Die eigentliche Frage ist doch, was denn eigentlich das Kriegsziel der beteiligten Parteien ist. Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, wie der Donbass zurückerobert werden soll. Das ist unglaublich bitter für den Westen und noch mehr für die Ukraine, aber dort sind seit 2014 zu viele Menschen gestorben und die russische Propaganda dröhnte ununterbrochen.
Als Beispiel: Eine russische Freundin, deren Eltern in Donezk aufgewachsen sind, erzählte mir, dass ihre Großmutter, die in Donezk wohnt, mit „Endlich holen sie uns heim“ reagiert hat, als Russland angegriffen hat und die Oma schickt täglich irgendwelche Schrottpropaganda an sie. Klar, das ist anekdotisch und gilt sicher nicht für alle, aber die Regionen wehren sich seit 8 Jahren gegen das ukrainische Heer, sprechen alle russisch und haben wahrscheinlich alle Familie in Russland. (Umso ungeheuerlicher, dass Mariupol so zerstört wurde, eine Stadt, in der der Bürgermeister (!) erst Ukrainisch lernen musste.)
Wenn die abtrünnigen Regionen bis vor dem Krieg wegen russischer Hilfe nicht zurückerobert werden konnten, dann wird das gegen eine aktive Kriegspartei Russland schon gar nicht gehen. Oder sieht das jemand anders?
Selbst wenn es irgendwie gelingen sollte, das Gros der russischen Soldaten aus den Separatistengebieten zu vertreiben, werden die Separatisten sich mMn nicht unterwerfen. Und Russland wird nicht aufhören, die Leute aufzustacheln und zu unterstützen, vielleicht sogar mit Guerilla-Taktiken. Was dann? Ein Vertrag, der die Gebiete irgendwie unabhängig macht, sie sich aber auch nicht der russischen Föderation anschließen dürfen? Das glaubt doch kein Mensch mehr, dass sich Putin an so etwas halten würde. Und während die Ukraine mit Wiederaufbau beschäftigt ist, plant der Kreml seinen nächsten Coup.
Der Westen kann den Ukrainer*innen nicht sagen, was sie zu tun oder lassen haben, aber er kann schon auch auf sie einwirken mit unseren Einschätzungen, vor allem weil er so viel Unterstützung leistet. Aber dafür muss erst einmal klar sein, was das Ziel für uns wäre. Welche Exit-Strategie sehen wir? Was sind die Optionen?
Aber ist denn der Grad der Diplomatie niedriger? Putin wurde und wird doch ständig angerufen. „Der Westen“ ist auf der ganzen Welt bei Regierungen, um Partner zu gewinnen. Ich habe im Gegensatz zu den Emma-Autor*innen überhaupt nicht das Gefühl, dass wir nur Geld in die Ukraine pumpen und sonst nichts tun.
Ich fand es gut, dass der Brief geschrieben wurde, weil wir die Debatte brauchen, aber ich finde ihn irgendwie enttäuschend. Natürlich will man den Brief nicht zu lang werden lassen, aber er wirkt undurchdacht, weil die Argumente nicht herausgearbeitet werden.
Edit: Typo