Jens Spahns Fail bei AstraZeneca

Selbst wenn die Impfdosen wegen des Mangels tatsächlich wieder schnell verimpft werden können, stehe ich dem Aussetzen auch eher kritisch gegenüber, weil das angeschlagene Image von AZ dadurch nicht besser wird.

Ein Aspekt der m.E. noch nicht groß angesprochen wurde, ist folgender:

Einige Kommentatoren haben sich hier mit der Frage zu Wort gemeldet, was passiert wäre, wenn Jens Spahn sich aktiv gegen den Rat der Wissenschaft gestellt hätte, und dass hiermit vermutlich ein deutlich größerer Vertrauensverlust entstanden wäre.
Ich habe allerdings das Gefühl, dass im ganzen letzten Jahr Empfehlungen der Wissenschaft (z.B. des RKI) zugunsten von Öffnungen etc. durchaus häufiger ignoriert worden sind. Da war das anscheinend weniger problematisch.

Möglich, dass das im gleichen Zusammenhang steht wie die Opportunitätskosten (mehr Covid-Erkrankte) die JS durch Stoppen der Impfung zu zahlen bereit war, weil er (hier folge ich mal Ulfs Argumentation) dafür nicht direkt verantwortlich gemacht werden kann. Also Öffnungen sind drin, weil diese Pandemie ja nach wie vor unberechenbar (und die Schuld von niemandem direkt) ist.

Ich kann eure Verzweiflung verstehen. Ich habe langsam auch nicht mehr das Gefühl, dass es neben langsamen Impfungen noch zu einer Langzeitstrategie kommen wird.

Durchhalten, alle zusammen!
Und danke für die Lage, Philip und Ulf. Sie ist sehr gut. :slight_smile:

Doch, selbstverständlich. Das PEI gibt nur eine Empfehlung heraus. Die Entscheidung treffen letztlich die demokratisch legitimierten Institutionen.

Beispiel Berlin: alle Impfzentren sind komplett überlastet. Anders ist es nur in denjenigen, die AstraZeneca verimpfen: Da kannst du dir schon morgen einen Termin buchen, egal wann. Niemand von den Menschen, die überhaupt eine Impfberechtigung haben, will damit geimpft werden. Da bleiben also derzeit tausende Dosen liegen. Ganz großes Kino, Herr Minister.

Natürlich gibt es zugleich tausende Menschen, die liebend gern mit AZ geimpft würden. Aber das geht ja nicht, weil die nach der Impf-Priorisierung noch nicht dran sind … womit wir beim nächsten Fehler wären: dass wir nämlich die Priorisierung nicht als „die zuerst“ umsetzen, sondern als Exklusivität („nur die“).

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Ich fand es schade das ihr in der Sendung nur die deutschen Zahlen und Handlungen in Bezug auf den AstraZeneca-Impfstoff behandelt habt.
In Norwegen haben zB. 120.000 Menschen AZ erhalten, aktuell 5 Fälle, 3 Tote mit dem Krankheitsbild aus (Sinusvenen)Thrombosen und Thrombozytopenie bei denen ein Zusammenhang mit dem Impfstoff bestehen könnte. Alle verstorbenen wohl unter 55 Jahren und Frauen.
Bisher sind im laufe der gesamten Pandemie in Norwegen 8 Frauen unter 60 Jahren an Covid-19 verstorben.
Da würde ich mir als Frau in Norwegen die Geschichte mit der AZ-Impfung sehr genau überlegen.
Klar, alles kleine Zahlen und noch sehr unsicher, ich finde es aber schon bemerkenswert.
Falls sich der vermutete Zusammenhang zwischen diesem HIT-Ähnlichem Krankheitsbild und der Impfung bestätigen sollte oder zumindest noch wahrscheinlicher wird muss in meinen Augen auch hier eine Anwendungseinschränking (zB wie in Frankreich) kommen.
Ich finde es unverantwortlich, wenn die Personen mit dem geringsten Risiko für einen schweren Covid-19 Verlauf, den Impfstoff mit dem schlechtesten Sicherheitsprofil erhalten.
Man darf nicht vergessen das es zwei weitere Impfstoffe gib bei denen diese Risiken aktuell nicht im Raum stehen.

