Impf-Risiko vs. Corona-Risiko

Ich habe bei der Debatte um die Corona-Impfung den Eindruck, dass es vielen um eine Risiko-Abwägung geht. Also: Wie wahrscheinlich ist eine schwerwiegende bis tödliche Impfkomplikation im Vergleich dazu sich ungeimpft zu infizieren und daran zu sterben. Ich bin kein Virologe aber ich versuche mich mal ein einer Abschätzung dazu:

Laut PEI (Paul Ehrlich Institut) gab es zwischen 27.12.2020 und dem 30.09.2021 in Deutschland 1802 schwerwiegende Impfkomplikationen, die zeitlich mit dem Tod eines Patienten verknüpft sind und daher eher eine Abschätzung nach oben darstellen. (Quelle: PEI: Sicherheitsbericht 27.12.2020 bis 30.09.2021, pdf-Version, Seite 15). Das ist also der gesamte Zeitraum der deutschen Impfkampagne soweit er bisher durch PEI ausgewertet ist.
Dabei wurden in diesen 9 Monaten insgesamt 107.888.714 Impfungen durchgeführt. Die Rate tödlicher Impfkomplikation liegt also bei 1802 / 107.888.714 = 0,0000167 oder 0,00167 %. Tatsächlich liegt sie wohl noch niedriger, da die 1802 Todesfälle ja nur zeitlich zugeordnet sind.

Um jetzt abschätzen zu können, ob eine Corona-Schutzimpfung mehr Risiko als Nutzen bringt, erscheint es mir persönlich am sinnvollsten, die Wahrscheinlichkeit für eine tödliche Impfkomplikation ins Verhältnis dazu zu setzen, wie wahrscheinlich es ist, ungeimpft an einer Covid19-Infektion zu sterben.

Die Impfkampagne ist in Deutschland im Januar 2021 angelaufen. Daher nehme ich jetzt nur die Zeit vor den Impfungen, also die Monate März 2020 bis Dezember 2020, da es damals eben mangels Impfstoff nur ungeimpfte Patienten gab.
In dieser Zeit sind laut RKI (Quelle: RKI-Wochenbericht vom 07.01.2020) 1.835.038 erfasste Covid19-Fälle aufgetreten und 37.607 Todesopfer registriert worden. Daraus ergibt sich eine Letalität von ca. 2,05 % (37.607 / 1835038). Durch asymptotische Verläufe gibt es viele unerfasste Infektionen. Das RKI spricht hier von ca. 50 % unerfassten Fällen (Quelle, Stichwort Untererfassung). Daher halbiert sich die Letalität auf ca. 1,025 %.

Ich finde, man kann daher allgemein abschätzen, dass die Wahrscheinlichkeit, ungeimpft an einer Covid19-Infektion zu sterben, etwa um den Faktor 613 ( 1,025 % / 0,0016 %) höher ist, als an einer Impfkomplikation.

Ich weiß, dass der Vergleich aus verschiedenen Gründen hinkt und nur eine Daumen-Rechnung sein kann. Das Thema ist schließlich auch sehr komplex. Für meine persönliche Risiko-Abschätzung reicht er mir aber aus und bestätigt mir auch das, was ich den mMn ordentlichen Medien entnehmen kann.

Und ich finde daher auch, dass man sich maximal aus triftigen gesundheitlichen Gründen nach Absprache mit dem Arzt gegen eine Impfung entscheiden sollte. Für die große Masse der Gesellschaft ist ungeimpft sein einfach riskanter.

edit:
Ich hatte ursprünglich als Maß für das Covid19-Sterberisiko einfach die Zahl der Opfer in 2020 im Verhältnis zur Einwohnerzahl, das ist aber wohl kein guter Vergleich, da er zu stark mit dem betrachteten Zeitraum variiert. Das Impf-Risiko auf der anderen Seite, tut das mEn nämlich nicht. (danke @ChristianF für den Hinweis).

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Der Vergleich hinkt insofern, dass nicht die Mortalität in der Gesamtbevölkerung über einen begrenzten Zeitraum der Vergangenheit relevant ist (was Du als das „allgemeine“ Risiko, an der Infektion zu sterben bezeichnest). In dieser Zeit hat sich ja nur eine Minderheit infiziert (bis jetzt nur 4,8 von 82 Mio! Tägliche Fallzahl des Coronavirus in Deutschland 2022 | Statista ), so unterschätzen wir also das Risiko massiv.

Die richtige Wahrscheinlichkeit ist das Risiko, sich zu infizieren multipliziert mit dem Risiko an der Infektion zu sterben (Letalität).

