LdN 273: Umwandlung der NATO in ein europäisches Verteidigungsbündnis

Auch falsch: Russland hat sich unter Putin wieder in eine Diktatur verwandelt, die eine klar antiwestliche Politik betreibt.

Bitte lösche den letzten Satz deines Beitrags. Das wichtige Thema sollte hier nicht mit unsachlichen persönlichen Unterstellungen aufgeladen werden.

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Ich denke nicht, dass dies jemand leugnet. Die Preisfrage ist jedoch, wie man damit umgeht.

Aus Deutscher Perspektive gilt es folgendes im Blick zu haben:

Germany remains dependent on the US for security, on Russia for gas, and on China for market access.

Ok erledigt weil grundsätzlich richtig.

Dennoch frage ich mich manchmal schon, woher dieser Reflex kommt, Russland verteidigen zu müssen. Eine Diktatur, die kritische Menschen sogar vor unserer Haustür ermorden lässt. Die andere Diktaturen stüzt und bewirkt, dass deren Bewohner in Armut und Unfreiheit leben. Und die Kriege fördert um Chaos zu schaffen.

Ist das altlinke Atiimp-Haltung, eine aus Erziehung stammende Russophilie wie man sie bei einigen Ostdeutschen findet, oder doch die Bewunderung für einen „starken Mann“, der sich nicht mit Parteien und Koalitionen aufhalten muss.

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Zumindest die Abhängigkeit von russischem Gas ist kein Naturgesetz.
Und nur einer dieser Länder kann für uns ein Bündnispartner sein.

Wir können gerne auf die Pronomen verzichten, aber ich befürchte, ich kann mich nicht siezen lassen.

Meinte ich nicht.

Falls das andeuten soll, die NATO würde auch Russland aufnehmen. Wirklich? Bei einem Vetorecht der Länder, über die wir hier sprechen?

Ansonsten waren wir schon an dem Punkt, wo ich die Gleichsetzung der (nicht einheitlichen) Interessen der ursprünglichen NATO-Länder mit dem Schutzbedürfnis von Ländern, die gerne aufgenommen werden möchten - erst recht bei Ausschluss anderer Motive - als eine Grenze sinnvoller Diskussion charakterisiert habe. Man kann das gerne glauben, auch das wir die „Guten“ sind, aber das ist für mich eine nicht realistische Sicht auf konkurrierende Staaten allgemein.

Geht an dem vorbei, was ich gesagt habe, aber selbst aus dieser Perspektive: Das Interesse seitens des Westens an der NATO-Osterweiterung und die russische Opposition dagegen gab es auch in den Neunzigern. Ich denke sogar, sie ist in keiner Weise eine Reaktion auf das Putin-Russland. Die empire manager in den USA haben einfach die Möglichkeit eines russischen Wiedererstarkens gesehen und wollten deshalb möglichst schnell Osteuropa an den Westen und damit in ihren Einflussbereich binden. Die USA als vom innereuropäischen Sicherheitsgefüge nur wenig berührtes Land, haben die Erweiterung eigentlich auch immer am stärksten vorangetrieben.

Das Russland der Neunziger war in verschiedener Hinsicht freier aber auch dysfunktionaler. Selbst ohne die teilweise überhöhte negative Zeichnung in der Putin-Ära, ist leicht zu sehen, warum Putins Aufstieg als leuchtendes Gegenbild gelten konnte.

Freier und dysfunktionaler könnte man übrigens auch über die USA sagen. Ein Land, das traditionell bestimmte Wählergruppen an der Teilnahme hindert und diese Praxis als Folge der rechten Machtübernahme im Obersten Gerichtshof wieder vermehrt ausüben kann, das regelmäßig Wahlmehrheiten nicht repräsentativ im Wahlergebnis abbildet und dessen Repräsentanten weitgehend nicht responsiv gegenüber den Interessen der von ihnen repräsentierten sind. Mit anderen Worten das politisch durch seine und ausländische oligarchische Strukturen dominiert wird.

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Also ich sehe nichts, was ich gesagt habe, als Verteidigung von Russland an. Es ist allerdings durchaus eine Korrektur für die einflussreiche Setzung des Westens als passiv und wohlmeinend.

