Hallo Ihr,
Ich arbeite als Arzt auf einer Intensivstation, auf der wir auch Corona-Patientinnen behandelt haben/behandeln. Obwohl ich Impfungen im Allgemeinen positiv gegenüber stehe und entsprechend der STIKO-Empfehlungen gegen fast alles geimpft bin, habe ich mich gegen Corona noch nicht impfen lassen, so wie auch mehrere meiner Kolleginnen und Bekannten.
Mein Hauptproblem mit den aktuell in D zugelassenen Corona-Impfstoffen ist, dass sie alle Wirkstoffe enthalten, über die noch keine Langzeiterkenntnisse vorliegen. Zwar gibt es viele kurzfristige Studien mit sehr großen Fallzahlen, aber über Langzeitfolgen kann man dadurch trotzdem keine Aussage treffen. In der Vergangenheit kam es – wenn auch selten – immer wieder vor, dass Medikamente überraschende Spätfolgen hatten, die sich ausgehend von dem erwünschten Wirkmechanismus im Vorhinein nicht absehen ließen; hier sei zB auf Contergan, Clobutinol oder Aprotinin verwiesen, deren Langzeitfolgten z.T. erst nach Jahrzehnten auf diese Wirkstoffe zurückgeführt werden konnten.
Daher bin ich kritisch gegenüber jeder Art von neuen Medikamenten, vor allem wenn sie ansonsten gesunden Personen verabreicht werden. Ich möchte soweit möglich nur Medikamente verabreicht bekommen, deren Wirkprofil seit Jahren oder besser Jahrzehnten erprobt ist (dies ist für die größte Zahl an jährlich verabreichten Medikamenten der Fall). Ausnahmen sind natürlich schwerwiegende Erkrankungen, bei denen der Fortschritt der Forschung gute Dienste leisten kann.
Für die genbasierten Impfstoffe (mRNA, Vektorbasiert) liegen keine Langzeiterkenntnisse mit großen TeilnehmerInnenzahlen vor, auch wenn die mRNA-Impfstoffe seit 2002 in kleineren Studien am Menschen getestet wurden.
Nicht-genbasierte, z.T. im englischsprachigen Raum zugelassene, meist proteinbasierte Impfstoffe enthalten neuartige Adjuvantien (Impfverstärker), mit denen ebenfalls kaum Erfahrungen vorliegen:
Novovax nutzt das „Matrix-M-Adjuvans“ (erst seit 2020 in Benutzung für den Imfpstoff NanoFlu).
Sanofi/ GSK nutzt „AS03“, das seit 2009 zB für die Schweinegrippe-Impfung verwendet wurde, über langfristige Nebenwirkungen wie Narkolepsie (Schlafkrankheit) wird noch diskutiert.
Clover nutzt „CpG 1018“ welches 2021 erstmalig für eine Hepatitis-B-Impfung in der EU zugelassen ist.
Insofern bringen auch diese Impfstoffe das gleiche Problem der unbekannten Langzeitwirkungen mit sich – und zwar wegen der neuartigen Zusatzstoffe.
Ich schreibe diesen Text, weil ich als Impfwilliger mit begründeten Bedenken gegen neuartige Medikamente nicht alleine dastehe. Diese „Fürsorgepflicht“ für meinen Körper mag ich auch nicht gegen Bratwurst oder 100€ hergeben. Daher finde ich es wichtig, diese Argumente auch in den öffentlichen Diskussionen zu benennen, statt alle die sich aktuell nicht impfen lassen wollen, in eine etwas spinnerte oder fahrlässige Ecke zu stellen.
Eine Lösung für dieses Problem sind meiner Ansicht nach Corona-Impfstoffe, die auf lange erprobten Wirkmechanismen beruhen. So befindet sich zB CoronaVac des chinesischen Herstellers SinoVac seit Juni 2021 im Rolling- Review- Verfahren der EMA. Hierbei handelt es sich um einen klassischen Totimpfstoff mit Aluminium als Wirkverstärker (Diese Kombination liegt in fast jeder in D zugelassenen Impfung vor). Die Wirkstärke dieses Impfstoffes liegt deutlich unter den grandiosen Effekten der genbasierten Impfstoffe (aber über der Durchschlagskraft so mancher Influenza-Impfung der vergangenen Jahre). Den gleichen Wirkmechanismus nutzt der Impfstoff „BBIBP-CorV“ der chinesischen Firma Sinopharm. Beide Impfstoffe sind bereits von der WHO für das Covax-Programm zugelassen.
Ich bin der Meinung, dass mit einem solchen Impfstoff große Teile der momentan noch impfunwilligen Bevölkerung erreicht werden können. Das hätte sicherlich einen besseren Einfluss auf die pandemische Lage als diese Personen ungeimpft zu lassen – und wäre im Sinne der Verhältnismäßigkeit niederschwelliger als eine Impfpflicht.
Deshalb schlage ich vor:
Erstens: Bitte habt Verständnis für Menschen, die sich keine Medikamente zuführen wollen, welche noch nicht über einen langen Zeitraum erforscht wurden. Gerade das Immunsystem ist unglaublich komplex und die Erforschung dessen größerer Zusammenhänge steckt quasi noch in den Kinderschuhen.
Zweitens: Deutschland und die EU sollten geschlossen auch die Impfstoffe der Firmen SinoVac und Sinopharm zulassen. Sie beruhen ausschließlich auf altbekannten Wirkprinzipien und haben sehr gute Ergebnisse, was den Schutz vor schweren Verläufen angeht. Mit ihnen lassen sich mit großer Sicherheit viele „medizinisch-konservativ“ eingestellte Menschen erreichen. Einige europäische Länder haben dies breits getan.