Ersteres liegt letztlich bei 100% (nicht heute oder morgen aber über die nächsten Monate). Die letalität hängt vor allem vom Alter ab, liegt aber im Schnitt lt. Statista bei bei 2,16% ,

also gut 43 x höher als von Dir berechnet und somit um den Faktor 1.296 mal höher als das Risiko einer tödlichen Impfkomplikation (vorausgesetzt, alle Zahlen sind korrekt).

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Okay da hast du tatsächlich einen guten Punkt. Allerdings würde ich dann die Letalität aus 2020 nehmen, da wir dort noch keinen Impfstoff hatten und dementsprechend alle Fälle ungeimpft waren. Und es ging mir bei meiner Schätzung ja gerade um das Risiko für Ungeimpfte. Kannst du mir sagen, welche Quellen Statista für die Letalität angibt, ich habe da keinen Account und kann die nicht sehen.
Ich schaue aber auch noch mal selbst, ob ich die Daten irgendwo beim RKI oder so finde.

Tut mir leid, ich habe auch nur Zugang zu den öffentlichen Seiten von Statista.

Bzgl. der Auswirkungen der Impfung stimme ich dir einerseits zu. Andererseits macht das insofern keinen Sinn, da sozusagen die vulnerabelsten halt schon tot (oder geimpft) sind, so dass de facto die erwartbare durchschnittliche letalität für die Zukunft geringer ist…

Im Zweifel muss man halt die letalität nach Alters- und Risikogruppe nehmen.

Ich hab mir mal den RKI-Wochenbericht vom 07.01.2020 geholt. Dort werden werden gesamten, kumulierten Covid19-Fälle seit Beginn der Pandemie mit 1.835.038 angeben und die kumulierten Todesfälle mit 37.607 angegeben. Daraus ergibt sich eine Letalität von ca. 2,05 %.

Allerdings lässt man dadurch die vielen asymptotischen Fälle aus acht, die nie in die Statistik eingeflossen sind. Daher würde ich die Letalität hier doch nicht auf die gesamte Bevölkerung hoch skalieren.

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Guter Punkt. Der Anteil der asymptomatischen liegt irgendwo zwischen 15 und 45%

Das heißt, die letalität ist auf jeden Fall >1%. (Drosten sprach, glaube ich, im letzten Podcast von 1,5%).

Entsprechend ist die Gefahr, ungeimpft an covid zu sterben, immer noch mehr als 600 mal größer als an Komplikationen der Impfung …

Edit: letzten Satz korrigiert/präzisiert

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Es gibt schon offizielle Studien dazu (u.a. " COVID-19 vaccinations are associated with reduced fatality rates: Evidence from cross-county quasi-experiments"). Die Daten sind wahrscheinlich belastbarer als eigene Daumenkalkulationen :wink:
Vorab: CFR = Case fatality rate = Fall-Verstorbenen-Anteil

Results:
A 10% increase in vaccine coverage was associated with a 7.6% reduction in the CFR (95% confidence interval (CI = -12.6 to -2.7%, P = 0.002). This association was stronger in countries with more effective governments (-8.3%; 95% CI = -13.6 to -3.1%, P = 0.002) and higher transport infrastructure quality (-8.1%; 95% CI = -13.3 to -2.9%, P = 0.002). Moreover, the vaccine coverage was associated with a reduced CFR in a dose-dependent manner. When vaccine coverage achieved 0.8 to 1.6, 1.6 to 3.2 and ≥3.2 per 10 people, the CFR reduced by 12.7% (95 CI = -21.8 to -3.6%, P = 0.006), 21.2% (95 CI = -33.9 to -8.5%, P = 0.001) and 31.3% (95 CI = -51.5 to -11.0%, P = 0.002), respectively as compared with no vaccination.

Die EMA hat im April eine Risikoabwägung publiziert, die graphisch sehr anschaulich ist und sich damals auf das Risiko der Blutgerinnsel bei AstraZeneca bezog und nach Altersgruppen differenziert war: https://www.ema.europa.eu/en/documents/chmp-annex/annex-vaxzevria-art53-visual-risk-contextualisation_en.pdf

Hier mal exemplarisch der Vergleich des Risikos im Krankenhaus zu landen ggü dem Risiko eines Bltugerinnsel nach der Impfung, bei einer Inzidenz von 400:

Grafiken für andere Inzidenzen und die Einweisung auf ICU bzw. den Tod im verlinkten Dokument.

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Ein weiterer Faktor ist, dass vermutlich nur ein Bruchteil der Menschen die in zeitlicher Folge zur Impfung gestorben sind auch in Zusammenhang mit der Impfung gestorben sind.
Es handelt sich bei der Zahl im Bericht des PEI um Verdachtsmeldungen, nicht um bestätigte Fälle. Bestätigt ist afaik bisher kein Fall, wobei es paar tödliche Fälle der Thrombose mit Thrombozytopenie in Folge der AZ Impfungen gab welche man wohl als wahrscheinlich Zusammenhängend sehen kann.

