Kriegstüchtigkeit

Die Lage höre ich gern, aber wenn die Befürwortung von Kriegstüchtigkeit auf der Agenda steht und Philip das eigene Kind gedanklich bereits in bewaffnete Konflikte verortet und die Auslandsreise des Ältesten als Luxus (ein nunmehr jahrzehntelanger Luxus, von dem die in Rente gehende Boomer-Generation theoretisch schon profitieren konnte und im Westteil in Teilen auch hat) bezeichnet wird, dann ist das eine Verschiebung der Realität und der rhetorischen wie ideelen Grundlagen der Realität, wie ich ihn aus einem eher linksliberalen Medium niemals erwartet hätte.

Das möchte ich zur Diskussion stellen.

Drei Fragen dazu, die das gedanklich ein wenig einhegen sollen:

  1. Gegen wen sollen unsere ausgedünnten Geburtenjahrgänge mit 1,3 bis 1,5 Geburtenquote (Tendenz sinkend) genau kämpfen? Russland, das Soldaten erkauft und aus Nordkorea an die Front schleifen lässt, oder die USA oder?

  2. Was genau ist der Luxus in einer von Leistung, Abgrenzung und Diffamierung getriebenen Gesellschaft, in der die Auslandsreise keine Erfahrungsreise ist, sondern ein Distinktionsmerkmal im Lebenslauf, der nicht mehr sein soll als genau das - ein Distinktionsmerkmal?

  3. Wer erwirtschaftet bei einer stetig sinkenden Geburtenrate das Inlandsprodukt oder geht ihr von einer reinen Kriegswirtschaft aus, wenn ihr Kriegstüchtigkeit für eine in erheblichen Teilen therapiebedürftige* Gen Z und Gen Alpha sprecht?

*ich arbeite in der Kinder- und Jugendhilfe und viele machen sich keine Vorstellung, wie Auffälligkeiten wie bspw. Autismus-Spektrum-Störung, ADS und andere Entwicklungsstörungen in einer immer dysfunktionaler werdenden Bildungswelt die letzten Jahre ansteigen

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Ich hab ähnliche Schwierigkeiten mit dem Begriff Arbeitsfähigkeit in Bezug auf die Bürgergeld- und Migrationsdebatte.

Scheint auch zu großen Teilen ein Sprach- und Interpretationsproblem zu sein.

Was heißt also Kriegstüchtig?

Was heißt im Gegenzug Frieden eigentlich genau?

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„kriegstüchtig“ wird wohl heißen, junge Menschen mit Gewehr, dem Errichten von Stellungen und anderen militärischen Fertigkeiten zu ertüchtigen, in den Krieg zu ziehen und dort möglicherweise zu sterben. Verteidung nennen es einige, aber verteidigen werde ich nur mich und mein soziales Nahfeld.

Für mich ist das eine Geisterdiskussion. Im Moment scheint es ja so zu sein, dass Europa über den nationalen Tellerrand hinausdenkt und Allianzen denkt und damit der linksliberalen Kriegsgeilheit (sorry, aber genauso kommt es mir vor) zumindest ein etwas moderneres Konzept entgegenstellt. Sterben tut im Zweifel aber dennoch die Generation, die eigentlich die Zukunft sein soll.

Wer soll eigentlich in den Krieg ziehen? Und wer nicht?

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Ich finde, hier wird es auf den Punkt gebracht:

Gerne auch beide Threads lesen; vielleicht können wir dann sinnvoller diskutieren.

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Danke für den Hinweis, hatte ich beim ersten Stöbern nicht gesehen/übersehen…

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Mal so rein sprachlich betrachtet…

