Erst einmal unwiderlegbar ist, dass er sehr offen und transparent ist. Wer ihn wählt, weiß was Sache ist.
Ich persönlich sehe in einer finanziellen Unabhängigkeit große Vorteile.
Gibt es ein weiteres Standbein neben dem Abgeordnetensalär, dann kann man sich auch für seine politischen Überzeugungen einsetzen ohne Sorge vor der Partei oder populären Meinung. Deswegen sind zweite Amtszeiten von US-Präsidenten meist disruptiver.
Ich würde mir persönlich wünschen, dass mehr Abgeordnete Einkünfte neben den Diäten haben. Das führt einerseits zu Unabhängigkeit aber andererseits auch zu mehr Kontakt mit der (Arbeits-) Realität der Bürger und Auswirkungen von Politik.
Ein weiterer Aspekt ist Fachwissen. Man mag einem Landwirt Parteilichkeit vorwerfen, aber wer kennt sich besser damit aus?
Unter dem Strich muss aus meiner Sicht einfach noch genug Zeit und Energie für die Tätigkeit als Abgeordneter da sein. Und die ist in diesem speziellen Fall absolut gegeben.
Ich schlage vor, bei diesen Fragen zu Nebentätigkeiten, Lobbyismus und Korruption im weiteren Sinne (nichts davon werfe ich Heilmann vor) zwischen mindestens zwei Aspekten, mehreren Zeitfolgen und mehreren Dimensionen zu unterscheiden:
Aspekte: Ein Verhalten muss 1) auf seine tatsächliche, interne Beeinflussung durch nicht-mandatierte Interessen geprüft werden können und es muss 2) auch nach außen der Anschein einer illegitimen Beeinflussung verhindert werden.
Dimensionen: (Materielle) Unabhängigkeit der Abgeordneten, Wahrnehmung des Mandats als Vollzeitjob, Repräsentation gesellschaftlicher Gruppen und ihrer Interessen (das inkludiert Anteilseigner:innen von Unternehmen), Transfer von Wissen aus diesen Gruppen ins Parlament.
Inhaltlich wollen wir, dass die Abgeordneten nur ihrem Gewissen unterworfen sind und das ganze Volk vertreten. Hier wird’s immer schnell kompliziert und murky: Ist das Volk mehr als die Summe seiner Teile? Reine Vertretung von Partikularinteressen ist nicht das Ideal der Verfassung, gleichzeitig aber wird der Mensch gewählt, der eben eine bestimmte Prägung und Erfahrungen hat. Die vorherige Tätigkeit und ihr Einfluss auf politische Positionen sind legitim und müssen offen diskutierbar sein. Also als Teil der politischen Kultur bitte Kritk daran, aber auch Verzicht auf verschwörerisches Raunen und Pauschalverdächtigungen.
Institutionell müssen wir sicherstellen, dass die Abgeordneten finanziell unabhängig genug sind, um konzentriert und unabhängig ihren Job zu machen. Meiner Meinung nach reichen die Diäten und Pensionen massig, schließlich ist auch nicht zu befürchten, dass jemand, der nach einer Legislaturperiode aus dem Parlament fliegt, danach in der (längeren) Arbeitslosigkeit landet. Daher sollte man aus meiner Sicht bezahlte Nebentätigkeiten ganz verbieten (mit entsprechenden Karenzregelungen für schon vor Beginn der Abgeordnetentätigkeit aufgenommene Tätigkeiten). Das schließt auch solche Nebentätigkeiten ein, die mit der Erwartung oder dem Inaussichtstellen einer später ausgezahlten Vergütung einhergehen. Wenn Politiker:innen also bei Unternehmen, Verbänden oder ähnlichem sprechen oder beratend tätig sein möchten, dann tun sie es ohne Bezahlung, vielleicht um etwas zu lernen oder politisch sinnvolle Kontakte zu knüpfen.
Bei Vermögen und Kapitaleinkünften ist es schwieriger. Treuhandlösungen könnten hier schon helfen. Aber ich bin unsicher. Denn anders als die (berufliche) Ausbildung und Erfahrung ist das Vermögen nicht untrennbar mit der gewählten Person verbunden. Können wir als Souverän vielleicht erwarten, dass man als unser Abgeordneter entsprechende Vermögensbestandteile (jedenfalls aber einer gewissen Höhe) in eine „neutrale“ Form umwandelt (Giralgeld oder - kreative Lösung, die auch eine Bindung an den den Souverän herstellt - Staatsanleihen?), um sicherzugehen, dass nicht Erwartungen zukünftiger Gewinne das eigene Urteil beeinflussen?