Edit: Wilde Gramatik

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Das erschiene mir auch angesichts der derzeitigen Erkenntnislage vorerst das sinnvollste Mittel zur Risikominimierung zu sein. Die Häufung der Thrombosefälle bei Frauen ist unübersehbar, und es gibt mehr als genug Männer in diesem Altersbereich, um die AZ-Dosen zu verwerten, und auch genug BioNTech-Dosen, die parallel dazu reinkommen, um damit die Frauen parallel zu den Männern zu versorgen.

Ich fürchte nur, dass unserem Gesundheitsminister, dessen primäres Interesse offenbar sein Image und das Vermeiden politischen Ärgers zu sein scheint, die nötigen Cojones fehlen, um sich mit einer solchen Entscheidung in den zu erwartenden Gender-Shitstorm zu begeben. Denn ganz unblutig würde das nicht werden - auch wenn objektiv gesehen tatsächlich niemand dadurch später geimpft werden würde als bei Gleichverteilung der Impfstoffe auf beide Geschlechter, ist jedwede Diskriminierung auf Basis des Geschlechts in unserer heutigen Gesellschaft immer hochgradig explosiver Sprengstoff.

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Das klingt in der Tat nach einem pragmatischen Vorschlag.

Zugleich spricht das ebenfalls dafür, dass Jens Spahn mit der Aussetzung der Impfungen einen Fehler gemacht hat: Klüger wäre es gewesen, so lange zu warten, bis man halbwegs weiß, woran man ist. Und jedenfalls die Geschlechterdifferenz bei den Nebenwirkungen ist inzwischen unübersehbar.

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Mir ist absolut bewusst, dass die Statistik große Unsicherheiten hat. Trotzdem ist so eine grobe Abschätzung hilfreich, wir können mit großer Sicherheit sagen, dass die Wahrscheinlichkeiten für die betrachtete Gruppe (junge Frauen) in einer ähnlichen Größenordunung liegen. Diese Aussage wollte ich nicht einfach postulieren sondern darstellen wie ich dazu komme.

Die Menschen, die AstraZeneca jetzt, nach der Prüfung nicht vertrauen, sind übrigens die gleichen Menschen, denen du bei laufender Prüfung eine „freiwillige, aufgeklärte“ Entscheidung über das Impf-Risiko abverlangen würdest. :wink:

Wenn diese Entscheidung wirklich durch den Impfstopp verursacht ist (was ich auch für plausibel halte), können wir nicht davon ausgehen, dass die Entscheidung für das Impfrisiko sinnvoll fundiert gewesen wäre.

:+1: Das Warteschlangen-Prinzip habt ihr ja schon vor Wochen vorgestellt; und da bin ich voll bei euch.

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Ich denke das ist eine reine Frage der Kommunikation. Ich weiß ja nicht ob ich etwas übersehe aber auch in einem üblichen Tagesschau Statement bekommt man das ja wohl erklärt:
Grundsatz „better safe than sorry“; AZ ein bisschen gefährlich für junge Frauen-> Biontech für junge Frauen, AZ für alte Männer.

Das stimmt einfach nicht. „Experten betonten, dass solche Ideen zum möglichen Ablauf bisher rein spekulativ seien. Bundesgesundheitsminister Spahn erklärte, das Paul-Ehrlich-Institut werde die Erkenntnisse aus Greifswald prüfen. Von unabhängigen Experten geprüft und in einem Fachjournal erschienen sind diese bislang nicht.“

Schlicht und einfach da Ärzt*innen meist nicht genügend Patient*innen sehen um einen solchen Zusammenhang zu erkennen. Bei seltenen Erkrankungen wie dieser, über die so wenig bekannt ist bleibt es dann bei anekdotenhaftem Wissen. Zudem sind die meisten Mediziner*innen heutzutage keine Wissenschaftler*innen - einfach aus Arbeitsteilungsgründen, da sie auch so meist genug zu tun haben.

