Inzidenz unter 10 oder 50

Hallo,

Ihr setzt euch stark dafür ein, erst zu lockern, wenn die Inzidenz deutlich niedriger als jetzt ist, zB unter 10.

Was ich nicht verstehe: steht hinter diesem Gedanken die Idee, dass der R Wert irgendwie auch von der Inzidenz abhängt?

Als erstes würde man doch denken, dass der nur von der Anzahl Kontakte abhängt, d.h. bei Öffnung geht er sofort hoch und man hat wieder die schnelle Verdopplung, unabhängig von der Inzidenz. Bei Verdopplung in sagen wir 10 Tagen bringt also Inzidenz 10 vs. 40 genau 20 Tage mehr Zeit.

Wir haben doch im Herbst gesehen, dass diese ganzen Diskussionen bei 35 machen wir das und bei 50 jenes völlig sinnlos waren, weil diese Schwellen in ein bis zwei Wochen durchgerauscht sind.

Für die Langstrecke gilt es die Kontakte zu reduzieren, also auf den effektiven R Wert zu schauen. Wenn der hoch ist, dann dauert es nicht sehr lange von 5 bis 50.

Was folgt aus meinem Argument? Wahrscheinlich einfach, dass man bei 10 auch nicht aufmachen kann. Man kann erst aufmachen, wenn durch Impfungen oder andere gesellschaftliche Veränderungen der effektive R Wert ohne Maßnahmen nicht weit über 1 ist. Traurig, aber so ist die Mathematik.

Oder habt ihr da was anderes im Sinn? Warum soll niedrigere Inzidenz jetzt besser kontrollierbar sein als im Herbst?

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Nein. Andersherum wird ein Schuh daraus: Die Inzidenz folgt aus dem R-Wert und der Inzidenz der letzten Tage.

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Naja, ihr argumentiet ja aber damit, dass man bei einer Inzidenz unter 10 die Pandemie besser kontrollieren kann, ohne ständig wieder in einen Lockdown zu müssen. Das bedeutet ja aber, bei Inzidenz unter 10 kann man R <= 1 halten, was bei Inzidenz 50 nicht klappt. So gesehen, beeinflusst die Inzidenz in dieser Argumentation auch den R-Wert (oder hab ich euch da falsch verstanden?). Ein Argument was diesbezüglich ja immer gebracht wird - die Kontaktnachverfolgung ist bei niedrigen Zahlen besser möglich. Theoretisch sollte das tatsächlich einen Einfluss auf R haben.

Ja, die Grundtatsachen und Definition sind klar.

Ich meine: Ihr sagt, Inzidenz 10 lasse sich besser kontrollieren als 50. Warum? Dafür sehe ich kein Argument und auch keine empirischen Belege.

Neue Software bei den Gesundheitsämtern erhöht vielleicht die Menge an Briefe, die die schicken können, aber das hat kaum Einfluss auf die Eindämmung. Wir waren ja bei Inzidenz 3 oder 5 und konnten das auch nicht kontrollieren. Eure 10 ist genauso eine beliebig gewählte Zahl wie 35 oder 50. Lockert man, dann geht es hoch und zwar exponentiell d.h. Verdopplung in konstanter Zeit.

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Gerade auch wieder auf Tagesschau:

https://www.tagesschau.de/inland/zahlen-in-der-corona-pandemie-101.html

„Unstrittig ist, bei unter zehn können sie die Kontakte super nachverfolgen“, sagte die Kanzlerin schon im Januar. Wobei Merkel auch weiß: „Leichter im Griff zu halten ist es selbstverständlich unter zehn. Aber wir sind nicht nur für die Frage der Epidemiologie verantwortlich, sondern auch für die Frage: Wie lange können wir noch welche Einschränkungen rechtfertigen?“

Und so ist die große Zeit der 50 wohl vorbei. Die zehn könnte zu ehrgeizig sein. Gute Chancen also für die 35 auf eine große politische Karriere.

