Bin selbst kein Landwirt, aber lebe in Franken in einem kleinen Ort umzingelt von Landwirten.
DIe sehe ich jede Woche am Stammtisch, also kann ich hierzu vielleicht doch etwas beitragen.
Zuerst einmal muss man sagen, dass es nicht „die Landwirte“ gibt. Zwischen Milchbauern, Viehzüchtern, und Marktfruchtbauern (sprich Anbau von Weizen, Gerste etc auf Feldern) ist ein großer Unterschied.
Was sie aber alle gemein haben: sie wollen nicht noch mehr verändern, weil sie (glauben, dass) sie schon mehr verändert haben als jede andere Industrie.
Sie alle haben in den letzten 30 Jahren, aber insbesondere den letzten 10, riesige Veränderungen durchgemacht.
Nur wer sich zu einem echten kapitalistischen Betrieb mit riesigem Kapital in Millionenhöhe umgebaut hat, ist überhaupt noch da. Die alten Familienhöfe sind alle tot. Riesige Flächen wurden zu Ausgleichsflächen bzw. zur extensiven Nutzung umgewidmet. Wo früher 100 Tiere im Stall standen, stehen heute auf der gleichen Fläche noch höchstens 20 mit mehr Platz, Auslauf usw.
Regelmäßig muss ein neuer Traktor für 300 - 500k her, neue Hallen und Ställe für Millionenbeträge.
Alles wurde digitalisiert. Melkroboter melken eigenständig, und schicken bei einer Störung eine SMS an den Bauern. Absolut ALLES wurde vor Jahren mit Photovoltaik zugepflastert. Viele Betriebe haben eigene Biogasanlagen, sind also praktisch Kraftwerksbetreiber mit dem ganzen technischen Aufwand der dazu gehört.
Bewirtschaftung der Flächen auf mit „neuen“ Pflanzen wie Afalfa wird digital geplant und von der EU mit Infrarot-Satellitenbildern kontrolliert.
Düngemitteleinsatz ist massiv zurückgegangen, da durch die Düngemittelverordnung und (sehr fragwürdige) Messverfahren quasi alles im 100km Umkreis als schwer belastetes „rotes Gebiet“ zählt.
Effektiv gibt es noch 2 Wochen im ganzen jahr in denen überhaupt gedüngt werden darf.
Die Landwirte die es noch gibt, waren alle auf Landwirtschaftsschulen und zum Teil auf Hochschulen, wo sie die Bewirtschaftung als Wissenschaft studiert haben.
Jedes Jahr werden die Auflagen größer, die Bürokratie mehr. Und die letzten Jahre wurde der Konkurrenzkampf um die Flächen noch größer, weil Investoren für Fleiflächen-PV mehr als die dreifache Pacht zahlen als bei Landwirten gängig und möglich.
Milch- und Viehbauern haben außerdem das Problem dass ihre direkten Kunden Großkonzerne mit einer nahezu monopolistischen Marktstellung sind.
Und das alles in einem volatilen Markt der winzige Margen hat und nur durch Subventionen funktioniert.
Was die Endkunden betrifft, wird weiterhin billiges Fleisch und Milch verlangt, die propagierte Ernährungsumstellung ist nicht bemerkbar und auch keine mainstream Forderung.
Man vergleiche diese Umwälzungen mit der Autoindustrie, Logistik, Luftfahrt und anderen Umweltverschmutzern, die seit Jahrzenten einfach so weitermachen.