Wir betrachten das anscheinend aus unterschiedlichen Perspektiven. Deine Argumente nehmen die Perspektive Einzelner ein und sind aus dieser Perspektive nachvollziehbar. Mein Punkt zielte auf eine gesellschaftliche Betrachtung, auch über Landesgrenzen hinaus, ab. Ja, das ist manchen schwer vermittelbar.
Das Argument lässt sich meiner Meinung nach einfach umdrehen. Es gab in der Geschichte etliche Beispiele für die Lösung unendlich großer Probleme durch Technik und Innovationskraft. (Ungewolltes) Degrowth (durch zB Wirtschaftskrisen, Kriegszerstörungen, Bürgerkriege) hingegen hat in massenhaft Ländern historisch IMMER zu massivem Leid geführt.
Du möchtest alles auf den Weg setzen, der bisher immer fehlschlug. Was spricht dafür, dass das nicht im Desaster endet?
Es gibt auch kein Beispiel dafür, dass eine Schrumpfung der Wirtschaft a) die Umwelt auch nur annähernd genug entlastet b) die Mittel für Investitionen in neue Technologien und einen Strukturwandel weg von fossilen Energien besser bereitstellen kann als Wachstum (wie auch?) und c) die Demokratie nicht schwächen und populisten und Extremisten stärken würde.
Der Konsumverzicht, bzw. reflektierte Konsum, den du ansprichst ist natürlich sinnvoll. Ich würde aber nicht darauf wetten, dass er nicht zu Wachstum führt (das dann nicht schlecht wäre). Ich gebe zum Beispiel I.d.R. einen hohen Anteil bis hin zu einem Vielfachen des Anschaffungspreises für Reparaturen von Kleidungsstücken aus.
Aber genau die wäre notwendig. Genausowenig, wie das BIP bzw. sein Wachstum alleine nämlich geeignet ist, anzuzeigen, dass es uns besser und der Umwelt schlechter geht, genauso wenig ist halt seine Schrumpfung ein ausreichender Indikator und eine gute Zielgrösse dafür, dass wir weniger Schaden anrichten.
Wir brauchen bessere Zielgrössen, um innerhalb der planetaren Grenzen zu bleiben, z.B. aus der Donut-Ökonomie oder der wealth economy.
Ergänzung: Zusammenfassend würde ich sagen, die Debatte über (de)growth geht an Thema haarscharf vorbei. Das eigentliche Thema sind die planetaren Grenzen.
Das halte ich für ein unpassendes Beispiel und kein stichhaltiges Gegenargument. Du sagst selbst, dass es ungewollt war. Zudem war es auch ungesteuert, weshalb es nicht mit einem planvollen Ansatz, der sinnvoller Weise einzelne Sektoren steuert, vergleichbar ist. Vielleicht ist Degrowth dann das falsche Wort, aber wenn einem Aufwachs bei Schneider_innen, wie von @ChristianF angesprochen, ein Rückgang bei insb. Fast Fashion ggü steht, halte ich das für gut. Damit wäre schon was erreicht.
Ich versuche mal das Einfachstmögliche: alle Produkte und Dienstleistungen, die keinen echten Nutzen haben weglassen. (Ich sehe mal von der Schwierigkeit der Grenzziehung ab, die in der „Mitte“ schwer zu entscheiden wäre, dafür an den Rändern leicht).
Dann kann man sehen, ob man innerhalb der planetaren Grenzen bleibt. Man muss das dann nicht - und schon gleich von vornherein wie hier teilweise - entweder für Wachstum oder Degrowth Partei sein. Enfach sehen was übrigbliebe, wenn man den Krempel und den Luxus (der so schnell fad wird) wegliesse. Arbeitslosigkeit träte nach jetzigen Massstäben sicher ein, aber dem kann man mit Arbeitszeitverkürzung (@riodoro ) beikommen. Dass trotz steigender Produktivität immer noch gleichviel gearbeitet wird, ist doch schon ein Indiz, dass etwas falsch läuft.
Welch lustige Interpretation meiner Ausführungen.
Das war wohl etwas missverständlich.
Der zweite Satz ist keine Bestätigung sondern eine Zusammenfassung deiner Ausführung. Hoffe das ist nicht wirklich dein Weltbild.
Die letzten Beiträge gehen möglicherweise auch in eine Richtung die zumindest für mich fragwürdig ist. Wachstum gibt es nicht weil vielleicht jemand einen zweiten Fernseher braucht, sondern weil jemand anders ihm einen zweiten verkaufen möchte. Das ist ein großer Unterschied
Mag sein, aber ein Mehrkonsum wird es garantiert nicht tun, der wird die Umwelt nur noch mehr belasten.
