LdN 273: Umwandlung der NATO in ein europäisches Verteidigungsbündnis

Kommt drauf an wie man mit diesen Minderheiten umgeht.
Wenn man sie gleichberechtigt zum eigenen Volk behandelt, hat es ein Agent Provokateur schwer sie aufzuwiegen.

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Aha, nun auf der NATO-Internetseite solltest du es halt auch nicht nachlesen.

„Lange Besatzung“ ist eine interessante Beschreibung für Länder, die vor ihrer Zeit als Sowjetrepubliken und der kurzen Phase ihrer Unabhängigkeit 100 bzw. 200 Jahre als Ostseegouvernements Teil des Russischen Kaiserreichs waren und eine wichtige Rolle in seiner Entwicklung gespielt haben. Ich könnte mir vorstellen, dass sich die eine oder andere russische Minderheit in der Zeit angesiedelt hat oder wurde.

Wie auch immer:

Das halte ich für eine Fehleinschätzung.

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So etwas von einem Russlandversteher zu lesen, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.

Ich beziehe mich vor allem auf die Zeit nach der sowjetischen Annexion (erst danach hat eine planvolle russische Besiedlung eingesetzt, genau mit dem Ziel, dadurch eine erneute Eigenstaatlichkeit der baltischen Staaten zu erschweren).

Kann ich mir denken.

Wie soll man deinen Spruch von Russlandversteher auffassen?

Und was ist falsch an meiner Aussage?

Integrierte zufriedene Minderheiten sind nunmal deutlich schwerer aufzuwiegeln als Minderheiten die immer irgendwie an den Rand gedrückt werden.

Kann man sogar in Deutschland verfolgen, wenn man das möchte.

Einfach mal schauen wie es 30 Jahre nach der Wende in Ostdeutschland so um die Aufstiegsmöglichkeiten der in Ostdeutschland geborenen so steht.
Selbst die heute unter 30 jährigen die also im westdeutschen System sozialisiert sind, haben es deutlich schwerer.
Daraus erwächst Unzufriedenheit die sich leicht benutzen lässt.

Und nein es geht nicht um Vorzugsbehandlung, sondern schlicht um Gleichbehandlung und Chancengleichheit.

Solange aber der Erfolg sehr stark an Vitamin B (teilweise das der Eltern) gekoppelt ist, kann man von Chancengleichheit nicht wirklich sprechen.

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Wer legt denn fest, was aggressiv ist und was nötig ist? Und inwiefern passt die Forderung nach „gar nicht“ aggressiv zum Verhalten Russlands, das definitiv aggressiv ist?

Das ist eine politische Frage, die dir verschiedene Menschen verschieden beantworten werden.

ag|gres|siv: angriffslustig, streitsüchtig, auf Aggression gerichtet, herausfordernd [wirkend], …

Die NATO hat kein Interesse an einem Angriff auf Russland, nicht nur, weil sie sowieso ein Verteidigungsbündnis ist, sondern auch, weil auch sie keinen dritten Weltkrieg aktiv heraufbeschwören wollen. „Herausfordernd“ kann man vllt sagen, der Rest passt aber mMn nicht wirklich.

Man könnte den Spieß auch umdrehen und sich fragen, warum die meißten osteuropäischen Staaten so ein ausgeprägtes Schutzbedürfnis vor Russland verspüren, dass sie sich an die NATO und damit indirekt an die USA wenden.

Wieso ist das ironisch? Die NATO-Mitgliedschaft bringt bei einer konkreten Bedrohung relativ wenig, wenn keine Truppen in der Nähe sind. Wenn sich die Staaten mit ihrer eigenen Armee sicher fühlen würden, bräuchten sie auch die NATO nicht.

Russland hat unter seinen verschiedenen Namen, sei es als Zarenreich oder als Sowjetunion, eine lange Liste an Massakern und Vertreibungen seiner eigenen Minderheiten. Deshalb konnten es nach dem Ende der Sowjetunion auch mehr als ein Dutzend Völker kaum erwarten, als endlich (wieder) ihre staatliche Unabhängigkeit zu erlangen.

