Da Du zu dem Thema forscht: Mich würde das Verhältnis vom Energieaufwand für DAC/DACCS im Vergleich zu der Energie, die bei der Verbrennung frei wurde, interessieren. Gibt es da aktuelle Zahlen? (Das wäre ein griffiges Argument gegen "YOLO, lass uns alles verbrennen, wir können das CO2 einfach später irgendwann wieder zurückholen).
Im 2018er IPCC Report kam wohl die Ansage, daß man die doppelte Energiemenge der gesamten globalen Stromproduktion alleine für die DAC aufwenden müßte, die man brauchen würde um auf das 1.5° Ziel zu kommen.
Doch, wir können und müssen das Ruder herumreißen - die Frage ist nur, wieviel Zeit wir uns dabei lassen. Es ist kein schwarz-weiß, sondern ein Kontinuum. Jedes Zehntel Grad mehr macht die Gesamtsituation schlimmer, und jedes Zehntel Grad weniger macht sie etwas weniger schlimm. Und die Auswirkungen (Stichwort Wirtschaft) werden nicht nur menschlich schlimm sein, sondern auch um ein Vielfaches teurer werden als die Verhinderung derselben gewesen wäre.
Vorweg: Als Familie achten wir auf Umweltschutz durch die Bank. Regionale Produkte, KFW55 Haus, Elektroauto etc… meine Frau sucht nur Heimische Pflanzen aus und zählt jede neue Biene als Erfolg
Wenn ich das, was Herr Marotzke sagte, kombiniere mit den Interviews in Hans-Werner Sinn (bspw. heute in Bild Online oder einfach in seiner Weihnachtsvorlesung auf Youtube), dann halte ich es für nicht realisierbar. „Wir müssen das Ruder rumreißen“ Wer ist denn „wir“? Platt gesagt sind wir 80M Menschen in DE, und der Rest der Welt sieht das irgendwie gar nicht so. Klar, paar nette Floskeln etc, aber in Summe sind die Ölförderungen weiterhin hoch… also wird viel Öl verbrannt, auch wenn wir es in DE nicht mehr tun. Nur wem ist geholfen? Unsere Energie steigt, und wäre ich der Chef eines anderen landes, der wiedergewählt werden wollte, würde ich massiv günstige Energie bereitstellen und Firmen aus DE anlocken.
Die Frage ist doch eher, was machen wir in DE draus? akzeptieren wir als Gesellschaft, dass Arbeitsplätze wegfallen, dass hohe Energiekosten und Inflation der Mitte der Gesellschaft Druck machen (was wir irgendwann auch nicht mehr wegsubventionieren können)? Meine Angst ist eher, dass wir extremen Parteien so die Tür öffnen, die Lösungen anpreisen. Die zeigen, wie es andere Ländern auf Kosten der Umwelt machen… Was hilft es politisch, wenn wir in DE die Welt verbessern wollen, aber niemand mitmacht? die Diskussion kommt mir zu kurz. Die eine Seite sagt: Umweltschutz über allem… die andere sagt: Scheiss auf die Umwelt (etwas überspitzt gesagt)… niemand präsentiert eine gute Lösung, die ausgewogen ist… aber vielleicht gibt es die auch einfach nicht…
Ich habe mir dieses Interview jetzt auch sehr aufmerksam angehört und halte es tatsächlich auch für angenehm unaufgeregt und auch wissenschaftlich korrekt. Denn, wir wissen nicht sicher, welche Kipppunkte wirklich eintreten und wann, wie sich Wetterextremereignisse und wo entwickeln werden und wieviel stärker der Migrationsdruck werden wird.
ABER: Das Gesagte ist nicht schlüssig, weil Marotzke zwar immer wieder eindringlich auf schnellere Klimaschutzmaßnahmen pocht, gleichzeitig die von anderen dafür genannten Gründe herunterspielt (Kipppunkte, Extremwetterereignisse, Migrationsdruck etc) in dem er betont, dass das Eintreten nicht sicher ist.
Es fehlt mir völlig die Perspektive, dass, auch wenn nicht sicher, trotzdem ein beträchtliches Risiko für das Eintreten dieser Phänomene gibt und genau das ist auch der Grund, warum dringend gehandelt werden muss.
Dieses Versäumnis hinterlässt bei vielen Menschen, die sich gerne wieder in ihre Komfortzone zurücklehnen wollen, den falschen Eindruck. Aus meiner Sicht sehr gefährlich und ich halte es für dringend notwendig diesen Eindruck in einer der nächsten Folgen zu relativieren. Marotzke selbst hat das in folgendem Interview weniger missverständlich formuliert.
Also bei uns (Schweden) war gerade ein Prof. in den Nachrichten, der berichtet hat, dass Schweden in Summe 2022 weniger CO2 ausgestoßen hat als 1990.
