Dieser Rahmen muss aber rechtlich gesetzt werden und seine Einhaltung muss (im Zweifelsfall) durch politische Debatten und Entscheidungen gewährleistet werden. So gab es für meinen Geschmack z. B. beim Krieg in Afghanistan deutlich zu wenig Diskussion über die m. E. berechtigte Frage, ob es sich bei dem, was die Bundeswehr dort konkret macht, um Verteidigung handelt. Ein Begriff alleine kann das m. E. nicht leisten - außerdem ist der begriffliche Rahmen ja streng genommen schon durch das Grundgesetz gesetzt.
Eben. Es ist eigentlich ein technischer Fachbegriff, den aber auch haufenweise Politiker und Journalisten übernehmen, die von Haushaltsrecht keine Ahnung haben, anstatt einfach den allgemeinverständlicheren und ebenfalls inhaltlich korrekten Begriff zu benutzen. Ich habe das Beispiel nur angeführt, um zu zeigen, wie sich ein Begriff dazu eignet, eine ehrliche Debatte eher zu verhindern als sie zu führen.
Volle Zustimmung, nur: Ohne den Begriff wird es aus meiner Sicht noch schwieriger, diese Einhaltung zu gewährleisten. Du siehst es eher so, dass der Begriff selbst die Einhaltung erschwert - hier können wir vermutlich nur einig sein, dass wir unterschiedliche Auffassungen von den entsprechenden Mechanismen haben, die zur Einhaltung des Verbots des Angriffskrieges führen.
Zum „streng genommen“: Wir müssen ja hier keine Diskussion um Sein und Sollen oder Recht und Praxis führen. Die Regelung im GG ist unschätzbar wichtig, muss aber, wie Du schon sagst, mit Leben gefüllt werden.
Ist sehr gewagt, das Leben junger Männer mit der Funktion einer Versicherung zu vergleichen. Am Ende verdient eine Versicherung Geld und wenn der unwahrscheinliche Fall eintritt, verdient es weniger Geld oder verliert sogar Geld. Bei den jungen Männern ist der Einsatz derer Gesundheit, Freiheit und wenn es drauf ankommt von deren Leben, so wie die armen Kerle auf ukrainischer Seite sterben, hier sind es vielleicht noch ein paar Prozent oder ein paar zig Prozent Idealisten, auf russischer Seite darf man wohl vermuten, dass es im Wesentlichen Kanonenfutter ist. Das können wir nicht wollen, nicht für die nächste Generation, nicht für die eigenen Kinder oder sonstwen, daher ist die Debatte eine sehr entscheidende.
Gegen wen soll denn Polen oder Köln-Rodenkirchen verteidigt werden? Mit welcher Armee, die was genau wie lange besetzt halten kann? Russland ist zwar im Schnitt deutlich jünger als wir, aber auch hier gibt es einen demographischen Wandel. Hunderte Milliarden ausgeben gegen eine Armee, die sich bereits im Ausland an Nachschub bedient ist womöglich ein Hirngespinst. Die russische Wirtschaft liegt am Boden, das kommt hinzu.
Woher kommt diese Kriegserwartung nach 80 Jahren Frieden in Europa? Ist Russland wirklich der Feind und es wert, Jugendliche und junge Erwachsene in Kasernen zu drillen und ihnen ein stückweit die Zukunft zu stehlen (mal abgesehen davon, dass Kasernen nicht dafür berühmt sind, aus den Kameraden gute Demokraten mit einem humanisitischen Weltbild zu formen, um es mal freundlich zu formulieren)?
Dann sollte doch die logische Konsequenz sein, gar kein Geld für Armee und Rüstung auszugeben.
Keiner will sterben, das Geld lässt sich sicher woanders besser einsetzen.
Dann sollte wir doch eher darüber diskutieren, wie schnell wir die Bundeswehr abwickeln können.
Das ist jetzt kein Zynismus.
Wenn keiner für sein Land sterben/ seine Gesundheit riskieren will und es auch nicht wert ist verteidigt zu werden, sollte wir dann konsequent sein.
Immer davon ausgehend, das es für uns keinerlei Bedrohungen gibt
Ich stimme dir in Teilen zu, das Wort „kriegstüchtig“ erscheint mir dennoch einer politischen Kalkulation zu entspringen, ich sehe den Begriff skeptisch und nicht nur semantischer Natur. Das Grundgesetz ist da sicher stark, die demokratische Verankerung von mind. 70% der Bevölkerung auch, aber dennoch verkehrt es etwas, das nicht verkehrt gehört. Aber du könntest auch gut recht haben, schauen wir mal, wie die Rhetorik da so bearbeitet wird.
