Diese Aussage ist in dieser Form viel zu unreflektiert und ignoriert unzählige Lebenswirklichkeiten. Man muss beachten, wie mobil jemand ist. Dann auch die Frage des Wochentags. Hält die Person zum Beispiel nur auf dem Weg zur Arbeit beim Bäcker? Hat die Person mehrere sehr kleine Kinder?
Ich erledige so viel es geht zu Fuss, auch mit meinem 2 sehr kleinen Kindern. Wenn ich aber das Kind (bald die Kinder) morgens zur Kita bringen muss, wird es auch für die 5 Minuten Weg das Auto werden, da ich sofort durchstarten muss um pünktlich zur Arbeit zu kommen. So geht es eben vielen, da Kitas wie unsere sehr oft erst um 7.30 öffnen, viele aber um 8.00 arbeiten müssen.
Natürlich gibt es die Menschen, die sinnlos für jeden Miniweg das Auto nehmen, aber da sollte man auch wirklich die verschiedenen Lebenswirklichkeiten trennen. Auch sollten viel viel mehr die Arbeitgeber in die Pflicht genommen werden. Diese könnten mit wenigen Maßnahmen den Autoverkehr sehr reduzieren und das Leben besonders für Familien leichter machen, z.B. mehr Homeoffice, bessere Arbeitszeitmodelle und schlicht das Akzeptieren der Lebenswirklichkeit von Eltern (heutzutage sehr oft ohne Großeltern als kostenfreie Betreuer). Es ist immer noch so, dass man als oft nicht als voll arbeitsfähig betrachtet wird mit Kindern, das gilt für Männer und Frauen wie wir leider lernen mussten.
Auf jeden Fall würde und könnte hier sehr viel Autoverkehr reduziert werden.
Ich bin mir ziemlich sicher diese Wege sind da nicht gemeint.
Ich beobachte am Dorf aber eben doch, dass kurze Wege sehr oft mit dem Auto zurückgelegt werden, obwohl es nicht nötig ist.
Der Weg zum Fußballplatz wo das Auto dann nach 5 Bier aber eh über Nacht stehen bleibt, zumindest mittlerweile. Und am nächsten Tag fährt den Fahrer dann jemand zum Auto damit er nicht laufen muss. Und das bei einer Laufstrecke von 10-15 Minuten.
Hier hat sich in den letzten Jahrzehnten einfach eine Kultur eingebrannt in der man das was man eh hat auch für alles nutzt. In der Großstadt beobachte ich das auch, aber mangels Parkplätzen sehr viel seltener.
Ich lebe auf dem Land und habe mehrfach erlebt, wie Versuche, das ÖPNV auszubauen, aus wirtschaftlichen Gründen wieder eingestellt wurden. Der Individualverkehr ist halt wirklich sehr individuell und da braucht es z.T. schon eine sehr große Umstellung - da siegt dann doch die Bequemlichkeit… Bei uns wurden Alternativen dann bei den Leuten eher denkbar, als die Benzinpreise sehr hoch waren.
Es wird sich auf dem Land (also wirklich dort wo wir über Dörfer reden, nicht über die Kleinstadt) kein attraktiver ÖPNV annähernd wirtschaftlich betreiben lassen. Auch bei nur einem Stundentakt reden wir ja über Fahrgastzahlen die vielleicht gerade den Stundenstatz des Fahrers abdecken.
In vielen Tarifverbünden kostet das Ticket für die Bahn von Kleinstadt nach Großstadt genau das gleiche wie das Ticket direkt vom Dorf in die Großstadt, weil gleiche Tarifzone. Das heißt der Pendler der nicht mehr zum P+R Parkplatz mit dem Auto fährt sondern mit dem Bus bringt keinen Cent an Mehreinnahmen.
Wenn wir eine attraktive Grundversorgung auf dem Land haben wollen, dann müssen wir uns als Gesellschaft darüber im Klaren sein, dass das erhebliche Kosten bringt, die nicht durch Mehreinnahmen aus dem Ticketverkauf gedeckt werden können.
Ich verstehe den Sinn eure Diskussion nicht so ganz.
Bei der Reduktion von Individualverkehr immer wieder erstmal den ländlichen Raum zu diskutieren, anstatt sich auf die Städte zu konzentrieren, in denen prozentual ja die Mehrheit wohnt, finde ich falsch.
MMn wird der ländliche Raum größtenteils auf E Autos umstellen, was ökonomisch ja auch am meisten Sinn macht. Denn man hat ja auf dem Land den Platz für Wind- und Solaranlagen, im Gegensatz zu den Stadtgebieten mit großen Mehrfamilienhäusern, und kann den eigenen Strom nutzen.
