Ist Deutschland ein Absteigerland/Sanierungsfall?

Genau so sehe ich das auch. Und rein theoretisch sollte ein soziales Sicherheitsnetz solche Risiken erleichtern – zum Beispiel die Idee hinter dem Gründunszuschuss für ALG1-Empfänger finde ich richtig cool. Aber ob es in der Tat so richtig cool funktioniert, ist eine andere Sache.

Das lenkt sich ein bisschen vom Punkt ab, aber ich würde das etwas differenzierter formulieren. Ich glaube, solche Menschen sind eher Paradebeispiele für erfolgreiche Menschen, deren Hauptgeschäft mit innovativen Technologien zu tun hat. Man könnte zum Beispiel meinen, dass Gwynne Shotwell viel wichtiger bei SpaceX sei als Musk (oder Cheryl Sandberg bei Facebook, oder…), oder dass Gates nicht besonders viel technologische Innovation gebracht hat, eher einen sehr scharfen Sinn fürs Geschäft und genug technical Know-how um diese Vision umzusetzen. Oder dass es zahlreiche Menschen geben muss, die extrem innovative und kreative Lösungen für Probleme gefunden haben, die aber mit deren Idee nicht weitermachen können, weil sie mit dem bloßen Überleben zu beschäftigt sind, oder – ganz banal – weil sie einfach nicht ausreichend vernetzt sind, um Startkapital zu bekommen.

Aber „Innovation“ an sich sieht man wirklich überall, mir fällt zB dieses Video von nem Flüchtlingscamp ein. Mir persönlich wäre die Frage viel interessanter, wie viele Menschen nur deswegen nicht „innovativ“ sein dürfen, weil ihnen die richtigen Rahmenbedingungen fehlen. Oder um es zurück zum Thema zu bringen, wie viele einfach woanders gründen, weil diese Rahmenbedingungen in Deutschland nicht zu finden seien.

Sci-Hub liefert:
https://sci-hub.st/https://doi.org/10.1002/job.2374

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Interessanter Artikel zur Ausgangsfrage : Wir stecken in einer Dauerkrise - Henrik Müller Kolumne - DER SPIEGEL

Leider paywalled.

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Dar ist auch mein Eindruck. Es ist ja auch ein Argument der Grundeinkommens-Befürworter, dass so eine Sicherheit gegeben wäre, ein Risiko einzugehen.
Eine fehlende Grundsicherung führt eher dazu, dass ich unmotiviert in einem Job festhänge, den ich nicht mag, aber er sichert halt mein Einkommen. Vor allem in deutschen Kündigungsrecht, wer will da nach ein paar Jahren Betriebszugehörigkeit eine Probezeit riskieren.

Leider gibt es auch Chefs, die gar nicht so 100% überzeugt sind von der Strahlkraft ihres Unternehmens. Da wird einem Angestellten, der sich fortbilden möchte, dann gleich unterstellt, dass er schon seinen Abgang plane. Höre auch immer wieder von kleineren Betrieben hier: warum soll ich ausbilden, wenn die danach eh von BMW abgeworben werden.

Jüngere Mitarbeiter haben, auch bei uns, gute Chancen, eine Fortbildung bis hin zum Studium zu bekommen. Das muss ich meinem Arbeitgeber lobend zugestehen.
Nur bei älteren sieht es schlechter aus.
Ab 50 zählt man da zum nicht mehr förderwürdigen Kreis. In der Beruflichen Reha bekommen Menschen über 50 nur mit einer sehr stichhaltigen Argumentation noch eine Umschulung.
Obwohl sich die Leistungsfähigkeit als ganzes bis etwa 65 nicht gravierend verschlechtert, einen normalen Alterungsprozess ohne Krankheit vorausgesetzt

Hab die Studie kurz mal durchgescannt – danke sehr fürs finden! Sehr empfehlenswert und stimmt mit einigen Anekdoten die ich gesammelt habe überein. Ein paar wichtige Zitaten:

Economic motives may represent a necessary but insufficient condition to start a venture

Entrepreneurs often rank noneconomic and intrinsic entrepreneurial motives, such as achieving independence, overcoming challenges, and being innovative, higher than economic ones

Fear of failure may hamper opportunity evaluation and exploitation motives… [but] under some circumstances, it can motivate increased entrepreneurial behavior and persistence

Family business entrepreneurs often manage their firms not to maximize financial outcomes, but to preserve or increase [socioemotional wealth]

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Ganz interessant sind in diesem Zusammenhang vielleicht ein paar Zahlen zur (technischen) Innovationsfähigkeit:

Vielleicht ist auch grade da die Bildung ein Problem?

