Israel & Nahost-Konflikt

Ja, der Acht-Milliarden-Podcast war wegen des Gastes Richard C. Schneider (der auch bei Piratensender Powerplay war), ganz hervorragend.

Aber das Geschwafel von Precht über Juden bei Lanz&Precht war kaum zu ertragen. Ganz ehrlich. Ich hätte zwar nicht direkt „Antisemitismus“ gesagt, sondern eher sowas wie „Dummheit“ oder „unqualifizierte Äußerungen“, aber es war wirklich schlecht. Und ich verstehe auch nicht, warum man als Erstes nach einem so unglaublich brutalen Anschlag - Pogrom - einen Podcast damit beginnt, ewig lang über orthodoxe Juden zu sprechen. Deplatziert, unangemessen und total bizarr.

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Dann schau Dir mal den ARD-Beitrag dazu an. Zusammen mit dem Lanz/Precht-Podcast ist mir klar geworden, warum große Teile Israels Politik schon seit Jahren nach rechts abdriftet.

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Zur Frage was nach dem Völkerrecht alles erlaubt ist und was nicht, hier ein Artikel der das erläutert:

"Das Recht, militärische Schläge gegen die Hamas zu führen, gilt nicht uneingeschränkt. Die Angriffe müssen notwendig (keine milderen Mittel) und verhältnismäßig sein, doch der Maßstab hierfür ist ausgesprochen weit. Wie „intensiv“ die Gegenmaßnahme sein darf, richtet sich auch nach dem Grad der Bedrohung, dem Israel weiter ausgesetzt ist.
Da die Hamas seit Jahren immer wieder heftige Angriffe ausführt und nichts dafür spricht, dass die Organisation in Zukunft davon absehen wird, ist ein massiver Militäreinsatz Israels gerechtfertigt, der wohl auch die völlige Zerschlagung der Hamas umfassen könnte. Verhältnismäßigkeit bedeutet also nicht, dass die Militäraktion zur Selbstverteidigung in ihrer Intensität nicht über den ursprünglichen Angriff hinausgehen darf. Die Verhältnismäßigkeit richtet sich nach dem Grad der Bedrohung. Der Verteidiger, also Israel, ist grundsätzlich im Recht.

Die Schranke ist hier vielmehr ein Exzessverbot. Diese Grenze wäre wohl dann erreicht, wenn für Israel nicht mehr die Schwächung des militärischen Potentials der Hamas im Mittelpunkt stünde, sondern Bestrafung und Vergeltung. Denn im Kern ist das völkerrechtliche Selbstverteidigungsrecht präventiv und nicht repressiv angelegt. Maßnahmen zur Abschreckung vor späteren Angriffen sind hingegen legitim, solange die militärische Wirkung im Mittelpunkt steht."

"Es gilt, dass nur militärische Objekte legitime Ziele sind. Doch durch die Praxis der Hamas, ihre Einrichtungen in Schulen, Krankenhäusern oder Wohnungen zu verbergen, werden diese zivilen Gebäude zu militärischen und damit zu legitimen Zielen. Der Grundsatz, zwischen militärischen und zivilen Objekten zu unterscheiden, umfasst auch die Pflicht, keine zivilen Einrichtungen als menschliche Schutzschilde zu verwenden, wogegen die Hamas seit jeher massiv verstößt.

Wenn Israel die Wohnung eines Hamas-Anführers in dicht besiedeltem Gebiet, Planungszentralen unter Krankenhäusern oder Raketenabschussrampen angreift, darf es zivile Opfer also in Kauf nehmen. Auch hier gilt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit insoweit, dass der militärische Nutzen des Angreifers nicht außer Verhältnis zu den zivilen „Kollateralschäden“ stehen darf. Der Angreifer ist zudem verpflichtet, alles im Vorfeld Mögliche zu tun, um zivile Schäden zu vermeiden und die Wahl der eingesetzten Waffen daran auszurichten. Israel tut dies, indem es meist kurz vor Luftschlägen die umliegenden Bewohner warnt und auffordert, die Gegend zu verlassen.

