LdN 273: Umwandlung der NATO in ein europäisches Verteidigungsbündnis

Mir scheint es gibt eine offensichtliche Lösung für die gegenwärtige „Krise“ im Verhältnis zu Russland: Die amerikanischen Mitglieder sollten aus der NATO austreten und sie sollte in ein europäisches Verteidigungsbündnis umgewandelt werden. Sicherlich nicht meine präferierte Lösung, aber schon die Erwägung des Vorschlags würde helfen die eigentlichen Machtbeziehungen, um die es hier geht, transparenter zu machen.

Athen ist auch nicht aus dem Attischen Seebund ausgetreten. Ohne die USA gibt es auch keine NATO. Deren absolute Dominanz innerhalb des Bündnisses ist es doch, welche die anderen Mitgliedsländer auf Linie hält. Ohne „Ordnungsmacht“ USA wären z. B. Griechenland und die Türkei sicherlich nicht im gleichen Militärbündnis.

1 „Gefällt mir“

Die Alternative wäre natürlich die Auflösung der NATO, aber als Sicherheitsgarantie für die osteuropäischen Staaten könnte es eventuell genügen. Ich meine, alle Positionen in diesen sogenannten Verhandlungen sind sowieso unrealistisch, aber von den Möglichkeiten das Bündnis zu verändern, ist ein Rückzug der Amerikaner zumindestens so einfach umsetzbar, dass er als Vorschlag taugt.

Was die Wahrung des Friedens zwischen Griechenland und Türkei angeht, finde ich die Wirkung der NATO jetzt nicht besonders überzeugend. Überhaupt scheint mir der größte Friedensbeitrag der NATO in der jüngeren Geschichte die Umbenennung von Nordmazedonien zu sein.

Das wird nicht passieren.

Ein europäisches Verteidigungsbündnis unabhängig von der Nato ist schon seit langem im Gespräch. Eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik gibt es (in bestimmten Grenzen) bereits:
Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (Wikipedia)

PESCO - Permanent Structured Cooperation (Wikipedia) hat als langfristiges Ziel eine Europäische Armee (-> Europaarmee (Wikipedia))

Die Europäische Verteidigungspolitik (bpb) wird hier ganz gut zusammengefasst, auch mit Blick auf grundsätzliche Schwierigkeiten und auf die Zusammenarbeit zwischen EU und NATO.

2 „Gefällt mir“

Der Ansatz des Vorschlags ist ja gerade die NATO zu erhalten, weil der Aufbau von Parallelstrukturen langwierig und kompliziert ist, aber das Bedürfnis nach kollektiv garantierter Sicherheit besteht - nicht nur bei EU-Mitgliedern. Lediglich das Störelement wird entfernt.

Den Kosovaren dürfte ihre staatliche Unabhängigkeit, ja ihre Existenz in ihrem angestammten Gebiet noch gut in Erinnerung sein. So lange ist das noch nicht her.

Und im Gegensatz zu vielen europäischen Staaten wissen die USA, dass es erstens keine Sicherheit zum Nulltarif gibt und es zweitens eines realistischen Drohpotentials bedarf um aggressiven Diktaturen wir Russland überzeugend entgegen treten zu können.

Also wenn du von Kosovaren sprichst, dann ist ein kleiner Teil davon serbisch. Kleiner als früher wohlgemerkt. Der Rest „existiert“ heute nicht mehr in diesem „angestammten Gebiet“.

Ansonsten mit Bezug auf die Kosovoalbaner fragwürdig. Es fehlen bis heute die Belege, dass es vor oder in der Frühphase des bewaffneten Aufstands der UÇK gegen Jugoslawien ein Vorhaben der jugoslawischen Behörden zur ethnischen Säuberung der albanischen Mehrheit im Kosovo gab. Die internationale Involvierung in den eskalierenden Konflikt hat das Verhalten der albanischen Seite modifiziert. Und dass insbesondere die NATO-Länder in den Verhandlungen mit der Bundesrepublik das k.u.k.-Manöver aus der Julikrise nochmal gegen die Serben gezogen haben, hat eine friedliche Lösung des Konflikts möglicherweise verhindert.

Wer den Vorgang übrigens auch gut in Erinnerung hat, inklusive des Kosovo-Gutachtens des Internationalen Gerichtshofs hinterher, ist die russische Regierung. Teil ihrer Rechtfertigung für die Anerkennung der Unabhängigkeit der Krim. Insofern job well done, NATO. :+1:

Du meinst sowas wie, dass die Expansion der eigenen Einflussphäre einen Preis hat, wenn man die klar kommunizierten roten Linien der Gegenseite als nicht ernstzunehmend abtut?

