Korrekt. In diesem spezifischen Fall ist es so, dass man vermutlich konventionell-chemisch mehr Liter Weine pro Hektar erzielen könnte, wenn einem egal ist, was für einen Wein man produziert. Eine hohe Qualität ist aber im Weinbau nicht beliebig mit hohem Ertrag kombinierbar. Der Winzer erzeugt also ähnlich viel Wein der selben (hohen) Qualitätsstufe wie seine konventionell arbeitenden Kollegen.
Allerdings ist regenerative Landwirtschaft allgemein durchaus in der Lage, eine ähnliche Zahl Kalorien pro Hektar zu erzeugen wie konventionell-chemische Landwirtschaft, auch wenn man Qualität aussen vor lässt. Ein gutes Beispiel dafür ist die New Forest Farm in Wisconsin/USA. Dort werden diverse Nüsse (Haselnuss, Marone, Walnuss), Obstbäume (vor allem Apfel), Beeren, Spargel Rinder und Schweine gehalten. Der Kalorienertrag ist dort vergleichbar mit den umliegenden gentechnisch veränderten und gespritzten Mais Monokulturen.
Der Grund ist ziemlich einfach: komplexe natürliche Systeme sind besser in der Lage, Überschüsse zu produzieren, weil die vorhandenen Ressourcen effizienter genutzt werden und unterschiedliche Organismen in Kooperation miteinander Ökosystemleistungen bereitstellen.
Der Nachteil: es gibt nicht das eine, in extremen Mengen und maximal einheitlicher Qualität erzeugte Produkt. Wir ernähren uns heutzutage in Deutschland im wesentlichen von Weizen, Mais, Kartoffeln, Zuckerrüben, Raps und Kühen (Milch/Fleisch), die uns in einer minimalen Kombination an Grundnahrungsmitteln aufbereitet werden (mehr oder weniger 2 Sorten Mehl, Stärke, Zucker, pasteurisierte Milch, Muskelfleisch und Öl).
Regenerative Landwirtschaft setzt dagegen voraus, dass wir wieder diversere Quellen für unseren Kalorienbedarf erschließen: Nüsse, unterschiedliche Getreide, etc.
Ergänzend sollte man noch festhalten, dass man vorsichtig sein muss, welche „Erfolgskriterien“ man an alternative landwirtschaftliche Systeme anlegt.
Der Ertrag Kalorien/ha sollte nicht überbewertet werden, da die heutige Landwirtschaft in vielen Bereichen fast lächerlich ineffizient ist. Da werden im Regenwald quadratkilometerweise Flächen brandgerodet, damit darauf irgendwer für ein paar Jahre Soja anbauen kann. Dann sind die Flächen ausgelaugt und man hält stattdessen extensiv Rinder darauf. Stattdessen hat Ernst Götsch schon vor Jahrzehnten vorgemacht, dass man diese Flächen auch wieder intensiv und regenerativ landwirtschaftlich nutzen könnte.
Wo ich lebe wird soweit das Auge reicht Wein in Monokultur angebaut, der rein gar nichts zur Welternährung beiträgt. Anderswo wird Feingemüse in der maschinellen Feldwirtschaft angebaut, deren Erträge man im Market Gardening auf einem Bruchteil der Fläche praktisch ohne Maschineneinsatz erzeugen könnte.
Wirtschaftlich ist es so, dass konventionell-chemische Landwirtschaft extrem umprofitabel ist und sich nur aufgrund massiver staatliche Subventionen für die beteiligten Unternehmer rechnet. Regenerative Landwirtschaft muss sich also finanziell nur so weit lohnen, wie wir gesellschaftlich bereit sind landwirtschaftliche Erzeugung zu Unterstützen.
Wobei Ertrag pro ha ja nur ein Aspekt ist. Ertrag pro Mitarbeiter z.B. ist ja auch ein Faktor der sich deutlich im Preis niederschlägt. Am Ende ist also auch entscheidend wie viel die Gesellschaft bereit ist für Ernährung zu zahlen.