Inwiefern erhöhen Aktien, Buchveröffentlichungen oder das Halten von Reden/„Talks“ den Kontakt zur Realität der Bürger. Es ist ja nicht so, als würden die Nebeneinkünfte durch Arbeit bei Aldi an der Kasse passieren.
Manche Bürger:innen handeln mit Aktien oder geben diese aus, manche verlegen Bücher, manche organisieren und hören „Talks“.
Klar: Diese Nebentätigkeiten von Abgeordneten verstärken den klassistischen Bias, den das Parlament aufgrund der Prägung der allermeisten Abgeordneten sowieso schon hat.
Äh, nein. Wie anderswo schon beschrieben sieht dieses „zweite Standbein“ in den seltensten Fällen – bzw. nie – so aus, dass Bundestagsabgeordnete nebenbei noch in richtigen Jobs wie Erzieher, Supermarktkassierer, Gerüstbauer o.ä. unterwegs sind, bei denen man nämlich werktags wirklich einen Großteil seiner Zeit arbeiten muss, sondern das sind dann i.d.R. Vortrags- oder Anwalts- oder ähnliche Tätigkeiten, bei denen dann für teilweise lächerlich geringen Aufwand große Summen gezahlt werden. Und da kann sich jeder an einer Hand ausrechnen, dass dieses Summen nicht deswegen fließen, weil die Abgeordneten so brillant reden und ihrem Publikum ganz neue Einsichten gewähren können, oder weil ihre anwaltliche Beratung so extrem kluk ist. Diese gerne genannte „finanzielle Unabhängigkeit“ ist doch eine Nebelkerze. Tatsächlich ist es doch so, dass ein Krankenpfleger, der aus irgendeinem Grund plötzlich Bundestagsabgeordneter wird und damit sein Einkommen roundabout vervierfacht finanziell viel unabhängiger und tendenziell weniger korrupt ist, als jemand der sein ganzes Leben lang schon gar nicht genug Geld haben konnte, und für den die Abgeordnetendiät bloß Peanuts sind, die man nebenbei einstreicht, während man das Mandat nutzt um sich neue Einkommensquellen zu erschließen.
Daher würde ich mir wünschen, dass sogenannte „Nebentätigkeiten“ für Abgeordnete am besten komplett untersagt werden.
Etwas anderes ist es, wenn irgendwer als „Quereinsteiger“ mit Berufserfahrung Abgeordneter wird, aber dann eben zu 100% als Abgeordneter tätig ist. (Und die Unterhaltung führt auch vom ursprünglichen Thema weg, denn Unternehmensbeteiligungen und Nebenjobs sind nicht dasselbe, und die Unternehmensbeteiligungen von Heilmann sehe ich da in der Tat vielleicht nicht als unproblematisch aber zumindest weniger problematisch an als das, was andere Abgeordnete der Korruptionsparteien teilweise mit irgendwelchen „Beratertätigkeiten“ so abziehen.)
Dazu muss man, leider sagen, dass dieses für manche Berufsgruppen einfach kaum möglich ist. Bsp.: Landwirte, Rechtsanwälte mit eigener Kanzlei, Unternehmer.
Die können ihre Nebentätigkeit in diesem Sinne nicht aufgeben, ausser sie verkaufen vor dem Mandat alles.
Dann zur finanziellen Absicherung der Abgeordneten. Die Diäten sind ausreichend. Das Problem beginnt vorher. Um Abgeordneter zu werden ist der Marsch durch die Parteien zu gehen. Dieser wird nicht vergütet. Dadurch beginnt hier schon die Aussortierung politischer Engagierte Menschen.
Ich persönlich kann es mir schlicht nicht leisten, dieses engagierte Mitarbeit in einer Partei nachzukommen, um mich damit um ein Mandat zu bewerben.
Und genau dieses Bild sehen wir in den Parlamenten. Rechtsanwälte, Lehrer, Beamte, Wirtschaftsberater, Wissenschaftler in staatlicher Anstellung.
Ich persönlich sehe nur eine Lösung dafür; die maximal Zeit eines Abgeordnetenmandats massiv einschränken, damit viel mehr durchmischt wird und dadurch der Marsch durch die Parteien massiv verkürzt wird.
Genial, da gibt Thomas Heilmann einfach zu, dass das Klimaschutzgesetzt so von keiner Partei eingehalten werden kann. Also Regierungsversagen der eigenen Partei.