Ansonsten sind wir aus meiner Sicht nicht mal wirklich in einer besonderen Gefahrenlage. Sicherlich nicht eine, die der des laufenden Omikron-Ausbruchs nahekommt. Ich würde nicht ausschließen, dass Russland mit der schwer zu deutenden, provozierend wirkenden Truppenmassierung an der Grenze zur Ukraine eine militärische Intervention vorbereitet, ich gehe aber nicht davon aus. Was wirklich passiert: Durch die Attraktivität der Erzählung vom bevorstehenden Überfall wird enorm viel negative PR für Russland und die russischen Interessen vorallem durch westliche Medien erzeugt und das hat wiederum zu politischen Reaktionen darauf geführt. Mein Eindruck ist Russland hat hier wesentlich mehr bekommen, als es sich vielleicht selbst von der Aktion versprochen hat - wenn denn darin das Ziel liegt. Fraglich ist, ob sie damit etwas anfangen können.

Etwas, was tatsächlich meinem persönlichen Interesse entsprechen würde, wäre ein weitgehender Rückzug der US-Amerikaner aus ganz Asien. Das hat den Ausgangsbeitrag des Themas inspiriert.

Nein, das wollte ich nicht andeuten. Aber ein demokratisches und rechtsstaatliches Russland könnte zumindest grundsätzlich schon ein Mitglied der Nato sein. Davon ist Russland aber so weit entfernt, dass es auch auf längere Sicht unrealistisch ist.

Ach nicht nur die Ukraine den Russen, sondern auch gleich Taiwan wollen Sie den Chinesen überlassen? Interessant. Und so einen Quatsch wie „empire manager“ liest man wohl im Neuen Deutschland? Oder in der Sezession?

Wenn Sie aus einer rein deutschen Perspektive kommentieren, dann stimmt das. Zumindest kurzfristig. Aber nicht nur in der Ukraine, sondern auch im Baltikum oder in Polen dürfte das ganz anders aussehen.

Ja, weil Sie auch so ein Experte sind. „Schwer zu deuten“. Ist das ihr Ernst?
So wie Sie haben 1938 sicher auch einige Franzosen und Engländer gegenüber dem Deutschen Reich argumentiert. Nach dem Motto: Was geht uns denn die Tschechoslowakei an? Die Quittung dafür kam dann keine zwei Jahre später.

Der Vergleich ist schon ein wenig undifferenziert, oder? Putins Strategie war bisher immer was den Umfang angeht begrenzte Aggression und was den Wirkungsbereich angeht im Raum der alten Sowjetrepubliken (Tschetschenien, Georgien, Krim, jetzt Ukraine). Üblicherweise spielten sich diese Eskalationen das im Kontext einer innenpolitischen Schwäche ab (siehe auch Sascha Lobos Kommentar im Spiegel).

Ich bin kein großer Russlandexperte, aber Putin hat in den über 20 Jahren, die er am Ruder ist, meines Wissens nie Anlass dazu gegeben zu glauben, dass er eine große europäische Invasion plant. Ist wohl auch komplett unrealistisch, da er zwar genug Atomwaffen hat, um Europa unbewohnbar zu machen, aber beileibe nicht die konventionellen Streitkräfte, mit denen so etwas möglich wäre. Und wirklich kontrollierbar wären die Eroberungen anschließend für ihn auch nicht.

Solche Szenarien an die Wand zu malen, behindert das Verständnis der Situation doch nur. Putin scheint im Wesentlichen recht rational zu agieren, man sollte sich also vielmehr die Frage stellen, was will er wirklich?

-Die militärische Eskalation? Wenn ja, mit welchem Ziel? Innenpolitischer Rückhalt?
-Die Drohgebärde, um mehr Leverage zu haben? Leverage für was? Nordstream 2, weil das wirtschaftlich wichtig ist und seinen Einfluss auf das wichtigste Land in Europa erhält?

Und in welchem Fall ist was die richtige Antwort? Ich kann das nicht beantworten, aber den 3. Weltkrieg an die Wand zu malen statt sich mit diesen Fragen zu beschäftigen scheint mir wenig hilfreich zu sein.

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Schon nach einer Eroberung der Ukraine wären die Kosten einer Besatzung enorm. Der Nutzen ist sowieso fragwürdig. Und auch die Stabilität einer als Kriegsfolge installierten Marionettenregierung oder vorgeschriebenen Kantonalisierung würde ich eher als gering einschätzen.