In der Ukraine hat die russischen Minderheit als 5. Kolonne zur Annexion der Krim und den russisch gesponserten „Volksrepubliken“ im Osten des Landes beigetragen. Da wurde einer demokratischen Ukraine doch gar keine Chance gegeben.

Scheint als ob du das als Rechtfertigung nutzen willst um die russischen Minderheiten mit gleicher Münze zahlen zu lassen.

Sorry aber mit solchem Verhalten treibst du sie genau dazu:

Was du scheinbar nicht bereit bist anzuerkennen, ist dass die jetzigen russischen Minderheiten nichts dafür können, dass ihre Vorfahren dort mit oder ohne Zwang angesiedelt wurden.

Dann sei aber bitte auch so konsequent und verlange, dass diese Minderheiten bitte nach Russland ausgewiesen werden sollen.

Und wenn du schon dabei bist, kannst du auch noch fordern, dass die Nachfahren der Einwanderer in Deutschland bitte doch auch zurück in die Heimat ihrer Vorfahren gehen sollen.

Vielleicht möchtest du ja auch die türkischstämmige Bevölkerung in Deutschland so behandeln wie die Türken die Kurden behandeln.

Rechtfertigung versuchst du zumindest schonmal.

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Gleich zwei falsche Unterstellungen, wo ich nur nicht weiß, welche die dümmere ist.

Es wäre besser Sie lassen sich vor dem Posten einer Antwort ein wenig mehr Zeit zum Lesen und Nachdenken.

Richtig, aber dann sollten diese Menschen eigentlich froh sein, wenn sich ihr Heimatland (in diesem Fall die Ukraine) einem demokratischen und rechtsstaatlichen System annähert. Und nicht zu den Waffen greifen, um als Separatisten autokratische „Volksrepubliken“ zu gründen.

Wie wäre es denn stattdessen mal, wenn du erklärst warum du mich für einen Russlandversteher hältst nur weil ich Erklärungsansatz liefere warum die Russen so leichtes Spiel haben.

Da ist jetzt die Frage (mir fehlen die Informationen dazu) inwieweit sie an diesem Prozess beteiligt sind.

Was man merkt ist, das du in dem System in dem du lebst noch nie benachteiligt wurdest, aufgrund von Merkmalen die du nicht beeinflussen kannst.

Frag dich doch einfach mal selbst ob du eher gegen ein System opponieren würdest in dem du anerkannt bist und nicht behindert wirst oder gegen ein System welches dich wegen deiner Eltern, deinem Geschlecht oder deiner sexuellen Neigung benachteiligt.

Du versuchst verzweifelt Benachteiligung aufgrund der Geburt zu rechtfertigen mit Verweis darauf daß das Herkunftsland der Eltern/Großeltern ja genauso verfährt und bist nichtmal Willens auch nur im Ansatz auf das Argument einzugehen.

Es hat null komma nichts mit Verständnis für Russland zu tun wenn man darauf hinweist, dass Unzufriedene und ausgegrenzte Minderheiten leichter aufzuwiegeln sind.
Das kannst du überall auf der Welt verfolgen.

P.s.: In Deutschland ist es die Antwort auf die Frage, warum Erdogan die Deutsch-Türken so leicht für sich einspannen kann.

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Das wäre eine sehr kurzsichtige Einstellung.
Nicht nur Deutschtürken werden Dir bestätigen, sondern auch die Russisch-Ukrainer werden feststellen, dass sie, so wie sie in ihrem Geburtsland nicht als vollständig Einheimische anerkannt wurden auch in dem Land ihrer Eltern oder Großeltern nicht als vollständig Einheimische anerkannt werden.
Letztendlich hat man nur die Wahl: man integriert sich und findet sich mit der Situation ab oder man wird nie irgendwo zu Hause sein.

Wenn @AndyM Ihnen hohe Fachkompetenz in Sachen Russland bzw. russischer Politik zumisst, dann nehmen Sie seine Wertschätzung doch einfach an. :slight_smile:

Nur dass genau dieser Wortlaut im Regelfall abwertend gebraucht wird um auszudrücken, dass man nach Ansicht des Verwenders zu viel Verständnis für Russland allgemein aufbringt und durch die Blume gesagt Putins Politik toll findet.

Beides ist aber nicht in meinem Argument vorhanden.