Viel interessanter und komplexer ist doch die Lage in den Städten, in denen 1. nicht jeder zu Hause sein E Auto laden kann und 2. es den Streit um Verkehrsräume gibt, und eben nicht einfach so schnell ein Radweg angelegt werden kann (den man im ländlichen Raum ja oftmals gar nicht braucht, weil man durch den viel geringen Verkehr sicher auf der Straße fahren kann, und es zwischen Dörfern meist ein System aus Landwirtschaftswegen gibt die genutzt werden können).
Ich denke hier müssen wir verschiedene Zielsetzungen als Grundlage nehmen:
Betrachtet man die Reduktion des Energieverbrauchs muss das Ziel sein einerseits die gefahrenen Kilometer zu reduzieren, andererseits die Zahl der Autos (Verbrauch bei Produktion). Hier ist natürlich beim Pendler am Land mit 50 km einfach mehr zu reduzieren als beim Pendler in der Stadt mit 5 km einfach.
Betrachtet man die Abhängigkeit, so ist am Land mehr Handlungsbedarf, weil es in Städten bereits eine Basisversorgung gibt, nicht so auf dem Land.
Betrachtet man die Lebensqualität, so ist der Handlungsbedarf in den von Metropolregionen, über Großsstädte, Mittelstädte, Kleinstädte bis hin zu den Dörfern abnehmend. Im kleinen Dorf ist heute schon das größte Risiko der landwirtschaftliche Verkehr und weniger Individualverkehr bringt quasi keine zusätzliche Lebensqualität.
Am Ende ist man sich ja bei vielen (bayerische Grüne, Agora Verkehrswende, etc.) einig, dass ein Ausbau des Angebots am Land nötig ist, um Abhängigkeiten zu reduzieren, dass es aber nicht möglich sein wird den Individualverkehr überflüssig zu machen.
In Städten geht es oftmals eher darum den Platz neu zu verteilen. Der ÖPNV müsste nur etwas mehr verdichtet werden.
Solche Projekte gibt es einige, sie sind nach meinem ersten Eindruck idR nur mit Bundes- oder mind. Landesförderung möglich - was nicht heißt, dass sie nicht effizienter sein werden als Buslinien, aber Experimentieren kostet natürlich erstmal Geld.
Hier sind ein paar On-Demand-Projekte dabei, kombiniert mit vielen weiteren Maßnahmen: BMDV - Kurzdossiers – Modellprojekte zur Stärkung des ÖPNV
Ich kenne als Kunde den sprinti in der Region Hannover, Kleinbusse On-Demand mit virtuellen Haltestellen. Das ist nach dem oben von @Flixbus eingebrachten Thünen-Ansatz nicht-ländlicher Raum, aber es sind nur die Randgebiete der Region, die tlw., gerade im Norden, schon am Übergang zum wirklich ländlichen Raum in der Heide liegen. Der nächste Bahnhof liegt dennoch selten >5km entfernt.
In meiner subjektiven Einschätzung wird das Angebot gut angenommen und funktioniert immer besser. Ich bin dort eigentlich nur außerhalb der Hauptverkehrszeiten unterwegs (abends und am Wochenende) und sehe kaum noch große Busse.
sprinti ist auch mit dem „Deutschen Mobilitätspreis“ ausgezeichnet worden, aber das sieht wie ein Marketingpreis des BDMV aus. Hard facts zur Evaluierung kenne ich leider nicht. Laut Ankündigung wurden aber einige Busfahrten ersetzt.
Problematisch kann gerade für altere Menschen sein, dass man schon ein Ticket haben muss - also entweder Abo oder per App gekauft. Ohnehin braucht man für die Bestellung eine App. Aber man kann nicht alles haben. Hier wäre eher der allg. Nachholbedarf in Digitalisierung und digitaler Mündigkeit angehen, statt es speziell als Problem solcher Lösungen zu bearbeiten.
Genau das wollte ich sagen: Es gibt Leute, die können nicht anders, und dass die nicht anders können, wird von anderen aus Bequemlichkeit als Ausrede genutzt. War ich wohl nich klar genug.
Macht Deine Grundidee verständlicher. Sozusagen in fremder Herde „mähen“.
Obwohl das m. E. ein eher nachrangiger Grund ist um Mobilitätsveränderungen zu blockieren.
Kleine Anekdote:
Musste heute von Hamm nach Bielefeld dienstlich. Mit Verbrenner-Dienstwagen: ca 1h Fahrzeit, plus Feierabendverkehr auf der A2. Mit ICE nur 28 min.