Menschen in den Wehrdienst zu schicken, bedeutet schon, dass sie später ihre Ausbildung machen oder später studieren, volkswirtschaftlich lässt sich das auf jeden Fall ausdrücken, das sind pro Jahrgang bei bspw. 20.000 Wehrdienstleistenden pro Jahrgang, die bspw. ein Jahr weniger arbeiten (wegen des Wehrdienstes) dann auch 1 Milliarde weniger bei bspw. 50.000 EUR Jahresverdienst, das sie verdienen und damit ein xfaches weniger an Wirtschaftsleistung, das sie für das Geld erwirtschaften würden. Es ist also schon ein Eingriff in den Arbeitsmarkt/die Wirtschaft, die sich bemerkbar machen würde, wenn man von einem Ideal des ausgebildeten oder studierten jungen Mannes ausgeht. Das würde ich quantitativ nicht unterschätzen, da diese Menschen aufgrund des demographischen Wandels nicht so leicht zu ersetzen sind, wie es früher der Fall war. Als ich mich beworben hatte, da wollte mich keine Sau, da es in meiner Generation einfach genug gab. Das ist jetzt einfach anders und wird wohl auch die nächsten 20 Jahre anders bleiben.
Ansonsten danke nochmal für den Tipp der Podcast-Folge, kann deiner Argumentation, auch wenn ich es in Sachen Arbeitsmarkt/Ökonomie anders sehe, ebenfalls gut folgen…
Warum stellst du diese Frage denn immer wieder, wenn du auf die entsprechenden Antworten dann nicht eingehst?
Warum vergleichst hier den Zustand in ein paar Jahren (vorhin sprachst du selber von zehn Jahren) mit dem Ist-Zustand in Russland heute? Wenn du tatsächlich der Meinung bist, dass es komplett ausgeschlossen ist, dass Russland auch in der Zukunft versucht, seine Machtansprüche militärisch durchzusetzen, könntest du ja gerne mal genauer darlegen, warum du dieser Ansicht bist und warum die dahingehenden Szenarien von Militärexperten, Politikwissenschaftlern, Militärs, Konfliktforschern etc. so grundlegend falsch sind.
Erstens scheint das ehemalige Jugoslawien für dich scheinbar außerhalb Europas zu liegen und zweitens scheinst du nicht mitbekommen zu haben, dass Russland seit 2014 und verstärkt seit 2022 versucht, den Einsatz von Militär als Mittel zur Verschiebung von Grenzen und damit zur Ausweitung direkter und indirekter politischer Macht wieder als Mittel der Politik zu etablieren, dass es zu diesem Zweck auch diverse Staaten Europas mit hybrider Kriegsführung angreift. Hinzu kommen noch die m. E: noch gar nicht absehbaren globalen Veränderungen, die sich aus der Neuausrichtung der USA ergeben werden. Nochmal: Wenn du bei all dem der Einschätzung bist, dass eine militärische Auseinandersetzung etwa mit Russland ein völlig hypothetisches Szenario ist, würde ich mich freuen, deine entsprechende Begründung zu lesen. Aber wenn du auf der Ebene pseudo-naiver und rhetorischer Fragen verharren willst und die Frage der Legitimität und Notwendigkeit von Militär ausschließlich auf die Ebene „Kindern wird die Zukunft geklaut“ reduzierst, ist eine sinnvolle Diskussion aus meiner Sicht kaum möglich.
Nachdem ich ein paar Beiträge hier gelesen habe, würde ich meine Aussage etwas revidieren. In der Praxis ist es wohl egal da die Bundeswehr einzig der Verteidigung dient. Andererseits zeigt die Spreche die wir benutzen auch wie wir denken und die Sprache beeinflusst wie wir denken. Deshalb sollten wir aufpassen, wenn wie von Kriegstüchtigkeit reden aber Verteidigungsfähigkeit meinen.
Ich würde mich freuen, wenn die Inhalte der Podcast-Folge noch diskutiert werden. Tatsächlich hätte ich erwartet, dass du die kennst, da einige deiner Punkte wie Zitate wirken.
Jedoch sind diese Punkte auch die einzigen die ich auch so sehe der Rest hat mich nachhaltig erschüttert.
Pro:
Deutsche Eliten sollten nicht über Entbehrungen für die Ukraine reden.
Contra:
Philip und Ulf kritisieren als Zivis eine Meinung zum Wehrdienst zu haben aber kinderlos Philip als Rabenvater bezeichnen. Da passen die Maßstäbe irgendwie nicht.
Außerdem haben mir die Sprünge von super konservativ, „die Politik nimmt den Leuten die Ölheizung weg“ zu ultra pazifistisch „die Aufrüstung ist eigentlich nur eine ideologische Diskussion (wie Atomkraft)“
Die Aussage die Ukraine müsse erst die Eltern erschießen um die Kinder zu rekrutieren
Man wäre nur bereit sein soziales Nahfeld zu beschützen und andere Meinungen als „gelaber“ abzutun.