Damit ist deine Aussage, dass nir die Deutscjen an dem Thema dran wären schonmal falsch und das sowieso grundlegend und eigentlich Kern der Klimaleugnererzählung.
Die ausgewogene Lösung, die Du suchst, ist das Pariser Klimaabkommen. Dieses ist der politische Kompromiss, der 2015 von 195 Nationen beschlossen wurde.
Hi Patrislav,
ich forsche an Gesteinsverwitterung und Pflanzenkohle, also gar nicht an DACCS.
Der Energieverbrauch von DACCS ist gar nicht so leicht zu finden, aber in einem Artikel von Recharge News ist von 8,8-14GJ (2400-3900 kWh) pro Tonne CO2 die Rede (https://www.rechargenews.com/energy-transition/the-amount-of-energy-required-by-direct-air-carbon-capture-proves-it-is-an-exercise-in-futility/2-1-1067588). Letzlich hängt die Energiemenge davon ab wie viel CO2 gebunden werden soll. Eine schöne Sache noch: mit Direct Air Capture lassen sich auch andere Gase abscheiden. Es scheint aber, das CO2 am effizientesten ist.
Der IPCC Report von 2018 hat vermutlich mit höheren Energiemengen gerechnet, die Technologie macht jährlich Sprünge. Letztens wurde von einem Durchbruch berichtet bei dem 90% weniger Energie aufgewendet werden musste (finde das leider nicht mehr). Der große Vorteil wenn CO2 im Gestein mineralisiert ist, dass es dann an den tektonischen Zyklus gebunden ist. Der dauert locker mal 250 Mio. Jahre. Lang genug für uns. Andere energiefreundlichere Methoden weisen eher geringere Zeiträume auf.
Grundsätzlich gilt, dass es sich lohnt alle verfügbaren Methoden einzusetzen (Übersichtsgraphik Seite 1262, https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg3/downloads/report/IPCC_AR6_WGIII_FullReport.pdf) denn jede Methode bietet Vor- und Nachteile. Mein Forschungsschwerpunkt beispielsweise macht Böden fruchtbarer und dürreresistenter, verbraucht keine Fläche, nutzt Abfallstoffe und bindet nebenbei CO2. Die Permanenz liegt hier bei tausenden bis über hundertausenden Jahren.
An den Abschätzungen der IPCC ist noch zu bemängeln, dass nur DACCS, BECCS und Forstmaßnahmen berücksichtigt wurden. Die Potentiale von Gesteinsverwitterung, insbesondere im Meer, sind riesig, aber die Forschung ist noch nicht genug vorangeschritten, sodass diese eben nicht eingerechnet sind. Hier wären aber noch mehrere Gigatonnen CO2 zu holen, sofern die Technologien global skaliert wären (was leider lange dauern wird).
Für Laienpublikum bietet sich bevorzugt folgende Grafik an (um so Röter um so teurer ist die Technologie) das erklärt evtl. auch das vorpreschen von Solar Wind & Battery bei China, Australien, USA, DE/EU:
Wirklich ein tolles Interview. Danke, dass Ihr dieser sachlichen und vor allem unaufgeregten Stimme aus der Klimaforschung diesen Raum gegeben habt. Herr Marotze wirkt sehr kompetent und ist dabei nicht belehrend. Ein krasser Gegensatz zu Greta Thunberg und Co.
Danke für das tolle Interview.
In dem Interview kam die Aussage, dass „die Wärmepumpe für Europa (Golfstrom) schwächer wird“. Was mich dabei beschäftigt ist:
wenn weniger Wärme grob gesagt vom Golf von Mexiko wegtransportiert wird dann erwärmt sich diese Gegend doch übermäßig stark. Gibt es Überlegungen was das dann für Auswirkungen auf die Region hat?
Über den Einfluss einer Abschwächung des Golfstroms auf die amerikanische Ostküste findet man vmtl. am meisten in der englischsprachigen Literatur.
Dieser Artikel [1] beschreibt m.E. die Effekte ganz gut. Mögliche Folgen in der Region Florida wären
stärkerer Anstieg des Meeresspiegels
schwierigere Situation für die Fischerei
höhere Temperaturen
ggf. weniger aber dafür stärkere Hurricanes (wobei das alles andere als klar ist)
Habe heute Prof Andreas Fischlin im Podcast Treibhaus gehört. Fischlin ist Vice Chairman in der Working Group II des IPCC.
Wirklich hörenswert. Er bringt die Erkenntnisse wirklich eindrucksvoll auf den Punkt. Mit einfachen glasklaren Aussagen. Der Schaden den Marotzke mit seiner „ruhigen Art“ anrichtet ( wir wissen nix) kann aber sicher nur bedingt beseitigt werden