Tolles Interview
Man könnte ja zumindest überlegen, ob - wie beim Bürgergeld - Nebeneinkünfte zunächst auf die Diät angerechnet werden. Dann spart der Staat sogar noch Geld, das Incentive für Nebeneinkünfte ist geringer, aber wenn man bspw. ein Buch schreibt o.ä. hat man trotzdem noch was davon - Verbot fände ich da auch schwierig.
Äh, und? Ein Angestellter müsste auch seinen Job aufgeben und hätte nicht ohne weiteres ein Anrecht darauf, nach der Abgeordnetenzeit wieder zurückkehren und an derselben Stelle weitermachen zu können.
Das fördert dann massiv das Revolving-Door-Prinzip.
Wäre zumindest ehrlicher, wenn diese Leute gar nicht mehr vom Steuerzahler, sondern nur noch von den Auftraggebern bezahlt werden.
Während der Legislaturperiode muss mE sichergestellt sein, dass die volle Konzentration auf dem Mandat liegt (klar, die Wähler:innen können auch denjenigen abstrafen, der das nicht umsetzt, aber ich hätte gern auch eine institutionelle Lösung dafür, die es allen Seiten erleichtert, das umzusetzen und prüfen), d.h. es müssen ja ohnehin Lösungen gefunden werden, was während dieser 4-5 Jahre geschieht.
Es stimmt natürlich, dass es auch bei solchen Berufen, in denen die Tätigkeit häufig unter Einsatz eigenen Vermögens begangen wird, eine Perspektive auf Wiedereinstieg geben sollte, um Menschen aus diesen Gruppen materiell zu ermöglichen, Abgeordnete zu werden (außer man sagt: „Dann musste dich halt entscheiden“, aber das ist aus meiner Sicht wieder keine institutionell sinnvolle Lösung). Daher sind ja Treuhandlösungen so naheliegend, da bleibt aber insbesondere bei großen Aktienvermögen das Problem der Beeinflussung politischer Tätigkeiten durch (vage) Aussichten auf zukünftigen Gewinn. Tauscht man gewissermaßen das Vemögensportfolio einmal um oder „neutralisiert“ es wie oben beschrieben, lässt es sich nach Ende der Legislatur ja wieder umstrukturieren, um wieder in den Beruf zu starten.
Und dem Drehtüreffekt (den ich persönlich als schädlicher empfinde) kommen wir damit leider immer noch nicht bei…das geht wohl nur mit Karenzzeiten, die wiederum recht tiefe Eingriffe darstellen können.
Sind aber auch nur spontane, etwas frei drehende Gedanken. „Neutrale“ und von jedem äußeren Einfluss freie Abgeordnetentätigkeit ist ja ohnehin kein anzustrebendes Ideal, wie ich oben deutlich machen wollte. Es wird ein Mensch gewählt. An sich wäre es ja schon ein Fortschritt, robustere Transparenzgesetze zu haben (s. hier)
Das wiederum ist zwar bedenkenswert, auch um die Parteien ein bisschen zu dynamisieren, aber wie sehr würde es die Zahl der Menschen, die ein Mandat wahrnehmen, letzlich erhöhen? Faktor 2-3? Und findet man in allen Wahlkreisen dann überhaupt genügend Leute, die sich den Spaß antun wollen?
Bei normalen Angestellten scheint dies ja dann egal zu sein scheinbar? Ich frage mich wieso manche überrepräsentierten Berufsgruppen da Sonderlocken brauchen. Wir haben sowieso eine ziemlich miese Mischung im Bundestag und wenn dann ein paar Juristen und Unternehmer weniger im Bundestag sind sehe ich das als Fortschritt.
Ja, völlig. Mir geht es nicht mehr um Herrn Heilmann, sondern um die Definition des Begriffs „Korruption“, denn da scheinen hier unterschiedliche Vorstellungen vorhanden zu sein. Das sollte auch an der Frage, die ich gestellt habe deutlich geworden sein. Wieso habt Ihr die eigentlich nicht beantwortet?
Ich persönlich möchte, dass sich ein Abgeordneter den ich wähle für die Interessen von Deutschland einsetzt (so wie ich sie sehe). Ein gutes Vorbild geben übliche Angestelltenverhältnisse. Man stelle sich folgendes vor:
Jemand der jährlich 1 Mio an Dividende bezieht, bewirbt sich bei einer Firma in einer hohen Position. Wird der den Job erhalten?
Kann sein, aber ich bin mir sehr sicher, dass hier vor einer Einstellung genau geprüft wird
Warum will derjenige überhaupt diesen Job machen? Sein Einkommen erhöht sich dadurch ja nur minimal.
