Israel & Nahost-Konflikt

Man könnte auf den US-Präsidenten verweisen:

The United States remains committed to ensuring that civilians in Gaza will continue to have access to food, water, medical care, and other assistance, without diversion by Hamas.

https://twitter.com/JoeBiden/status/1716568429291880708

The United States remains committed to the Palestinian people’s right to dignity and to self-determination.
The actions of Hamas terrorists don’t take that right away.

https://twitter.com/POTUS/status/1716810524833313147

2 „Gefällt mir“

Die Eroberung und das Besetzen des Westjordanlandes entstammt militärischer Selbstverteidigung. Letztere wurde notwendig, um weitere Angriffe gegen Israel aus Jordanien deutlich zu erschweren. Das meint „die Gebietsgewinne entstammen der Verteidigung“

Es ist legitim, Gebiete vorübergehend zu besetzen, um Schaden von der eigenen Bevölkerung abzuwenden. Das Sender Gleywitz Beispiel ist denkbar unpassend, denn die Legitimation der vorübergehenden Besatzung ergibt sich ja nicht aus den Behauptungen der Kriegsparteien, sondern aus der objektiven Faktenlage. Dass Israel ein vorübergehendes, berechtigtes Interesse hatte, das Westjordanland zu besetzen, ist heute weitestgehend Konsens.

Auf das Argument zu verweisen, dass Despoten und Tyrannen gelegentlich das vorgeschobene Argument der Selbstverteidigung nutzen, geht daher ins Leere.

Ich finde übrigens, dass die Diskussion am Kern vorbei geht, weil der Siedlungsbau auf besetztem Gebiet immer illegal ist und es völlig unstrittig ist, dass Israel hier ein illegitimes zwei Klassen System errichtet hat und eine über 50 Jahre dauernde Besatzung eigentlich nur ein sehr zynischer Treppenwitz der Geschichte ist.

1 „Gefällt mir“

Sieh es mal so: Wie Deine klar und differenziert geäußerte Position oder Haltung wahrgenommen wird, liegt in erster Linie in der Verantwortung Deines Gesprächspartners. Deine Verantwortung ist die Differenziertheit und Klarheit.

Dass viele Menschen gerade bei emotional aufgeladenen Themen beim Zuhören bzw. Lesen nur zu gern nach bestimmten Formulierungen geradezu suchen, um den Gesprächspartner in eine Schublade einzuordnen, ist leider oft so (und ich tappe oft selbst in dieses Verhalten). Ich habe da auch noch keinen Weg gefunden, dieses Verhalten meines Gesprächspartners früh genug festzustellen, um es auf der Metaebene auszuräumen.

(Teil 1)

Die öffentliche Debatte scheint sich zu wandeln. Das Leid der Palästinenser und die Einhaltung von Menschenrechten scheint langsam mehr Raum in unserer Debatte einzunehmen. Selbstverständlich gilt die Sicherheitsgarantie für Israel unabhängig davon fort.

Nachdem der israelische Botschafter in Berlin, Prosor, vor ein paar Tagen bereits bei Will für einen kleinen Eklat sorgte, indem er nahe legte, 20-30 % der Gaza-Bewohner seien Hamas oder Hamas-Unterstützer (je nach Lesart) und daher eine Trennung zwischen Hamas und Bevölkerung ablehnt [1], wurde heute auch beim UN-Sicherheitsrat weiter scharf geschossen. UN-Generalsekretär Guterrez verurteilte zum wiederholten mal die Terrortaten der Hamas, kritisierte dann aber auch die israelischen Attacken im Gaza-Streifen.

Das heute journal vom 24.10.2023 (4:11) gibt Guterrez wie folgt in indirekter Rede wider:

Die Hamas-Angriffe seien nicht im luftleeren Raum geschehen. Das palästinensische Volk sei 56 Jahre lang einer erdrückenden Besetzung ausgesetzt gewesen.

Und weiter in direktem Zitat

Ich bin sehr besorgt über die klare Verletzung des internationalen, humanitären Völkerrechts, die wir im Gaza-Streifen beobachten. Um es klar zu sagen, keine Partei in einem internationalen Konflikt steht über dem internationalen humanitären Gesetz.

Und wie reagiert Israel darauf, dass Guterrez Selbstverständlichkeiten anspricht? Es fordert seinen Rücktritt. Danach führt das Heute Journal zwei einordnende Interviews, zum einen mit der US-Korrespondentin Belz, die Guterrez Rede in eine Reihe mit Forderungen der USA und „anderer Partner“ stellt, nämlich Akzeptanz von Selbstverteidigung und Kampf gegen die Hamas, aber Forderungen stellt:

[…], keine Rache. Rücksicht auf die Zivilisten in Gaza. Humanitäre Hilfe. Unbedingt noch Zeit um eine Freilassung der Geiseln zu erreichen. Und natürlich auch ein klares Kriegsziel. Wie soll es eigentlich weitergehen?