Krieg wäre ja quasi das, was aktuell in der Ukraine passiert. Also das eine Partei mit militärischer Gewalt eine andere angreift, mit Waffen sowohl Soldaten, aber auch unbewaffnete Zivilisten verletzt, tötet, foltert usw.
Dazu die Infrastruktur zerstört.
Die angegriffene Partei hat nun zwei Möglichkeiten.
Sich zu ergeben, also zu kapitulieren. Also das keine Soldaten verteidigend auch mit Waffen auf die angreifenden Soldaten schiessen. Was nicht ausschließt, das trotzdem weiter Zivilisten des angegriffenen Landes weiter verletzt, getötet oder misshandelt werden, weil die angreifende Partei einfach die Macht dazu hat.
Oder sich zu verteidigen, also die eigenen Zivilisten versucht mit eigenen Soldaten vor Tod und Verletzung zu schützen. Was erfahrungsgemäß nur bedingt klappt, wenn der angreifenden Partei das Leben der Zivilisten egal ist. Dann kämpfen vorrangig Soldaten gegen Soldaten, es sterben weiter Zivilisten ggf auf beiden Seiten, bis eine Partei überlegen ist und die andere besiegt oder bis sich beide Parteien auf die Einstellung der Kampfhandlungen einigen.

Soweit einverstanden?

Kriegstüchtig lässt sich nun verschieden interpretieren.
Wie beschrieben rein auf die Fähigkeit des eigenen Militärs bezogen, das dieses in der Lage ist einen Krieg zu führen. Ob Angriff oder Verteidigung ist Sache der politischen Zielsetzung.
Oder man beschreibt damit die Fähigkeit einer Gesamtgesellschaft, eine Kriegssituation mit allen erwartbaren Einschränkungen wie kein Strom, kein Wasser, Zusammenbrechen von wesentlicher Infrastruktur oder politischer Ordnung, im Sinne von Resilienz und „vorbereitet sein“ zu überstehen.
Da also noch eine gewisse Unschärfe.

Was ist Frieden? Ist ein Waffenstillstand schon Frieden? Oder wenn ein Land besetzt wird und die Bevölkerung unterdrückt und teils getötet wird, aber formal keine Soldaten aufeinander schiessen, ist das schon Frieden?
Oder wenn beide Parteien ohne Gewalt und gegenseitiger Bedrohung nebeneinander zusammenleben, ist das erst Frieden?

Finde diese Diskussion aufgrund unterschiedlicher Begriffsbestimmungen eher wenig zielführend.

Nicht ganz, und zwar egal, wie ich die Klammerungen setze:

  • a) „(bis eine Partei überlegen ist) und (die andere besiegt oder bis sich beide Parteien auf die Einstellung der Kampfhandlungen einigen)“
    vs.
  • b) „(bis eine Partei überlegen ist und die andere besiegt) oder (bis sich beide Parteien auf die Einstellung der Kampfhandlungen einigen)“

Ich finde beide Lesarten irreführend, weil sie implizieren, dass die Einstellungen der Kampfhandlungen ein Alternative zum Besiegen (oder zur Überlegenheit) darstellen.

Der Eindeutigkeit halber würde ich schreiben:

  • c) „bis eine Partei überlegen ist bzw. die andere besiegt und sich beide Parteien auf die Einstellung der Kampfhandlungen einigen“

Das ist aus meiner Sicht ein zentraler Punkt. Welcher Krieg hat einfach so aufgehört, indem sich die Parteien auf die Einstellung der Kampfhandlungen geeinigt haben, ohne dass davor die eine oder andere Partei überlegen gewesen wäre?

Edit: Formulierung

Korea-Krieg 1950-53, Waffenstillstand seitdem, weil keine Seite überlegen war?:face_with_monocle:

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Dieses Verständnis des Wortes wäre m. E. nur zutreffend, wenn es ausschließlich auf bestimmte Angehörige der Armee bezieht. Pistorius, der meines Wissens als einziger Spitzenpolitiker bisher dieses Wort benutzt hat, bezog es aber auf die gesamte Gesellschaft. Man kann es natürlich auch „Verteidigungsfähigkeit“ nennen, aber ich finde es auch völlig ok, Krieg beim Namen zu nennen. Und ja, Krieg bedeutet auch, Menschen gezielt zu töten. Aber die entscheidende Frage hinsichlich der möglichen Legitimität eines solchen, wahrlich schrecklichen und brutalen Vorgehens lautet ja, zu welchem Zweck dies geschieht. Und hier finde ich es immer wieder frappierend, dass manche Menschen nicht mal im Ansatz bereit sind, zwischen einem komplett rechtswidrigen und menschenverachtenden Angriff auf ein Land einerseits und der Verteidigung eines Landes bzw. einer Gesellschaft gegen einen solchen Angriff andererseits zu unterscheiden. Nur vor diesem Hintergrund kann man m. E. die notwendige Diskussion, wie legitim Krieg in einem konkreten Fall ist, sinnvoll führen. Ich bin absolut dagegen, Krieg oder Militär unkritisch abzufeiern oder zu propagieren, dass er wieder ein „normales“ Mittel der Poltik sein solle. Aber die Diskussion über die Legitimität erübrigt sich nicht dadurch, dass man jedem, der kein absoluter Pazifist ist, unterstellt, Krieg um des Kriegs willen führen zu wollen.
Es macht doch einen Unterschied, ob das ukrainische Militär beispielsweise einen russischen Kampfjet abschießt - und dabei einige Soldaten gezielt tötet, der regelmäßig Raketen und Gleitbomben auf ukrainische Städte abfeuert, die eine ungleich größere Zahl an Menschen gezielt töten. Mal ganz abgesehen davon, dass der Gedanke der Abschreckung ja gerade darin besteht, militärisch so stark zu sein, dass es gar nicht erst zu einem Krieg kommt. Auf einen Krieg vorbereitet zu sein und ihn führen und gewinnen zu können - was man als „Kriegstüchtigkeit“ bezeichnen könnte, heißt eben nicht, auch unbedingt eine Krieg führen zu wollen. Genau das unterstellen aber Begriffe wie „Kriegstreiber“ oder „Kriegsgeilheit“ regelmäßig.

Natürlich kann man so polemisieren und erstens behaupten, dass es einen Unterschied zwischen Angriff und Verteidigung in Wirklichkeit gar nicht gibt, sondern dass „Verteidigung“ immer nur ein euphemistisches Label ist, um die Interessen der Rüstungslobby zu bedienen. Und natürlich kann man sagen: Wirklich schützenswert finde ich nur mein soziales Nahumfeld und alles darüber hinaus ist mir egal. Also diejenigen, die nicht in einer so guten Lage sind, sich selbst schützen oder schnell genug abhauen zu können, mit den gesellschaftlichen, politischen etc. Auswirkungen. Natürlich kann man dem Ideal anhängen, dass es keinen Krieg geben kann, wenn niemand ihn mitmacht. Aber ich halte diese Sichtweise für naiv, weil wir gerade tagtäglich beobachten können, dass es nicht nur jede Menge Menschen gibt, die Krieg führen wollen, um ihre Interessen und Ziele umzusetzen, genügen Befehlshaber, die andere nicht nur zum Töten, sondern auch in den eigenen Tod schicken wollen, sondern auch Millionen von Menschen weltweit, die - aus was für Gründen auch immer - bereit sind, als Teil einer Armee andere zu töten und selbst getötet zu werden. Die Frage ist nur, ob wir als eine der größten und ökonomisch wichtigsten Gesellschaften Europas, buchstäblich in der Mitte des Kontinents denken, das ginge uns alles nichts an oder wir könnten uns dem entziehen, wenn wir einfach sagen „wir spielen da nicht mit“.

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Ja, der Koreakrieg scheint tatsächlich ein Beispiel dafür zu sein, du hast recht.

Das geht an dem vorbei, worum es mir geht, wenngleich es natürlich nachvollziehbar ist, was du schreibst.

Der Bellizismus in Europa ist doch nur so lautstark, weil außerhalb der Ukraine kein Europäer sterben muss. Auch wenn die Europäer betonen, dass sie Opfer bringen, sind es doch nur die Ukrainer, die Opfer bringen. Kein einziger Europäre außerhalb der Ukraine stirbt für den Krieg, den viele so lautstark unterstützen (außer ein paar Frewillige).

Die Wehrfähigkeit bzw. Kriegstüchtigkeit, die D anstrebt (wenn, dann hoffentlich auf europäischer Basis, weil das viel mehr Sinn macht und viel mehr Resilienz bietet und Frankreich als Atommacht auch eine Abschreckung) wird sich ja weniger auf die Ukraine beziehen. Denn wenn die Kriegstüchtigkeit hergestellt ist, dann sind viele Jahre vergangen, lass es plusminus zehn Jahre sein.

