LDN 289: Offene Briefe

An fast all diesen Kriegen waren auch die USA beteiligt, als einflussreichstes Land und mächtigste Streitkraft der NATO.
Was ich damit sagen will, ist, dass der Westen alles andere als unschuldig ist, wenn es um Leid in der Welt geht. Abgesehen von dem vielen „Guten“ (Demokratie, Lebenserwartung, Wohlstand, …), bringt er leider auch sehr viel Leid in die Welt (Eskalation von Konflikten wie z.B. in Afghanistan, Klimaerhitzung, Ökozide).
Deshalb, aber nicht nur deshalb, sollten wir dringend aufhören, in der Logik von Gut und Böse zu denken. Leid/Gewalt erzeugt fast immer Gegengewalt. Irgendwann ist es dann unmöglich, noch objektiv zu sagen, wer „die Guten“ und wer „die Bösen“ sind, auch wenn die vermeintliche Antwort subjektiv noch so sehr auf der Hand zu liegen scheint. Aber uns muss klar sein: Niemand ist gut oder böse. Jeder und jede ist das, was die Umstände aus ihnen gemacht haben. Das trifft auf Einzelpersonen eben so zu wie auf Menschengruppen und auf ganze Staaten. Die NATO ist weder gut noch böse. Russland ist weder gut noch Böse. Putin ist weder gut noch böse. Biden ist weder gut noch böse. Objektiv gesehen tun alle einfach nur das, was sie denken, das es für ihre Gemeinschaft das beste ist.
Das anzuerkennen, ist der erste Schritt heraus aus der Gewaltspirale.

Nach längerem Verdauen des Beitrages in der LdN, kann ich nicht wirklich glauben, dass Philip und Ulf in letzter Konsequenz wirtschaftliche Interessen über Menschenleben stellen. Man ist bis heute nicht dazu bereit Putin komplett den Geldhahn zuzudrehen ("… diplomatischen Wege sind weiß Gott nicht ausgeschöpft"), da dies unkalkulierbare Folgen auf unsere Wirtschaft hätte. Da ist es doch angenehmer Waffen zu liefern, durch die Menschen direkt und indirekt sterben werden, um „unsere“ westliche Demokratie zu schützen.

Jetzt waren wir doch eigentlich gerade dabei, eine halbwegs faire Diskussion zu führen. Da ist diese Unterstellung schon ein krasser Rückschritt. Bei aller berechtigter Kritik: wann sollen die beiden das denn gesagt haben? Die Position pro schwere Waffen schließt doch stärkere Wirtschaftssanktionen gar nicht aus.

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Das hat er ja auch nicht gesagt. Es ist ein logischer Schluss zu dem er kommt. Wenn der falsch ist kann man ihn sicher leicht widerlegen, oder erklären warum totale ökonomische Isolierung nichts bringt.

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Kannst Du das bitte präzisieren? Im Wikipediaartikel zum Kosovokrieg wird erwähnt, „dass die NATO im Kosovo ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates als selbsternannte und eigenmächtige Interventionsmacht handelte.“ Weiter wird da von fehlender völkerrechtlichen Legitimation und Bruch des Völkerrechts gesprochen. Im englischen Text steht „The NATO bombing campaign … did not gain the approval of the UN Security Council.“ Ich bin gerade etwas verwirrt.

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Da ist mir ein Fehler unterlaufen. Habe es korrigiert. Danke für die Info.

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Kleiner Hinweis, bei extra 3 gibt es ein sehr kurzes Video, das die Schärfe dieser Debatte schön auf die Schippe nimmt:

Trifft natürlich auch auf mich zu ^^

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Was der Westen (v.a. die USA) machten/machen, ist was jede Großmacht seit dem Anbeginn der Zivilisation und den ersten Großmächten der Bronzezeit machen: Sie streiten sich um Einfluss und Macht. War immer so und wird immer so bleiben, denn sobald sich eine Machtvakuum bildet, wird es irgendwann gefüllt werden. Die Regierungsformen und Ideologien mögen sich ändern, aber die Machtspiele bleiben die gleichen.

