil eben die meisten Leute diese Art von Protest nicht verstehen, ein hartes Handeln der Politik dagegen fordern und die Politik das (auch aus populären Gründen) umsetzt. Mich würde bei vielen interessieren, warum sie denken, dass Straßenblockaden oder Attacken auf Kunstwerken, die Politik zum schnellen Handeln beim Klimaschutz bewegen sollte.

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Genau das sind die wichtigen Fragen, quasi der heilige Gral. Wenn es eine einfache Antwort darauf gäbe, hätte sie sicher schon jemand Klügeres als ich gefunden. Dennoch fände ich es gut, wenn wir konstruktiv nach Vorschlägen suchen. Deswegen bitte ich um allseitige Ergänzung!

Grundsätzlich muss sich der Protest doch an den problematischen Umständen abarbeiten und nicht an Stellvertretern. Wenn man ganze Autobahnen blockiert, blockiert man eben auch potenziell Notärzte, Medikamententransporte oder auch E-Autos. Ein Treppenwitz in sich! Warum tut man nicht etwas gegen den MIV, der wirklich problematisch ist? SUV-Shaming war u.a. vor langer Zeit Thema in der Lage. Das ist zumindest Zielgenauer. Warum steckt man zu großen Autos in der Stadt statt einer „Wollen Sie ihr Auto verkaufen?-Karte“ nicht mal eine „Schon mal über nen Kombi nachgedacht?-Karte“ unter den Scheibenwischer? Warum protestiert man nicht direkt bei Herrn Wissing und blockupied mal das Verkehrsminidesterium? Es geht auch positiver Protest: mal ein Autokorso mit Car-Sharing-Autos durch Berlin und jeden Mittwoch um 18 Uhr wird nur mit Car-Sharing-Autos mal ein paar Minuten gehupt, damit auch dem letzten Großstadtbewohner klar wird, dass es die Dinger auch in seiner Nachbarschaft gibt.

Auch finde ich die Blockade von oder den Protest vor Betrieben in Ordnung, die einen unnötig hohen CO2-Fußabdruck haben und deren Produktion schon längst hätte klimafreundlicher umgestellt werden können. Braunkohlekraftwerke gehören dazu (wobei in diesem Winter der Protest aufgrund der Energieknappheit nicht die Beste Idee sein könnte, aber darüber lässt sich diskutieren), genauso wie die bereits vorhandenen Proteste in den Braunkohlerevieren. Man kann nicht zufrieden sein mit den Ergebnissen vom Hambi, aber die hitzige Debatte aufgrund der Proteste hat gezeigt, dass hier Bewegung möglich ist und dass man die Aufmerksamkeit und Akzeptanz von breiten Bevölkerungsgruppen erreichen kann, ohne Unbeteiligten zu schaden.

Vielleicht habt ihr bessere Ideen! Ich würde mich darüber freuen sie zu lesen!

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Im Grunde bestätigst du leider meine These. Wenn man am Ende nur eine „Kunstaktion“ als Ventil dafür nutzt, seinen persönlich Frust über die Zustände medienwirksam darzustellen aber inhaltlich nicht zu ändert, hilft das nicht bei der Lösung des Problems. Der Großteil der Bevölkerung versteht die Aktionen nicht oder sogar falsch. Das kann man Bedauern, aber auch das hilft nicht weiter. Die Menschen sind leider wie sie sind. Darauf muss man sich einstellen.

Ja, der Punkt mit der Kritik an FFF ist vollkommen richtig! Jede Art von Protest wird immer anecken und auch von einigen abgelehnt werden. Das liegt in der Natur der Sache. Ich glaube aber bspw. dass der Kommentar von Herrn Lindner ihm selbst mehr geschadet hat als FFF und je einleuchtender und nachvollziehbarer man Aktionen gestaltet, desto weniger angreifbar macht man sie, selbst wenn sie dann immer noch kritisiert werden werden. Da sind wir wieder beim zwanglosen Zwang des besseren Arguments.

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Abenteuerlich ^^ Ein Autokorse für das Klima :smiley:. Neben der bestenfalls Ambivalenz der dahinterliegenden Nachricht, sollte ein Protest keine private wirtschaftsförderung sein für bestimmte Unternehmen und auch möglichst inklusiv sein und nicht davon abhängen ob du vorher nen Carsharing abo abschließen willst. Ein Autokorse blockiert übrigens auch die Straße und hat damit die selben Probleme.

Aber deine vorschläge sind vor allem appelle an individual Verhalten, dem Klimaprotest gehst aber darum dass die Politik schnell handeln muss, da inkrementelle Anpassung des individuellen Verhalten, wenn das überhaupt funktioniert, extrem lange dauert und auch keine einende Plattform für Mobilisierung ist. Auch ne urbürgerliche Konsumkritik, die immer das problem hat dass gewissen Konsum der meist in Verbindung mit unteren Sozialschichten steht herabsetzt.
SUV shaming hat extrem viel Hass bei der Gegenseite produziert

Einen FDP Minister interessiert es extrem wenig, was Leute machen die eh nicht teil seiner Wählerschaft sind. Klar erzeugt, dass irgendwie auch Diskussion, aber das Medien echo wäre deutlich geringer als bei blockierten Autobahnen.