Also Zug gefahren. Leider kaputtes Signal und Polizeieinsatz. Kann passieren. 60 min Verspätung. Termin mit leichter Verspätung erreicht. Rückfahrt mit RB gefahren (nur 5 min Verspätung) statt ICE (25 min Verspätung).
Wenn man 1h Puffer mindestens einplant, und etwas Geduld plus Thermoskanne, geht es.
Macht ÖPNV aber nicht wirklich zur attraktiven Alternative….
Ja, „geht“.
Aber da freut man sich schon über eine tolle Zugverbindung, entspanntes Fahren, Ruhe und keinen Autobahnstress, und dann versagt die Bahn mal wieder, irgendjemand streikt, im Ruhebereich ist es unerträglich laut oder Maskenverweigerer husten herum und kein Angestellter kümmert sich.
Das nervt halt extrem und bleibt hängen.
Ich habe ähnliche Erfahrungen gemacht mit der Bahn. Ich musste während meinem Wehrdienst immer aus dem ländlichen Westerwald nach Augustdorf bei Bielefeld. Geplante Fahrzeit war immer 4 Stunden ca. Tatsächliche Zeit war nie unter 5-6 Stunden und zwar in beide Richtungen. Zuletzt war ich immer mal wieder mit der Bahn in Düsseldorf bei einem Freund von Koblenz aus. Leider brauchte es mit dem Bus schon fast 1 Stunde zum Bahnhof (Auto 20 Minuten). Und dann war die Bahn wieder extrem verspätetet, Anschlusszug verpasst usw…
Leider zu oft um als Einzelfall behandelt zu werden. Und Zeit, besonders Freizeit, ist eben kostbar, besonders wenn man Kinder hat. Solange die Bahn nicht zuverlässig ist, wird sie besonders in ländlichen Gegenden keine Alternative sein.
Und jetzt mal die ganzen Minuten und Stunden aufzählen, wo man in einem Stau stand und am Ende ebenfalls viel zu spät angekomen ist. Macht halt keiner. Fühlt sich auch anders an, weil man „aktiv“ ein Auto bedient (auch wenn dieses weder vor noch zurück bewegt werden kann).
Ja, die Bahn ist sauschlecht aufgestellt, ja, die Probleme sind hausgemacht, aber ist das jetzt die Grundlage für die Diskussion über „Autos auf dem Land und Alternativen“?
Natürlich gehört es dazu, denn die Bahn ist nun mal eine Alternative. Und wenn diese Alternative in Ihrer Zuverlässigkeit die Note 5 hat wird es schwierig. @Mike und ich sind ja schon mal ehr pro Bahn und sind trotzdem sehr frustriert und deprimiert. Wir wagen es trotzdem wohl beide immer wieder. Aber jemanden, der nur ein wenig skeptischer ist kriegst du damit nicht.
Und klar gibt es auch Stauzeit, gar keine Frage. Ich zumindest rechne das ein. Je länger die Strecke, desto besser die Bahn (zum Beispiel von Koblenz nach Hamburg). Sobald man aber umsteigen muss, ist es immer ein Nervenkitzel:
• kriege ich den Zug
• ändert sich spontan die Wagenreihenfolge
• ändert sich plötzlich das Gleis
Hinzu kommt, dass gerade Tickets für ICE und IC, was bei längeren Strecken nun mal sinnvoll ist, teilweise zu teuer sind. Ich denke die Bahn muss erstmal viel attraktiver werden, damit mehr Menschen ihre Hemmungen zumindest für Teile der Fahrten ablegen.
Die Bahn ist sicherlich eine Alternative, aber eben nicht generell für das Auto auf dem Land. Hier ist ein tolles Interview mit einem Mobilitätsforscher, es geht auch viel um Historie, wieso das Auto diesen Status erhalten hat, etc, aber auch wie er sich die Banhverbindungen des ländlichen Raums vorstellt:
Vielleicht mal meine Perspektive als jemand, der als Kind auf dem Land, als Erwachsener ausschließlich in Städten und jetzt mit Familie wieder ländlich lebt und der sich mit dem Thema Mobilität recht intensiv beschäftigt:
Die hier von verschiedenen Menschen angesprochenen Themen „Geschäfte und Infrastruktur“ und „Arbeitsweg“ sind echte Herausforderungen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es kaum ernsthafte Versuche gibt, diese Herausforderungen zu lösen. Man nimmt die aktuelle Realität als gegeben und entsprechend als Argument, warum die meisten Menschen auf das Auto nicht verzichten und der ÖPNV keine legitime Alternative ist.