Völkerrechtlich hochproblematisch wäre allerdings, wenn Israel die totale Blockade der Versorgung des Gazastreifens für längere Zeit aufrechterhielte. Im humanitären Völkerrecht ist das Aushungern der Zivilbevölkerung klar verboten. Schon die akute Gefahr einer Hungersnot reicht dafür aus."

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Ja, das ist mir schon klar. Aber man kann nach so einem Blutbad trotzdem nicht mit der Diskussion über orthodoxe Juden ein Gespräch beginnen, finde ich. Das verschiebt den Fokus, der in dem Moment zuallererst auf den schrecklichen Taten der Hamas hätte liegen sollen.

Das werde ich machen. Danke für den Tipp.

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Der Antisemitismusbeauftragte von Baden-Württemberg hat den Podcast einem Faktencheck unterzogen. Es ist erschreckend - und es ist nicht nur Precht.

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Die fast körperlichen Schmerzen beim Hören, die Herr Blume beschreibt, hatte ich auch. Ein ganz deutliches Bauchgefühl, dass das gerade wirklich fatal ist, was Herr Precht sich da zusammenredet. Obwohl ich mich im Konflikt nicht so richtig positionieren kann - Es ist komplex, differenziert - muss man die Monstrosität der Anschläge bedenken. Das stellt in dem Moment alles in den Schatten. Die Bedrohung, die Androhung von Vernichtung, das Gemetzel rechtfertigt zwar keinen Bruch des Völkerrechts, aber es sollte doch auch ganz klar unser Mitgefühl und die Verurteilung dieser furchtbaren Anschläge hervorrufen.

Weil sich darunter auch viele Hamas-Terroristen befinden würden. Die Hamas hat keine Skrupel sich unter die Zivilbevölkerung zu mischen und sich hinter ihr zu verstecken.

Aus genau diesem Grund nimmt übrigens noch nicht einmal Ägypten, noch irgendein anderer Staat Menschen aus Gaza auf.

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Du meinst aber nicht den Morgenthau-Plan, der Deutschland in deinen Agrarstaat verwandeln wollte, um die Deutschen dauerhaft im Zaum zu halten.

Aber auch dem Marshallplan ging die komplette Zerstörung der deutschen Infrastruktur und die Entnazifizierung voran. Und selbst die hat ja nicht restlos geklappt.

Man kann die These vertreten, dass nur die restlose Zerschlagung solcher Regime und Strukturen zum Ziel führt. Ich tendiere mittlerweile immer mehr dahin.

Die Frage ist ja, was der Marshall-Plan bezwecken sollte. Letztendlich die Bundesrepublik einzubinden in ein westliches Bollwerk gegen den Kommunismus, und sie zu entwaffnen, damit due keine Angriffskriege mehr führt.
Der Plan ging, auch weil es von friedenssichernden Aktionen, wie Gründung der NATO und der UNO, begleitet wurde, auf.
Die Hamas wird man nicht militärisch besiegen können. Sie fliehen ins Exil und machen von dort weiter.
Nur wenn die Bevölkerung sieht, dass sie ihr Vermögen und ihre Wirtschaftskraft durch Unterstützung von Terroristen gefährdet, wird sie sich gegen sie wenden.
Man muss den Palästinensern also etwas geben, um das es sich zu kämpfen lohnt. Im Moment ist das halt ein Staatsgebiet und das Existenzrecht. Und beides ist momentan nicht durch die Hamas gefährdet.

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Precht will ich gar nicht verteidigen - mit dem habe ich schon lange so meine Probleme …

Bevor man aber sich über Lanz‘ Antisemitismus ereifert sollte man doch erst einmal von Ahnungslosigkeit in bestimmten Detailfragen vorwerfen, die mit allgemein üblichen Vorurteilen einhergehen. Diese Aussagen sollte man im Kontext ausschauen. Herr Lanz ging es um den politischen Einfluss der rechten Religiösen in Israel (dazu empfehle ich nochmal den o.g. ARD-Beitrag): Es ist kein Zufall, sondern eine langjährige gesellschaftliche Entwicklung, dass ultraorthodoxe bzw. radikale Juden und Rechtsradikale in der Regierung sitzen. Und diese Entwicklung entspringt genau dem Teil der Israeli, über die Lanz hier spricht - offenbar nicht in allen Details.