Allein wie du Afghanistan hier hineinbringst ist schon etwas eindimensional betrachtet (ich nehmen an du beginnst mit 2001). In Afghanistan griff davor bereits die Sowjetunion ein, als es ihr politisch zu bunt wurde. Die Amerikaner, als konkurrierende Weltmacht, griffen natürlich dann ebenfalls ein.
Was die USA vor allem in diesen Ländern angerichtet haben war natürlich nicht immer richtig (aus unserer deutschen Sicht), aber du musst dir auch klar machen, dass unsere Freiheit das so zu sagen ohne den strategischen Schutz der Amerikaner nicht existieren würde. Ich glaube nämlich nicht, dass wir uns auf der machtpolitischen Bühne so durchsetzen könnten mit unserer hard power.

Ein freundlicher Hinweis für eine diskursive Sprache: Bitte, niemand MUSS sich etwas klarmachen…Du erklärst, begründest, belegst - je besser Du das machst, umso überzeugender und klarer wirkt Dein Anliegen. Solche belehrenden Floskeln sind da nur hinderlich. Das gilt bei weitem nicht nur für Dich, Du bietest hier gerade ein Beispiel. :wink:

Die Aufrechnung kann vor allem auch in beiden Richtungen geschehen: wirtschaftliche Stabilität rettet halt ebenfalls Menschenleben - einige sehr direkt (die Selbstmordrate steigt in wirtschaftlich unsicheren Zeiten, in denen Menschen ihre Lebensgrundlage wegbricht) und sehr sehr viele eher indirekt über Mechanismen wie z.B. eine bessere medizinische Versorgung, die nur auf Grundlage starker wirtschaftlicher Tätigkeit möglich ist.

Das Quantifizieren ist halt schwer bis unmöglich. Aber auch hier gilt: in beiden Richtungen ist das schwer. Die Anzahl Kriegsopfer, die in einer hypothetischen Welt mit radikaleren Sanktionen hätten gerettet werden können, ist nicht seriös eingrenzbar. Man kann nicht einmal die Aussage treffen, dass die Zahl ganz sicher größer 0 ist, so ungenau ist die Wirkung einzelner Sanktionen auf den weiteren Verlauf des Krieges prognostizierbar.

Da die Argumentation „Wirtschaft vs. Menschenleben“ also immer auf ein Aufrechnen einer „geretteten“ Zahl X gegen eine auf andere Weise „gerettete“ Zahl Y hinausläuft - wobei X und Y vollkommen unbekannt sind - halte ich sie für moralisch inhärent problematisch. Was sich definitiv verbietet, ist, sie in einem Glauben an die eigene moralische Überlegenheit zu führen - denn das Gegenteil ist allerhöchstwahrscheinlich der Fall.

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Wozu machst Du Dir die Mühe einer ausführlichen Argumentation, wenn Du Deinen Beitrag dann mit einer Unterstellung beendest?

Dies sollte keine Unterstellung sein, sondern einfach mein logischer Schluss (@LeoWom hat es auch so verstanden), den ich eventuell etwas zu knapp gehalten habe. Ich sage auch nicht, das Lieferungen schwerer Waffen falsch ist oder gar echte Wirtschaftssanktionen ausschließt. Ich verurteile auch nicht die Position der LdN. Für mich ist es ein konsequent zu Ende geführter Gedanke aus den Punkten die gesagt und nicht gesagt wurden. Ich versuche es nochmal etwa ausführlicher aber trotzdem knapp.

wirtschaftliche Interessen
Die deutsche Regierung ist nicht wirklich bereit starke Wirtschaftssanktionen durchzusetzten. Einen Ölimportstopp gibt noch nicht und ein Gasimportstopp steht noch gar nicht zur Diskussion, bevor die nötigen Alternativen gesichert sind. Der Hauptgrund ist nun mal, dass man nicht bereit ist, die wirtschaftlichen Folgen für solche Sanktionen zu tragen. Zu Ende gedacht bedeutet dies für mich, wir sind nicht bereit unseren Wohlstand für unsere schützenswerte Demokratie einzuschränken bzw. zu opfern. Damit ich nicht wieder falsch verstanden werde: Ich finde diesen Gedanken nicht verwerflich, sondern nur ehrlich zu Ende gedacht.