Da wird das Argument gebracht bei 10 kann man super nachvollziehen, aber dieses Nachvollziehen dämmt die Ausbreitung nachweislich nicht ein, bzw. ist doch schon alles eingepreist.

Wenn man bedenkt, wie die Werte im Herbst durchgerauscht sind, dann sind diese Diskussionen 10, 35 oder 50 wirklich sinnlos. Wir haben das exponentielle Wachstum nach einem Jahr Pandemie immer noch nicht verstanden.

Mir haben in der letzten Lage auch die Argumente gefehlt, warum es diesmal (anders als im Sommer 2020) nach einer Inzidenz von <10 keinen erneuten Anstieg der Fallzahlen mehr geben soll, wenn man Maßnahmen entsprechend wieder lockert. Auch eine Auseinandersetzung mit Argumenten die gegen eine Realisierbarkeit eines solchen Ziels sprechen, habe ich vermisst.
Häufig wird gesagt, bei niedrigigen Inzidenzen sei die Kontaktnachverfolgung „endlich wieder möglich“. Damit wurde ja monatelang der „heilige“ Wert 50 gepriesen, der nun ausgedient zu haben scheint. Fakt ist aber, dass viele Gesundheitsämter auch jetzt schon in der Lage sind, alle angegebenen Kontaktpersonen von positiv Gestesteten innerhalb von 24 Stunden zu kontaktieren. Aber was heißt das? Die Kontaktnachverfolgung kann ja immer nur so gut sein, wie die Menschen mitspielen. Valide Informationen darüber, wie und wo sich Menschen mit welcher Wahrscheinlichkeit infizieren, gab es schon letzten Sommer, als die Indizenzen unter 10 lagen, nicht und sie gibt es auch heute nicht.
Anzunehmen ist doch eher folgendes Szenario: Je mehr die Zahlen sinken und/oder je länger es dauert, desto stärker wird der Wunsch nach Lockerungen. Das heißt auch, dass die Compliance rapide sinken wird. Angesichts steigender Temperaturen und Impfzahlen wird auch das Argument einer drohenden Überlastung des Gesundheitssystems an Überzeugungskraft verlieren. Und je inkonsistenter die Maßnahmen werden (wenn z.B. verboten bleibt, was letztes Jahr bei gleicher Inzidenz und trotz weit weniger Testmöglichkeiten erlaubt war), desto mehr werden Menschen „frei Schnauze“ handeln. Das heißt im Zweifelsfall auch: dem Gesundheitsamt nicht sagen, mit wem man sich getroffen hat, dass man Kontaktperson war, sich nicht an die Quarantäne halten etc.
Angesichts dieser „Compliance-Falle“ bei Zero/Low-Covid finde ich ein Vorgehen mit vorab klar definierten Zwischenschritten á la „bei Indidenz X kann Y öffnen“ für die Langstrecke sehr viel aussichtsreicher .

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Sinnlos sind die Diskussionen, wenn völlig unklar ist, was bestimmte Werte bedeuten (wie willkürlich die Zahl 50 ist, dürfte ja inzwischen hinlänglich bekannt sein) und wenn es keinerlei Regelungen gibt, was bei einem bestimmten Wert passieren soll. Beispiel Berlin: Hier gibt es seit Mai eine sogenannte Corona-Ampel mit den Indikatoren 7-Tage-Inzidenz, R-Wert und Intensivbettenkapazitätä. Es wurden auch bestimmte Schwellenwerte definiert, aber anstatt diese mit bestimmten Maßnahmen zu verknüpfen, hieß es nur „bei Gelb gibt es Redebedarf und bei Rot Handlungsbedarf“. Noch Fragen? :smiley:

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Über 35 und 50 ist genug gesagt worden, aber in Bereichen von 10, 7 oder 5 kann der R-Wert schon von der Inzidenz abhängen. Das ist ja die zentrale Idee von NoCovid: Eine echte Kontrollierbarkeit des Erregers. Wenn es generell wenig davon gibt, durch sinnvolles Testen Ausbrüche schnell auffallen und alle Kontakte nachvollzogen und Quarantänen eingehalten werden, bleibt man bestenfalls in diesem Bereich nahe Null.