Eine Offenheit der Bio-Landwirte gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen vermisse ich allerdings ganz explizit im Bereich der grünen Gentechnik. Dabei gäbe es ja einige Anwendungen, wo diese Technik durchaus den Zielen dieser Branche helfen würde. Das haben inzwischen auch bekannte Größen aus der Branche wie z.B. Urs Niggli erkannt (bereits im Forum diskutiert). Die ganz überwiegende Mehrheit der Öko-Landwirte lehnt aber jede Art der gentechnischen Veränderungen kategorisch ab. Anerkennung von wissenschaftlichem Konsens wäre für mich aber die Voraussetzung, um jemanden im Diskurs ernst zu nehmen.
Die Gründe, warum Ökobauern und -Verbände „grüne“ Gentechnik größtenteils ablehnen sind doch komplex. Der „wissenschaftliche Konsens“ besteht im Wesentlichen zu der Frage, ob gezielte gentechnische Veränderungen möglich ist. Diesen Konsens werden auch die wenigsten Bauern bestreiten.
Darüber hinaus gibt es auch in der Wissenschaft viele unterschiedliche Meinungen zu wichtigen Fragen. Mit CRISPR (einer noch ziemlich jungen Methode) ist es zwar theoretisch einfach, z.B. Weizen so zu verändern, dass er mehr Ertrag erbringt. Wie sich diese genetische Veränderung aber in der Praxis auswirkt, also zum Beispiel auf den Wasserbedarf oder die Interaktion mit anderen Lebewesen, das kann man im Labor nicht herausfinden. Dazu braucht es Feldversuche, die natürlich immer das erhebliche Risiko bergen, dass die erzeugte Mutation „ausbricht“ und das Erbgut anderer Kultivare verunreinigt – auch wenn man die Mutation am Ende vielleicht gar nicht zur Marktreife bringen möchte.
Dazu kommt eine gesellschaftlich-politische Dimension, denn Gentechnik mit CRISPR ist Kapitalintensiv und wird im Wesentlichen von großen Agrarkonzernen betrieben. Viele Bauern sind alles andere als scharf auf die Abhängigkeitsverhältnisse die daraus entstehen (können).
Kann man all diese Probleme mitigieren? Klar. Aber das ist schwierig und über sowas gibt es natürlich Streit. Das als generelle Wissenschaftsfeindlichkeit abzutun ist zu simpel.
Am Ende ist schlicht einfacher, eine ganze Kategorie an Aktivitäten zu verbieten, als extrem diffizile Regulationen über Edge Cases zu erstellen. Das kann man beklagen, aber das ist nicht unüblich für diese Art von Prozess.
Davon abgesehen: Grüne Gentechnik ist ja nicht verboten, nur unter dem Bio-Siegel nicht zulässig. Wer als Bauer glaubt, dass es das braucht, der kann es nutzen und niemand hindert einen daran, trotzdem auch im Rest des Betriebs nachhaltig zu wirtschaften.
Das wäre dann aber schon etwas Realitätsfern, zumindest wenn wir jetzt nicht davon ausgehen, dass mit einem solchen Saatgut plötzlich mit den Regeln der ökologischen Landwirtschaft mit gleichem Aufwand dieselben Erträge wie in der konventionellen Landwirtschaft möglich sind.
Wer das so handhabt dürfte also, von speziellen Landwirten mit Direktvermarktung abgesehen, kaum eine Chance haben davon leben zu können.
Davon gibt es mehr als man denkt und es ist definitiv eine der besseren Möglichkeiten, um als Landwirt Geld zu verdienen.