Das Risiko durch die Impfungen ist somit noch deutlich geringer, besonders wenn man die veränderten Empfehlungen, besonders was die Vektorimpfungen angeht, berücksichtigt. Durch diese Anpassungen der Empfehlungen ist die Sicherheit nochmals gesteigert worden.

Fairerweise ist natürlich auch das Risiko an COVID zu sterben durch Erfahrung und Erkenntnisse zu Behandlungsmethoden gesunken.

Diese Rechnung ergibt für mich keinen Sinn. Das fängt schon bei der Lethalität der Impfung an. Denn die Toten im PEI Bericht, sind ja nur im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung gestorben. Das heißt nicht, dass die Impfung die Todesursache war.

Wenn du beispielsweise ein Jahr lang alle Menschen in Deutchland zählst, die in einem Zeitraum von vier Wochen nach dem Verzehr von Bananen verstorben sind, kommen auch einige zusammen, nur dass es wohl eher nicht an den Bananen lag.

Wenn du die Lethalität der Impfung richtig schätzen willst, müsstest du also die Zahl der Todesfälle unter den Geimpften nehmen, und diese mit der Zahl der der Todesfälle unter nicht Geimpften vergleichen, und natürlich müssen das ähnliche Gruppen sein, also in Hinblick auf Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen, sozialen Status usw. Hier würde ich bezweifeln, dass überhaupt einen Unterschied gibt, der statistisch kein Zufall ist.

Die einzigen Todesfälle, die kausal auf die Impfung zurückzuführen sind, sind wohl die ca. 30 Sinusvenentrombosen. Wobei es hier um einen Impfstoff gibt, der inzwischen nicht mehr verimpft wird.

Die Lethalität von Covid-19 ist ähnlich schwer zu schätzen. Die grundsätzliche Rechnung wäre, wie die Wahrscheinlichkeit, sich im Laufe seines Lebens mit Covid-19 zu infizieren (das dürften zwar nicht 100% aber weit über 90% sein) mal der Wahrscheinlichkeit, im Falle einer Infektion zu sterben.

Hierfür musst du dann aber die Toten ins Verhältnis zu den Infizierten setzen, nicht aber zur Gesamtbevölkerung. Leider ist die Gesamtzahl der Infizierten auch nicht sicher bekannt, es gibt einige Studien, die das versucht haben, aber diese haben auch ergeben, dass die Lethalität entscheident vom Alter abhängig ist. D.h. bei einem Kind im Grunde Null, bei einer Person über 80 schon zehn Prozent und höher.

Hinzu kommt, dass die Lethalität auch von der Möglichkeit der medizinischen Versorgung abhängt. D.h. es kann sein, dass bei optimaler Versorgung 0,5% der Infizierten sterben. Wenn aber das Gesundheitssystem wegen Überlastung zusammenbricht und Schwerkranke nicht mehr beatmet werden können, dann steigt sie (fiktive Zahl) auf 4%.

Außerdem kommt es sowohl bei einem einzelnen Menschen als auch einem Land auf das Alter und die Alterstruktur an. Für Ältere ist die Wahrscheinlichkeit an Covid zu sterben exponentiell höher. Damit wäre auch die Lethalität in Deutschland deutlich höher als z.B. in einem Land wo die Hälfte der Menschen unter 25 ist.

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Ein ganz wichtiger Punkt! (Auch, wenn wir dann den einen oder anderen nach Spanien oder Portugal ausfliegen werden.)

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Stimmt! Aber die Rechnung von @Matder macht eigentlich etwas „praktisches“: Sie berechnet das „schlechtmöglichste“ Verhältnis, nämlich die Annahme von maximal vielen Toten durch Impfung (weiter unten wird ja erläutert, warum das eigentlich weniger sind) bei maximal wenigen Toten durch Covid-19. Schlechter als das Verhältnis Faktor 613 (Risiko an Covid-19 zu versterben vs. Risiko an der Impfung zu versterben) wirds nicht. Und die Zahl spricht ja eigentlich schon völlig für sich.

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Danke für den Hinweis. Ich will mir mit der Schätzung natürlich auch nicht anmaßen, in die Nähe der wissenschaftlichen Evidenz von ordentlichen Studien zu kommen. Gleichszeitig finde ich schon das man auch mal als Laie versuchen kann aus den veröffentlichten „Roh-Zahlen“ seine Schlüsse zu ziehen. Und wenn die eigene Schätzung dann mit dem breiten wissenschaftlichen Konsens übereinstimmt, umso besser.