Das Interessenkonflikte sicher ausgeschlossen werden können.
Der 2. Punkt ist halt sehr schwer erfüllbar, wenn der Arbeitgeber Deutschland ist.
Aktuell haben wir ja die Situation, dass wir Abgeordnete haben, die in Nebenjobs ein Vielfaches von dem verdienen was sie an Bezügen erhalten und dafür Entscheidungen im Sinne ihres Neben-Arbeitgebers treffen. Siehe Klimawandel. Das ist nicht in meinem Sinne, daher finde ich, dass man das sehr stark einschränken sollte.
Deine Argumentation funktioniert aber nur unter der Prämisse, dass finanzielle Unabhängigkeit dem Vollzeitjob schadet.
Das tut sie aber nicht. Herr Heilmann und andere Berufspolitiker, die hohe Nebeneinkünfte haben, können trotzdem gute und gewissenhafte Politiker sein. Ansonsten kann man einsehen, wofür sie stimmen und wogegen. Das darf dann der Wähler abstrafen.
Ich finde, dass du die finanzielle Unabhängigkeit etwas differenzierter betrachten solltest. Als Beispiel kannst du den Rundfunkbeitrag nehmen. Diese gesicherte und unabhängige Finanzierung stellt ja sicher, dass der öffentlich rechtliche Rundfunk so objektiv wie möglich berichtet und eben nicht private Interessen wie Springer Presse oder Fox news vertritt.
Sofern Politiker nicht haufenweise Kohle von Lobbyisten erhalten und nur nach deren Interessen abstimmen, würde ich die nicht alle in einen Topf werfen und pauschal Interessenskonflikte unterstellen.
In meinen Augen strebst du ein Ideal an, das es so nicht geben kann. Jeder Politiker hat eine Vorgeschichte, ist in bestimmten Milieus sozialisiert und hat bestimmte Interessen und Beziehungen.
So tut sich ein Karl Lauterbach schwer für seine Kollegen das Cannabis-Gesetz auf den Weg zu bringen, weil er im Studium mal gelernt hat, dass das gefährliche Drogen sind.
Ich würde als Steuerfachangestellter kein Steuersystem wollen, das jeder sofort durchblickt und mich nach meiner Politkarriere arbeitslos machen würde.
Ein Herr Heilmann, der gemäß gerade geänderter Antikorruptionsregeln alle Beteiligungen verkauft und das Geld aufs Sparbuch getan hat, wäre vielleicht nun gegen Niedrigzinspolitik und so lässt sich das fortsetzen.
Nein. Nach § 2 Absatz 3 Abgeordnetengesetz besteht auch ein Schutz vor Kündigung im Zusammenhang mit einem BT-Mandat für Arbeitnehmer:innen. Weiß nicht, wie weit die reichen, d.h. ob es vielleicht effektiv ein Rückkehranspruch ist. Für Beamt:innen gibt’s Rückkehransprüche. Die Regeln für die Landesparlamente kenne ich nicht.
Die Lage ist einfach bei Berufen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit nicht geringfügigen Vermögen stehen, eine andere. Ein Landwirt ohne Land kann seinen Beruf nicht mehr ausüben. Zugleich gibt es bei nicht geringfügigem Vermögen zusätzliches Potential für Interessenkonflikte.
Klar, seh ich im Ergebnis genau so, systemischer Klasssismus gehört da bekämpft, denke aber nicht, dass wir das am besten durch Regeln über Einkünfte und Vermögen erreichen.
Die jetzigen Regeln bevorzugen Leute, die ihren Job nebenbei weiter ausüben können (Unternehmer, Rechtsanwälte, usw) oder sich für die Zeit freistellen lassen können (Staatsbedienstete).
Das sind auch die, die wir großteils im Bundestag antreffen. Also doch, es würde vermutlich schon was bringen, hier anzusetzen.
Ein erster Schritt wäre, wie @DonMaxi vorgeschlagen hat, Nebeneinkünfte auf das Gehalt anzurechnen, z. B. mit 50%. Wessen Nebeneinkünfte doppelt so hoch sind, wie die Vergütung würde im Bundestag also ehrenamtlich sitzen.
Wäre aber einfacher erstmal und definitiv fairer. Man muss dich manchmal eben entscheiden oder zum Beispiel einen anderen Geschäftsführer einsetzen, Mandanten abgeben oder den Bauernhof solange verpachten. So oder so merkt man ja, dass diese unausgewogene Verteilung im Bundestag gewisse Gruppen immer schützt/bevorzugt.