Das Bio-Siegel ist am Ende des Tages in erster Linie eine Möglichkeit für Verbraucher, unabhängig vom spezifischen Erzeuger Transparenz über die Produktionsbedingungen zu erlangen. Dazu gehört – egal ob angesichts neuer Entwicklungen wie CRISPR sinnvoll oder nicht – eben auch „Keine Gentechnik“. Es wäre wirklich absolut niemandem geholfen, wenn man den bestehenden Bio-Markt zugrunderichtet, indem man das Verbrauchervertrauen in das Siegel zerstört, nur weil man schnell-schnell einen „wissenschaftlichen Konsens“ berücksichtigen will. Man kann die Position vertreten, dass sich das allgemeine Verständnis von „Bio“ ändern sollte. Dann muss das aber über eine gut überlegte Kommunikation umgesetzt werden und die Verbände müssen mit im Boot sein, sonst geht der Schuss komplett nach hinten los.
„Ertrag“ (also Produktion/ha) und „Gewinn“ sind in der Landwirtschaft grundverschiedene Dinge. Wenn „neue Gentechnik“ in Kombination mit Methoden aus der regenerativen Landwirtschaft zum Beispiel dazu führt, dass ein Landwirt nur die Hälfte des Ertrags erzielt, dafür aber nur ein Viertel der Kosten hat (keine Pflanzenschutzmittel, weniger Fahrten mit dem Trecker, etc.) dann kommt er wirtschaftlich trotzdem gut raus. Auch unter den „konventionellen“ Landwirten gibt es viele, die einzelne Methoden aus dem Öko-Landbau anwenden und damit gut fahren.
Zunächst: ich empfehle den u.g. Thread, weil dort sämtliche Quellen verlinkt sind. Besonders interessant vielleicht eine Zusammenstellung der Leopoldina über Fakten und Vorurteile zur grünen Gentechnik.
Besonders wichtig wäre mir, dass wir hier den wissenschaftlichen Konsens anerkennen (der international von allen großen Wissenschaftsorganisationen vertreten wird), dass Mutationen, die gezielt durch Genome-Editing hervorgerufen wurden, genauso sicher sind wie solche, die bei konventioneller Züchtung entstanden sind.
Damit wäre auch diese Aussage uninteressant, denn diesen Kritikpunkt kann man 1:1 auch für konventionelle Züchtung anbringen.
Und hierzu gibt es einen extra Punkt in der erwähnten Leopoldina Stellungnahme. Teuer ist die CRISPR Methode, weil die Zulassungsverfahren Stand heute (vor allem in Europa) viel aufwändiger sind. Das macht aus o.g. Gründen aber keinen Sinn und daher ist ja auch eine entsprechende Gesetzesänderung beschlossen. Damit ist perspektivisch CRISPR sogar günstiger, denn die Methode selbst ist eben deutlich schneller.
Damit bleibt vor allem ein Grund: das Label „ohne Gentechnik“ verkauft sich Stand heute sehr gut und hat auch eine entsprechende Lobby aufgebaut.
Mir geht es eher darum, dass es aktuell nur Bio-Siegel oder gar kein Siegel gibt. Selbst in der Direktvermarktung muss man aber ja um einen höheren Preis zu erzielen erstmal einen Mehrwert bieten und die Kunden auch von diesem Mehrwert überzeugen können. Ich denke der Fokus auf Regionalität hat hier zuletzt schon sehr geholfen, weil z.B. in der Gastronomie höhere Preise auch mit regionalen Erzeugnissen gerechtfertigt werden können und es nicht unbedingt Bio sein muss.
Wir können also gerne Bio unverändert lassen und ein System welches Nachhaltigkeit Bewertet z.B. unabhängig davon mit einer Ampel aufbauen. Dann ist eben Bio oder anderweitig nachhaltig produziertes gleichermaßen grün. Konventionell angebautes dagegen Orange bis Rot. Zudem könnten noch weitere Kriterien aufgenommen werden. So könnten auch Bioerzeugnisse eine andere Farbe bekommen, die z.B. irgendwo auf der Welt in einer Gegend mit Wasserknappheit angebaut werden, wenn dadurch überproportional Wasser gebunden wird, worunter dann z.B. Flussabwärts andere leiden.