In 10 Jahren sind dann mutmaßlich 200, 300 Milliarden ausgegeben, die in den Aufbau der Armee geflossen ist. Die Frage ist, dann was genau wir damit erreicht haben und wer für uns in welchen Krieg zieht.

Meine Frage zielt also perspektivisch darauf ab, was uns Kriegstüchtigkeit nach dem Krieg, den Russland gegen die Ukraine begann, perspektivisch bringen soll.

Ich persönlich sehe den Ukrainekrieg recht klar im Sinne von Aggressor und Angegriffene, aber ich kann es nicht über meine Hinterland-Kartoffel-Lippen bringen, dass die Ukraine die westlichen Werte verteidigen soll, weil ich absolut keinen Anteil daran habe, nichts riskiere, keinen Bruder, keinen Sohn verliere, nichts dergleichen.

Aber wenn wir jetzt aufrüsten im Sinne von „kriegstüchtig werden“, dann hat die Ukraine in 10 Jahren absolut gar nichts davon, aber hunderte Milliarden sind weg und junge Menschen verbringen ihre Zeit in Kasernen und werden ggf. in den Tod geschickt, wenn es zum Krieg kommt. Diese Art von Kriegstüchtigkeit ist bescheuert, das können nur Menschen wollen, die keine Kinder haben, keine Brüder, die also eh nichts zu verlieren haben.

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Als nur ein Aspekt dieser Diskussion: Das stört mich tatsächlich massiv. Was ist falsch an „Wahrhaftigkeit“, „Wehrfähigkeit“ oder eben „Verteidigungsfähigkeit“? Sie haben ggü. „Kriegstüchtigkeit“ zwei sehr wichtige Vorteile:

  1. Schließen sie Verteidigung außerhalb bzw. im Vorfeld von Kriegshandlungen im engeren und weiteren Sinne ein.
  2. Schließen sie Angriffskriege aus.

Beides ist doch unfassbar wichtig. Da würde ich mir mehr semantische Sorgfalt im Sprachgebrauch wünschen. Ich fand es, als Pistorius sich so ausdrückte, keineswegs skandalös. Zumal es auch nicht so weit ist, dass „Kriegstüchtigkeit“ wirklich in einem substanziellen Sinne deutsche außenpolitische Doktrin wäre. Aber war doch etwas enttäuscht, dass auf diese Aspekte in meiner Wahrnehmung nicht vehement hingewiesen wurde.

@OliverK: Deine Argumentation folgt ziemlich 1:1 der Darstellung in der aktuellen Folge des Podcasts „Die neuen Zwanziger“, die ich deshalb mal verlinke.

Edits: Formatierung und Link korrigiert.

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Das sind gute Punkte die du hier anführst. Dazu könnte ich dir die aktuelle Folge des Podcasts „Die neuen Zwanziger“ empfehlen. Tatsächlich bekommt die Lage dort auch gut Kontra.
Wenngleich ich glaube dass die Herrn Buermeyer und Banse auch absichtlich missverstanden werden (nebenbei: sie werden nicht aus der Lage zitiert sondern aus einer Folge des Podcasts „Alles gesagt“). Die Aussage man müsse sich so langsam damit beschäftigen dass die Kinder wieder Wehrdienst leisten müssten, ja nicht gleich in die Eskalation zulässt „die beiden Zivis wollen die Jugend an die Front schicken“.
Der Ausdruck „Kriegstüchtig“ oder „Verteidigungsfähig“ ist mMn eher semantischer Natur, da es an der Aufstellung der Bundeswehr als Verteidigungsarmee nichts ändert und wenn man angegriffen wird ist man nunmal im Krieg auch wenn man nicht möchte und sich (nur) verteidigt.
Außerdem bedeutet die Wiedereinsetzung des Wehrdienstes auch nicht Arbeitskräfte dem Arbeitsmarkt zu entnehmen, nach dem Dienst sind die Menschen dem Arbeitsmarkt wieder zugänglich, stehen aber einer Reserve zur Verfügung.