Um uns davor zu schützen auf Basis von vereinzelten Beobachtungen ungerechtfertigte Schlüsse zu ziehen nutzten wir statistische Methoden. Wenn danach systematisch alle Gründe bis auf einen ausgeschlossen werden können, kann man auf einen kausalen Zusammenhang schließen - vorher kann man gern einmal spekulieren und es kann auch sein ,dass es einen Zusammenhang zwischen Impfung und Nebenwirkung gibt, aber erwiesen ist das auf gar keinen Fall.

Das sehe ich auch so, aber eher noch deutlicher, aus folgenden Gründen:

  • Man konnte schon an den allerersten Meldungen, wegen denen der Stopp erlassen wurde, sehen (7 Betroffene, 6 davon Frauen, 3 Tote, alles Frauen) dass es ein Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern zu geben scheint. Ein Anfangsverdacht war somit klar gegeben. Sicher, nach dem Auftauchen weiterer Fälle hat sich das deutlich erhärtet, aber schon ganz am Anfang sah das irgendwie nicht koscher aus.
  • Nach der temporären Pause hat sich NICHTS geändert am Einsatz des Impfstoffs. Diese tolle Bedenkzeit hat also ganz offensichtlich NICHTS gebracht! Wenn man den Einsatz des Impfstoffs in dieser Zeit wie von D2a vorgeschlagen angepasst hätte, ja, dann könnte man wenigstens noch behaupten, dass diese Pause genutzt worden wäre für eine möglicherweise sinnvolle (nach damaligem Kenntnisstand; nach jetzigem Stand definitiv sinnvolle) Anpassung der Einsatzregeln. Ist aber nicht geschehen.
  • Was wir stattdessen bekommen haben, ist eine tiefe Delle in der Impfkurve, die auch jetzt, nach Ende des Stopps, noch anhält - wie man Stand heute z.B. auf dem Impfdashboard gut sehen kann. Und ich prognostiziere rein nach meinem Bauchgefühl, dass das noch ein paar Tage, schlimmstenfalls eine Woche, gut erkennbar bleiben wird. Man kann eben nicht mit einem Hammer auf die laufende Maschinerie der Impfdurchführung hauen und erwarten, dass sich die entstehende Delle unmittelbar nach Entfernen des Hammers wieder „ausbeult“ - da wurden Termine tausendfach gecancelt, Impfschichten wurden umstrukturiert, neue Termine und Planungen müssen jetzt gemacht werden, das dauert, bindet Personal und braucht auch eine gewisse Vorlaufzeit.
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auf welcher wissenschaftstheorie basiert, denn diese Aussage ?
Hintergrund- und Intervenierende Variablen kann man nur ausschließen, wenn man von diesen weiß. Jede kausale Aussage egal ob empirisch oder theoretisch baisert auf dem vorhandenen Wissen welches erst ermöglicht diese zu kontrollieren. Die Wissenschaft arbeitet meist mit dem Paradigma des Widerlegens nicht des Beweisens, Stichwort Falsifikation nach Popper. Bei einzelnen sogenannten Hardsciences mag man dem beweisen hinreichend Nahe kommen, aber gerade in der Medizin hast du ein überkomplexes System dessen Variablen so komplex sind, dass sie deinem Anspruch an empirisch belegter Kausalität gar nicht entsprechen können.

Diese Dualität von Spekulation und Wissen/Objektivität gibt es nicht, es gibt einfach nur einen methodischen threshold ab welchem ein Ergebnis als vorläufig belegt gelten kann. Die Statistik ist eine,wenn nicht die zentrale Methode, der modernen (empirischen) Wissenschaft, aber sie ist sicherlich keine Magie die Objektivität erzeugt. Die meisten Mathematiker würden das aber auch nicht behaupten. Btw wen das interessiert kann man mal Grundlagenkrise der Mathematik googlen.