Denn auch das ist ja ein Faktor der Nachhaltigkeit. Und jetzt bitte keine Belehrung, dass ja z.B. Avocados viel weniger Wasser brauchen als Fleisch, denn die Rechnung bei der alles Niederschlagwassser auf Feldern und Wiesen mitgerechnet wird, obwohl dieses nicht verbraucht wird, halte ich für eine ziemliche Irreführung. Es geht mir tatsächlich darum, wo wie viel Wasser einem Kreislauf entzogen wird und somit an anderer Stelle tatsächlich durch fehlen relevante Folgen hat.
Für eine Vergleichbarkeit müssten natürlich Produktgruppen jeweils anders normiert werden. Also eben die nachhaltigste Möglichkeit Avocados anzubauen als Grün bis zur am wenigsten Nachhaltigen als Rot. Selbes beim Fleisch. Dass Fleisch grundsätzlich weniger Nachhaltig ist als andere Produkte spielt ja beim Vergleich von Fleisch aus verschiedenen Quellen keine Rolle.
Vielleicht daher noch mit einer zweiten Ampel die nicht auf die Produktgruppe normiert ist kombiniert. Dann ist von mir aus das Fleisch zwar auf der Produktskala grün, weil nachhaltig im Rahmen von Fleisch, aber auf der zweiten Skala rot, weil Fleisch grundsätzlich nicht nachhaltig ist.
Das Siegel ist im Begriff sich sein Vertrauen selbst zu zerstören, wenn es weiter damit wirbt, dass mit Gentechnik erzeugte Produkte deutlich geringere gesundheitliche Risiken aufweisen als solche aus konventioneller Züchtung. Die große EU Studie zur Gentechnik kam vor ziemlich genau 3 Jahren raus. Genug Zeit also, seine Position nochmal grundlegend zu überdenken. Solange ich allerdings einen wissenschaftlichen Konsens (der in diesem Fall auch keine Anführungszeichen braucht) leugne, muss ich mir auch den Vorwurf der Verbrauchertäuschung gefallen lassen - und zwar ganz unabhängig davon, was der Verbraucher am Ende haben will.
Da muss niemand auf den Staat/die EU warten. Die ersten Bio-Siegel sind auch von Erzeugerverbänden umgesetzt und populär gemacht worden.
Als Mehrwert reicht hier oft, dass man seine Produktionsbedingungen transparent macht, gute Qualität liefert und auf die Bedürfnisse der Kunden hört. Wir haben hier in der Nähe einen Schweinehof mit eigener Metzgerei, der ist nicht Bio-zertifiziert oder gehört irgendeinem Verband an und kann sich trotzdem vor Kunden nicht retten. Die halten ihre Tiere im Offenstall, reden da offen drüber und bieten Einblicke in den Betrieb, sind freundlich und es schmeckt gut
.
Absolut. Wir haben hier eine Gemüse-Solawi mit gegründet, die nicht Bio-zertifiziert ist und deren Mitglieder meiner Ansicht nach primär wegen der Regionalität dabei sind (auch wenn wir in vielen Bereichen über die Kriterien des EU-Bio-Siegels hinausgehen).
Ich finde es ziemlich hart, jemandem „Verbrauchertäuschung“ vorzuwerfen, weil er ein auf Vermarktung ausgerichtetes Siegel nicht ändern möchte, auf dessen Kriterien sich zehntausende Bauern und Millionen Kunden eingerichtet haben. Du verkennst hier, dass es sich eben nicht um eine rein wissenschaftliche Debatte handelt.
Oder um es mal anders zu formulieren: Demeter ist wissenschaftlich gesehen in vielen Aspekten ziemlicher Blödsinn, für viele Erzeuger und Verbraucher macht das Siegel trotzdem Sinn. Das kann man auch einfach mal anerkennen, ohne dabei ein Fan von Anthroposophie zu werden und sich fragen, warum das so ist und wie man die offensichtlich wertvollen Aspekte in ein besseres System überführen kann.
