LdN 283: Impfpflicht jetzt oder später

Wenn ich das was gesagt wurde richtig verstanden habe, gibt es wohl Politiker mit der Meinung, dass wir jetzt (also im März 2022) keine Impfpflicht brauchen, weil ja eh der Sommer kommt. Und im Herbst könne man mal sehen wie sich die Zahlen entwickeln und dann gegebenenfalls das Thema Impfpflicht wieder hervorholen.

Dazu fiel mir dann spontan ein, dass das in etwa so ist wie wenn ich jetzt sagen würde: „Momentan bin ich ja gesund, also brauche ich keine Krankenversicherung.“ Oder: „Warum sollte ich in die Rentenversicherung einzahlen, ich weiß ja gar nicht, ob ich so alt werde um Rente zu bekommen.“

Ok, ich weiß, der Vergleich hinkt, weil die Sozialversicherungen kein Eingriff in den Körper sondern nur ein Eingriff in den Geldbeutel sind, aber auf der anderen Seite ist Impfen gelebte Solidarität mit seinen Mitmenschen.

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Jeder, der diese Argumentationslinie vertritt, weiß meiner Meinung nach glasklar, dass das unlogischer Quatsch ist, und will eigentlich sagen „ich bin unter allen Umständen gegen eine Impfpflicht“ - aber ohne das so deutlich sagen zu müssen. Im Herbst ist die Impfpflicht, sollte sie dann nötig sein, natürlich kurzfristig nicht mehr umsetzbar, man wäre jetzt ja dafür, aber es bringt jetzt halt nix mehr, wie schade aber auch…

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Jup, das ist ein klassischer Versuch, die Situation auszusitzen (a.k.a. auszumerkeln).

Nach dem Motto: „Jetzt ist ja kein unmittelbarer Handlungsbedarf…“. Und wenn dann der unmittelbare Handlungsbedarf im Herbst da ist, wird es heißen: „Aber so schnell lässt sich das jetzt nicht mehr umsetzen, weil bis zur vollständige Impfung vier Monate vergehen… und außerdem ist es organisatorisch jetzt nicht so schnell umsetzbar… vielleicht nächstes Jahr…“

Diese Diskussion um die Impfpflicht muss jetzt ein für alle Mal beendet werden - mit einer klaren Ansage. Gerade weil wir jetzt im Sommer vermutlich wieder ein paar Monate Zeit haben, das alles sinnvoll zu regeln, damit im Herbst / Winter des Jahres eine möglichst hohe Impfquote besteht.

Daher: Impfpflicht jetzt. Und die Bußgelder sollten zweckgebunden für den besseren Ausbau und die bessere Bezahlung des Gesundheitssystems eingesetzt werden, das stärkt auch die Akzeptanz. Wer durch seine Unvernunft höhere Kosten für das Gesundheitswesen erzeugt darf auch gerne daran beteiligt werden, diese Kosten zu tragen.

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Der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte teilt die Befürchtung, dass über den Sommer nichts geschehen und es dann im Herbst wiederum zu spät sein wird:

Nein, ich glaube die Vertreter dieser Position sagen: Wir wissen ja nicht, welche Variante im Spätsommer / Herbst vorherrschen wird und ob dann die aktuellen Booster-Imfpungen überhaupt dagegen helfen. Daher wollen die erst mal abwarten, bevor sie Impfgegener und -skeptikern zu einer Impfung verpflichten, die sich später als wirkungslos herausstellen könnte.

Das ändert nichts daran, dass es dann zu spät ist.

Das ist das alte Problem von Entscheidung unter Unsicherheit. Man muss die Entscheidungsoption immer mit der der Nicht-Enscheidung vergleichen: Es ist aber wahrscheinlicher, dass die aktuellen Impfungen auch im Herbst noch wirkungsvoll sind als dass eine so niedrige Impfquote wie heute im Herbst nicht mehr so schlimm sein wird.

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Es ist zudem auch wahrscheinlich, dass es bis Herbst zusätzlich zu den aktuellen Impfstoffen auch noch angepasste Booster-Versionen davon geben dürfte, die bis dahin freigegeben sein sollten, sofern sie noch wirksamer sind als die althergebrachten. Und so etwas kann man in einer Impfpflicht ja durchaus auch jetzt schon antizipieren, indem man z.B. die Kriterien, die bestimmen, dass die Pflicht erfüllt ist, flexibel genug auslegt, um angepasste Impfstoffe bei Verfügbarkeit dort berücksichtigen zu können, ohne gleich das komplette Gesetz neu verabschieden zu müssen.