Alles in allem unterstützte ich deinen Themenvorschlag! Und wenn es auch nur dazu dient das eigene Wort aus „Alles gesagt?“ noch mal zu reflektieren und vielleicht auch die Einschätzung aus „Die neuen Zwanziger“ aus einer Sicht der Lage klarzumachen

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Danke für den Link:)

Und ja, Kriegstüchtigkeit unterscheidet sich massiv von Verteidigungsfähigkeit oder ähnlichen Begriffen. Mein Blick darauf war, was es für die Zukunft bringen soll und wer genau hier kriegstüchtig werden soll, aber es stimmt, es schwingt damit auch ein semantischer Richtungswechsel weg von „Verteidigung“ hin zu „Krieg“, das ist sehr elementar. Die Kommunikationswissenschaft kann sehr gut erklären, wie sich Veränderungsprozesse an Semantik orientieren (so treibt die AfD semantisch die Parteien nach Belieben vor sich her, nicht schlau, aber mit konsequenter Rhetorik um ein einziges Thema), das ist in der Tat ein sehr guter Hinweis, wie ich finde.

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Ich stimme dir zu, dass das hoffentlich im Rahmen einer vertrauensvollen und stabilen europäischen Zusammenarbeit erfolgt.
Und ich fürchte auch, dass die erneuten Solidaritätsbekundungen europäischer Regierungsschef in Richtung Ukraine nicht viel Wert sind. Im Zweifel wird gerade in Ländern wie Deutschland das Interesse an einem wirtschaftlichen Austausch mit Russland wieder größer sein, als das Interesse, die Ukraine wirksam zu unterstützen. Kurz nachdem in den USA über eine Lockerung der Sanktionen gegen Russland die Rede war, redet nun auch der brandenburgische Ministerpräsident Woidke von „normalen wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland“ - also ganz so, wie es schon von 2014 bis 2022 üblich war. [1]

Die Formulierung und noch mehr die Rede von „für uns in den Krieg ziehen“ legt m. E. nahe, dass hier irgendwer die Ukraine dazu auffordern würde, sich gegen den russischen Angriff zu wehren und dass dies ohne diese Aufforderungen aus dem Ausland nie zur Debatte stünde. Das hat nach meiner Auffassung nur wenig mit der Realität in der Ukraine zu tun. Natürlich ist die Ukraine auf massive Unterstützung aus westlichen Staaten angewiesen. Aber wer den Konflikt darauf reduziert, ignoriert aus meiner Sicht, dass sehr viel Ukrainerinnen und Ukrainer eine hohe intrinsische Motivation haben, ihr Land und ihre Gesellschaft zu verteidigen. Und sämtliche Hilfen und Unterstützung - von Wolldecken über Generatoren und Krankenwagen bis hin zu Munition und Waffen an die Ukraine gehen, dorthin, weil die Ukraine um diese Unterstützung bittet. Sich da hinzustellen und zu sagen „wie kann ich darüber entscheiden, ich sitze ja im Trockenen“, finde ich schon etwas vermessen.

Erstens ist „Kriegstüchtigkeit“ im Beschriebenen Sinne ja eher etwas graduelles, als etwas was erst gar nicht und dann plötzlich vollständig da ist. Zweitens weiß ich nicht, wie lange Russland noch Krieg gegen die Ukraine führt, ob es da zwischendurch ein paar Jahre Pause macht um sich neu aufzustellen und ob da nicht andere Angriffe auch auf NATO-Staaten dazu kommen, um die westliche Militärallianz noch weiter auf die Probe zu stellen und letztlich zu schwächen. Die proklamierten Ziele des Kreml beschränken sich ja nicht auf die sechs annektierten ukrainischen Oblaste, ja noch nicht einmal auf die Beendigung der Existenz einer unabhängigen Ukraine. Erst kürzlich hat Putin noch einmal bekräftigt, dass er an seiner Forderung von Ende 2021 nach einer kompletten Rückabwicklung der NATO-Osterweiterung festhält. Gerade mit Trump im Weißen Haus könnte das so etwas wie die erneute Aufteilung Europas in einen US-amerikanischen und einen russischen Einflussbereich bedeuten. Ich sehe nicht, dass irgendwer außer Europa selbst derzeit ein Interesse hätte, sich dafür einzusetzen, dass es nicht dazu kommt.