Harald Lesch erklärt das ganz anschaulich und hat da durchaus einen Punkt:

Sind wir da auch zu starr und konservativ?

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Mich befremdet dieser Thread irgendwie. Es wird mit gefühlten Wahrheiten um sich geworfen und es gibt nur ganz wenig harte Zahlen bei einem Thema, das ja gerade nach Fakten schreit.

In welchen Kategorien ist Deutschland denn auf dem absteigenden Ast? Laut @Friedolinos Quelle zur Anmeldung von Patenten zum Beispiel gibt es vier Länder (Korea, Japan, Schweiz, China), die mehr Patente pro Einwohner in 2020 angemeldet haben als Deutschland und die USA hatte fast genau die gleiche Zahl.

Sehr provokant gefragt: Was ist denn eigentlich das Ziel dieses Threads, außer einen Platz zu bieten, wo man sich über verbohrte Chefs oder faule Kollegen beschweren kann?

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@GeheimnisvollLebhaft hat etwas weiter oben schon einmal versucht von einer rein qualitativen Diskussion wegzukommen und die Frage nach geeigneten KPIs aufgemacht:

Denke, dass ist der richtige Ansatz und der gesamte Post inkl. der Herangehensweise die KPIs dann mit anderen Ländern zu vergleichen ein guter Weg.

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Im Global Innovation index steht Deutschland auf Platz 10 von 132 Ländern.
Beim OECD-Betterlife-Index bekommt Deutschland 7,3 von 10 Punkten. Der Durchschnitt liegt bei 6,7. Einkommen und Zivilengagement schneiden am schlechtesten ab, danach Gemeinsinn.

Ausgangsbasis war das Statement von Herrn Oettinger.
Ziel war es, in der Diskussion Argumente und Fakten zu finden, welche dieses Zitat untermauern oder widerlegen.
Zu beidem gab es Punkte.

Also offenbar sind wir nicht auf drm absteigenden Ast (?), aber haben einige offene Baustellen, um die wir uns kümmern müssen, damit es nicht in die falsche Richtung geht. Unserer Status in der Welt und unser Wohlstand sind keine Selbstläufer.
So zumindest mein Fazit aus diesem Diskurs .

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Meiner Meinung nach ist das Problem bei solchen Diskussionen (zumindest was Zahlen angeht) eher dass die Zahlen sehr sehr kompliziert sind, und die genauen Thesen, die von diesen Zahlen unterstützt oder widerlegt werden könnten, schlecht definiert. Wir haben bei diesem Zitat vom Herrn Oettinger angefangen, aber: was genau bedeutet „Innovation“ in diesem Kontext? Sind Patente tatsächlich eine gute Proxy dafür? Wofür muss man kontrollieren (was die Statistiken angeht) jenseits der Bevölkerung? Gibt’s einen Unterschied zwischen den verschiedenen Fachbereichen? Liegen die Patente nur bei Großkonzerne, oder auch bei kleineren Unternehmen oder Universitäten? Wie geht man mit den Branchen um, bei denen Patente besonders kontrovers sind (zB in der Software Branche, wo Patente bei Startups extrem selten vorhanden sind, zumindest in den USA)? Was sind die langfristigen Trends (also zB die Tatsache dass die Zahl von Patenten pro Kopf in Deutschland in den letzten Jahren konsequent gefallen ist). Hier gibt es wirklich tausende Fragen, und erst dann wenn man all die Fragen aufgeschrieben hat, kann man mit der wahren Arbeit anfangen.

Die vielleicht nur rhetorische Frage, die ich hiermit gerne stellen würde, ist Folgendes: man braucht also offensichtlich konkrete Forschung, um diese These aus dem Oettinger-Zitat zu testen. Solche Forschung zu unterstützen oder sogar selber durchzuführen gehört, meine ich, ganz sicher zur Aufgabe des Staates. Aber wird das tatsächlich hier in Deutschland geforscht?

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Hier noch ein anderer Indikator:

Ja, gebe ich dir vollkommen recht.
Wenn aber schon die Definition des Problems so schwierig ist, dann kann das mMn nicht sinnvoll diskutiert werden. Dann eignet sich vielleicht ein so unspezifisches und hochgradig populistisches Zitat einfach nicht für den Diskurs.
Ich habe das Gefühl, dass die Medien und auch wir in diesem Forum genau auf diese vergiftete Kommunikationstrategie bestimmter rechtsaußen Leute immer wieder hereinfallen. Meiner Meinung nach sollte man solchen destruktiven Einlassungen überhaupt keinen Raum geben.