Dass aktuell bei so vielen Fällen der Ursprung unklar ist, führt sicherlich dazu, dass Cluster unerkannt bleiben und Infektionsketten nicht durchbrochen wären. Die Frage, welchen Einfluss die Arbeit der Gesundheitsämter aktuell auf den R-Wert hat fände ich spannend, die Annahme ist jedenfalls, dass er bei kleineren Zahlen größer wird.

Am Ende sind Maßnahmen doch nur so gut, wie sich Leute aus Überzeugung daran halten bzw. wie sie kontrolliert werden können. Verordnungen sind gut, bewirken aber nicht unbedingt verantwortungsbewusstes Verhalten. Ich fahre auf der Autobahn auch nicht bei Glatteis 130 km/h, nur weil dort ein entsprechendes Schild steht.
Es geht also im Kern darum, mit dem Virus noch länger zu leben, selbstverständlich auch dadurch, Kontakte zu reduzieren oder sich entsprechend zu schützen. Warum soll ich mich im Baumarkt eher anstecken als im Supermarkt? Warum ist es gefährlicher, wenn mich zwei Personen aus einem Hausstand besuchen, als wenn ich diesen Hausstand besuche. Wenn Leute die Logik nicht mehr verstehen, werden sie sich auch nicht zielgerichteter verhalten.
Es muss darum gehen, den Inzidenzwert noch unten zu bekommen und zu halten, ohne die unerwünschten Nebenwirkungen auf ein unerträgliches Niveau zu befördern.

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Danke für den Thread. Ich denke, dass ist ein äußerst wichtiges Thema :slight_smile:

Das ist eine der wichtigsten Punkte, die in meinen Augen immer noch nicht ganz in der öffentlichen Debatte angekommen ist: Der R-Wert ist das, was wir durch unsere sozialen Aktivitäten direkt und unmittelbar beeinflussen. Hierbei setzt sich der R-Wert aus verschiedenen Komponenten (Arbeiten im Büro, Schulen, Freunde treffen etc.) zusammen, deren Größe mit der Infektionsgefahr skaliert. Durch unsere Maßnahmen können wir die einzelnen Beiträge zum Gesamt-R-Wert reduzieren. Auch eine funktionierende Kontaktnachverfolgung hat einen senkenden Einfluss auf den R-Wert.

Der math. Zusammenhang zwischen dem R-Wert und der Inzidenz ist hierbei wie folgt: Der R-Wert ist ein Maß für die Ableitung (genau genommen log(R)) der Inzidenz. Oder anders gesagt: Integrieren wir den R-Wert (log(R)) bekommen wir die Inzidenz. Wenn wir nun das Ziel verfolgen, sowohl eine Überlastung des Gesundheitssystems als auch Jojo-Lockdowns zu vermeiden, muss dauerhaft R<1 gelten. Das ist in meinen Augen absolut alternativlos. Und um diesen Punkt geht es dir glaube ich @tomkalei .

Daher gebe ich dir hier recht. Für ein nachhaltiges Containment müssen wir dringend auf der R-Wert gucken. Wenn man das nicht tut, wiederholt sich der Herbst, als der R-Wert über Wochen bei ca. 1.1 war, ohne das die Miniterpräsidenten das als Problem wahrgenommen hätten.

Tatsächlich tut er das wegen Schwelleneffekten und der Effektivität der Kontaktnachverfolgung:
Drosten sagt in seinem Podcast, dass bei Corona auch mit Schwelleneffekten zu rechnen ist. Wie groß deren Einfluss ist, keine Ahnung. Jedoch führt dies dazu, dass bei geringer Inzidenz die Basisreproduktionszahl R_0 (also falls keine Maßnahmen erfgriffen würden) kleiner ist als bei hoher. Außerdem können die Gesundheitsämter bei geringer Inzidenz trotz gleicher sozialer Aktivität in der Bevölkerung die Kontakte besser nachverfolgung. Beide Punkte führen dazu, dass der R-Wert eine Abhängigkeit von der Inzidenz aufweist; in der Form, dass wir bei geringerer Inzidenz einen kleineren R-Wert erhalten, wenn die sonstigen Maßnahmen gleichbleiben würden.