Ein Siegel „ohne Gentechnik“ finde ich persönlich sinnlos, das kann es aber gerne weiter geben. Problematisch wird es dann, wenn damit geworben wird, dass die Pflanzen weniger Risiken bergen als solche mit Gentechnik, wenn das erwiesenermaßen Unsinn ist. Nicht, dass sowas ein Einzelfall wäre, aber weder weckt es Vertrauen noch stärkt es den Eindruck der Offenheit gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Man kann das mit der Gentechnik-Freiheit ja gerne als eine Art lifestyle verkaufen. Dann sollte man das aber auch so kommunizieren und nicht weiter Unsinn über gesundheitliche Risiken verbreiten.
Gesundheitliche Risiken durch Verzehr von genveränderten Pflanzen ist sicher Unsinn, aber würdest du auch Risiken für das Öko-System ausschliessen? Ich habe da schon ein ungutes Gefühl, wenn viele genveränderte Pflanzen in kurzer Zeit in die Natur kommen und eben unvorhergesehene Wechselwirkungen auslösen könnten. Und wie ich schon weiter oben sagte: die Inverkehrbringer (grosse Konzerne wohl) bringen die Bauern in noch mehr Abhängigkeit, das kennen wir doch schon von konventionellem Saatgut, wäre in den weniger entwickelten Ländern ein noch grösseres Problem als bei uns.
Ich habe mir gerade mal die Standpunkte von Bioland und der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (in der konventionelle und ökologische Betriebe organisiert sind) angeschaut: Von „gesundheitlichen Risiken“ ist da nirgendwo die Rede.
Die AbL beklagt nur, dass bei der geplanten Deregulierung weder eine Haftung der Hersteller, noch ein Monitoring möglicher Folgen für die menschliche Gesundheit vorgesehen ist – Den Kritikpunkt finde ich nachvollziehbar, besonders wenn die „neue Gentechnik“ so sicher ist, wie ihre Fürsprecher behaupten.
Ansonsten geht es bei beiden Verbänden vor allem um den Einfluss von Saatgutkonzernen, Patentrecht und Wahlfreiheit – alles nachvollziehbare Standpunkte, die erstmal nichts mit „Wissenschaftsfeindlichkeit“ zu tun haben.
Insbesondere die Auseinandersetzung der AbL mit dem Thema ist lesenswert, denke ich. Wer das als Geschrei fortschrittsfeindlicher Bauern abtut, der versteht nicht wirklich, worum es den Betroffenen geht.
Ich würde weder für das Ökosystem noch für den Verbraucher Risiken ausschließen. Neue Pflanzenarten bergen immer Risiken. Nur sie sind eben nicht höher als bei konventioneller Züchtung.
Hier würde ich ebenfalls keinen Unterschied zum konventionellen Saatgut sehen, außer dass durch Gleichstellung bei der Zulassung auch kleinere Unternehmen Chancen auf dem Markt hätten.
Das ist dagegen m.E. nicht völlig unbegründet.
Meine persönliche Lösung wäre, dass man Zulassungsverfahren verschärft und zwar für jede neue Pflanze. Damit senke ich das Risiko pro neuer Pflanze und kann daher mehr Pflanzen auf den Markt bringen, ohne das Gesamtrisiko zu senken und nutze trotzdem den Vorteil der Geschwindigkeit.
Beim Bund ökologischer Lebensmittelwirtschaft hört sich das anders an.
Ich glaube ich habe inzwischen sehr deutlich gemacht, was genau ich als wissenschaftsfeindlich ansehe.
Ich finde auf der Seite keinerlei Referenz zur menschlichen Gesundheit außer der Verwendung des Spruchs „Risiken und Nebenwirkungen“ als rhetorische Figur. Das Kernargument ist eigentlich recht überzeugend und abgeklärt:
Mit dem schädlichen Geschäftsmodell der Konzerne, Gentechnik-Pflanzen oder -Tiere zu patentieren, werden die Lebensgrundlagen aller Menschen privatisiert, freie und unabhängige Forschung wird verhindert, Bäuerinnen und Bauern geraten in einen gefährlichen Abhängigkeitsstrudel. Im Gegensatz zu den Gentechnik-Konzernen profitieren sie nachweislich kaum: Weder bringen Gentechnik-Pflanzen dauerhaft höhere Erträge, noch müssen weniger Pestizide eingesetzt werden.