Es gab in der Sowjetunion gewisse Zeit eine programmatische Russifizierung, aber die Ansiedlung von Russen geht auch auf die Industrialisierung von Estland und Lettland zurück. Russische Industriearbeiter samt Familie sind in die östlichen Industriezentren der Länder gezogen. Das hat den Anteil der russischen Minderheit vielleicht auf das Dreifache erhöht, vielleicht zeitweilig auch etwas mehr.

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Das Problem im Baltikum ist, dass die Mehrheiten dort in der Sowjetzeit in unterschiedlichem Ausmaß aber eigentlich immer unterdrückt wurden. Diese Perspektive im Anschluss aufzugeben ist sicherlich nicht leicht. Zumal die russische Minderheit zuvor als „Vertreter“ des Hegemons die kulturelle Dominanz ihrer Ethnie gewohnt war und das ebenfalls nicht leicht ablegen konnte.

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Gut, ich nehme das mal als Drücken um eine klare Antwort.

Also den Spieß zurückdrehen. Eine Antwort darauf ist das dominante mediale Narrativ in diversen NATO-Ländern. Historisch ist die Frage auch recht leicht zu beantworten.

Die Idee hinter einem so breiten Bündnis wie der NATO mit einer - wenn auch nicht der niebelungischsten - Beistandsklausel, ist ja das Abschreckungspotential. Dass der Preis für einen Angriff auch auf das schwächste Mitglied zu hoch ist. Die Alternative zum Aufbau einer militärischen Abschreckung ist allerdings nicht das Leben in Furcht, sondern das Bemühen um eine Nachbarschaftspolitik. Und ich denke, das wird in diesen Ländern durch die NATO-Mitgliedschaft tatsächlich beeinträchtigt. Es gibt einen Fokus darauf, wie man sie ausbauen muss, um die gesuchte Sicherheit zu erlangen, obwohl es durchaus wahrscheinlich ist, dass das eine regionale Aufrüstungsspirale mit Russland auslösen kann und man der Sicherheit auch weiter hinterjagt.

Ich glaube, das war mehr ein Scherz.

Ich denke nicht, dass die russische Regierung Russland als Sowjetunion sieht, allerdings war es in den Neunziger Jahren enorm schwach für ein Land dieser Fläche, Bevölkerung, Ressourcen, Beziehungen und dieses militärischen Potentials. Danach ist es wieder erstarkt. Viele westliche Mächte haben ihre Politik weiter am Russland der Neunziger Jahre ausgerichtet und jetzt haben wir eben das Ergebnis.

Mal ab von der etwas rosigen Sicht auf die Bundesrepublik. Der Unterschied zwischen der vollständigen Niederlage des Deutschen Reiches und der vermeintlichen Niederlage der Sowjetunion - als Russland verstanden: Hinterher gab es etwa im Baltikum keine deutsche Minderheit mehr, es gibt aber weiterhin eine russische. Ich frage mich, ob die Bundesrepublik schließlich die Oder-Neiße-Grenze akzeptiert hätte, wenn dahinter lauter Deutsche im Westen von Polen gelebt hätten.

Die historische Gegnerschaft der NATO gegen die Sowjetunion sollte unkontrovers sein. Russland steht in ihrer Nachfolge. Recht klar ist auch, dass die Erweiterung der NATO im Osten Länder aufnimmt, in denen zumindestens ein Teil der politischen Klasse eine Bedrohung in Russland sieht. Überhaupt würde die NATO vermutlich alle Länder in Europa und Transkaukasien aufnehmen, außer Russland. Bei einem europäischen Schwerpunkt der Verteidigung bleibt dann auch nur ein potentieller Gegner übrig.

Apropos NATO-Internetseite, kurzer Exkurs in die NATO-Russland-Grundakte von 1997: NATO - Official text: Founding Act on Mutual Relations, Cooperation and Security between NATO and the Russian Federation signed in Paris, France, 27-May.-1997

Da liest man:

Die NATO und Russland betrachten einander nicht als Gegner.