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Es geht ja im konkreten Fall nicht um irgendwelche Ärzt:innen, sondern um Forschende an einer Universitätsklinik, die sich seit Jahren mit genau solchen Blutgerinnungsstörungen beschäftigen. Wenn die nach einer zielgerichteten klinischen Untersuchung von Proben sagen, sie hätten einen Mechanismus identifiziert, der einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Impfstoff und den Sinusvenenthrombosen herstellt und obendrein noch eine medikamentöse Therapie dagegen gefunden, finde ich es ehrlich gesagt einigermaßen arrogant, sich als Laie (denn ich nehme mal an, dass Du nicht zufällig auch Spezialist für Blutgerinnungsstörungen bist) hinzustellen und zu sagen,

Natürlich sind die Ergebnisse aus Greifswald nach wenigen Tagen(!) noch nicht in einer unabhängig begutachteten Fachzeitschrift erschienen. Aber deshalb zu behaupten, es gäbe keine Datenlage ist mindestens ungenau.
Ich glaube wir haben sehr unterschiedliche Annahmen darüber, wie wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden können. Du behauptest, dass allein statistische Methoden in der Lage seien, kausale Zusammenhänge zu identifizieren (Everything counts in big amounts). Und Du scheinst davon auszugehen, dass Zusammenhänge irgendwann „erwiesen“ sind. Das impliziert für mich die Vorstellung einer quasi in Stein gemeißelten, unumstößlichen Wahrheit. Ich würde dagegenhalten, dass die Produktion wissenschaftlicher Erkenntnis immer auf Annahmen und Hypothesen basiert, die in jeweils unterschiedlichem Maße bestätigt (validiert) und verbreitet (akzeptiert) sind. Und diese Bestätigung kann eben nicht nur über die Auswertung großer Quantitäten (Statistik) erfolgen, sondern auch qualitativ, durch einen genauen Blick auf einzelne Fälle. Beide Verfahren haben ihre Vor- und Nachteile, daher ist eine eine Kombination aus beiden immer ideal. Die entscheidende Frage ist doch immer: Wie bestätigt muss eine Hypothese sein, damit man nach ihr handeln kann/darf/soll. Genau um diese Frage kreist m. E. ein Großteil der Kontroversen in der Wissenschaft.

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So eindeutig ist es noch nicht.

„Bisher sei allerdings noch unklar, woher diese Antikörper kommen, ob sie sich also gegen das Impfvirus oder das Spike-Antigen bilden oder vielleicht gegen einen lediglich an der Immunreaktion beteiligten Faktor.“

Aus dem Corona-Blog der tagesschau von heute (23.03.21):
10:26 Uhr

## Krankenpflegerin stirbt mit Verdacht auf Blutgerinnsel im Gehirn

Im Zusammenhang mit der AstraZeneca-Impfung werden in Deutschland weitere Fälle von Blutgerinnseln im Gehirn bekannt. Im Allgäu starb eine 55-jährige Krankenpflegerin nach einer Impfung mit dem AstraZeneca-Wirkstoff mit Verdacht auf Hirnvenenthrombose, wie das Klinikum Kempten der „Augsburger Allgemeinen“ und „Allgäuer Zeitung“ bestätigte. Dem Bericht zufolge war die Krankenpflegerin, die in einer Klinik in Immenstadt arbeitet, am 3. März mit der ersten Dosis AstraZeneca geimpft worden. Nach sieben bis acht Tagen habe sie unter starken Symptome gelitten und sei mit schweren Kopfschmerzen ins Krankenhaus gekommen. Am Samstag sei die Frau in Kempten gestorben.

Die Mediziner gehen demnach von einer Hirnvenenthrombose aus und einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit, dass der Tod der Pflegerin im Zusammenhang mit der Impfung stehe. Nach Angaben des für die Sicherheit von Impfstoffen zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) hatte sich die Zahl der gemeldeten Sinusvenenthrombosen, einer speziellen Form von Hirnvenenthrombosen, nach Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff bis zum vergangenen Freitag auf 14 erhöht. Aktuellere Zahlen gab es zunächst nicht.