Ich sehe auch hier wirklich nichts, was im Widerspruch zu wissenschaftlichen Erkenntnissen steht. Denn bisher sind „höhere Erträge und weniger Pestizide“ eine Vorhersage der Fürsprecher der „neuen“ Gentechnik, kein nachweisbarer Fakt. Und das selbe Versprechen wurde auch für die „alte“ Gentechnik gemacht und ist gebrochen worden. Insofern kann man eine gewisse Skepsis denke ich nachvollziehen.
Kann ich ehrlich gesagt nicht. Eigentlich klingen die Argumente nicht besser als das was die Impfgegner so von sich gegeben haben.
Vor allem weil es ja gerade die großen Hürden sind die dafür sorgen, dass nur Konzerne solches Saatgut auf den Markt bringen könnten.
Es wirkt gerade so, als wolle man genau das um dann erklären zu können, dass man es ja gleich gewusst habe.
Und wenn Saatgut durch Crispr nicht viel besser wird, aber teurer, dann sollten diese Sorten ja ohnehin auf dem Markt keine Chance haben.
Theoretisch gibt es für die Einführung von konventionellem Saatgut sehr niedrige Hürden, trotzdem wird der Saatgut-Markt in ein paar Bereichen von ein paar großen Konzernen dominiert.
Ihr verkennt hier die wirtschaftlichen Realitäten der Marktstrukturen in der landwirtschaftlichen Produktion. Selbst wenn CRISPR/Cas wie von der EU-Kommission geplant praktisch ohne Auflagen zur Züchtung eingesetzt werden kann, wird das Entwickeln und Inverkehrbringen von Saatgut immer noch mit erheblichen Kosten und Hürden verbunden sein – so wie das schon jetzt der Fall ist.
Ihr geht in eurer Kritik der Bio- und Bauernverbände auch nie auf eines der Hauptargumente ein: Das Patentrecht. Aktuell ist es möglich und zunehmend gängige Praxis, dass Saatgut-Entwickler auch konventionell erzeugte Mutationen patentieren lassen. Ohne Patente gibt es für CRISPR/Cas kein Geschäftsmodell. Auch wenn die Pflanzen von „natürlichen“ Kreuzungen nicht zu unterscheiden sind, werden die bis unter die Hutschnur mit Patenten belegt werden.
Das ist ein echtes Problem: Bauern können nicht ihr eigenes Saatgut erzeugen und müssen fürchten, dass ihre patentfreien Sorten durch unkontrollierte Kreuzung vom Nachbarfeld verunreinigt werden und sie dann einem das-Konzern gegenüberstehen, der sie wegen Patentrechtsverletzung abmahnt.
Das ist keine Theorie, dass ist in vielen Teilen der Welt Alltag. CRISPR/Cas wird den Trend zu Patenten auf natürlich vorkommende Mutationen verstärken, nicht verringern. Ich verstehe nicht so ganz, wie ihr diese Kritik daran einfach vom Tisch wischen könnt. Man muss ja nicht die selbe Analyse teilen, aber der Standpunkt (von direkt Betroffenen formuliert, die sich intensiv mit der Thematik auseinandersetzen) kommt mir legitim vor und hat auch nichts mit dem der Impfgegner zu tun.
Genau das selbe mit dem Vergleich zur alten Gentechnik, auch hier passt der Vergleich zu den Impfgegner wirklich gar nicht. Die alte Gentechnik hat die selben Versprechen gemacht und es ist wissenschaftlich (!) nachgewiesen, dass die so veränderten Feldfrüchte in vielen Situationen weder billiger sind, noch höhere Erträge oder geringeren Pestizidbedarf haben. Warum genau sollte man den Versprechungen der neuen Gentechnik gegenüber mehr Vertrauen entgegenbringen? Vertrauen entsteht in solchen Fällen durch Kontrolle und Regulierung (wie zum Beispiel bei Impfungen), aber genau das wird ja von der Wirtschaft abgelehnt.
