In erster Linie ging es mir darum, zu verdeutlichen, dass der Vergleich mit Russland nicht funktioniert, weil Russland einzig aus imperialistischen Motiven handelt (und das Argument der „präventiven Selbstverteidigung“ gegen angeblich geplante „ukrainische Aggression“ recht offensichtlich Propaganda ist…) während Israel tatsächlich in der schwierigen Situation ist, eine sichere Heimatstätte für das Judentum weltweit stellen zu wollen und tatsächlich oft Ziel von Kriegsangriffen (nach der Gründung) und Terrorismus wurde, was dem Ziel Israels diametral entgegen steht. Die Lage ist eben viel komplexer als im Russland-Ukraine-Konflikt (nicht, dass die Lage dort nicht auch komplex wäre, aber eben nicht so komplex, dort ist wesentlich klarer, wer im Recht und wer im Unrecht ist).
Wichtig ist hier noch anzumerken, dass auch in einem Verteidigungskrieg niemals Gebietsgewinne toleriert werden können. Das häufige Argument, Israel habe Recht auf die Gebiete, weil es sie gewonnen hat, kann grundsätzlich nicht zählen (selbst wenn die Gebiete in einem Verteidigungskrieg gewonnen worden sind, worüber man streiten kann). Der Grund ist einfach: „Um 5:45 wird zurück geschossen“ ist nur ein sehr deutsches Beispiel dafür, wie der Aggressor über Propaganda versucht, sich zum Verteidiger zu machen, ebenso wie Russland seine Aggression mit der Abwehr einer angeblich bevorstehenden Aggression durch die Ukraine begründet und Israel den Sechstagekrieg mit der Argumentation eines präventiven Verteidigungskrieges geführt hat.
Lassen wir Gebietsgewinne zu, eröffnen wir ein Fenster für Aggressionskriege mit dem Ziel des Gebietsgewinns unter der Maske des Verteidigungskrieges, verteidigt durch Propaganda und möglicherweise ausgelöst durch False Flag-Aktionen. Das gilt es zu verhindern, weshalb Gebietsgewinne auch in Verteidigungskriegen grundsätzlich nicht anerkannt werden.
Der Sieger eines Verteidigungskrieges hat natürlich das Recht, die Gebiete des Besiegten für eine begrenzte Zeit zu besetzen, bis dort wieder eine Ordnung etabliert werden kann. Die war bei den Golan-Höhen z.B. anfangs der Fall. Aber in dem Moment, in dem Israel begann, Siedler auf die Golan-Höhen zu schicken und das Gebiet damit zu annektieren, hat es zweifelsohne das Völkerrecht gebrochen, da es damit zum Ausdruck gebracht hat, das Gebiet dauerhaft behalten zu wollen.