Vielleicht ist das ein kleines Missverständniss mit Degrowth, aber nochmal kurz zur Erklärung. Dabei wird die gesamtwirtschaftliche Produktivität betrachtet. Das heißt einzelne Bereiche, wie erneuerbare Energien, können und sollen durchaus weiter wachsen. Andere Bereiche, wie zum Beispiel die Fossile Industrie, sollen dafür aber halt schrumpfen. Und die Energiewende wäre deutlich einfacher, wenn wir am Ende nicht 100% ersetzen müssten (müssen wir sowieso nicht, weil E-Autos z.B. weniger Energie brauchen, als Verbrenner, aber darum geht es mir gerade nicht), sondern nur z.B. 50%.
Dazu möchte ich ergänzen, dass Degrowth eine geplante Schrumpfung der Wirtschaft ist und keine unkontrollierte Rezession, wie wir sie bis jetzt hin schon merhfach erlebt haben. Es gibt bis jetzt kein Beispiel für ein Land, dass sich an Degrowth probiert hat, das heißt wir können keine wirklichen Aussagen darüber treffen, was politisch in einer Degrowth Situation passiert.
Und nochmal eine kleine Anmerkung zur Donut-Ökonomie: Ich würde sagen, dass die Degrowth befürworter es quasi so sehen, in den entwickelten Ländern befinden wir uns schon außerhalb des Donuts und der einzige Weg wieder in den Donut zu kommen, ist den Konsum zu reduzieren. In einer Wachstumsgesellschaft würde immer nach neuen wegen gesucht Kosten zu externalisieren und der Abstand zum Donut würde immer größer werden. Die einzige Möglichkeit sich in einer Wachstumsgesellschaft wieder in Richtung des Mittelpunktes zu bewegen wären Effizienzsteigerungen, diese werden aber meistens sofort vom Rebound-Effekt aufgefressen.
Falls es wen interessiert, hier gibt es übrigens eine Debatte von Degrowth vs. Green Growth moderiert von Kate Raworth der Erfinderin der Donut-Ökonomie:
Dem möchte ich widersprechen. Wir haben etliche Beispiele in denen Mehrkonsum zu signifikant geringeren Belastungen und Effizienzsteigerungen geführt hat.
Man stelle sich vor wie klein Handys heute sind oder PCs mithin gibt es sogar Personen, die einen PC durch ein Handy oder einen Raspberry Pi ersetzen.
Ein weiteres Beispiel sind die Effizienzsteigerungen bei beispielsweise Geschirrspülern oder Waschmaschinen, die heute weit effizienter und umweltschonender sind als vor 20 Jahren oder manuelles Waschen.
Auch Autos könnte man hier nennen. Mittlerweile verbraucht die große Maße der neuen Fahrzeuge nur noch 6 l Benzin pro 100km oder weniger. Vor 10 Jahren waren eher 10+ die Regel.
Das ist wohl eher das Problem. Mehr Effizienz macht die Nutzung eines Produkts mehr Menschen erschwinglich, so dass deren Verbreitung zunimmt. Auf der anderen Seite gibt das Unternehmen aber einen Antrieb um die Effizienz weiter zu steigern.
Es fällt mir schwer vorstellbar, dass Degrowth unsere Lösung ist. Ich glaube da eher an technologischen Fortschritt und Shareconomy.
Nicht der Mehrkonsum, sondern die Effizienzsteigerung haben zu einer geringeren Belastung geführt. Und auch da nur sehr gering aufgrund des rebound Effektes. Vor allem weil das Geld, was die Leute an der einen Stelle durch Effizienzsteigerung sparen, sie an der anderen Stelle wieder für neuen Konsum ausgeben.
Beispiel für Rebound, im Gesamtkraftstoffverbrauch hat sich eig nichts getan:
Es scheint außerdem eine starke Korrelation zwischen globalem BIP und globalem Material Fußabdruck zu geben:
Das heißt solange wir BIP von Materialverbrauch nicht entkoppelt haben, heißt jedes weitere Wachstum einen Mehrverbrauch einen Rescourcen, den wir am Ende wieder runter kriegen müssen.
Hoffen auf technologischen Fortschritt heißt, mit den aktuellen mitteln können wir die Klimakrise nicht lösen und wir hoffen jemand erfindet die eierlegende Wollmilchsau. Und eine vernünftig ausgestalltete Sharecononmy ist wie vorher schon beschrieben eine Form von Degrowth.
