Klimaschutz: Wachstumszwang, Postwachstum oder ökologischer Umbau der Marktwirtschaft (mit Zukunftskonzept Ulrike Hermann)

Ich möchte gerne dieses Thema nochmal nach oben pushen.

Zweifellos muss ein Wirtschaftssystem weitaus weniger extraktivistisch sein.

Das sagt aber noch nichts darüber aus, wie das Wirtschaftssystem funktionieren wird. Sondern nur, welches Ergebnis das Wirtschaftssystem hervorbringen soll.

Disclaimer: Ich bin Diplom-Volkswirt, auch wenn ich nach meinem Studium nie als solcher gearbeitet habe.

In meinem Studium wurde nie die Frage gestellt, welches Ergebnis denn ein Wirtschaftssystem hervorbringen soll - außer „Wachstum“ und „Wohlstand“. Beides wurde jedoch nur in „Bruttosozialprodukt“ gemessen.

Ich bin inzwischen dem Konzept der „Doughnut Ökonomie“ von Kate Raworth begegnet. Kate Raworth stellt genau diese Frage und bietet ein, wie ich finde, sehr eingängiges Konzept, um als Gesellschaft diese Frage zu beantworten:

  1. Ein Wirtschaftssystem sollte die essenziellen Grundbedürfnisse aller Menschen stillen, z.B. Wasser, Ernährung, Gesundheit, Wohnen, Sicherheit, Energie/Telekomunikation, Bildung, Rechtsstaatlichkeit, politische Teilhabe, …. (in diesem Zusammenhang ist mir klar geworden, dass dann die Wichtigkeit der Verteilungsfrage auf einmal gar nicht mehr so im Vordergrund stehen würde).
  2. Ein Wirtschaftssystem darf die verschiedenen planetaren Grenzen, die uns das Ökosystem der Erde mit naturwissenschaftlicher Kompromisslosigkeit vorgibt, nicht überschreiten: Klima, Umwelt, Artenvielfalt / Biodiversität, Luftqualität, Wasserqualität, etc.


Erst, wenn wir die Antwort auf die Frage kennen, welches Ergebnis ein Wirtschaftssystem hervorbringen soll, können wir danach fragen, ob denn eine der Variationen der in der westlichen Welt vorherrschenden oder vielleicht sogar eine neue, modifizierte Marktwirtschaft dazu überhaupt in der Lage wäre?

Klar ist: So, wie wir heute Wachstum gemeinhin verstehen, ist die 2. Anforderung von fast keinem real existierenden Wirtschaftssystem erfüllt.

Damit ist aber noch immer nicht klar, dass jedes marktwirtschaftliches Wirtschaftssystem zwangsläufig unfähig ist, die beiden Anforderungen an ein Wirtschaftssystem zu erfüllen.

Mit dem Begriff „Degrowth“ verbinde ich die Vorstellung, dass quantitatives Wachstum jedem Marktwirtschaften System zwangsläufig immanent ist. Da wird meist über den Zins argumentiert, der zu einem Wachstumszwang führe (was ich als Volkswirt nie wirklich verstanden habe). Daher müsse man weg von der Marktwirtschaft und hin zu einem System, in dem unser Wohlstand nicht mehr wachse, sondern - im Gegenteil - schrumpfe (wobei ich nicht eine einzige konkrete Beschreibung eines solchen Wirtschaftssystem kenne - vermutlich müsste es einen erheblichen planwirtschaftlichen Charakter haben).

Aber genau das führt dann dazu, dass weitere Teile der Politik von der SPD über die FDP bis zur Union - und auch weite Teile der Grünen - wie auch die große Mehrheit der Bevölkerung solche Vorstellungen von Verzicht und Rückschritt ablehnt. Selbst wenn das eine funktionierende Lösung wäre: Ich halte dies in einer Demokratie nicht für durchsetzbar - zumindest nicht rechtzeitig, bevor wir noch viel mehr Kipppunkte überschritten haben.

Fortsetzung im nächsten Post

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