Wenn wir hier im Forum ebenfalls kurz nach dem Massaker durch die Hamas an Israelis auch darüber diskutieren, inwieweit die Politik gegenüber / der Umgang mit Palästinenser in Israel und/oder den besetzten Gebieten mitursächlich für die Radikalisierung dort ist, verstehe ich nicht, warum man sich nicht auch diesem Aspekt der israelischen Gesellschaft als mögliche, tieferliegende Ursache anschauen darf. Ich kann da kein mangelndes Mitgefühl sehen, vielleicht ein Mangel an Pietät (den wir dann hier im Forum auch hätten). Und: Weder Lanz noch Precht haben (nach meiner Wahrnehmung) in irgendeiner Weise das Massaker verteidigt oder relativiert.

Dass sich insbesondere Precht, aber auch Lanz dann in Aussagen verrennenden, die einem Faktencheck nicht standhalten, ist ebenso bedauerlich wie kritikwürdig. Das ändert aber an dem eigentlichen Thema, um das es Lanz offenbar ging (s.o.), nichts.

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Das liegt daran, dass du immer noch Begriffe durcheinander wirfst. Du sprichst von „Israel“, deine Artikel beziehen sich aber immer auf Ost-Jerusalem oder andere Teile des besetzten Westjordanlandes. Dass es dort massive Probleme mit der Diskriminierung von Muslimen gibt, bestreitet niemand.

Aber, bezogen auf das Kernland Israel:

  • Muslime besitzen die gleichen Rechte wie Juden. Ein knappes Fünftel der Bevölkerung sind Muslime. Es gibt mehr als 400 Moscheen in Israel, es gibt politische Vetretung, einen muslimischen Höchsrichter, mehr als 300 staatlich finanzierte Imame, staatlich finanzierte Koranschulen. Mehr als 20000 Studierende muslimischen Glaubens studieren an israelischen Hochdchulen etc etc.

  • Es gibt bestehende Diskriminierung auch im Kernland Israel. Dabei spielen zwei Kernfaktoren eine Rolle: 1.) Viele Privilegien sind an die Ableistung des Wehrdiensts gebunden, von dem Muslime befreit sind.

2.) Teile des israelischen Landes werden von dezidiert jüdischen Privatorganisationen verpachtet. Da haben Araber tatsächlich keinen Zugriff. Es gibt nach mehreren höchstrichterlichen Entscheidungen aber inzwischen den Workaround, dass der Staat dieses Land von Organisationen erwirbt und dann an Araber weiterverpachtet.

Also ja: Es gibt Diskriminierung. Aber strukturelle Diskriminierung gegenüber Minderheiten gibt es in jedem Land. Das kann und muss man kritisieren. Es erfüllt aber definitiv das Kriterium der Doppel-Standards der gängigen Antisemitismus Definitionen, wenn sich HMRW und Amnesty ausgerechnet Israel herauspicken und Berichte noch und nöcher darüber publizieren, was Israel seinen arabischen Bürgern angeblich alles antun würde. Viele Vorwürfe sind Halbwahrheiten, extrem selektiv oder ergeben sich, wie Muriel Asseburg schreibt, aus einer ex Post Analyse.

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Der Nahost-Wissenschaftler Tom Würdemann hat in einem m.E. sehr lesenswerten Gastbeitrag in der FAZ die realen, je spezifischen Benachteiligungen von Palästinensern mit der ideologischen Funktion und der Genese des Apartheidsbegriffs abgewogen:

Der Apartheidvorwurf konzentriert sich meist auf das besetzte Westjordanland. Die dortigen Zustände werden „One-State-Reality“ genannt: Das Westjordanland sei von Israel faktisch annektiert. Für Palästinenser gilt weiter ein die Grundrechte einschränkendes Militärrecht, für Siedler israelisches Zivilrecht. Die Besatzung sei daher ein System von „domination by one racial group over another“ und Apartheid gemäß dem römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs. Die BDS-Bewegung stellt sie in den Mittelpunkt ihrer Boykottaufrufe. Auch Organisationen wie Human Rights Watch, Amnesty International oder die israelische B’Tselem teilen diese Sicht.