Also Endegelände gut aber nicht diesen Winter ^^ btw ich glaube du bist da bissle in deiner Bubbel aber in der „Allgemeinheit“ wurde Hambi und Endegleände jetzt auch nicht sooo positiv aufgenommen und auch hier hatte sich die Debatte vom eigentlichen inhalt verschoben.

Sry aber ich wollte ne Strategie zur Mobiliserung hören, das sind bestenfalls versatzstücke von Einzelaktionen die kaum durchdacht und zieltechnisch widersprüchlich sind. Die Grenziehung ist extrem unklar, also irgendwie verhindern das man „nichtverantwortliche“ (elektrofahrer tragen auch zum Klimawandel bei) und alles was irgendwie unmittelbar diffus wichtig ist, blockiert. „Also mit Anpassung des individual Verhaltens schaffen wirs mim Klima aber Politik muss auch handeln.“ „MIV ist scheiße aber Carsharing ist gut“. Vielleicht wäre ne Protestform für kostenlosen öffentlichen Nahverkehr besser ^^. „Klima ist wichtig, aber nicht so wichtig, wie die Energieversorgung“ " Proteste sind gut aber nicht, wenn sie Leute in ihren Elektroautos, Medikamententransporte, Krankenwagen, Veganer, Feuerwehrautos, grünen Wähler, Leute mit nem CO2 fußabdruck von unter 1, Polizei, blockiert ?verlangsamt?
Ich sehe nicht wie man daraus eine Plattform aufbauen kann.

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Jo kenne auch keine Beispiele wo ziviler Ungehorsam jemals funktioniert hätte :wink:

Niemand hier sagt, F3 hätte nicht erreicht, aber ähnlich wie der Post von Daniel oben ist die Perspektive dass es nicht aussreicht und man sich daher nicht darauf bezeiehn sollte, um andere Protestformen zu delegitimieren. Ich finde es so beschissen Protestgruppen gegeneinander auszuspielen. F3 sind die guten sinnvollen, Lastgen sind die Chaoten und Spinner…

Das „wie“ ist aber aber hier auch das „ob“, denn wenn du denkst das heißt nur grünes Wachstum und technologie förderung aber nicht weniger Autos oder Konsum, wirst du nicht weit kommen. „Wie“ heißt hier nur dass man den Klimawandel und wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht leugnet.

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Du hast mit fast allen Punkten Recht! Natürlich ist ein Autokorso für Klimaschutz auch in sich irgendwo irrational. Wie ich schrieb: wenn die Antwort einfach wäre, hätte man sie schon gefunden.

Von mir ad hoc ein umsetzungsfertiges und faires Protestkonzept zu verlangen, ist etwas hoch gegriffen, oder? Natürlich sind es nur Versatzstücke! Hast du bessere Ideen? Ich würde sie gern hören! Das meine ich ganz offen und ehrlich!

Das ist ja das, was über allem schwebt: Kritik an der Sache ist einfacher als selbst gute Vorschläge zu unterbreiten, wie man schneller vorankommt. Das meine ich ganz allgemein.
Anstatt dass im Rahmen unserer Aufmerksamkeitsökonomie effektiv nach Lösungen gesucht wird, beschäftigt sich die Gesellschaft damit, ob eine bestimmte Art des Protests okay ist oder nicht. Das kann der Sache nicht dienlich sein.

Ich habe nirgends behauptet, dass ziviler Ungehorsam nie funktioniert. Meine These war, dass dieser bzgl. der Beschleunigung der Politik im Hinblick auf Klimaschutzmaßnahmen nicht funktionieren wird. Hier sehe ich immer noch nicht, wie das eine zum anderen führen kann. Vielleicht kannst du das näher erläutern, warum du das denkst (falls du das denkst).

Ich kann auch nicht nachvollziehen, wie wir von Straßenblockaden und Tomatensuppe auf Kunstwerken zu „weniger Autos oder Konsum“ kommen. Diesen Zusammenhang bekomm’ ich (und ich behaupte mal auch die Mehrheit der Deutschen) nicht hin und deswegen sind die Proteste in meinen Augen nicht förderlich. Passend dazu:

Was ist hier die Position der „Letzten Generation“? Was ist deren „wie“? Alleine, dass ich das googlen musste ist ein sehr schlechtes Zeichen.
Denkst du wirklich, dass diese Protestform, die politische Bereitschaft für die Durchsetzung von radikalen Klimaschutzmaßnahmen, zur Not gegen die Mehrheit der Bevölkerung, erhöht?