Diesen Punkt würde ich entschieden zurückweisen, da ich und mein gesamtes Umfeld durchaus bereit sind die Demokratie und Freiheit auch an der deutschen Grenzen zu verteidigen. Das heißt nicht dass man sich einen Konflikt herbeisehnt als mehr dass es etwas mit damit tu tun hat klare Werte zu haben
Auslandssemester seien kein Luxus sondern normal. Wenn man sich zuvor über Eliten beklagt, frage ich mich wie sie dies dem Kind von Bürgergeldempfängern erklären möchten.
Im Fazit haben die gute Punkte, suchen aber auch Konflikte wo keine sind oder missverstehen absichtlich um 5 Stunden Sendezeit voll zu bekommen und eins der Hauptargumente sind „kauft mein Buch da ist es beschrieben“
Alles in allem fehlt mir der Kontakt zur Realität.
Freue mich auf deine/ eure Meinung dazu, sofern jemand diese Folge gehört hat oder oder dies noch möchte.
Danke für die ausführliche Auflistung. Allein schon von der Art der Kritik (die du ja zum Teil selbst kritisierst), hab ich ehrlich gesagt nicht den Eindruck, dass da viele Argumente drinstecken, die zu einer fruchtbaren Debatte beitragen. Ich werde daher in der Zeit lieber andere Podcasts anhören.
Der Ton des Podcasts (wenn er so ist, wie du ihn beschreibst) und einiger Posts hier erinnert mich an einen Artikel von Ole Nymoen im Freitag (paywalled), der u. a. osteuropäische Autoren in eine Reihe mit der Rüstungsindustrie stellt und behauptet, die Debatte um Aufrüstung sei vom „Mantra Waffen, Waffen, Waffen“ bestimmt. Der Artikel war wohl eine Replik auf einen Artikel von Anastasia Tikhomirova in der ZEIT, die die Haltung der Linken in dieser Frage krititsiert hatte.
Ich habe vollstes Verständnis dafür, das man Krieg und Aufrüstung nichts abgewinnen kann.
Aber mit der Haltung, wir sind gegen Krieg und Aufrüstung und machen es einfach nicht, es soll einfach keiner Krieg führen, Punkt(!), bildet man meiner Ansicht nach die Realität der Welt nicht wirklich ab.
Der Wunsch nach Frieden reicht manchmal allein nicht aus.
Für mich war diese Befürwortung der Kriegstüchtigkeit auch sehr befremdlich. Da ich bald Vater werde, hat mich die Aussage von Philip bzgl. des eigenen Kindes noch mehr irritiert. Ich habe damals die Wehrpflicht verweigert und würde das bei meinem Kind später auch unterstützen – frei nach dem Motto von Reinard Mey „Nein, meine Söhne gebe ich nicht“. Es wird beim Thema Ukraine auch meines Erachtens völlig unter den Tisch gekehrt, dass sich (verständlicherweise) hundertausende Männer verstecken, um nicht eingezogen zu werden und teilweise auf offener Straße verschleppt werden.
Ich habe weder Kinder noch habe ich einen ausgeprägtem Wunsch danach. Deshalb kann ich nur sagen, dass ich deine Argumente verstehe, ich maße mir aber nicht an in dem Kontext mitreden zu können.
Ebenso kann ich nicht für Philip Banse sprechen. Was ich aber kann, ist zu versuchen die Aussage im Gesamtkontext zu verstehen und ich habe nicht verstanden, dass jemand bereit sei sein Kind an die Front zu schicken sondern lediglich darauf hinweist, dass wir uns mit einer neuen Realität beschäftigen müssen.
Ebenso hast du mein vollstes Verständnis den Wehrdienst zu verweigern. Als Jahrgang ’91 wurde ich nicht mal gemustert.
Niemand „soll“ hier gegen i-jemanden in den Krieg ziehen.
Aber die aktuelle geopolitische Lage erfordert von Europa verteidigungfähig zu sein.
Denn unser eigentlicher „Beschützer“ hat sich über die letzten Wochen hinweg verabschiedet.
Was wäre ihre Alternative?
Sich Russland als Knecht unterzuordnen?
Sich von Trump weiter nötigen und erpressen zu lassen?
Europa muss jetzt zusammen stehen und sich gegenseitig verteidigen können.
Darüber haben Sie im Verteidigungsfall als Mann nicht zu entscheiden, so hart wie das klingt.
Aber es wird auch niemand zum Dienst an der Waffe gezwungen werden, natürlich können sie auch zivile Arbeit in solch einem Extremfall leisten.
Wenn ich die entsprechende Forschung nicht völlig falsch verstehe, dann ist es aber eben genau die Fähigkeit Krieg erfolgreich führen zu können die dafür sorgt, dass das Risiko eines Kriegs und damit das Risiko für das Leben junger Männer senkt.