[1] Im Wortlaut, Anne Will vom 22.10.2023 Minute 35:

Was haben wir jetzt gelernt. Dass die [über die] Bevölkerung in den Kibbuzinen, die gearbeitet haben, [die] haben genau auf Karten geschrieben, hier lebt Frau Will, 2 Kinder, 1 Hund, eine Tür [oder eine Tier - das verstehe ich nicht richtig], ein Fenster und wo ist der Schutzraum. Und die sind - ach so [oder also], wo ist ein Kindergarten. Und die sind da hingegangen um Leute hinzurichten. Das waren nicht nur die Führung von Hamas. Das war die Bevölkerung. Ich weiß nicht welcher Teil das ist. Das heißt, ist es 20 %, ist es 30 %. Aber diese Teilung mit der Bevölkerung verharmlost die Sache. Es ist mir klar, aber da glaube ich, dass bei uns wirklich ein Paradigmenwechsel stattfindet, wo wir sagen, das [die Teilung] funktioniert nicht mit Hamas und das wird auch mit Hizbollah nicht funktionieren.

3 „Gefällt mir“

(Teil 2)

Anschließend wurde der ehemalige UN-Botschafter und Chef der Münchener Sicherheitskonferenz Heusgen interviewt (ca. 7:30), der Guterrez in allen Punkten Recht gibt und noch einmal deutlich darauf hinweist, dass die Besatzung des Palästinsergebiets eine eklatante Verletzung des Völkerrechts darstellt und seinen Anteil an der aktuellen Situation hat.

Er plädiert noch einmal eindringlich dafür, auf einen Einmarsch der Israelis im Gaza-Streifen zuverzichten. Das würde nur einen Flächenbrand auslösen und die Annäherung mit den arabischen Staaten über Jahre zurückwerfen. Und anschließend müsse Israel zur Zweistaatenlösung zurückkehren, da diese geltendes, internationales Recht ist. Er präzisiert sogar auf die Nachfrage, ob er wirklich meinte, „Israel solle besser auf die Bodenoffensive verzichten“:

Auf jeden Fall. Das sagen alle. Das sagen auch diejenigen, die jetzt mit der Geiselbefreiung zutun haben. Das sagt Katar, das sagt Ägypten, die amerikanischen Präsidenten Biden und Obama haben, aufgrund der Erfahrungen, die sie nach dem 11.09. gemacht haben, mit US-Operationen und Konsequenzen geraten, dass Israel jetzt nicht aus Zorn und Hass überreagiert.

An der europäischen Haltung zur Zweistaatenlösung lässt er wenige gute Haare. Er betont erneut die Sicherheitsgarantie Deutschlands für Israel, aber kritisiert, dass Europa zwar mehrfach Israel ermahnt habe internationales Recht einzuhalten, aber nie Konsequenzen gezogen hätte. Da bahnt sich ein Strategiewechsel in der deutschen Kommunikation an, denn er stellt die rhetorische Frage

, ob es zur langfristigen Garantie der Sicherheit Israels nicht auch gehört, Israel zu ermahnen internationales Recht einzuhalten.

Ich hoffe, dass wir nun endlich einen Politikwechsel Israels in der Palästinenserfrage sehen wenn man dort erkennt, in Zukunft keine Blankochecks mehr aus der USA oder aus Deutschland zu erhalten.

4 „Gefällt mir“

Liebes Lage-Team, ich höre die Lage schon seit 2014 und musste noch nie etwas sagen. Bei diesem Thema kann ich aber nicht schweigen. Es wurde schon angesprochen, aber mir fehlt bei Euch im Podcast die Perspektive und die historische Verantwortung als Deutsche in Deutschland, wenn Brandsätze auf Synagogen geworfen werden und Häuser mit „Judensternen“ markiert werden. Es fiel - im Zusammenhang mit Freiheitsrechten - der Satz „für die Staatsraison muss man nicht auf die Straße gehen“ und ich hoffe sehr, dass dieser wirklich nur in einem allgemeinen Kontext gemeint war und nicht bezogen auf die aktuellen antisemitischen Attacken. Ich stand am Mittwoch nämlich mit 20 Leuten vor der Synagoge in der Brunnenstraße bei der Mahnwache und gleichzeitig waren Tausende in Neukölln und Kreuzberg unterwegs. Das hat mich doch sehr schockiert. Offensichtlich ist es den meisten Deutschen egal, wenn hier lebende Juden bedroht werden. Ich weiß nicht, was Eure jüdischen Freunde dazu sagen - meinen geht es damit nicht gut. Ich würde mich freuen, wenn Ihr das in der neuen Folge noch einmal aufgreift.