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Genau davor haben aber viele Abgeordnete Angst: Ein Gesetz zu formulieren, bei dem die Impfgegener und -skeptiker aufschreien werden: „Genau das hatten wir befürchtet: Eine Pflicht, ein Leben lang regelmäßig zusätzliche Impfungen über uns ergehen lassen zu müssen! …“

Leider meinen viele Politiker, Bürgern nichts mehr „zumuten“ zu können. Energie-Embargo, Impfpflicht, CO2-Preis, etc.

Die Diskussion wurde schon im Herbst 2020 mit einer klaren Ansage von dem damaligen Gesundheitsminister Spahn beendet.
Das Ergebnis gefällt uns beiden nicht, aber die Forderung nach einer klaren Ansage und einem Ende der Diskussion ist hier fehl am Platz. Die Impflicht-Befürworter sind es, die weiter diskutieren.

Das lasse ich nicht gelten. Wer sich in der Materie auskennt oder einigermaßen beraten lässt, weiß, dass man (bisher) immer besser beraten war, die frühe Impfung zu nehmen, als keine zu nehmen. Zumal man ja auch den Impfabstand senken kann, sodass man im Zweifelsfall mit der Impfung tatsächlich nichts verloren hat. (Dass Impfgegner das anders sehen und ihre Impfungen mitzählen, ändert an der Faktenlage nichts.)
Wer also so argumentiert, ist doof oder eben doch gegen die Impfpflicht.

Zudem ist ja vollkommen klar, dass für eine Variante, die heute noch nicht gefunden ist, im Herbst noch nicht genug Impfstoff vorhanden sein wird, um eine Impfung damit verpflichtend zu machen.

Dass die Impfungen gegen neue Varianten gar keinen Schutz bieten kann nahezu ausgeschlossen werden. Keinen Schutz vor Infektion und Verbreitung - möglich. Keinen Schutz vor schweren Verläufen - und das ist es, was wirklich relevant ist - ist aber nahezu ausgeschlossen.

Kurzum:
Das Virus mutiert in aller Regel so, dass es die Schleimhäute besser angreifen und die dortige Immunabwehr ein Stück weit aushebeln kann (daher: Ansteckung und Weitergabe des Virus sind möglich). Aber der zweite Schutzwall der Immunabwehr ist eben der Schutz vor schweren Verläufen - und den konnte bisher keine Corona-Mutation brechen und es wird auch als unwahrscheinlich angesehen, dass sich das noch ändert.

Eine klare Ansage einer alten Bundesregierung, an die die neue Bundesregierung zum Glück nicht gebunden ist. Der Sinn von Demokratie ist ja gerade, dass das Volk, wenn die Politik, wie hier im Falle Spahns, Mist macht, das Volk sagen kann: Wir wollen das nicht, wir wollen anders regiert werden!

Eine alte Regierung kann daher aus gutem Grund keine Gesetze erlassen, die den Handlungsspielraum der neuen Regierung massiv verkürzen. Vor allem kann eine alte Regierung keine Versprechen machen, an die sich Folgeregierungen dann halten müssten. Sonst können wir die Demokratie auch gleich ganz abschaffen.

Wer damals versprochen hat, es werde unter keinen Umständen eine Impfpflicht geben, hat einfach einen Kardinalfehler begangen. Er hat etwas versprochen, dass sich bei einer Änderung der Umstände offensichtlich nicht halten lassen kann. Die neue Regierung hat daher jedes Recht, hier eine andere, klare Ansage zu machen. Und wenn dann in dreieinhalb Jahren möglicherweise wieder die CDU regiert kann sie das gerne wieder ändern. Aber bis dahin ist der Drops hoffentlich endgültig gelutscht…

Darum ging’s nicht. Es ging darum, ob man die Diskussion beenden soll und kann. Bitte im zitierten Abschnitt einen Satz weiter lesen.