Dennoch bleibt sie problematisch. Es herrscht keine Einigung darüber, was ­genau die „Apartheid“ ausmache. Die Zustände im besetzten Westjordanland? Das ist vielen zu wenig. In ganz Israel, wie laut Amnesty International? Oder ist es die bloße Existenz eines jüdischen Staates, wie der arabische Nationalismus behauptet hat, um dem Judentum den Status als Nation abzusprechen? Vor allem aber sind bis heute Sicherheitsinteressen ein dominantes Kriterium israelischer Politik, wie die jüngsten Ereignisse unzweifelhaft zeigen. Die These der „Einstaaten-Realität“ nimmt an, dass es einen Plan zur dauerhaften Unterdrückung der Palästinenser gebe. Doch die derzeitige Situation ist auch auf das Scheitern ernst gemeinter Friedensbemühungen vonseiten Israels zurückzuführen. Hätten diese Erfolg gehabt, würde sich die Frage nach der „Apartheid“ gar nicht mehr stellen.

Rassismus und Diskriminierung existieren in vielen Staaten. Der Be­griff der „Apartheid“ könnte auch auf die Lage von Gastarbeitern in manchen Golfstaaten oder der Palästinenser im Libanon angewendet werden. Das geschieht aber fast nie. Israel ist quasi der einzige Staat, dem „Apartheid“ vorgeworfen wird. Der Vorwurf zielt zudem fast immer auf die Brandmarkung Israels als eines „siedlerkolonialen Fremdkörpers“. Die Milieus der „Palästina-Solidarität“ um die BDS-Bewegung schlagen unisono den Bogen vom Apartheidvorwurf zum Ruf nach dem Verschwinden des Staates Israel „from the River to the Sea“. Dass damit ein säkulares Palästina „für alle“ gemeint sei, wird dann entlarvt, wenn das gleiche Milieu die Gräueltaten der Hamas rechtfertigt oder bejubelt. Den Worten derjenigen, die Israel als Apartheidstaat delegitimieren, folgen also auch Taten. Solange das so ist, wird und muss die Offenheit für Kompromisse in Israel gering sein.

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Die Hamas hat die letzten freien Wahlen in Gaza mit dem „Programm“ Israel zu vernichten, gewonnen. Seitdem dürfte die Situation kaum besser geworden sein. Gaza ist durchdrungen von der Hamas, dort leben bis zu 50000 Menschen (Kämpfer darf ich hier nicht sagen, Terroristen sind es erst, wenn sie was getan haben), die bereit sind für die Ziele der Hamas zu kämpfen. Die breite Unterstützung sah man in der Vergangenheit immer, wenn der Konflikt hochkochte. Ob das nun eine „überwältigende Mehrheit“ ist, ist letztlich Wortklauberei. Die Hamas ist in der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen fest verankert.
Den Vergleich mit Deutschland-Frankreich nach 1945 halte ich für völlig verfehlt. es handelte sich um moderat-religiös, aufgeklärte und im Grundsatz demokratische Gesellschaften mit freiem Zugang zu Informationen, in funktionierenden Staaten mit einer in relativem Wohlstand lebenen Bevölkerung. Das trifft hier auf Israel zu, aber nicht auf die Palästinenser: die Bevölkerung ist bitter arm und hat nichts zu verlieren, es gibt keine demokratische Kultur und kein funktionierendes Gemeinwesen. Es werden sich immer Kräfte finden, die jeden Friedensprozess sabotieren.

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Ich glaube auch, dass es kaum bestritten werden kann, dass die Hamas immensen Rückhalt in der palästinensischen Bevölkerung hat. Dennoch glaube ich, dass man daraus nie schlussfolgern darf, dass jeder einzelne Palästinenser für die Handlungen der Hamas verantwortlich ist.

Aber hier würde mich nun interessieren: Was ist dein Ausweg?