Für mich ist zum einen die Frage, wo wir das Ziel setzen. 0% motorisierter Individualverkehr ist sicher unrealistisch und war ja auch seit der Erfindung des Automobils nie die Realität. Aktuell ist auf dem Land aber meiner Einschätzung aber bei allen Strecken, die nicht mehr zu Fuß zurückzulegen sind, ca. 90% motorisierter Individualverkehr die Norm. Ich würde es als unglaublichen gesellschaftlichen und umweltpolitischen Gewinn ansehen, wenn wir auf ca. 15% motorisierten Individualverkehr reduzieren könnten.
Dafür müsste man meiner Ansicht nach zwei Dinge tun:
Einerseits einen großen Teil der enormen öffentlichen und privaten Investitionen, die derzeit in PKW gesteckt werden, in den ÖPNV und andere kollektive und nicht motorisierte Mobilitätskonzepte umleiten.
Und andererseits den motorisierten Individualverkehr weniger komfortabel machen.
Also zum Beispiel:
Öffentlich geförderte Car-Sharing Autos in jedem Kaff, die man sehr günstig und komfortabel für ca. eine Fahrt die Woche nutzen kann, darüber hinaus wird es aber schnell sehr teuer.
Tolle Fahrrad-Infrastruktur auch auf dem platten Land. Keine Straße ohne Fahrradweg.
E-Lastenrad-Sharing in jedem Kaff bzw. öffentliche Förderung für die Anschaffung von E-Lastenrädern als Alternative zum Auto
Drastischer Ausbau des ÖPNV mit kleineren Bussen, aber engem Takt
„Bürgertickets“ zur freien Nutzung des ÖPNV für alle Einwohner, finanziert über eine kommunale Abgabe (z.B. gekoppelt an die Grundsteuer)
Schnellbusse auf Landstraßen und Autobahnen in die nächsten Ballungsgebiete mit Zubringern aus den kleinen Dörfern
ÖPNV-Spuren auf Landstraßen und Autobahnen
Reduktion der Investitionen in Autobahnen. Max 1 Fahrbahn Richtgeschwindigkeit 90 kmh, eine Fahrbahn Höchstgeschwindigkeit 130kmh, eine ÖPNV-Spur
Hohe Steuern auf KFZ und Treibstoffe
Das Ziel sollte ein System sein, in dem motorisierter Individualverkehr in ca. 85% der Fälle komplett unnötig und teurer als die Alternative ist, in 10% nötig und für Normalverbraucher (noch) finanzierbar und in 5% für jene, die es absolut nicht lassen können mögich, aber sehr teuer ist.
Natürlich wäre das ein radikaler Umbruch. Aber auch nicht radikaler, als die Einführung des PKW als Massen-Mobilitätsmittel und der die damit einhergehenden massiven Investitionen in die für PKW nötige Infrastruktur.
Das Kuriose ist ja, würde ich im lokalpolitischen Umfeld arbeiten, also rund 20-25km von meinem Wohnort entfernt, könnte ich tatsächlich weitgehend auf mein Auto verzichten. Da ginge viel mit dem eBike oder mit dem vorhandenen ÖPNV. Radwege sind schon recht gut und komfortabel ausgebaut, die Taktung der Busse im Nahbereich zumindest so gut, das man damit planen kann bzw Verkehrsmittel kombinieren kann.
Das Problem sind eher die Schnittstellen in die umliegenden Metropolen und Großstädte, wie z.b. die Grossstadt in der ich arbeite.
Die Ansatzpunkte wären da gar nicht mal so aufwändig.
Aber da es ja genug Autos gibt und sich alle damit arrangiert haben, ist der Drang, an diesen Punkten zu arbeiten, politisch offenbar nicht drängend
Ich finde alle Regelungen die darauf ausgelegt sind das man nur genug Geld haben muss schwierig. Im Grundsatz sind deine Überlegungen gut aber die Wahl der Mittel bescheiden da nicht sozial gerecht.
Das wird immer so sein.
Wer Geld hat wird Dinge tun können, die der ohne Geld nicht tun kann.
Was momentan versäumt wird, ist, das auch so zu besteuern, dass sie gezwungen werden, einen Teil der aufgewendeten Kosten der Gesellschaft zu gute kommen zu lassen.
Natürlich könnte das denn Nebeneffekt haben, dass Leute weniger schlechtes Gewissen haben, die Fahrt jetzt mit eigenem Auto gemacht zu haben, sie kompensieren ja. Aber so groß wäre der Unterschied zu jetzt auch nicht.