Sobald wir also erst einmal geringere Inzidenzen erreicht haben, können haben wir einen deutlich größeren Puffer, um R<1 einzuhalten als bei hoher Inzidenz. (Das ist der Kerngedanke von NoCovid)

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Das sehe ich anders. Der R-Wert ist nichts anderes als eine rechnerische Größe, die sich aus Meldeinzidenzen zu zwei bestimmten Zeitpunkten ergibt. Weil die gemeldeten Inzidenzen aber nur einen Teil der tatsächlichen Infektionen betreffen, kann der reale R-Wert ohnehin nur geschätzt werden.
Da aber viele Modellierungen mit einem bestimmten R-Wert operieren, gehen viele Menschen fälschlicherweise davon aus, dass dies eine Größe sei, die man quasi vorab bestimmen könne, die steuerbar sei. Direkten und unmittelbaren Einfluss haben wir mit unserem Verhalten nur auf die Zahl der Infektionen. Da hört das Wissen aber auch schon auf. Denn wo, wann und wie man mit welcher wahrscheinlich eine Infektion riskiert bzw. vermeidet, ist ja bis heute nicht so ausreichend erforscht, dass man sein Verhalten darauf einstellen könnte. Denn das würde ja sehr viel chirurgischere Maßnahmen als einen Lockdown erlauben.
Ein Beispiel dafür, dass der R-Wert lediglich eine im Nachhinein bestimmbare Rechengröße ist, sind m. E. die Diskussionen um die B117-Variante. Laut aktuellen Modellrechnungen steigt der R-Wert quasi zwangsläufig auf über 1, sobald sich die Variante auch hier durchsetzt. Faktisch hat aber UK (mit über 90% B117) gerade einen R-Wert, der noch unter dem in Deutschland liegt.

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Das wäre zumindest die wahrscheinliche Konsequenz von Zero Covid oder auch einem Ziel Meldeinzidenz <10. Mit ein bischen Glück wird es vorher Sommer.
Ein Rechenbeispiel: Schreibt man die Entwicklung der Meldeinzidenzen (oder auch den R-Wert) der letzten drei Wochen linear fort, so landet man ca. Mitte März bei 35 und Ende April/Anfang Mai bei 10. Vermutlich würde es aber noch länger dauern. Ich bin immer noch gespannt auf die konkreten Vorschläge, was noch alles zugemacht werden soll, damit dieses Ziel, wie von den Zero-Covid-Befürworter:innen behauptet „in drei Wochen“ erreicht werden kann.

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Man muss natürlich zwischen einem Messwert und einem real existierenden Wert unterscheiden. Da gebe ich dir recht. Der R-Wert, den wir bspw im RKI-Bericht finden, ist ein Messwert. Der Pandemie ist aber ziemlich egal, wie und ob wir den R-Wert berechnen oder messen. Der real existierende R-Wert wirkt unmitteltbar und bestimmt den Pandemieverlauf.

Das ist nicht ganz korrekt. Unser soziales Verhalten steuert direkt, wie viele Personen ein Infizierter ansteckt, was nichts anderes als der R-Wert ist (und hier rede ich nicht vom gemessenen R-Wert). Der R-Wert hat dann natürlich Einfluss darauf, wie sich die Infektionszahlen entwickeln (Integral vom Logarithmus). Jedoch sind die Infektionzahlen am Tag X, nicht nur vom R-Wert (also unserer sozialen Aktivität) sondern auch von der Inzidenz am Tag X-1 ab, siehe

Somit können wir nicht die Inzidenz instantan verändern. Die Inzidenz weist eine „Trägheit“ auf.