2 „Gefällt mir“

Ach da weiß ich gar nicht wo ich anfangen soll…

Ja es ist schon bedauerlich, dass die Serben solche Pläne nicht ins Internet gestellt haben, gell?
Angesichts der serbischen Verbrechen in Bosnien-Herzegowina und der jahrelangen Repression gegenüber den Kosovaren musste man davon ausgehen, dass sich so etwas im Kosovo wiederholen würde. Aber natürlich hätte man auch warten können, bis wieder tausende Menschen massakriert werden.

Haben ukrainische Truppen auf der Krim Russen vertrieben oder getötet? Nein!
Dass sich die Putin Diktatur jedes noch so fadenscheinigen Arguments bedient, um den Landraub zu rechtfertigen, ist klar. Dass diese außerhalb Russlands nachgeplappert werden, ist mindestens bedauerlich.

Wenn Sie auf das Baltikum anspielen: Erstens wurde überhaupt nichts „klar kommuniziert“ und selbst wenn ist es einzig und allein das Recht demokratischer Staaten darüber zu entscheiden, ob und wenn ja welchem Bündnis sie angehören wollen. Das Baltikum ist ein Teil Europas und keine „Einflussphäre“ einer eurasischen Diktatur.

Das sind zwei unterschiedliche Gruppen von Serben.

Also jenseits der ironischen Zuspitzung, die Freiheiten, die sich die NATO und insbesondere die USA mit dem Völkerrecht genommen haben - der Krieg gegen Jugoslawien zum Beispiel - haben wohl kaum andere Staaten dazu inspiriert, das Bestehen des Westens auf eine regelbasierte internationale Ordnung für voll zu nehmen.

Russland ist auch Teil von Europa. Was hat das mit irgendwas zu tun? Natürlich spreche ich nicht vom Baltikum, das mittlerweile Teil der US-amerikanischen Einflussphäre ist, sondern von der Integration von Ukraine und Georgien. Russland hatte diese roten Linien sehr deutlich erklärt, zum Beispiel Putin beim NATO-Gipfel 2008 in Bukarest, bevor es auf ihre Überschreitung reagiert hat.

Diese Perspektive übersieht immer ein bisschen, dass das eine zweiseitige Entscheidung ist. Russland richtet seine Forderung ja nicht an die Staaten an seinen Grenzen, sondern an das Bündnis, dem sie angehören wöllten.

Man sollte sich fragen, warum machen wir eigentlich die Osterweiterung und gegen wen ist sie gerichtet. Die Antworten darauf sind - im Gegensatz zum Eindruck, den man vielleicht aus den Medien gewinnen könnte - nicht, weil die Osteuropäer so gerne dabei sein wollen und gegen niemanden.

1 „Gefällt mir“

Die NATO ist ein Verteidigungsbündnis.
Keiner hat vor, Russland anzugreifen und ich sehe keine Anzeichen, dass sich das in nächster Zeit ändern könnte.
Insofern geht die Agression eindeutig nicht von der NATO aus.
Das sollte sich Russland für die weiteren Verhandlungen vor Augen führen.

1 „Gefällt mir“

Das ist sehr, sehr formalistisch argumentiert.

Nach dem Ende des Kalten Krieges geht es der NATO in (Ost-)Europa vor allem darum, immer mehr Staaten aus dem Bereich russischer Vorherrschaft in den Bereich US-amerikanischer Vorherrschaft zu ziehen.

Da dies, außer im Falle Serbiens, nicht durch Gewalt geschieht, sondern dadurch dass der Block EU/USA den Eliten und auch einem Teil der Bevölkerung schlicht einen besseren „Deal“ bieten kann, sehen wir diese Bemühungen nicht als aggressive Akte an. Aber nichtsdestotrotz handelt es sich selbstverständlich um eine Veränderung des Status quo zu Lasten Russlands und seiner Eliten.

„Der Russe“ wehrt sich nun mit den Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen. Und auf den Feldern, die von EU/USA schlechter gekontert werden können.

3 „Gefällt mir“

Eine Mitgliedschaft in der NATO gleichzusetzen mit Vorherrschaft ist aber schon etwas übertrieben.
Dass Russland den Staaten einen schlechteren Deal anzubieten hat, ist nicht unsere Schuld, dass es trotzdem versucht, Einfluss zu gewinnen, legitim, das zu kritisieren auch.
Mir fällt wirklich kein einziges Argument ein, warum Deutschland eine Intervention Russlands in die Ukraine gutheißen oder die Annexion der Krim legitimieren sollte.

1 „Gefällt mir“

Es ist elementar, dass diese Staaten sich jeweils eigenständig dafür entschieden haben, weil sie sich davon signifikante Vorteile erhofften. Im Vergleich zum Vorgehen von Russland (gezielte Destabilisierung von Staaten & militärische Drohungen), ist das faktisch weniger (bzw gar nicht) aggressiv.