Waffenlieferungen
Ich denke, wir sind uns einig, dass die Waffen, die in die Ukraine geliefert werden sollen, nicht zur Abschreckung dienen, sondern zum Einsatz gebracht werden. Bedeutet das mit den Waffen direkt und indirekt Menschenleben beendet werden.

In der LdN zu den offenen Briefen wird das bisherige Auslassen harter Wirtschaftsanktionen gegen Russland nicht kritisiert. Hingegen wird die Lieferung schwerer Waffen mit vernünftigen Gründen befürwortet. Auch hier finde ich diese Position nicht verwerflich und auch nicht falsch oder richtig. Nur muss man sich selbst gegenüber so ehrlich sein, dass man damit letztendlich wirtschaftliche Interessen über Menschenleben stellt.

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Dass stört mich schon seit Jahrzehnten.

Auch wenn es ein Nullsummenspiel ist, wurde in den letzten drei Monaten nicht wirklich hart sanktioniert, sodass wir jetzt an einem Punkt sind, wo wir an der Lieferung von schweren Waffen nicht vorbeikommen. Aber in letzte Konsequenz zu Ende gedacht bedeutet dies für mich, dass wir wirtschaftliche Interessen über Menschenleben stellen. Damit ich nicht wieder falsch verstanden werde: Ich finde diesen Gedanken nicht verwerflich, sondern nur ehrlich zu Ende gedacht.

Naja das ist eine offene Frage nach der Motivation hinter der These, da die These recht wenig stichhaltig ist vermute ich die Überbrückung einer kognitiven Dissonanz. Da dies oft unbewusst passiert hätte ich das eher als Reflexionspunkt den Unterstellung gesehen. Letztlich unterstelle ich lediglich einen Bias keine unlautere moralische Agenda. Auch wenn letzteres der Fall wäre fände ich dies auch immer noch vertretbar. Zum eine Zuspitzung am Ende einer Argumentation durchaus übel ist nach meiner Erfahrung. Steile Thesen, Zuspitzung, leichte Provokation gehören zum leichten Konfrontationscharakter von Debatten dazu. Es sei denn hier im Forum ist eine rein rationale erörternde Diskussion gewünscht. Wobei ich mich hier dann fragen würde ob dies in einem offenen Forum möglich ist, schließlich ist Rationalität in Reinform eine sehr sterile Angelegenheit und wo der Richterstuhl der Vernunft ist der am Ende entscheidet und Ideengeschichtlich so wichtig in diesem Diskussionskonzept ist.

Es ist ein schmaler Grad zwischen dem Erhalt eines Diskursraums mit gewissen Grenzen und dem Durchsetzen eines gewissen Umgangstons der allzu schnell Positionen delegitimiert die ein wenig herausfallen. Daher gab es ja die ganzen Diskussionen zu Gatekeeping. Gerade, wenn man micromanagement betreibt.
Ich möchte diesen Punkt auch explizit von rechten Abgrenzen die hier den Meinungsfreiheitsbegriff verformen.

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Naja das ist eine offene Frage nach der Motivation hinter der These, da die These recht wenig stichhaltig ist vermute ich die Überbrückung einer kognitiven Dissonanz. Da dies oft unbewusst passiert hätte ich das eher als Reflexionspunkt den Unterstellung gesehen.

Ich stimme mit Dir überein, dass eine lebendige Diskussionskultur hier im Forum aus vielen kommunikativen Elementen bestehen sollte. Wenn Du jedoch am Ende Deines Beitrags mit dem letzten Satz übergangslos in die Metaperspektive wechselst, wie Du es für Dich gerade beschreibst, könntest Du das besser vermitteln, damit ihr Euch dann auf Augenhöhe darüber austauschen könnt. Sonst entstehen in aufgeladenen Situationen leicht Rechtfertigungszwänge und unterschwellige Schuldzuweisungen.