Mit Ausnahme eines Falles betrafen alle Meldungen Frauen im Alter von 20 bis 63 Jahren, wie eine PEI-Sprecherin der Zeitung sagte. In neun der Fälle traten die schwerwiegenden Hirnvenenthrombosen in Verbindung mit einem Mangel an Blutplättchen auf. Es gab mehrere Todesfälle. Die EU-Arzneimittelbehörde (EMA) hatte den Corona-Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers AstraZeneca vergangenen Donnerstag nach einer Überprüfung für „sicher und wirksam“ erklärt. Der Nutzen überwiege die Risiken, hieß es nach Berichten über Hirnvernenthrombosen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung. In Deutschland wurden die vorübergehend ausgesetzten Impfungen mit AstraZeneca daraufhin wieder aufgenommen

Die Wissenschafts- und Erkenntnistheorie-Diskussion finde ich sehr spannend, wahrscheinlich aber ein bisschen too much für diesen Thread…

Wer sich für diese Fragen interessiert, dem sei z. B. die Diskussion des „Soziologischen Aschermittwochs“ von 2019 in Köln ans Herz gelegt (Stichwort: Akademie für Soziologie vs. DGS / „Quanti vs. Quali“). Geht zwar zwei Stunden (auf Youtube), zeigt aber deutlich, dass es auch in ‚der Wissenschaft‘ sehr differente und in Konflikt stehende Positionen gibt (das zeichnet sie aus) und es die Erkenntnis oder einen Weg dahin nicht gibt/geben kann (dann sind wir bei der Frage, was Erkenntnis und Wahrheit ist bzw. sein soll…). Und es ist auch einfach irgendwie komisch, wenn der eine Prof. dem anderen Prof. vorwirft, dass der andere als Student durch die eigene Wissenschaftstheorie-Klausur gefallen wäre…

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Dem kann man nur zustimmen und es wäre für die „Lage“ sicher mal ein spannender Beitrag, darüber zu berichten (auch bekannt unter dem Namen „Gendermedizin“). Die Diskussion wird leider nicht ganz so intensiv geführt, aber glücklicherweise mehren sich die Stimmen hierzu in letzter Zeit. Herzinfarkt/Schlaganfall sind die wohl bekanntesten Beispiele.

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Dass es „eindeutig“ ist, habe ich auch nie behauptet, im Gegenteil, ich ja explizit gegen die Annahme „eindeutiger“ wissenschaftlicher Erkenntnisse argumentiert. Auch die EMA sagt, dass es diesen kausalen Zusammenhang geben „könnte“, er aber noch nicht „erwiesen“ sei. Das sind genau die unterschiedlichen Einschätzungen von denen ich schrieb. Die einen sagen: ist doch ganz klar, die anderen sagen: das ist noch überhaupt nicht klar. Alltag in der Wissenschaft. Aber @Kennys Aussage, dass die derzeitigen Datenlage die von der Uniklinik Greifswald getroffene Schlussfolgerung „nicht zulasse“ geht einfach weit darüber hinaus. That’s my whole point.
Abgesehen davon geht es ja in dem von Ihnen zitierten Satz lediglich um die Frage, welcher Teil des Impfstoffs bzw. der durch ihn ausgelösten Immunreaktion zur Bildung der Antikörper führt. Es geht nicht um die Frage, ob deren Bildung mit dem Impfstoff im Zusammenhang steht.

Auch ich bin etwas irritiert davon, wie eindeutig die Entscheidung Spahns in der Sendung als ‚fail‘ abgetan wurde. Zwei Punkte kamen mir insbesondere zu kurz:

  1. Die Sinusthrombosen (ST) traten vor allem bei jungen Frauen auf. Und das wohl nicht nur in Deutschland. So liegt das Risiko einer AZ-assoziierten ST für eine junge Frau sehr viel höher als die oft genannten 7-13 pro 1,6 Mio. Geimpfte. Wie viel höher genau wissen wir noch nicht. Gerade für sehr junge Frauen, die i.d.R. nicht an COVID versterben kann das durchaus von Bedeutung sein. Auch galt es zu prüfen, ob es bei den Betroffenen noch andere Gemeinsamkeiten (Medikation, Vorerkrankungen, Risikofaktoren) gab. Hätte sich hier eine klare Übereinstimmung bzw. ein bestimmtes Risikoprofil ergeben, wäre die Impfung für diesen Teil der Bevölkerung also durchaus kontraindiziert gewesen. Ob man die Impfungen mit AZ hätte deshalb generell aussetzen müssen zweifle ich auch an. Eine Aussetzung der AZ-Impfungen an Frauen unter 50 bzw. ein Ausweichen auf einen anderen Impfstoff für diese Personengruppe wäre meiner Meinung nach aber durchaus eine legitime Entscheidung gewesen - zumindest solange die Überprüfung nach o.g. Punkten noch nicht abgeschlossen war.
  2. Zum Zeitpunkt der Aussetzung war laut Spahn nicht klar, ob eventuell bestimmte Chargen des Impfstoffs Auslöser der ST sein könnten. Dies hätte die Folge von Produktionsfehlern oder Verunreinigungen sein können. Hätte man mit derartigen Chargen weitergeimpft, wäre der Aufschrei im Anschluss mit Sicherheit groß gewesen und AZ ein Fall für die Tonne. Jedoch habe ich Schwierigkeiten Spahn hier zu glauben. Die Überprüfung von ein paar Dutzend Klebchen in Impfpässen dürfte sich schnell bewerkstelligen lassen und rechtfertigt keinen Impfstopp über drei Tage.