Ich stimme Israel zu, dass man jetzt die Hamas wirklich mit Stumpf und Stiel auslöschen muss, es muss quasi eine Ent-Hamasifizierung stattfinden, ähnlich wie in Deutschland 1945 eine Entnazifizierung stattfinden musste. Aber was dann?

Gerade die deutsche Geschichte hat doch gezeigt, dass man mit einem Marshallplan nachhaltig für Stabilität und Frieden sorgen kann, mit einem Morgenthau-Plan hätte das wohl eher nicht funktioniert. Und die deutsche Bevölkerung unter den Nazis war durchaus ähnlich verblendet wie viele Palästinenser unter der Hamas.

Und ja, historisch ist es ungerecht, dass Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg dieses Geschenk erhalten hat - und es wäre sicherlich auch ungerecht, die Palästinenser nach diesen abscheulichen Taten der Hamas zu belohnen. Aber meiner Meinung nach ist das der einzige Weg zum langfristigen Frieden: Israel muss nun die Hamas vollständig entmachten (auch, wenn das viele Opfer fordern wird), aber dann muss die internationale Gemeinschaft dafür sorgen, dass das, was in Gaza danach aufgebaut wird, aufblühen kann. Das ist eine Mammutaufgabe, aber was ist die Alternative? Da bleibt nur „permanente Unsicherheit für Israel“ auf der einen Seite oder „massive Vertreibung (oder schlimmeres)“ auf der anderen Seite. Und das will doch wohl niemand.

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11 Beiträge wurden in ein neues Thema verschoben: Israel und Nahost - Folgen in und für Deutschland

Das who is who der israelischen Linken hat einen offenen Brief als Reaktion darauf geschrieben, dass Teile der amerikanischen und europäischen Linken (im Wesentlichen die postcolonial/Critical Race Theory scholars) sich weigern, den Terror der Hamas eindeutig zu verurteilen.

Der Brief ist wirklich wirklich lesenswert, weil aus ihm Verzweiflung und Entsetzen darüber spricht, dass man in einer seiner dunkelsten Stunden von seiner politischen Heimat fallen gelassen wurde, obwohl man selbst immer solidarisch unterdrückten Minderheiten war, was im Brief auch nochmal betont wird.

Damit scheint der Autor David Baddiel auf tragische Art und Weise Recht zu behalten, der das, was jetzt passiert, in seinem Buch „Jews don’t count“ bereits vor einigen Jahren beschrieben hat: Buch über Antisemitismus: Jews don’t count - taz.de

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Was passiert denn gerade?

Ich würde Israel empfehlen klar zu kommunizieren: 1) wir werden die Hamas und ihren technischen Apparat komplett zerstören, egal was es kostet und wie lange es dauert.2) Wir werden die Zivilbevölkerung soviel wie möglich schonen, dem dient auch die jetzt schon kritisierte „Vertreibung“ als milderes Mittel gegenüber einem Flächenbombardement.3) Wir werden danach den Gazastreifen für eine befristete Zeit besetzen. 4) Wir fordern schon jetzt die Weltgemeinschaft auf, nach unseren Vorgaben mit unserer Hilfe Gaza wieder aufzubauen, für eine friedliche Bevölkerung. 5) Wir unterstützen alle Bemühungen in Gaza eine demokratische Gesellschaft zu etablieren.
Weiter vermag ich nicht zu denken, aber das wäre ein Anfang mit Perspektive, man müßte das nur jetzt schon ankündigen. Und: frei nach dem vulkanischen Sprichwort „Nur Nixon konnte nach China gehen“ ist Bibi auch die richtige Person das vor seinem Abtreten einzuleiten. Ich befürchte nur zu so einem Weg sind alle Beteiligten in ihren Denkstrukturen zu festgefahren. Aber es wird nicht ohne eine große internationale Anstrengung gehen. Immerhin: Magdeburg, Dresden, Hiroshima wurden auch wieder aufgebaut, es geht also!

Ich würde sagen, 1 und 2 macht Israel schon - wie gesagt will ich das auch gar nicht kritisieren, weil das absolut innerhalb des Selbstverteidigungsrechts Israels liegt und ich zustimme, dass dies aktuell notwendig ist.