Das heißt nicht, diese Themen nicht zu diskutieren, aber der Anfangspunkt und damit das Framing des Problems sollte vielleicht nicht so destruktiv und fast hetzerisch sein.

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Grundsätzlich gebe ich dir ja recht. Doch manchmal braucht man halt den Aufhänger, um über themen zu diskutieren.

Schwierig wird es dann, wenn wir nur noch über sachlich und wissenschaftlich belegte Fakten sprechen wollen und alles, was nicht in diesen Rahmen fällt, als irrelevant ignorieren und aus dem Diskurs verbannen.
Das würde unterstellen, das der Mensch ausschließlich ein rein vernunftgesteuertes Wesen ist.
Und genau da hätte ich massive Zweifel.

Das wird durchs Wiederholen nicht richtiger. Es fehlt nicht an Geld, beauptet auch keiner, sondern an Workforce.
Bsp. Windräder: aktuell beträgt die Wartezeit etwa ein Jahr, da schlicht nicht mehr geliefert werden können. Ausbau der Windenergie stockt wegen langer Lieferzeiten für Bauteile | agrarheute.com

Da können wir noch so sehr mit frisch gedruckten Scheinen wedeln. Es gilt nicht nur „what we can do, we can afford“, es gilt auch „what we cannot do, we cannot do“ (…and thus don’t need to afford).

Geld drucken (gleichbedeutend mit Schulden machen) löst nur Probleme, wenn dadurch Potential ausgeschöpft wird. Es gibt aber in Europa wegen der Demographie kaum mehr Potential.
Würden wir jetzt schlicht unser Preisangebot verdoppeln, etwa für Windkraftanlagen, verdoppelt sich nur der Preis. Die Anbieter sind ja nicht dumm, wenn grenzenlose Zahlunsgbereitschaft bestünde, nutzen sie diese aus. Mehr Angebot entsteht nicht, wenn das Potential ausgeschöpft ist.

Also bitte bitte bitte, hört doch bitte mal auf immer neues Geld zu fordern. Die Sachen die wir brauchen, gibt es nicht unlimitiert auf Amazon. Das Leben ist teuer genug, als dass wir jetzt noch einen Staat brauchen, der grenzenlose Preisangebote macht und dadurch entsprechend auch hohe Preise erhält (die am Ende auch wir Verbraucher zahlen).

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Da wäre vielleicht doch ein wenig Planwirtschaft angebracht.

Wenn wir das Angebot an Automobilen verknappen, schaffen wir WorkForce für Windräder ^^

Und die WorkForce für Automobile schwindet ja eh dann wegen BEV.

Aber Planwirtschaft ist ja BÄH.

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Zumindest beim BIP pro Kopf ist ein Anstieg zu verzeichnen.

Hier gibt es auch einige interessante Zahlen:

https://datacommons.org/place/country/DEU/?utm_medium=explore&mprop=amount&popt=EconomicActivity&cpv=activitySource,GrossDomesticProduction&hl=de#

In diesen Zahlen ist der Abstieg auf jeden Fall noch nicht erkennbar.

Was den Erhalt der öffentlichen Infrastruktur angeht ist der Abstieg hingegen deutlich sichtbar.

Es muss glaube ich keine stärkere Planwirtschaft sein. Es würde dich reichen, wenn wir unser extreme detaillierte Bürokratie zurückfahren. Dann gaben Menschen auch wieder Zeit sich mit wesentlichen Dingen zu beschäftigen.

Bei der Energiewende sind die Beispiele gerne die Aktenordner in Metern für eine Anlage. Das würde nicht nur die Antragsstellenden, sondern auch die Verwaltung massiv entlasten. Gleiches auch für Bauanträge in anderen Bereichen.

Ähnlich aber auch in sozialen Bereichen. Ohne in der Materie sehr tief drinnen zu stecken. Aber wenn ich von Bekannten höre, das z.B. Jugendamt z.T. erst mal diverse Formalitäten und Anträge abgearbeitet werden bevor mal die betroffenen Familien besucht werden und versucht wird schnell zu helfen, kann man nur den Kopf schütteln.

Wir haben es uns da sehr bequem gemacht und versuchen im Voraus möglichst jeden Fall schon abzudecken. Das es aber dann schwer wird auch schnell und effizient zu sein ist eigentlich absehbar.

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