Und dieses Patent greift dann auch für die bereits existierende natürliche Kreuzung? Im Maschinenbau muss man um ein Patent zu bekommen darlegen, warum das grundlegend neu ist und wenn sich herausstellt, dass das jemand bereits vorher so gemacht hat, dann hat der natürlich Bestandschutz.
Ist das denn so Realität oder ist eine Abmahnung wegen Verunreinigung nur ein hypothetisches Problem?
Von mir aus kann das Patentrecht bei Saatgut gerne überarbeitet werden, wenn da Bedarf ist. Ich habe mich hier nirgends gegenteilig geäußert. Nur wenn ich es Richtig sehe, dann ist eine natürliche Kreuzung heute ja auch patentierbar und ich sehe nicht inwiefern sich dann durch CRISPR die Ausgangslage signifikant ändert, vor allem wenn CRISPR nur in der biologischen Landwirtschaft abgelehnt wird. Wenn man sich sicher ist, dass das alles eh nichts bringt und nur teuer ist, dann könnte man sich doch zurücklehnen und einfach die Sorten weiter anbauen die man heute schon anbaut.
Welche der beschworenen Gefahren hat denn die alte Gentechnik gebracht? Ich finde, so sehr ich vieles was du zum Thema schreibst als sehr fundiert einschätze, dass du beim Thema Gentechnik sehr viel zwischen Risiken und Patente hin und her wechselst und dabei sehr wage bleibst was denn jetzt in der Realität wirklich befürchtet wird.
Warum sind Patente mit Crispr problematischer als Patente auf konventionelle Züchtungen? Warum ist eine Sorte die mit CRISPR angepasst wurde gefährlicher als eine die dasselbe Gen durch Kreuzung dazubekommen hat?
Das ist bisher zumindest gerichtlich nicht geklärt und in der Praxis gewinnt so ein Verfahren oft die Partei mit dem dickeren Geldbeutel. Also Monsanto. Die Problematik ist auch aus der IT-Welt gut bekannt, da wird auch alles mögliche patentiert. Inzwischen ist es üblich, dass die großen Konzerne Milliarden für „Patentportfolios“ ausgeben, um sich gegen Abmahnungen zu schützen. Bauern oder Bauernverbände können sich das nicht leisten.
Viele landwirtschaftliche Pflanzen sind windbestäubt. Unkontrollierte Kreuzung kann da bei räumlicher Nähe nicht verhindert werden. Darum gibt es im aktuellen Gentechnik-Recht ja sehr große Mindestabstände, die vom Verwender der gentechnisch veränderten Pflanze eingehalten werden müssen.
Weil zum einen die Methode CRISPR/Cas selbst patentiert ist und damit die Züchtung nur unter hohen finanziellen Hürden möglich sein wird, wodurch Druck auf alle Bauern ausgeübt wird, gentechnisch verändertes und patentiertes Saatgut anzubauen (wenn sich das tatsächlich als besser herausstellt). Und weil bei Patenten nicht nur die Veränderung selbst, sondern auch „Zusatzaspekte“ geschützt werden, also zum Beispiel der exakte technische Ablauf. Gentechnische Veränderungen werden durch CRISPR/Cas einfacher, es wird also mehr patentiertes Saatgut geben und selbst wenn die spezifische Mutation als nicht schützenswerte (weil natürlich vorkommend) beurteilt wird, kann trotzdem ein Patentschutz „durch die Hintertür“ greifen. Die Forderung ist ja auch simpel: vor einer weiteren Deregulierung müssen diese Bedenken (durch eine Reform des Patentrechts) ausgeräumt werden.
Wird es nicht. Die AgL ist kein Öko-Verband sondern vertritt ganz allgemein Familien- und kleinere landwirtschaftliche Betriebe und die lehnen die Deregulierung auch ab (siehe Link oben).