Meinst du die Unternehmen hätten die Effizienz hochgetrieben wenn sie nicht mit höheren Verkäufen (=mehr Konsum) hätten rechnen können? Nein, Produktentwicklungen, die nicht ausreichend Reward erwarten lassen, werden in Firmen schnell eingestampft. Daher werden Firmen in Bereichen, die aufgrund Degrowth nicht ausreichend Möglichkeiten für Unternehmen anbieten, sicher keine signifikanten Effizienzsteigerung mehr anstreben.
Diese Korrelation ist maximal unterkomplex. Es lässt völlig außer acht, dass der Großteil der Welt vergleichsweise in Armut lebt und sich bescheidenen Wohlstand erst aufbaut. Vom höheren Ressourcenverbrauch durch das Bevölkerungswachstum ganz zu schweigen.
Wir haben die meisten benötigten Technologien doch schon. Sie sind schlicht aktuell zu teuer. Metalle lassen sich recyclen, biologisch abbaubare Kunststoffe und Energieträger aus nachwachsenden Rohstoffen herstellen, Energie aus erneuerbaren Energien produzieren. Es ist schlicht aktuell teurer als die bisherigen Produktionsansätze.
Das ist ein guter Ansatz, um individuell die Sache anzugehen. Ich bezweifel aber, dass man zu einem nennenswerten Ergebnis kommt, wenn man gesamtgesellschaftlich die Definition von Nutzen ausdiskutiert. Mir stellt sich außerdem die Frage, ob Luxusgüter aus ökologischer Sicht per se ein Problem sind. Wenn man an Gemälde, Antiquitäten oä denkt, ist es doch egal. Auch Dienstleistungen die ich als Luxus bezeichnen würde, wie einen Butler haben, sind hier unproblematisch. Die emittieren per se kein CO₂. Da sind die Sachen, die ich unter Krempel fassen würde, viel problematischer. Z. B. Einwegartikel und Plastikgegenstände, die nicht auf Langlebigkeit ausgelegt sind.
Ich kann mir schwer vorstellen, dass der von Dir geforderte Verzicht mit Wachstum vereinbar ist. Wenn alles, was nicht auf Wachstum, sondern Verzicht setzt Degrowth ist, hast Du Dich m. E. schon positioniert.
Korrelation ist nicht Kausalität. Ihre eigene Grafik legt in erster Ordnung eine andere Hypothese nahe: Treibende Kraft ist das Bevölkerungswachstum. Die zunehmende Bevölkerung benötigt mehr Ressourcen. Um den erhöhten Ressourcenbedarf zu stillen wird die wirtschaftliche Kapazität ausgebaut.
Natürlich ist auch diese Hypothese unterkomplex. Eine höhere Wirtschaftsleistung für zu mehr erschwinglichen Nahrungsmitteln, Medikamenten und Ärzten und das wiederum führt dazu, dass im globalen Süden weniger Kinder direkt in den ersten Lebensjahren sterben. Wodurch BIP-bedingt die Bevölkerung wächst.
Am Ende sind aber immer die Menschen die Verursacher. „Die Wirtschaft“ zwingt niemanden zum Kinder kriegen.
Und das liegt halt insbesondere daran, dass alle möglichen Kosten externalisiert werden , d.h. dass die Verschmutzung durch die konventionellen Methoden für das Unternehmen keine Kosten verursacht (vereinfacht gesagt).
Absolut richtig. Relativ haben wir diese Entkopplung hinbekommen („Produktivitätssteigerung“) - und durch Rebound-Effekte wieder aufgezehrt. Absolutes Decoupling müssen wir erst noch schaffen.
Wenn quasi alles, was auch Vertreter von Green Growth oder Wachstum allgemein vertreten würden, Degrowth ist, ist der Begriff ziemlich bedeutungslos. Er macht doch nur Sinn, wenn am Schluss der Schlüssel eine Schrumpfung des BIP ist.
Energiewende, Shareconomy und eine Verschiebung zu immateriellen Gütern und Dienstleistungen sind Ansätze, die jeder propagiert.
Volle Zustimmung. Ich korrigiere, sie sind aktuell teurer als die nachhaltige Alternative.
Man könnte Produkte nach ökologischem Fussabdruck besteuern bzw. extrem schädliche Produkte verbieten - gibt es ja jetzt auch schon (FCKW z.B.). Der Nutzen ist dann gegeben, wenn Produkt/Dienstleistung ökologisch verträglich (also die Summe aller solcher Dinge nicht die planetaren Grenzen sprengt) und wenn sie notwendig sind. Kunstgegenstände würden da schon durchgehen, ein Butler auch, aber keine WM in Katar, eine Zugreise nach Spanien schon, eine Flugreise nach Spanien nicht, usw. Eingentlich machen wir das ja schon, nur viel zu wenig.