Ich finde das Beispiel, das Herr Drosten in seinem Podcast verwendet, hierfür sehr anschaulich:
Die Pandemie entspricht bildlich einem LKW, welcher mit überhöhter Geschwindigkeit einen Berg runterrast und versucht zu bremsen. Folgende Größen sind dabei analog zu sehen:

  • Effektive Beschleunigung des LKWs (=Erdbeschleunigung - Bremsbeschleunigung) → R-Wert (log)
  • Geschwindigkeit des LKWs → Inzidenzwert
  • Zurückgelegte Strecke → Kumulierte Inzidenz

Das einzige, was der LKW-Fahrer direkt und unmittelbar beeinflussen kann, ist die Bremsbeschleunigung durch Nutzung des Bremspedals. In Abhängigkeit davon ergibt sich als Integral die Geschwindigkeit. Der LKW-Fahrer kann also nicht unmittelbar auf 0 km/h abbremsen (Trägheit der Masse), sondern muss durch halten des Brempedals eine negative Beschleunigung anwenden und halten, bis der LKW zum Stehen kommt.

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No-Covid ist die einzig sinnvoll erscheinende Strategie! Ich befürchte nur, dass die Regierenden vor den maximal 25%, die aber doppelt so laut sind, einknicken.

Nach meinem Verständnis sind beide Werte wichtig: die Inzidenz und der R-Wert (mal unabhängig davon wie gut sich diese bestimmen lassen). Der erste Wert ist der momentane Zustand und der zweite gibt so etwas wie die durchschnittliche Ausbreitungsgeschwindigkeit pro Inzidenz wieder.

Ich habe Ulf und Philip (ich hoffe es ist in Ordnung, wenn hier im Forum die Personen mit Vornamen angesprochen werden) so verstanden, dass eine Inzidenz von 10 eine Mindestvoraussetzung für Lockerungen ist. Natürlich gibt es noch andere Größen und Fragestellungen, die mit betrachtet werden sollten. Die Inzidenz gewinnt bei kleinen Werten aber an Bedeutung, da der R-Wert stark schwankt, weil es ein Durchschnittswert ist.

Zu diesem Thema habe ich auch extrem wenig gehört / gelesen. Warum ist das so? Man könnte viele Simulationen und Versuche hierzu durchführen, die sich bestimmt hervorragend als Master- oder Promotionsthema eignen. Man könnte z.B. das Virus durch ein anderes Aerosol mit ähnlicher Partikelgröße nachahmen und herausfinden wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine infizierte Person beim Einkaufen, im Zug oder in der Schulklasse eine andere Person ansteckt, wenn alle FFP1, FFP2, FFP3-Masken oder gar keine Masken tragen. Das wäre doch total interessant und sollte nicht besonders aufwendig sein. Wäre schön, wenn hierzu jemand etwas sagen könnte.

Stimme da vollkommen zu, wir müssen aufhören auf Inzidenzen zu schauen und stattdessen den R-Wert in den Fokus rücken… Hieß es nicht letztens sogar dass sich herausgestellt hat die Kontaktverfolgung habe quasi keinen Effekt gehabt die Infektionsraten zu verlangsamen? Ich habe jetzt schon einige Male gesehen wie nach Wochen ein Quarantänebrief kam… Natürlich waren die betroffenen Personen freiwillig in Quarantäne aber sonderlich effektiv war die Maßnahme des Gesundheitsamtes zu diesem Zeitpunkt nicht mehr.

Das ist leider nicht ganz korrekt. Beide Größen nutzen Daten aus der Vergangenheit, der R-Wert hinkt nicht nach. Vereinfacht ist die Inzidenz ist der Ist-Zustand und der R-Wert ist die Variable die beschreibt wie sich dieser Zustand ändern wird bzw. geändert hat. Deshalb sind beide wichtig. Haben wir eine Inzidenz von 10 und R0=2, wissen wir was uns bevorsteht: Niedrige Zahlen jetzt und überfüllte Krankenhäuser in einigen Wochen. Haben wir eine Inzidenz von 200 und einen R-Wert von 1 können wir nicht jubeln und sagen wir haben kein Problem da ja die Inzidenz nicht steigt.