[1] Für die Raffinerie PCK in Schwedt: Woidke würde Rückkehr zu russischem Öl – unter Bedingungen – begrüßen

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Auch wenn es natürlich nur um militärische Verteidigung gehen sollte, geht es doch um Krieg und die Fähigkeit, ihn zu führen. Sich auf das Wort „Verteidigung“ festzulegen, suggeriert ja, dass es gar keinen anderen Einsatz des Militärs geben kann - und da würde ich nicht mitgehen. Denn die politische Debatte darüber, ob ein Krieg im konkreten Fall Verteidigung und damit legitim ist - oder vielleicht auch nicht - muss m. E. auf jeden Fall immer offen und vor allem ehrlich geführt werden. Und dem stehen aus meiner Sicht Begriffe, die zumindest schönfärberisch wirken könnten (oder denen es andere nachsagen könnten) eher im Wege. Ganz anderes Beispiel: Es hilft niemandem, wenn ich jahrelang eine „Schuldenbremse“ hochhalte und vor „Staatsverschuldung“ warne, aber in dem Moment, wo der Staat massiv neue Schulden aufnehmen soll, diese auf einmal nicht mehr „Schulden“ zu nennen, sondern „Sondervermögen“ - als habe man irgendwo ein verstaubtes Sparbuch gefunden, anstatt zu begründen, warum bestimmte politische Vorhaben eine Abkehr vom bisherigen Dogma der Nichtverschuldung rechtfertigen. Ehrliche Kommunikation halt.

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Es ist ja viel schlimmer. Pläne werden angeblich aus der Schublade geholt, Nordstream 2 wieder in Betrieb zu nehmen: MSN
So viel zur dt. Verteidigungsfähigkeit ggü. Erpressung durch Russland (oder eben die USA bzw. ein Zweckbündnis beider) mittels fossiler Rohstoffe.

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Ich seh das anders, denn für mich ist „Verteidigung“ der vorab gesetzte Rahmen, innerhalb dessen jede militärische Aktion Deutschlands zu bleiben hat. Wer gegen wen und mit welchen Mitteln (innerhalb weiterer rechtlicher Rahmen aus GG und Völkerrecht) verteidigt wird, ist eine andere Frage, die ja völlig offen und ehrlich zu diskutieren ist.
Deshalb hat das für mich mit Schönfärberei eigentlich gar nichts zu tun. Kann eine andere Sichtweise aber respektieren.

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Off-Topic zur Schuldenbremse: Es heißt Sondervermögen, weil das eben die entsprechende haushaltsrechtliche Institution ist. Nicht dass Politiker:innen dies nicht dankend annehmen und euphemistisch nutzen würden, aber ich empfinde die Diskussion um „Sondervermögen“ vs. „Sonderschulden“ deshalb als ein bisschen unnötig, anders als die Diskussion um „Kriegstüchtigkeit“ vs. „Verteidigungsfähigkeit“ (die auch nicht als entscheidend ist, aber doch auch in der Sache Bedeutung hat).

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Ja, das die Ukraine von einer langfristigen Aufrüstung Europas profitiert, ist sicher davon abhängig, ob die Ukraine dann noch als eigenständiger Staat existiert.

Mit dieser Sicherheit ist so eine Sache. Ich zahle auch üppig Geld für Versicherungen, und wenn nix passiert, ist das Geld umsonst verpulvert. Oder ggf für ein Gefühl der Sicherheit.

Dann die Frage, was ist es wert verteidigt zu werden? Mal ganz hypothetisch.
Die Ukraine? Polen? Das Baltikum? Sachsen? Hessen? Köln? Köln-Rodenkirchen? Die Nachbarstrasse? Das Nachbarhaus? Die eigene Familie oder der komische Onkel nicht?
Entscheidet das jeder für sich spontan selbst oder muss sowas ggf organisiert sein?

Nur mal so gefragt….

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