Ob Israel selbst Gaza besetzen wird, ist so weit ich die Diskussionen verfolgen konnte auch in Israel umstritten, weil die Kosten bzw. möglichen Verluste einfach enorm sind.

Grundsätzlich scheinen wir uns einig zu sein, wo es letztlich hingehen soll. Die Frage wird nur bleiben, auf welchem Weg. Denn Blauhelm-Truppen haben in der Vergangenheit sowohl Israel als auch die Palästinenser abgelehnt (abgesehen davon, dass auch die Entsendeländer wenig Interesse haben, aktiv in den Nahost-Konflikt hineingezogen zu werden), aber eine friedenssichernde Besatzung durch Israel selbst ist vermutlich auch nur schwierig vorstellbar.

Ich denke aber, dass nur eine internationale Koalition diesen Konflikt mittelfristig (dh. über die nächsten 5-10 Jahre) halbwegs befrieden kann, bis man dort zivile Strukturen so weit verfestigen kann, dass eine Friedenssicherung nicht mehr nötig ist. Israel muss dazu jedoch zustimmen, die Zustimmung der Palästinenser ist nach der Zerschlagung der Hamas als „Regierung“ im Sinne einer Kapitulationsbedingung vermutlich weniger problematisch. Und ein etwaiges Mandat muss ausgesprochen „robust“ ausgestaltet sein, daher es muss die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten haben, z.B. etwaige Raketenabschüsse durch Terroristen effektiv zu unterbinden. Wie gesagt, dafür Länder zu finden wird auch nicht ganz einfach sein, die internationale Gemeinschaft von der Notwendigkeit zu überzeugen ist meiner Einschätzung nach eine schwere, aber machbare Aufgabe.

Ich fand diesen Artikel interessant und nuanciert, er beruft sich ebenfalls auf Experten und zeigt das die Frage der Grenzen des Völkerrechts nicht völlig unumstritten sind:

Hier wird - wie von dir auch - das Abdrehen der Versorgung kritisiert:

Israeli officials justify [cutting off supply] on the basis that Hamas diverts civilian goods for military use. “Clearly” says Amichai Cohen, a law professor at the Israel Democracy Institute in Jerusalem, “there is some level of supply that Israel should allow. The question is whether Israel should provide electricity to areas which are clearly controlled by Hamas, and where Hamas will use the electricity in order to attack Israel.” Others, such as Tom Dannenbaum, a law professor at Tufts University in Boston, argue that Mr Gallant’s order plainly violates a prohibition on starving civilians—even if the goal is to squeeze Hamas.

Der Artikel argumentiert aber auch, dass internationales Recht Israel vermutlich mehr Spielräume einräumt als eine moralische Intuition nahelegt und dass zivile Opfer nicht unbedingt ein Kriegsverbrechen bedeuten:

[…] ihl, which governs the conduct of armies once they are waging a war, demands that soldiers distinguish between combatants and military objects on the one hand, and civilians and civilian objects on the other. Targeting the latter on purpose is always illegal. But an attack that kills civilians—even lots of them—can be legal if it is necessary for some military purpose and proportional “in relation to the concrete and direct military advantage anticipated”.

Israel’s targeting is “broadly within the mainstream of contemporary state practice” and in line with American doctrine, argued Michael Schmitt of the University of Reading and Lieutenant-Colonel John Merriam, a us Army Judge Advocate, in papers published after they visited the idf’s headquarters and studied its procedures shortly after Operation Protective Edge, Israel’s 50-day war on Hamas in 2014.

But the same legal principles, even interpreted in broadly the same way, can result in different and sometimes jarring outcomes because of local circumstances. Hamas’s large rocket force, capable of striking most of Israel, means that the anticipated “military advantage” of attacks is seen to be high, note Mr Schmitt and Lt-Col Merriam. That can justify, in the idf’s view, high levels of collateral damage that would appear excessive to an army whose civilian population did not face a comparable threat[…]

Der Artikel schließt damit, dass internationales Recht eine Dimension ist, aber dass nicht alles was legal ist auch hilfreich ist um die internationale Unterstütztung für Israel aufrecht zu erhalten.

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