Der R-Wert hängt direkt von unserem Verhalten ab wie @Lukas3 beschrieben hat. Wenn wir den R-Wert bei 1 bleiben halten können, haben wir gleich bleibende Inzidenzen. Kommen Mutanten müssen eben mehr Maßnahmen her um den R-Wert bei 1 zu halten aber es funktioniert genauso.

Steuert man hingegen mit der Inzidenz wie das zurzeit der Fall ist, sagt man 35, die Geschäfte gehen auf, R geht nach oben, die Inzidenz steigt, Geschäfte gehen zu, der R wert sinkt, die Inzidenz sinkt, die Geschäfte gehen auf…

Was spricht dagegen zu sagen wir brauchen eine Inzidenz von 10 bei einem R-Wert von 1 damit das Ganze auch stabil ist. Wir würden beispielsweise sagen zum Schulen haben Priorität, damit haben wir 20 % mehr Kontakte das bringt den R-Wert aber über 1. Wir wissen dass dann die Inzidenz steigen wird. Also planen wir schonmal im Voraus damit das nicht passiert. Wo und was können wir einsparen um Schule zu ermöglichen (in meinen Augen Homeoffice, aber das ist nur eine Meinung…).

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Ich schrieb nicht „Messwert“, sondern „rechnerischer Größe“. Den R-Wert kann man nicht messen, da er eben nur eine rechnerische Größe ist, das ist ja gerade mein Punkt.
Das RKI sagt beispielsweise in seinen FAQ zur „Reproduktionszahl R“

Die Reproduktionszahl beschreibt, wie viele Menschen eine infizierte Person im Mittel ansteckt.

Die Worte „im Mittel“ deuten bereits darauf hin, dass es sich um einen rechnerischen Wert handelt. Später schreibt das RKI sogar wörtlich von einer „Schätzung des R-Wertes“ und erklärt, wie diese zustandekommt. Es geht also nicht um einen Messwert, sondern, wie ich schrieb, um einen aus Messwerten errechnet Wert. Und da diese Rechnung mit einigen Tücken belastet ist, die u.a. dazu führen, dass der R-Wert extrem schwankt, spricht das RKI von einer Schätzung (mit dem üblichen Konfidenzintervall).

Nein, mein eigenes soziales Verhalten (als Individuen) steuert, wie viele Menschen ich infizieren kann(!) und wie mich infizieren können(!). Das ist schon ungenau genug. Noch ungenauer wird es, wenn ich das Ganze auf die gesamte Gesellschaft übertrage, weil Menschen sehr unterschiedliche Lebensbedingungen haben und sich sehr unterschiedlich verhalten. Man weiß auch nichts darüber, wie viele Personen tatsächlich infiziert wurden, sondern nur, wie viele Infektionen gemeldet wurden. Und aus dieser Meldeinzidenz wird dann, im Nachhinein, der R-Wert berechnet. Genau das beschreibt auch das RKI.

Wenn der Fahrer auf das Bremspedal tritt, verringert er damit (wenn der LKW in Ordnung ist) die Geschwindigkeit, also in Deinem Bild gesprochen die Inzidenz. Also ist diese eine unmittelbar veränderbare Größe.

Hast Du auch Argumente dafür? Dann teile sie doch gerne in diesem Thread: Zero Covid unrealistisch?

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Absolut richtig. Nur dass sich die Indizend eben messen lässt und der R-Wert nur aus der Inzidenz errechnen lässt. Heißt: Ist die Messung ungenau, ist es zwangsläufig auch der R-Wert, was ja u. a. die von Dir erwähnten Schwankungen zeigen. Deswegen wird ja auch schon seit April 2020 kritisiert, dass es nicht sinnvoll ist, den R-Wert zum (alleinigen) Maßstab für politische Maßnahmen zu machen. Er ist eben ein nachträglicher, rechnerischer Wert und hat keinerlei prognostischen Charakter. Sätze die anfangen mit „Wenn der R-Wert bei XYZ bleibt, dann…“ sind ungefähr so hilfreich wie der Satz „Wenn es weiter regnet bleibt die Wiese nass.“