Es gab ja auch durchaus Zweifel ob der russische Angriff im Jahr 2022 so stattgefunden hätte wenn Russland mit der Gegenwehr gerechnet hätte die es letztlich gab.
Wenn man sich die Reden russischer Politiker anhört, dann wird da ja gerne die schwäche des Westens angeführt.
Mir ist es letztlich egal ob wir es Kriegstüchtigkeit oder Verteidigungsfähigkeit nennen. Fakt ist doch, dass die Notwendigkeit überhaupt verteidigen zu müssen vor allem aus den Kreisen abgestritten wird, die bis zum Schluss auch nicht an einen russischen Angriff auf die Ukraine geglaubt haben. Ich glaube daher lieber den Experten die auch die Gefahr in der Ukraine richtig eingeschätzt haben.
Die Politikwissenschaftlerin Jana Puglierin sagte heute Morgen tatsächlich in einem Interview, sie fühle sich wie jemand, der im Bereich Klimaschutz arbeite, weil sie seit Jahren davor warnt, dass genau das passieren kann, was jetzt passiert ist…
Also, niemand, der sich dafür ausspricht, dass Europa so in seine Verteidigungsfähigkeit investiert, dass (a) mögliche Aggressoren entscheiden, nicht angreifen zu wollen, weil der Preis zu hoch ist und (b) Europa sich wirkungsvoll verteidigen will, falls ein Aggressor entscheidet, es trotzdem zu tun, findet es irgendwie gut, dass so viel Ressourcen - einschließlich die Lebenszeit von Soldaten und Reservisten - eigentlich völlig unnötig für die Verteidigung verschleudert werden. Dabei bräuchten wir diese Ressouren viel viel wichtigere Dinge.
Ich gehöre zu denen, der sich genau dafür ausspricht. Und ich habe Söhne im wehrfähigen Alter (und in einem schlimmen krieg würde vermutlich auch ich noch eingezogen). Ich verbitte mir, hier als „bescheuert“ bezeichnet zu werden. Im Gegenteil: Ist es nich eher wenigstens naiv, die die Tatsache ausblenden, dass es eben doch ganz offensichtlich „das Böse“ gibt?
Leider haben Aggressoren wie Putin offensichtlich ein völlig anderes Wertesystem, eine völlig andere Moral. Sie scheren sich einen Dreck darum, wie viele Ressourcen und Lebenszeit vergeudet werden. Es ist naiv, wenn wir uns nicht gegen „das Böse“ wappnen und lieber den Kopf in den Sand stecken.
Die Foristen, die gegen eine europäische Aufrüstung sind, sollten sich vielleicht einmal fragen, was passiert, wenn wir das nicht tun.
Dann hat Putin freier Hand in Europa zu tun und lassen, was er möchte. Was das für die Zivilbevölkerung heißt, kann man in Bucha betrachten.
Natürlich kann man so unsolidarisch sein und sagen „Was interessiert es mich, was im Baltikum oder Polen passiert“, ich interessiere mich nur für mein „soziales Nahfeld“. Glückwunsch zu dieser Einstellung. Fraglich nur, ob Putins Hunger im Baltikum oder Polen oder vielleicht erst an der alten innerdeutschen Grenze gestillt ist (ist ja vielleicht auch kein Problem für einen, wenn man im Westen Deutschlands wohnt).
Das hier ist ja beileibe nicht die erste Diskussion zu diesem Thema. Und immer wieder gibt es solche Aufforderungen wie die von Dir oder mir an @OliverK, seine Position doch bitte etwas mehr zu begründen und zu erläutern, was für Alternativen er denn konkret vorschlägt. Meine Erfahrung ist leider, dass es danach entweder immer sehr still wird, oder dass die immergleichen Allgemeinplätze wiederholt werden (allgemeine Ablehnung von Krieg, Verweise auf die Grausamkeit von Krieg, der Wunsch, persönlich nichts mit Krieg zu tun haben zu wollen etc.). Aber zu den wirklich spannenden Punkten, die ich ja wirklich gerne mal diskutieren würde, kommt da leider immer herzlich wenig.
Und ehrlich gesagt vermitteln Formulierungen wie „bescheuert“ oder „das können nur Menschen wollen, die“ auch nicht gerade den Eindruck von Offenheit für einen Austausch unterschiedlicher Sichtweisen.
Erinnert mich an einen Podcast zu Chamberlain, Appeasement und München 1938, den ich gestern hörte. Da wurde auch Chamberlains Aussage über den Konflikt zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei wiedergeben: „A quarrel in a faraway country, between people of whom we know nothing“. Der „Witz“ dabei: Selbst Chamberlain hat parallel zu seiner Appeasement-Rhetorik eine Aufrüstung im großen Stil angestoßen.