Nord Stream 2 wird durch die gegenwärtige Situation allerdings eher gefährdet. Meines Erachtens ist der ökonomische Nutzen und gerade mit Blick auf diese Situation der Vorteil für Deutschland klar auf der Seite des Projekts, aber ein zu hoher außenpolitischer Preis für seine Durchsetzung könnte es durchaus scheitern lassen. Wobei es dann noch Möglichkeiten gäbe, etwa die Pipeline Gazprom abzukaufen.

Interessant, dass Sie sich aus dem Kommentar von Lobo (der sehr gut ist, danke für den Hinweis) gerade diesen Punkt nennen. Der ist natürlich nicht falsch, ist aber nur ein Aspekt, den Putin im Hinblick auf die Ukraine motiviert (und für mich auch ein eher nebensächlicher, da Putin leider innenpolitisch zu fest im Sattel sitzt).

Die im Text von Lobo beschriebene „Putinbrille“ kann man bei vielen beobachten, auch hier im Forum.

Ich glaube auch nicht an den Ausbruch des 3. Weltkriegs, das wollte ich auch nicht sagen. Sondern dass, sollten wir als Westen Russland nicht entschieden entgegen treten, dies bald bereuen werden. Vielleicht nicht mit Krieg und Besatzung, aber mit mehr Erpressung, Staatsterror und Destabilisierung.

Ich denke nicht, dass es sinnvoll ist, über irgendwelche russischen Eroberungszüge zu spekulieren.

Es reicht, sich klarzumachen, dass ein Russland, dessen Nachbarschaft sich unter dem Schutzschirm der NATO befindet, dort gar keine militärischen Handlungsmöglichkeiten mehr hätte, ohne gleich den Dritten Weltkrieg zu riskieren. Es sieht so aus, dass die russische Führung bereit ist, (weniger riskante) Kriege zu führen, um so ein Vorrücken der NATO dauerhaft zu verhindern.

Wenn man das mal so hinnimmt, stellt sich - ich wiederhole mich - die Frage, wie der Westen damit umgeht.

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Im konkreten Fall der Ukraine: diesem Land Mittel in die Hand zu geben, sich gegen eine mögliche russische Invasion bestmöglichst zu behaupten. Die Weigerung der Bundesregierung, LuftABWEHRgerät und selbst alte Haubitzen zu liefern bzw liefern zu lassen, ist ein Armutszeugnis.

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Tolle Idee. Es gibt eine alte Faustregel je symmetrischer die Kräfte, desto größer die Zahl der Todesopfer. Kaukasuskrieg von 2008, einige Tage Kampfhandlungen, so um die 1000 Tote. Krieg im Donezbecken, seit 2014, bisher das Zehnfache an Toten. Im Moment garantiert die Aufrüstung der Ukraine nur mehr tote Ukrainer und Russen, würde es tatsächlich zu einer direkten Konfrontation kommen.

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Ist nicht ziemlich klar, wie er damit umgehen wird? Man wird von der Einladung an Georgien und Ukraine für eine NATO-Mitgliedschaft nicht zurücktreten und man wird die militärische Präsenz in den NATO-Ländern an Russlands Grenzen erhöhen. Achja: Und weiter Rüstungsgüter in die Ukraine schicken.

So ist es gerade aus, ja. Zu Fragen wäre, ob es denn wirklich soviel kostet, den russischen Wünschen etwas entgegenzukommen. Freilich wird das immer schwerer, je länger der Konflikt auf diese Art vor sich hin schwelt.

Aber haben wir (West-)Europäer und unsere Schutzmacht USA nichts wichtigeres zu tun?

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Da bin ich aber froh dass US-amerikanische Präsidenten von Truman bis Reagan anders gedacht haben und mit Eindämmung und Aufrüstung den Kalten Krieg gewonnen haben.

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Und das wäre? Und selbst wenn es wichtigeres zu tun gäbe, wäre es falsch „russischen Wünschen“ entgegen zu kommen. Sonst haben wir in der Ukraine in ein paar Jahren wieder ein Regime wie in Belarus, moskauhörig und europafeindlich.

Was macht dich so sicher?

Ich denke mal es gäbe sicher Möglichkeiten Moskaus Sicherheitsbedürfnis zu befriedigen ohne die Ukraine in einen Vasallenstaat zu verwandeln.