Wer schreibt sich sowas in ein Dokument? Richtig: Gegner. Also schön, sie wollen keine mehr sein. Wenn man allerdings den Vertrag liest, stellt man fest, dass der Geist des Dokuments eigentlich in keiner Weise zur Erfüllung gekommen ist, insofern liegt die Schlussfolgerung nahe, dass es sich weiter um Gegner handelt.

Etwa sowas:

Beide Seiten beabsichtigen, auf der Grundlage gemeinsamen Interesses, der Gegenseitigkeit und der Transparenz eine starke, stabile und dauerhafte Partnerschaft zu entwickeln.

Ich bin mir sicher, der Russlandfalke hat hier keine Probleme lauter Verfehlungen von Russland heraus zu picken. Aber ich nehme mal einen Punkt für jeden Seite heraus, der noch etwas andere Aspekte beleuchtet:

NATO

Zur Verwirklichung der Ziele dieser Akte verpflichten sich die NATO und Russland gemeinsam dazu, ihre Beziehungen an folgenden Grundsätzen auszurichten:

  • […]
  • Verzicht auf die Androhung oder Anwendung von Gewalt gegeneinander oder gegen irgendeinen anderen Staat, seine Souveränität, territoriale Unversehrtheit oder politische Unabhängigkeit in einer Weise, die mit der Charta der Vereinten Nationen oder der in der Schlussakte von Helsinki enthaltenen Erklärung über die Prinzipien, die die Beziehungen der Teilnehmerstaaten leiten, unvereinbar ist;

Apropos Jugoslawien-Kriege: Von der NATO im Mai 1997 unterschrieben, im Februar 1998 völkerrechtswidriger Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien.

Russland

Zur Verwirklichung der Ziele dieser Akte verpflichten sich die NATO und Russland gemeinsam dazu, ihre Beziehungen an folgenden Grundsätzen auszurichten:

  • […]
  • Anerkennung der Schlüsselrolle, die Demokratie, politischer Pluralismus, Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenrechte und bürgerlichen Freiheiten sowie die Entfaltung freier Marktwirtschaften für die Schaffung allgemeinen Wohlstands und umfassender Sicherheit spielen;

Ausgehandelt wurde der Vertrag unter Präsident Boris Jelzin. Die Autorität dieser Unterschrift geht also auf die Präsidentschaftswahl von 1996 zurück. Es ist eine alte Diskussion, ob die damaligen Wahlfälschungen einen Umfang hatten, dass Jelzin eigentlich verloren hätte. In jedem Fall haben die US-Amerikaner zu seinen Gunsten interveniert. Zeigt vielleicht wie fragil diese Vereinbarung war, dass der Mann, der für Russland die Zustimmung zur Grundakte gegeben hat, das vermutlich nur deshalb konnte, weil die Leitmacht der NATO seiner Wiederwahl nachgeholfen hat.

Nein, solche Differenzen lassen sich sehr leicht kommunizieren, während man eine Verständigung sucht. Insofern ist das eine recht gefährliche Einstellung.

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Schließlich mal eine kontemporäre Einschätzung der Situation, die jetzt manchmal als Affirmierung der NATO-Osterweiterung durch Russland dargestellt wird:

Zürcher Beiträge zur Sicherheitspolitik und Konfliktforschung, Heft Nr. 43 von 1997. Aus dem Vorwort:

Erst mit der Unterzeichnung der Grundakte über gegenseitige Beziehungen, Zusammenarbeit und Sicherheit zwischen der Nordatlantikvertragsorganisation und der Russischen Föderation vom 27. Mai 1997 war ein Punkt erreicht, der von der russischen Führung als wenigstens minimale Abwendung der Bedrohung Russlands gesehen und vertreten werden konnte. Dennoch ist die grundsätzliche Spannung, die Russland zwischen seinen nationalen Interessen und der Nato sieht, nicht aus der Welt geschafft. Die russische Aussenpolitik wird sich auch weiterhin intensiv und misstrauisch mit diesem Thema befassen.

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Wenn Sie damit meinen, dass Russland als nach außen aggressive und nach innen repressive Diktatur bezeichnet wird, was wäre daran falsch?

Umgekehrt ist es richtig: Staaten wie Georgien oder die Ukraine würden gerne in die Nato aufgenommen werden, weil das ihnen Schutz vor einer erneuten russischen Expansion gibt.