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Es gibt doch gar nicht die Wahl, entweder wirtschaftliche Sanktionen zu verhängen oder Waffen zu liefern.

In der Ukraine führt Russland einen waschechten Krieg mit absehbar zehntausenden Toten und schwer verwundeten russischen Soldaten. Diesen Preis ist die russische Führung offenbar bereit und in der Lage zu bezahlen für die Verfolgung ihrer Ziele. Demgegenüber ist jeder wirtschaftliche Schaden, den der Westen mittels Sanktionen in Russland verursachen kann, in seiner kurzfristigen Wirkung marginal. Das einzige, was damit für den jetzt laufenden Krieg direkt erreicht werden kann, ist ein Ausbremsen der russischen Rüstungsindustrie dort, wo sie auf Bauteile aus dem Ausland angewiesen sind. Aber aus Zeiten der Sowjetunion ist noch soviel Material vorhanden, dass Russland damit viele Jahre Krieg führen kann - es sind dann halt nicht die fortschrittlichsten und wirkungsvollsten Mittel, die sie einsetzen können. Was Wirtschaftsanktionen dagegen leisten können, das ist i) eine langfristige wirtschaftliche Schwächung Russlands sowie ii) später einmal als Verhandlungsmasse zu dienen. Wirtschaftliche Sanktionen sind damit keine Alternative zu Waffenlieferungen, sondern lediglich ein zusätzliches Instrument, um Russland Schaden zuzufügen. Dadurch ändert sich bei den jetzt laufenden Gefechten gar nix.

Wir marginale wirtschaftliche Erwägungen in Zeiten des Krieges sind, kann man sich auch gut am Beispiel der Ukraine klarmachen. Dort ist aufgrund des Kriegsgeschehens die Wirtschaft ungefähr um die Hälfte eingebrochen, ungefähr 1/4 der Bevölkerung ist auf der Flucht (sowohl innerhalb des Landes als auch ins Ausland) und an Gebäuden und Infrastruktur sind Schäden in Höhe von hunderten Mrd Euro entstanden. Angesichts dessen müsste die Ukraine ja schon fünfmal kapituliert haben, wenn wirtschaftläche Schäden eine Rolle spielen würden. Tun sie aber nicht. Und so wird es, mit Abstrichen, auch auf der russischen Seite aussehen.

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Meiner Ansicht nach werden hier Äpfel mit Birnen verglichen, da die Ukraine jede Menge Hilfszahlungen und Waffenlieferungen aus dem Ausland erhält, wogegen Russland bei harten Sanktionen stark geschwächt würde ohne externe Unterstützungen.

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Habe gestern bei Maybrit Illner eine sehr interessante Aussage gehört.

Herr Gressel spricht genau das an, was auch ich mir denke (nur dass ich es nicht so gut formuliert bekommen hätte). Es ist sozusagen das Ende mit Schrecken vs. Schrecken ohne Ende. Russland terrorisiert die Welt schon seit Jahrzehnten. Und jetzt rütteln sie an der Weltordnung und verursachen Hungerkrisen. Wenn Russland nicht Einhalt geboten wird, dann machen die weiter. Auf der anderen Seite kann es in Russland nur dann zu einer Änderung kommen, wenn es zu einem bösen Erwachen in der russischen Bevölkerung kommt.

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Hier mal ein Video aus dem russischen Staatsfernsehen speziell an die Adresse von Scholz/Deutschland:

Ich finde die russischen Nuklearwaffen-Drohungen in Richtung Deutschland klingen irgendwie sehr unglaubwürdig, wenn man bedenkt, das Russland gleichzeitig nicht müde wird, zu beteuern, das sie natürlich weiterhin alle Gaslieferverträge einhalten werden.

Na die Frage wäre hier wohl wie viel des nuklear arsenals überhaupt Einsatzbereit wäre. Denn wenn man sich anschaut wie die Russische Armee so aufgstellt ist wird es um das nuklear Arsenal nicht besser bestellt sein, insbesondere wenn man bedenkt dass in modernen Nuklearwaffen vor allem Tritium verwendet wird, welches sich recht schnell abbaut.

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