Die Opferrolle ist hier unangebracht. Sowohl Russland als auch EU/USA als auch die osteuropäischen Staaten sind selbstständige Akteure mit eigener Agenda. Russland wehrt sich nicht ( → defensiv, reagierend), sondern agiert proaktiv nach einer eigenen Strategie.

(Fast) Niemand würde sich beschweren, wenn sich diese Staaten selbstständig dafür entscheiden würden, sich nach Russland zu orientieren. Diese souveränen Staaten wollen das aber nicht! Das Russland sie jetzt mit militärischen Drohungen dazu bringen will, ist eine Eskalation von Seiten Russlands, die sich ganz grundsätzlich von dem Vorgehen der EU/USA unterscheidet.

1 „Gefällt mir“

Oh ich bin sicher dass sich auch einige dort lebende Serben an Verbrechen gegenüber Kosovaren beteiligt haben. Und selbst wenn nicht, hätte man dann die Vertreibung von 90% der Einwohner hinnehmen sollen?

Geographisch gehört Russland nur zum Teil zu Europa, politisch ist es weit weg von den liberalen Demokratien unserer Prägung und auch kulturell sehe ich deutliche Unterschiede. Selbst das russisch-orthodoxe Christentum ist verglichen mit den Kirchen in den meisten europäischen Ländern eine reaktionäre, fast schon obskurantistische Variante.
Ich sehe Russland daher nur sehr eingeschränkt als Teil Europas, zumindest des Europas in dem ich leben möchte.

Ganz einfache Antwort: weil es dem Sicherheitsbedürfnis dieser Staaten entspricht. Und wie mal am Beispiel Ukraine sehen kann, völlig zu Recht.

dem zeitgeistigen gerechtigkeitsempfinden mag es zuwider laufen, dass staaten nicht frei in ihrer bündnispartnerwahl sind, aber das war nie anders. ich finde es irritierend, dass ständig das gegenteil behauptet wird.

1 „Gefällt mir“

Aber das es ein gegen Russland gerichtetes Verteidigungsbündnis ist, ist durchaus klar oder?

Gibt es Leute, die das fordern?

Relevant ist nur „gar nicht“. Denn natürlich muss man nur so aggressiv sein, wie es nötig ist, die eigenen Ziele zu erreichen. Also war die NATO-Osterweiterung, ist das Festhalten an einer Fortsetzung unter Ignorieren der russischen roten Linien „gar nicht“ aggressiv?

3 „Gefällt mir“

Dem kann ich jetzt nicht mehr folgen, aber ich wollte eigentlich auch nicht wirklich diese Debatte führen. Im Zweifel nochmal in eine historische Aufarbeitung zum Kosovo-Krieg schauen.

Das scheint mir Teil des Problems zu sein, dass man sich Russland wegwünscht.

Also wenn du wirklich glaubst, das Eigeninteresse diverser NATO-Länder an der Aufnahme weiterer Länder des postsowjetischen Raums sei, weil man ihre Sicherheitsbedürfnisse erfüllen will, dann kann ich dir nicht weiterhelfen.

Ironisch ist natürlich, dass sich das Gefühl der Sicherheit zum Beispiel im Baltikum, auch in Polen, nie so richtig eingestellt hat. Es gibt dort eine ständige Forderung nach einer dauerhaften und umfangreichen militärischen Präsenz von Truppen anderer NATO-Mitglieder.

3 „Gefällt mir“

Ist es das? Meines Wissens gab es zum Ende des kalten Krieges Bestrebungen, Russland in die Nato aufzunehmen. Es waren interne Widerstände in Russland, die das verhinderten.
Das Problem ist, dass sich Russland immer noch aufplustert, als wäre es die Sowjetunion, es aber nicht mehr ist. Deutschland hat seine Niederlage nach dem zweiten Weltkrieg akzeptiert und konnte aus dem Moment der Schwäche zu neuer Stärke finden, Russland indessen versucht eine Vergangenheit zu retten, die es längst nicht mehr gibt.

Auf Russland zuzugehen würde genau das bedeuten.

Bei Ihnen steht sicher eine von Peter Handke.

Gegen ein demokratisches, rechtsstaatliches Russland, das eine Politik der guten Nachbarschaft betreibt, hätte ich nichts. Das aktuelle Russland ist und macht aber das genaue Gegenteil.

Und eine solche Forderung ist nachvollziehbar. Die baltischen Staaten haben dank der langen russischen Besatzung russischsprachige Minderheiten, die ähnlich wie in der Ukraine benutzt werden könnten, um Annexionen oder Bürgerkriege zu provozieren. Ohne die Nato Mitgliedschaft würde es im Baltikum eventuell so aussehen wie in der Ukraine oder Georgien.