Im Grunde vermischen sich hier in der Diskussion zwei Themen, die man eigentlich getrennt behandeln müsste:
- Was sind Strafbefehl („ohne Gerichtsverhandlung!“), Geldstrafe, Ersatzfreiheitsstrafe usw.?
- Sollte Beförderungserschleichung eine Straftat sein?
Zu 1: Ein Strafbefehl ist ein extrem verkürztes Strafverfahren, bei dem tatsächlich die Gerichtsverhandlung eingespart wird, sofern der Verurteilte keinen Widerspruch einlegt. Es findet allgemein Anwendung, wenn zum einen der Sachverhalt der Tat nach Ansicht der Staatsanwaltschaft klar ist und die Strafe verhältnismäßig gering. Der Verdächtige muss allerdings zumindest von der Polizei das Angebot gehabt haben, zur Sache auszusagen. (Was man allerdings i.d.R. besser nicht machen sollte, zumindest nicht ohne vorher einen Anwalt zu konsultieren.) Irgendwelche Strafbefehle für Verfahren, von denen man gar nichts wusste, die im Briefkasten landen während man im Urlaub ist und dann ohne eigenes Zutun rechtskräftig werden, sollten also nicht vorkommen. Das macht das Verfahren effizient und letztendlich kann das dem eigentlichen Sinne nach sogar dem Straftäter zugute kommen, denn er spart sich die Gerichtsgebühren, Anwaltskosten, etc.
Wer so einen Strafbefehl bekommt, kann den entweder hinnehmen, wenn er einsieht die Straftat begangen zu haben und die Strafe akzeptiert. Wer sich allerdings als unschuldig ansieht, oder auch nur der Meinung ist, die Strafe aus dem Strafbefehl sei aus irgendwelchen Gründen zu hoch angesetzt, der kann (innerhalb einer sehr kurzen Frist) formlos Einspruch einlegen, und dann wird der Strafbefehl nicht wirksam, sondern das Verfahren wird eben weitergeführt, entweder mit einer Gerichtsverhandlung oder auch im außergerichtlichen Verfahren u.U. mit einer Einstellung am Ende wegen Geringfügigkeit oder gegen Zahlung einer Geldbuße.
Wichtig ist: Wird der Strafbefehl rechtskräftig, weil man nicht fristgerecht Einspruch einlegt, dann entspricht er exakt einem Urteil mit Gerichtsverhandlung, man gilt als schuldig und ist theoretisch vorbestraft. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu einem Bußgeld wegen Falschparken o.ä. Ordnungswidrigkeiten, oder auch wenn ein Verfahren gegen Zahlung eines Geldbetrags eingestellt wird.
Geldstrafen werden in Deutschland, egal ob im Gerichtsverfahren oder per Strafbefehl, in Tagessätzen bemessen, die ungefähr dem täglichen Nettoeinkommen des Straftäters entsprechen. Wer zu 30 Tagessätzen verurteilt wird, muss also ein Monatseinkommen zahlen, bei 90 Tagessätzen drei Monatseinkommen usw. Wer das nicht bezahlt, der muss am Ende, wenn er entweder absolut nicht zahlen will oder kann, pro Tagessatz einen Tag im Gefängnis als Ersatzfreiheitsstrafe einsitzen.
Ist das jetzt eine schlechte Regelung, die man generell abschaffen sollte? Wer das möchte, der sollte sich überlegen, dass Geldstrafen – egal ob per Strafbefehl oder Gerichtsverhandlung – nicht nur für die Erschleichung von Beförderungsleistungen verhängt werden, sondern für alle möglichen minderschweren Straftaten wie Beleidigungen, Körperverletzungen usw. Wer also der Meinung ist, Ersatzfreiheitsstrafen gehören abgeschafft, der fordert z.B., dass Mittellose konsequenzlos z.B. Leute im Internet beleidigen können, oder auch auf der Straße Leute vermöbeln.
Zu 2.: Während eigentlich meines Wissens niemand ernsthaft fordert, solche Ersatzfreiheitsstrafen generell abzuschaffen, gibt es seit längerem ein Diskussion darüber, die Beförderungserschleichung zu entkriminalisieren und aus dem Delikt entweder eine Ordnungswidrigkeit zu machen oder es komplett abzuschaffen.
Hierbei geht es nicht um das „erhöhte Beförderungsentgelt“ von meistens 60 Euro, das Beförderungsunternehmen allen „Schwarzfahrern“ abverlangen, sondern um die zusätzliche Einleitung eines Strafverfahrens. Das tun die Unternehmen meistens nur, wenn eine Person entweder schon öfter ohne Fahrschein angetroffen wurde oder ihr erhöhtes Beförderungsentgelt nicht bezahlt. Erst dann kommt es zu oben beschriebenem Verfahren, dass u.U. mit einem Strafbefehl endet. Wegen dem erhöhten Beförderungsentgelt kommt dagegen niemand in den Knast.
Die Argumente für die Abschaffung dieses Straftabestandes sind im Wesentlichen weiter oben im Thread schon erwähnt. Das Verfahren und u.U. die Haft kosten die Gesellschaft deutlich mehr als wenn irgendwelche Leute gelegentlich den ÖPNV nutzen ohne zu bezahlen. Es trifft in den allermeisten Fällen Leute, die sowieso arm dran sind, und eine doppelte Bestrafung zusätzlich zum erhöhten Beförderungsentgelt ist überflüssig.
Es gibt aber auch Argumente für die Beibehaltung: Zum einen meinen manche, man bräuchte gegen „notorische Schwarzfahrer“ eine Androhung einer härteren Bestrafung in der Hinterhand, weil ansonsten nicht bezahlen vielerorts auf Dauer günstiger ist als sich eine Abokarte zu kaufen. Viele, auch die es sich eigentlich leisten können, würden sonst umsteigen auf „schwarzfahren“ und gelegentliche 60 Euro einpreisen. Desweiteren ist es aber auch so, dass die Existenz dieses Straftatbestand es erst dem Fahrdienstpersonal erlaubt, nach dem „Jedermann-Festnahmerecht“ erwischte Beförderungserschleicher festzuhalten. So ein Bahn-Sicherheitsdienst besitzt nämlich eigentlich keine hoheitlichen Rechte um bspw. Ausweise von Leuten zu verlangen oder diese gar am Weglaufen zu hindern.
Ich denke allerdings, für letzteres Problem ließe sich sicher auch eine andere gesetzliche Lösung finden.