13 „Gefällt mir“

Ich finde, Dein Beitrag insinuiert eine Haltung der Hosts, die sie definitiv nicht haben. Wer dem Podcast nur ein paar Folgen folgt, weiß, das Ulf und Philip sich ebenso klar gegen jeglichen Antisimentismus wie auch gegen das Feiern des Hama-Terrors positionieren.

Konkret was hat Dich irritiert?

Und bitte nicht „… haben nicht betont, dass …“. Das wäre ein unzulänglicher Versuch, jemand in sehr einfach strukturierte Schubladen zu packen.

3 „Gefällt mir“

Oder war es Anne Will?

2 „Gefällt mir“

Er sagte aber auch: „Es ist wichtig zu erkennen, dass die Angriffe der Hamas nicht im luftleeren Raum stattfanden.“
… Satz gel. Mod. Ich finde es krass, wie er das so mal eben relativiert, was die Hamas dort angerichtet hat. Wirklich krass.

6 „Gefällt mir“

Liebes Lage-Team,

ich höre Euren Podcast regelmäßig und schätze Eure Einschätzungen und Interviews sehr.
Wie bei vielen kreisen meine Gedanken in den vergangenen Tagen um die grässlichen Ereignisse in Israel und Palästina und ich habe große Sorge vor einer weiteren Eskalation und deren Auswirkungen - vor Ort aber auch hier bei uns. Wie lässt sich eine sich immer schneller drehende Spirale der Gewalt verhindern? Diese Frage lässt mich nicht zur Ruhe kommen.

Heute kam mir dazu eine konkrete Frage: wieso kontrolliert und liefert Israel die so dringend in Gaza benötigten humanitären Hilfslieferungen nicht selbst??? z.B. über den Seeweg um das Leid der Zivilbevölkerung zumindest etwas zu lindern und damit der Hamas und den Feinden Israels etwas an Zündstoff zu nehmen?

Die Zeitungen sind voll von Kommentaren und Einschätzungen dazu in was für einem grässlichen Dilemma Israel steckt und wie schmal der Grad der Diplomatie Dritter ist. Die Kombination aus Hilfe und Angriff klingt absurd. Aber müssen in Anbetracht der katastrophalen Lage nicht alle deeskalierenden Möglichkeiten in Betracht gezogen werden?
Falls ihr für die nächste Folge ein Interview mit einen Nahost-Experten oder Diplomaten plant, möchte ich Euch dazu anregen, diese Frage zu stellen.

In großer Sorge.
Anatayo

1 „Gefällt mir“

Ich weiß jetzt nicht, was an Prosors Aussagen ein Eklat ist.

es war diese Sendung ab Minute 31:00.
Neuer Krieg in Nahost – Gibt es noch einen Ausweg? | Das Erste - Anne Will - Videos (ndr.de)

Dass man den Anteil der Unterstützer der Hamas nicht einschätzen kann, ist wahr. Das haben Ulf und Philip auch in Ihrem Podcast als „Dilemma“ für die israelische Armee bezeichnet.
… Abs gel. Mod.

Tipp von mir zum Anschauen im ZDF von gestern Abend:

Eskalation in Nahost - ZDFmediathek

Hoffnung hat mir der Bericht bei „heute“-Sendung gegeben, die das friedliche Zusammenleben von arabischen und jüdischen Israelis zeigt. Ab Minute 5:00.

ZDF heute Sendung vom 24. Oktober 2023 - ZDFheute

Hab mir die Dokumentation angesehen, die zumindest versucht, beide Seiten zu sehen.
Es fehlt allerdings das Attentat an Rabin durch eine rechtsextremen Israeli.

Ich fühle nach dem furchtbaren Morden durch die Hamas so sehr mit Israel und weiß einfach keinen Weg aus dem Dilemma. Nur setzt sich Israel selbst ins Unrecht, indem es völkerrechtswidrig Gaza ohne Rücksicht auf die leidende Zivilbevölkerung weiter bombardiert.

1 „Gefällt mir“

Ich danke dir, dass du mich darauf aufmerksam machst. Ja, es ist tatsächlich kognitive Dissonanz, dass so viele Menschen jetzt ernsthaft diskutieren - ob Gaza mit 2 Mio Menschen und einem Anteil von 50% Kindern, jetzt weiter bombardiert werden sollte.

Es ist für mich nicht zu ertragen, dass undifferenziert auf Kinder, Frauen, Männer, Ältere, Christen, Muslime, Juden, Menschen mit Behinderung, Sänger:innen, Medizinisches Personal, Künstler:Innen, Haustiere, lebensnotwendige Infrastruktur… Flächenbombardements stattfinden und der Bevölkerung den freien Zugang zu Wasser und Brot verwehrt.

Und nein - Bomben lösen den Konflikt nicht.