Auch ich hätte die Impfungen mit AZ nicht gestoppt und wenn nur für einen begrenzten Kreis von Personen (z.B. für Frauen unter 50). Anders als in der Lage betont, sehe ich hier jedoch weniger die ausgefallenen Impfungen als vielmehr den Imageschaden für AZ als immenses Problem an. Die entfallenen Impfungen können in Impfzentren zügig nachgeholt werden (Kapazitäten sind da) und viele Impfzentren konnten kurzfristig auf Präparate von Biontech/Pfizer umsteigen. Das Argument, dass nun einige Menschen sterben könnten, weil sie ihre Impfung verspätet erhalten ist durchaus valide. An dieser Stelle sollte man aber auch daran denken, dass (1.) horrende Mengen an Impfdosen über Wochen und Monate zurückgehalten werden und (2.) die Priorisierung der Impfreihenfolge dazu führt, dass z.B. die Polizei ihre Impfung vor alten und vorerkrankten Personen erhält.
Der Vertrauensverlust in AZ jedoch wird bleiben und die Impfkampagne vermutlich sehr viel stärker ausbremsen als die drei bis vier Tage Pause selbst. Viele ohnehin unsichere Personen warten nun doch auf einen anderen Impfstoff, die Impftermine für AZ-Impfungen in Berlin werden nicht gebucht und die nächste Prio-Gruppe wird bzw. wurde noch nicht eingeladen. Auch werden die Impfärzt:innen und zukünftig auch die Hausärzt*innen sehr viel mehr Zeit in die Aufklärung investieren müssen.
Es bleibt nur zu hoffen, dass das Vertrauen inbesondere bei den Risikopatient:innen schnell zurückgewonnen werden kann. Ob und wie gut das gelingt wird sich letztendlich in den Zahlen der nächsten Wochen und Monate zeigen.

Stimme dir im großen und ganzen zu. Als Ergänzung sei erwähnt, dass Wissenschaft gern mit falsifizieren arbeitet. Es ist oft einfacher (bzw. überhaupt nur möglich) festzustellen, dass eine Annahme falsch ist, als zu belegen, dass sie stimmt.

Die Frage ist doch aber, ob dieser Vertrauensverlust durch den Imfstopp entstanden ist, oder vielleicht doch durch die Tatsache, dass mehrere Menschen kurz nach einer Impfung an einer sehr seltenen Erkrankung gestorben sind (deutlich über dem zu erwartenden statistischen Wert). Woher die Überzeugung stammt, dass sich die Leute nicht von ein paar Toten, den News-Beiträgen dazu sowie den Impfstopp bei europäischen Nachbarn verunsichern lassen, aber plötzlich das Vertrauen verlieren, wenn auch Deutschland vorsichtig reagiert, erschließt sich mir nicht. Ich kann mir durchaus auch den umgekehrten Effekt vorstellen (der dann nicht nur AstraZeneca beträfe, sondern Impfungen allgemein) - nach dem Motto „der Staat will Probleme vertuschen“.

Übrigens spricht die Tatsache, dass wir das nicht zuerst aus GB sondern aus anderen Ländern (und eben auch aus Deutschland) gehört haben dafür, dass es nicht nur Vorteile hat, wenn man unbürokratisch vom Barmann aus der Kneipe nebenan geimpft wird (Stichwort Stufe 4 Studie).

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