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Bei uns gab es eine Fahrrad-Sternfahrt, um dagegen zu demonstrieren dass die wenigen Radwege die es gibt nicht reichen und dann auch noch großteils für landwirtschaftlichen Verkehr freigegeben sind (mit entsprechender regelmäßiger Verschmutzung). Bekam auch einen kleinen Artikel im Lokalteil, sogar mit Foto.
Dass Klimaaktivisten ein Rettungsfahrzeug blockierten während eine Radfahrerin um ihr Leben kämpfte bekam die volle Titelseite und die halbe Meinungs-Seite.

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Das ist dem Klima allerdings herzlich egal, ob die Leute das sehen oder nicht. Die kurze, oben verlinkte Serie über den „Bronze Age Collapse“ angesehen? Insbesondere die zweite Hälfte von Teil 4 über die „Theory of systems collapse“.

Im Grunde sagt einem doch schon der gesunde Menschenverstand, dass Gesellschaften irgendwann einfach nicht mehr die Ressourcen haben können, um „unendliche Schäden durch Wetterereignisse“ (deine Worte) wieder zu beheben, ganz davon abgesehen, dass die dafür aufgewendeten, steigenden Ressourcen dann auch nicht mehr zur Verfügung stehen, um z.B. alternative Energieerzeugung o.ä. zu befördern. Das führt dann zu Fachkräftemangel, Lieferkettenengpässen usw., die es unmöglich machen, auch nur die aktuelle Infrastruktur aufrechtzuerhalten. Wenn man das damit vergleicht, was für „Verwerfungen auf den Märkten“ bereits relativ kleine, zeitlich bzw. lokal begrenzte Krisen wie Corona oder der Ukrainekrieg verursacht haben, können wir uns halt nur schwer vorstellen, was da noch auf uns zu kommt.

Und das ist eben das Problem. Menschen sind nicht dafür gemacht sich vorzustellen, dass die Welt, so wie sie ihr Leben lang da war, für sie irgendwann mal nicht mehr existiert. (Deswegen erfinden sie u.a. Religionen, weil die Vorstellung wiedergeboren zu werden oder einfach an einem anderen Ort weiterzuleben viel einfacher zu verkraften ist als einfach davon auszugehen, dass die eigene Existenz dann einfach weg, wie ausradiert ist.)

Und deswegen gehen die Leute davon aus, dass das alles schon nicht so schlimm werden wird. Klar, die ganzen Leute vom Äquator nach Grönland umzusiedeln wird eine logistische Herausforderung, aber wenn das alles nicht funktioniert, wird schon irgendein verrückter Wissenschaftler irgendeine magische Formel berechnen, und dann muss nur noch Bruce Willis exakt im richtigen Moment am richtigen Ort in der Stratosphäre die Atombombe zünden, und am nächsten Morgen wachen alle auf und wir haben wieder das Klima von 1990.

Und deswegen wählen die Leute auch überall auf der Welt (zumindest wo sie dürfen) mehrheitlich Parteien, die sie in diesem magischen Denken belassen, und die bequem vortäuschen, sie hätten irgendeinen Plan, der aber immer ein paar Jahrzehnte in der Zukunft liegt, damit man jetzt erstmal im Großen und Ganzen so weiterleben kann wie bisher. Dummerweise merken bloß langsam ein paar Leute, dass diese Pläne irgendwie nie auch nur annähernd eingehalten, sondern stattdessen einfach neue Absichtserklärungen für die Zukunft unterbreitet werden.

Das mag ja sein. Ich glaub auch nicht, dass diese Art von Protesten auf einmal dazu führt, dass die sogenannte Mitte der Gesellschaft in allen G20-Staaten plötzlich komplett ihre Lebensweise ändert. Umgekehrt glaube ich allerdings auch nicht, dass irgendwer Klimaschutz plötzlich weniger wichtig findet, bloß weil irgendjemand irgendwo ein Bild beschädigt hat.

Der große Philosoph Rolf Rüssmann hat einmal gesagt: Wenn wir hier nicht gewinnen, treten wir ihnen wenigstens den Rasen kaputt.

Und ich denke, das ist in etwa das Mindset, dass diese Aktivisten mittlerweile erreicht haben.

Denn machen wir uns nichts vor: Es wird sich in naher Zukunft nichts ändern, (außer dem Klima.) Und das liegt nicht bloß an irgendwelchen Politikern und Lobbyisten, sondern auch an der Bevölkerungsmehrheit auch in allen demokratischen Staaten. Ich meine, wie lange diskutieren wir eigentlich schon über No-Brainer wie Inlandsflugverbote? Das sind Maßnahmen, sowas müsste man eigentlich schneller umsetzen können als irgendjemand „Bundeswehrsondervermögen“ auch nur aussprechen könnte. Aber es passiert nicht. Und eigentlich müssten wir noch viel mehr machen, z.B. alle Urlaubsflüge verbieten. Damit hättet ihr dann aber richtig Spaß als Politiker.

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