Eine tägliche Heroin-Dosis NICHT sich verabreichen ist ja kein Verzicht, sondern einfach eine Massnahme, um möglichst lange gut zu leben. Unter dieser Prämisse ist die Frage ob da Wachstum herauskommt falsch. Wenn es möglich ist, die planetaren Grenzen zu bestimmen und die Handlungsmöglichkeiten innerhalb auch bestimmt werden können (die Klimaforscher berechnen fleissig die CO2-Budgets, die Biologen und Ökologen werden das ihrige auch tun), dann ergibt sich halt ein Rahmen. Wenn der Wachstum ermöglicht, ist es gut. Die Ökonomen greifen dem vor und fordern Wachstum ohne auf die Bedingungen zu schauen. In Umkehrung der logischen Abfolge geben sie ein Wunschergebnis als Ziel vor. Darin liegt der Fehler der letzten Jahrzehnte vor allem.
Insofern ist die Forderung, die Umwelt zu schonen, keine moralische Forderung sondern eine durch soziale Intelligenz erkannte Notwendigkeit aufgrund wissenschaftlicher Fakten. Wie genau man der Notwendigkeit am besten gerecht wird, muss Schritt für Schritt geplant und getestet werden. Oder man verliert weiter Zeit, indem man die Realität verweigert.
Also beim Degrowth geht es glaub ich eher darum, die Gesamtmenge an produzierten Gütern, Dienstleistungen, etc. zu reduzieren (Menge ist eig auch das falsche Wort, weil es ja einen Unterschied macht, ob man ein Auto produziert oder man einen Haarschnitt bekommt). Warum ich jetzt nicht BIP, verwende ist, weil falls jemand einen Rechentrick findet, mit dem er das BIP steigert, während eigentlich die Gesamtmenge an produzierten Dingen sinkt, würde ein Degrowther aber trotzdem wohl von Degrowth reden. Aber vereinfacht gesagt, kann man vermutlich annehmen, dass Degrowth einer Schrumpfung des BIP entspricht. Was ich mit den Erneuerbaren ausdrücken wollte war, für Degrowther wäre es ok wenn z.B. 20% der Wirtschaft weiter wachsen, so lange die anderen 80% schrumpfen. Also auch im Degrowth kann es vereinzelt Wachstum geben.
Eine effiziente Shareconomy, bei der wir die aktuell verwendeten Güter wirklich sinnvoll untereinander teilen, würde halt erst mal die Menge an dem was wir produzieren senken. Das heißt natürlich nicht, dass ein Green Growther automatisch dagegen sein muss, es muss dann halt nur an anderer Stelle mehr produziert/konsumiert werden, um das wieder auszugleichen. Bei der Verschiebung zu immateriellen Gütern und Dienstleistungen, bin ich mir nicht sicher, ob Degrowther das wirklich fordern würden. Diese Verschiebung ist im Green Growth halt vor allem dazu notwendig, um das Wachstum am Leben zu halten. Degrowth befürwortet dort glaub ich lieber Verzicht, statt alternativen Konsum.
Das ist halt die Krux an der ganzen Sache. Die These der Degrowther ist quasi, dass absolutes Decoupling nicht möglich ist.
Ich zitiere dazu mal aus dem Buch Less is More von Jason Hickel:
Over the past few years scientists have developed a number of models to determine the impact of policy changes and technological innovation on material use.
[…]
Finally, in late 2017 the UNEP – an institution that once eagerly promoted green growth theory – weighed in on the debate. It tested a scenario with carbon priced at a whopping $573 per ton, slapped on a resource extraction tax, and assumed rapid technological innovation spurred by strong government support. The results? Resource use still goes up, nearly doubling by the middle of the century. As these results trickled out, UNEP had no choice but to change its position, admitting that green growth was a pipe dream: absolute decoupling of GDP and material use is simply not possible on a global scale.
Ich teile ja die Skepsis bzgl. absoluten Decouplings. Trotzdem ist das m.E. eine empirische Frage, die sich mit Simulationen grundsätzlich nicht beantworten lässt, da sie Daten bzw. Zusammenhänge für einen bisher nicht beobachteten Wertebereich erfordern.
Welche disruptiven, auch kulturellen, Innovationen es konkret geben wird, kann zum Beispiel nicht simuliert werden.
Ebenso fehlen mir Preise für die anderen planetaren Grenzen (außer CO2).
Mein Petitum daher (dem Artikel von Fricke
folgend):
Konzentrieren wir uns auf die planetaren Grenzen, unterbinden wir die Rebound-Effekte (eine große Herausforderung!) und schauen wir, ob das am Schluss Degrowth ist oder nicht…