Ja du hast Recht - es ist für mich kognitiv nicht nachvollziehbar, dass wir Deutsche, die immer noch die Missachtung von Menschenleben kollektiv aufarbeiten, hier nicht sofort Stellung beziehen und klar sagen: NEIN! Eine Kollektivstrafe verstößt gegen die Genfer Konventionen. Und genau dafür sind sie da - damit nie wieder solche Kriegsverbrechen gibt.

… Abs. gel. Mod.

Jap - ich möchte niemals zu den Menschen gehören, die das OK finden.

6 „Gefällt mir“

Das ist richtig. Die Beurteilung wie meine Haltung aufgenommen wird, liegt in der Beurteilung meines Gesprächspartners. Nun bin ich aber auch eine privilegierte„deutsche Kartoffel“, die sich normalerweise nicht mit irgendwelchen auf Äußerlichkeiten beruhenden Stereotypen und Vorurteilen herumschlagen muss und der auch erlaubt wird sich noch einmal genauer zu erklären. Angesichts dessen stell ich mir die Frage aber gar nicht nur für mich selbst. Wenn ich mir schon in dieser Ausgangsposition ohne jeglichen persönlichen Bezug in den Nahen Osten die Frage stelle, wie es möglich ist, sich für Menschen- und Völkerrecht einzusetzen, stelle ich mir es noch schwieriger vor, wenn man in Deutschland lebt und Verwandte und Freunde dort hat, um die man sich Sorgen macht. Gerade auf die angesprochene Ventilwirkung bezogen fehlt mir irgendwie eine „neutrale“ Möglichkeit die nicht durch ihr pro eine „Seite“ direkt anti andere „Seite“ ist (ja ich weiß, dass neutral ein utopisches Wort ist). Was mache ich als Mensch, der zuhause sitzt, sieht, wie es seinen Verwandten und Bekannten im Gazastreifen gerade geht und einfach laut sagen möchte „bitte schaut auch dort hin“ ohne dabei Aggressionen gegen Israel äußern zu wollen oder den Terror der Hamas relativieren zu wollen? Wenn man seinem Staat in dem man jetzt lebt „bitten“ möchte sich auch dafür einzusetzen (ohne beurteilen zu können, was der „richtige“ oder „falsche“ Weg ist). Die Seiten sind so aufgeladen, dass zumindest mir es so vorkommt, dass man in dem Falle nur zuhause bleiben und mit seinen eigenen Emotionen klar kommen kann oder aber am Ende doch zu einer pro-palästinensischen Demo geht, weil man eine viel höhere emotionale Beteiligung hat und dann am Ende als der antisemitische „Ausländer“ wahrgenommen wird, da diese Demos leider oft aggressive, pro Hamas und antisemitische Auswüchse haben. Vielleicht übersehe ich aber auch etwas?

Liebe Merrit,

wie würdest DU denn als Staat Israel vorgehen? … Abs. gel. Mod.
LG

Wissen die Diskutanten hier eigentlich nicht, dass die Hamas aus Gaza heraus nach wie vor Raketen auf Israel abfeuert. Israel wird ebenso bombardiert.! Und zwar wahllos und gerne aus zivilen Gebäuden heraus.

5 „Gefällt mir“

Natürlich. Doch. Schon. Allerdings können die Palästinenser nicht wirklich weichen.

Ehrlich gesagt sehe ich sehr Israels Bedrohungslage, aber auch im Gazastreifen leben so viele Kinder.
Und Wasser und Strom abstellen ist sehr fragwürdig.
Aber das wurde hier im Thread auch schon hinreichend diskutiert.
Ein demokratischer Staat sollte den eigenen Werten entsprechen.

2 „Gefällt mir“

Oh doch, dass wissen die Diskutant:innen hier. Die Diskutant:innen hier streiten Israel auch gar kein Selbstverteidigungsrecht ab oder Leugnen die weiteren Angriffe auf Israel durch die Hamas und sie haben auch nicht die Lösung parat. Die Diskutant:innen wissen aber auch, das Israel oder auch Deutschland im Gegensatz zur Hamas das „Pech“ haben, dass sie nunmal demokratische Staaten sind, die Völker- und Menschenrecht in ihre Handlungen, Überlegungen und Aussagen einbeziehen müssen und nunmal keine gewalttätige menschenverachtende Terrororganisation, die sich um so etwas nicht schert.

2 „Gefällt mir“

Das ist ein harter Vorwurf, denn er würde voraussetzen, dass Israel absichtlich die Zivilbevölkerung ins Visier nimmt. Hast du für diese Einschätzung Belege?

Anbei eine Einschätzung des renommierten Völkerrechtlers Professor Talmon.


Quelle: Israel, Hamas, Gaza: Welche Regeln setzt das Völkerrecht? – DW – 19.10.2023

6 „Gefällt mir“