Sorry, aber das macht keinen Sinn. Nochmal: Eine neu gewählte Regierung ist nicht an die Versprechen der Vorgänger-Regierung gebunden. Und ja, genau darum geht es.

Ein Schlusspunkt kann immer nur gesetzt werden, indem entweder nicht mehr rückgängig zu machende Fakten geschaffen werden (wer z.B. wegen der Impfpflicht geimpft ist, wird geimpft bleiben, auch wenn die Politik die Impfpflicht später zurücknimmt). Ansonsten kann ein Schlusspunkt immer nur bis zur nächsten Legislaturperiode gesetzt werden. Oder, wenn Regierung und Opposition sich einig sind, über eine Änderung des Grundgesetzes so lange sichergestellt werden, bis wieder eine Zwei-Drittel-Mehrheit für die Änderung herrscht. In anderen Rechtssystemen wäre ein vorübergehender Schlusspunkt der Debatte auch über eine Volksabstimmung möglich, nach allen Umfragen dürfte diese Volksabstimmung in Deutschland klar zu Gunsten einer Impfpflicht ausgehen, möglicherweise sogar mit 2/3-Mehrheit.

Der Schlusspunkt, den die Regierung Spahn gesetzt hat, ist mit der Wahl der neuen Regierung jedenfalls hinfällig, und das ist unabhängig davon, ob man die Position von Spahn und Co. nun teilt oder nicht. Wie gesagt, ich halte die damalige Position von Spahn für maximal unvernünftig, einfach weil man in einer unsicheren Lage nicht versprechen kann, eine möglicherweise in der Zukunft nötige Maßnahme auszuschließen. Das war schlicht ein Fehler. Es war eine Mischung aus Populismus und Angst davor, Wähler im erzkonservativen Spektrum zu vergraulen. Es war quasi Wahlkampf. Aber darum geht es tatsächlich nicht. Es geht aber sehr wohl um die Frage, wer das Recht hat, diese politische Frage zu entscheiden. Und die Antwort darauf lautet: Das Volk. Entweder direkt oder eben über die gewählten Parlamente. Aber eben nicht die Vorgänger-Regierung. Die durfte diese Entscheidung für die letzte Legislaturperiode treffen und wurde möglicherweise genau deshalb auch abgewählt.

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Eine Impfung gegen Covid macht immer Sinn. Ich sehe nur dass dies nicht 1:1 für eine Impfpflicht gilt. Ich war großer Befürworter der Impfpflicht im Herbst 2021. Wir hatten Delta, die Impfung schütze vor der Übertragung, die Anzahl der schweren Verläufe war ziemlich hoch im Vergleich zu heute.

Mit der aktuellen Variante scheint die Impfung keinen Schutz mehr davor zu bieten dass ich als Geimpfter den Virus übertrage, und die schweren Verläufe die unser Gesundheitssystem zum Kollaps bringen würden sind auch nicht wirklich mehr geworden als zu der Zeit als wir noch Inzidenzen von 50 hatten und alle panisch waren sich bloss nicht anzustekcen (zu recht).

Deswegen: Impfkampagnen weiter führen, jeder der sich noch Impfen lassen will bzw boostern bekommt alle Unterstützung die er braucht. Dort wo es sinnvoll und nur ein geringer Eingriff ist Regeln beibehalten (hier sehe ich hauptsächlich Masken in Gebäuden in denen sich viele Menschen stark durchmischt bewegen, wie der Läden und die offenen Zonen in Büros, etc).

Für alles weiter gehende ist jeder selbst verantwortlich.

Das wird immer wieder behauptet - und ist und bleibt falsch:

  1. Je mehr Menschen geimpft sind, umso geringer die Inzidenz (allein schon wg der geringeren Virenlast von Infizierten). Und je geringer die Inzidenz, umso weniger Menschen stecken sich an. Und umso weniger Menschen haben schwere Verläufe oder Long-Covid(Dies Argument gilt übrigens auch gegen das Zurückfahren der Maßnahmen).
  2. Das Gesundheitssystems ist tatsächlich sehr ausgelastet! Das spiegelt sich nicht 1:1 in der Hospitalisierungsrate wieder, weil diese nicht den infektionsbedingten Ausfall von Personal reflektiert. Tatsächlich sind die Kapazitäten im Gesundheitssystem ziemlich geschrumpft und es werden wieder viele nicht-dringende Operationen verschoben. Die Krankenhäuser laufen auf dem Zahnfleisch und das Personal ist stocksauer über die immer wiederholte Mär, die Auslastung des Gesundheitssystems sei „moderat“.
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Mag im Reagenzglas stimmen, die Lage zeigt anderes. Alle Menschen um mich herum, die sich infiziert haben, sind geimpft. Wenn das einmal in der Familie war hatten es auch schnell alle. Ob das den rechtstaatlichen Eingriff noch rechtfertigt und ob andere Maßnahmen nicht deutlich effektiver sind, die wir auch alles abschaffen, ist die Frage.

Das ist sicherlich der Fall, nur ist das eben nicht nur Covid. Aktuell sind 2350 Intensiv-Covid Patienten registriert, noch im Februar 2021 waren es 5700.

Sicherlich ist das System sehr „kaputt“, aber vieles ist durch Covid eben nur sichtbar geworden.

Bei Omikron geht es mehr um die „normalen“ Stationen, die aktuell völlig überlastet sind.

Das mag anekdotisch richtig sein. Wenn aber die Impfung nun mal die Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufs massiv reduziert, dann ist bei hoher Impfquote die durchschnittliche Viruslast niedriger.

Nur weil sich aktuell sehr viele Menschen anstecken, heißt das nicht, dass das bei einer niedrigeren Impfquote nicht noch sehr viel mehr wären …

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Da gibt es aber auch keine Daten zu, zumindest keine die mir bekannt sind. Aber sind nicht Masken indoor nicht ein viel effektiverer Schutz vor der Übertragung durch Geimpfte? Und ist nicht gerade diese Maskenpflicht in der Abschaffung? Wieso sollte man den sicherlich tieferen Eingriff der Impfpflicht durchführen anstatt Maskenpflicht beizubehalten?

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Ja, ich kenne auch keine Studien diesbezüglich. Allerdings reicht mir für die Beurteilung hier der gesunde Menschenverstand.

Ja, Maske ist eine wichtige Maßnahmen gegen Infektionen. Aber ich sehe nicht, warum man das eine (Maske) tun soll, ohne das andere (Impfung) zu lassen.

Nein, die Maskenpflicht ist nicht gefallen. Die bundesweite Maskenpflicht wird abgeschafft. Und die Länder können sie wieder einführen. Einige tun das. Andere nicht - vermutlich um die Ampel vorzuführen. Na, wenn das denen wichtiger ist als der Schutz der Bevölkerung …

Tja, mein gesunder Menschenverstand sagt mir halt etwas anderes.

Habe ich auch nie gesagt. Ich sagte eine Impfpflicht ist in der aktuellen Lage nur schwer vertretbar. Sich Impfen lassen halte ich für extrem wichtig, aber nicht um andere zu schützen sondern sich selbst.

Eine Menge Länder tun das nicht, laut tagesschau.de

Am Dienstag beschlossen die Landesregierungen in Bayern, Berlin, Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg, Maskenpflichten in Geschäften, Schulen oder 2G- und 3G-Zutrittsregeln auslaufen zu lassen. Sogenannte Hotspot-Regeln zur Fortführung dieser Maßnahmen sollen zunächst nicht in Kraft gesetzt werden.

Zuvor hatte bereits Hessen angekündigt, auf eine Sonderregel verzichten zu wollen.

The plural of anecdote is not data und „gesunder Menschenverstand“ sollte in wissenschaftlichen Detailfragen mit gesunder Skepsis betrachtet werden.

Mein gesunder Menschenverstand folgt einer Logik

  1. Geimpfte Menschen haben im Schnitt einen wesentlich milderen Verlauft, eine niedriger Viruslast und deutlich weniger Symptome. Daher sind sie auch weniger ansteckend.
  2. Je mehr Menschen geimpft sind, umso weniger ansteckend sind die Menschen (im Durchschnitt), umso Menschen stecken sich an.

Mangels belastbarer Studien bleibt zu einem fakten- und Logik-basierten gesunden Menschenverstand keine Alternative. Wer in einer Pandemie mit Entscheidungen wartet, bis wissenschaftliche Studien vorliegen, hat schon verloren.