So weit sind wir uns einig, klar.
Punkt 1 gehe ich auch mit, Punkt 2 nicht. Es ist nur ein kleines Bundesland. Man kann da sehr viel auf technischer Ebene lösen. 3. Stimmt doch einfach nicht, es hat ja nicht die Mehrheit AfD gewählt. Ich weiß, es gibt dieses Narrativ, aber würde es ungern ständig auch unter vermeintlich aufgeklärten Lage-Hörenden wiederholt sehen. 4. S.u.
Ich sehe allerdings in der Normalisierung die deutlich größere Gefahr. Vor allem würde das, viel stärker als irgendeine Auf-Biegen-und-Brechen-Koalition im Winzland Thüringen, die übermorgen aus den Schlagzeilen verschwindet, Ausstrahlungswirkung in ganz D entfalten.
Das vor dem Hintergrund, dass ich im familiären Umfeld einige Leute kenne, die genau ins Adressat:innenschema der AfD passen würden: Arbeiterklasse, auf dem Land lebend, EFH und Dieselauto, eher politikfern mit der - teilweise verständlichen - Einstellung, dass die Politik meist gegen ihre Interessen agiere.
Nun der Punkt: Die wählen mW SPD und drum rum. Weil Nazis Wählen macht man nicht. Dieser moralische Würgreflex ist mMn der Grund, warum es bislang funktioniert hat, in der BRD die Rechtsextremen so klein zu halten - nicht mit Inhalten oder so. Wenn nun die Union oder sogar irgendeine Partei, der Sozialpolitik wichtig ist, ist diese qualitative Grenze plötzlich so stark infrage gestellt, dass es wahrscheinlich zu kognitiver Dissonanz führt. Dieses Tabu bekommt man dann nicht mehr rational verbrämt. Und dann ist es auf einen Schlag eine Option für viele Menschen, die noch nicht AfD oder BSW wählen, die AfD zu wählen.
Ist bezüglich der Gesamtheit des Wähler:innenpotenzials anekdotisch, aber in der Analyse mW auch nicht weit entfernt von unserem Verständnis davon, wie moralisch relevantes Handeln entsteht und funktioniert. Ich vermute, wir haben da unterschiedliche Vorstellungen bezüglich der Rationalität menschlichen (politischen) Handelns.
Die oben beschriebenen Personen sind „Boomer“. Bei den jüngeren Wählenden scheint der moralische Würgreflex in meiner Wahrnehmung schockierenderweise zu bröckeln. Da bräuchte es wohl andere Strategien oder Ideen, um ihn wieder herzustellen. Ich glaube aber, für die AfD ist derzeit in den höheren Altersklassen noch mehr zu holen.
Vor dem Hintergrund möchte ich aber vor der Logik „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“, die ich hinter deinem Vorschlag ein wenig spüre, warnen.
Wie genau stellst Du Dir das vor?