Danke, die Grafik kannte ich auch noch nicht. Sie betrifft aber wohl auch nur eine spezifische Nebenwirkung eines Impfstoffes oder?

Stimmt, habe ich jetzt auch oben angegeben.

Stimmt, aber dadurch wird die Schätzung eine Art „worst case“-Szenario, hat @Felix_Heinrich auch schon gesagt.

Den Absatz verstehe ich, glaube ich, nicht richtig. Du sprichst da von einer Letalität der Impfung bei Ungeimpften. Oder wie ist das gemeint?

Habe ich inzwischen gemacht. Danke für den Hinweis.

Solche Details habe ich bewusst weggelassen, auch der wichtige Faktor Alter war mir zu viel. Ich wollte bei einer möglichst einfachen aber dadurch natürlich auch stark verallgemeinernden Zahl landen.

Genau das war der Gedanke.

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Interessante Rechnungen.
Es wird hier von 90-100% Wahrscheinlichkeit sich zu infizieren gesprochen. Man kennt jedoch mittlerweile viel Familien bei denen die Infektionsrate nicht so hoch ist. Anfangs der Pandemie sprach Drosten sogar davon, dass er annimmt es könnte eine Grundimmunität durch andere Corona Viren geben, in der Bevölkerung geben, was er jedoch später nie wiederholte.
Kennt jemand dazu wissenschaftliche Studien oder ähnliches wo das untersucht wird?
Nach knapp zwei Jahren Pandemie scheint mir die Infektionsrate noch sehr gering zu sein, zumal es Phasen gab in der ein fast normaler Alltag stattgefunden hat.

Das kann sein. Diese Wahrscheinlichkeit habe ich aber oben nicht einbezogen. Ich persönlich halte es schlicht für fahrlässig, anzunehmen, man würde sich einfach nie mit Corona infizieren und sich deswegen nicht impfen lassen.

Mit der Rechnung habe ich schlicht versucht, die Risiken von 2 bestimmten Ereignissen gegenüber zustellen:

  1. Wenn man sich ungeimpft mit Corona infiziert.
  2. Wenn man sich impfen lässt.

Ich glaube, das führt zu nichts. Anfangs gab es vielleicht mal die Hoffnung einer Kreuzimmunität, seit 1,5 Jahren höre ich aber von Drosten und anderen nichts anderes als dass wir alle ggü. Virus „immunologisch naiv“ seien, d.h. keine nennenswerte Immunität haben.

Und die Ansteckung in der Familie war in der Tat in der ersten Welle noch überraschend selten. Drosten hatte damals eine Studie zitiert und ich glaube, die Rede war von 50% oder weniger, sogar beim Partner. Das hat sich mit Delta komplett geändert. Hier liegt die Infektionsgefahr im Haushalt nahe 100% (ebenfalls irgendwo im NDR-Podcast).

Und wenn Du es nicht glaubst: die Gefahr, einmal im Leben eine Influenza zu bekommen, dürfte wohl auch nahe 100% liegen, oder? Schon der Wildtyp war ansteckender als Influenza, Delta ist noch erheblich ansteckender. Ergebnis: es wird schneller passieren. Nicht unbedingt in den nächsten paar Monaten, wenn noch alle mit Maske herumlaufen, aber es wird passieren…

Diese Phasen waren im Sommer. Und dann ist die Inzidenz auch immer wieder exponentiell gestiegen, bis es dann harte Maßnahmen gab. Ohne die Maßnahmen wären wir jetzt bei 100% (und hunderttausenden Toten ).

Faktisch haben wir bis vor wenigen Wochen keine Maßnahmen gehabt und ein weitgehend normales Leben hat stattgefunden. Die Quote der Durchseuchung liegt immer noch offiziell bei 5-6% in dem Tempo dauert es noch 10-15 Wellen bis Normalität Eintritt.

Das stimmt, aber da war es auch noch nicht so kalt, d.h. jetzt findet wieder alles drinnen statt.

Und auch das stimmt - aber das Tempo bleibt ja nicht so, sondern die Inzidenz nimmt exponentiell zu. Bei der aktuellen Tatenlosigkeit der Politik sind wir bald ganz woanders.

Ich fürchte allerdings (wie Drosten im letzten Podcast), dass wir trotzdem nächstes Jahr immer noch nicht durch sind, weil wir bald wieder sehr drastische Maßnahmen ergreifen werden müssen, die dann die Durchseuchung spät aber doch stoppen…

In jedem Fall mal die Frage: worauf willst Du hinaus?
Willst Du sagen, es sei rational, sich nicht impfen zu lassen, weil die Infektion in der aktuellen Welle nicht garantiert ist?

Edit: zweiter Satz