Ganz ehrlich, große Teile der Linken Forderungen nehme ich so tatsächlich wahr. Denn man darf nicht vergessen, dass die öffentliche Aufmerksamkeit durch die Sendeleistung des Senders und der Aufnahmefähigkeit des Empfängers, stets begrenzt ist. Es gibt daher Konkurrenzsituationen zwischen berechtigten Interessen und dann muss ich priorisieren.
Ob man dann Diskussionen über bspw. Gendern oder über Werke von Karl May und Astrid Lindgren führen muss, sowie klärt, wie man eine scharfe Soße nennt, die man zu Speisen wie Schaschlik essen kann, und damit die begrenzte Sendezeit von wichtigeren Themen wie den Kampf gegen Rechts oder für die Arbeitnehmerrechte abzweigt, darüber darf jeder seine Meinung haben.
Die besprochenen Umfrageergebnisse lassen da sicher Schlüsse zu, wo viele Mitbürger die Prioritäten sehen. Und das obwohl Wagenknecht definitiv zu den unsympathischsten, nervtötensten Politikern in Deutschland gehört.
Was „links“ bedeutet war allerdings auch schon „im letzten Jahrtausend“ hochgradig umstritten. Oder anders: Wer davon ausgeht, dass „die Arbeiter kein Vaterland“ haben, dass die „Proletarier aller Länder“ sich „vereinigen“ sollen und dass die „Internationale“ das „Menschenrecht erkämpft“, der wird mit Wagenknechts nationalistischem Arbeiterprotektionismus, ihrem Anti-Kosmopolitismus und ihrer anti-revolutionären Ausblendung von Unterdrückungsverhältnissen schwerlich etwas anfangen können.
Hast du dich im letzten Satz vertan? Ist eine komplexe Satzkonstruktion. Vielleicht kannst du es verständlicher probieren. Glaube da steht das Gegenteil von dem was du sagen wolltest.
Erkennbar ist aber ihre Kardinalskritik. Die ist im Thread für Elterngeld bestens ausgebreitet. Akademiker mit Anfangsgehalt von 180.000 Euro jammern über die Ungerechtigkeit wenn „ihr Elterngeld“ für andere familienpolitische Maßnahmen eingesetzt wird
Will meinen, die in der Sahelzone werden unterdrückt, 8h Stundenlohn in DE ist nicht unser Problem
Ganz ehrlich, große Teile der Linken Forderungen nehme ich so tatsächlich wahr.
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Nach meiner Wahrnehmung sprechen die Politiker:innen eher rechter Parteien viel mehr darüber, indem sie laut dagegen wettern, um Wählerstimmen oder was auch immer zu gewinnen.
Nach den aktuellen Umfragen. Nennt sich die nächste Koalition dann Bahamas? Oder was ist das Äquivalent zur Jamaika-Koalition für die kommende Kombination?
Brandgefährlich und AfD unterstützend sind aus meiner Sicht solche Auftritte wie die vom Bayrischen Ministerpräsidenten und Vize - zwei Männer in hohen öffentlichen Ämtern - auf so einer Veranstaltung wie in Erding, auf der öffentlich rechte Parolen verbreitet wurden und sogar Morddrohungen an die Adresse der Grünen. Wo war dort die ganze Härte der bayrischen Polizei, wie wir sie bei der Letzten Generation sehen mussten?
Hochbedenklich das alles.
Niemand muss sich dann noch über die hohen Umfragewerte der AfD wundern.
Selbst Gregor Gysi, seines Zeichens nicht, als rechter Scharfmacher bekannt, hat kürzlich auf einer Bürgerveranstaltung seine Partei dafür kritisiert, den Fokus verloren zu haben.
Der Linkspartei rät er [Gysi]: Fokussierung auf Kernthemen statt die „Partei der 1000 kleinen Dinge“ zu sein. Die Kernthemen: Frieden, soziale Gerechtigkeit, Ökologie, Gleichstellung zwischen Mann und Frau sowie zwischen Ost und West.
Edit: und die große Teile der Linkspartei scheinen das ja ähnlich zu sehen. Denn die große Angst der Linken vor einer Wagenknechtpartei kommt ja nicht daher, eine charismatische Politikerin zu verlieren oder damit die AfD zu stärken. Nein, man hat Sorge davor, dass Wagenknecht wichtige Teile der Partei mitnehmen werde. Die gingen sicher nicht, wenn Wagenknecht nur Unfug gegen jede Überzeugung erzählt.
Transparenzhinweis, nein ich lese sonst nicht Die Welt. Auf den Artikel bin ich durch eine Twitter Diskussion gestoßen. Mir geht es hier ausschließlich um das Gysi-Zitat. Ich bitte daher auf Diskussionen über die Qualität und Aussagen des restlichen Artikels zu verzichten um nicht vom eigentlichen Thema abzulenken.
Bei Deiner Darstellung fehlt aus meiner Sicht eine zentrale Unterscheidung, nämlich die zwischen dem, was tatsächlich Forderungen von „großen Teilen der Linken“ sind und dem was andere behaupten, was angeblich die hauptsächlichen Forderungen von Linken oder „woken“ sind. Auf diesen entscheidenden Unterschied habe ich versucht, in meinem letzten Post hinzuweisen. Es stimmt einfach nicht, dass Linke - egal ob in der Partei DIE LINKE, in Antifagruppen, ob Klimaaktivist:innen, Gewerkschaftler:innen oder queere Aktivst:innen - sich vor allem mit den von Dir genannten Beispielen beschäftigen. Was sehr wohl stimmt, ist dass diese Beispiele in den sozialen Medien und in der Folge häufig dann auch in anderen Medien sehr präsent sind - aber daran sind gerade nicht Linke schuld, sondern andere, nämlich genau jene, die das Bild vermitteln wollen, dass es der Linken angeblich nur um „Sprechverbote“ ginge. Das Ziel auf Empörung und Ressentiment. Nehmen wir mal die Diskussion über die Werke von Karl May als Beispiel: Hier hat ein Verlag von sich aus entschieden, bestimmte Titel aus dem Programm zu nehmen. Hatte also nix mit irgendwelchen Linken zu tun. Die Empörung kam u. a. aus rechten Social-Media-Kanälen, die eine linke Zensur deutschen Kulturguts gewittert haben - und das wurde von unterschiedlichen Kreisen bereitwillig aufgegriffen und weiterverbreitet.
Wenn man sich die tatsächlichen Forderungen von Linken anschaut, geht es im Kern um nicht anderes als den „no brainer“, dass man Begriffe, die andere beleidigen, etwa weil sie rassistisch sind, nicht benutzen muss oder sich zumindest Gedanken darüber machen sollte, wann und warum man das tut. Das bloße Beharren auf dem Recht, XY zu sagen, ist einé reflexhafte Abwehr gegen diese Forderung nach (Selbst-)Reflexion. Es ist dieser Reflex, der einen Großteil der „Debatten“ um solche Themen ausmacht und nicht der Umstand, dass die Forderung an sich so absurd, anmaßend oder sonstwie kritisabel wäre.
Da mag sogar was dran sein - nur reden wir hier darüber, welche Themen in den Medien präsent sind, nicht welche Forderungen Linke eigentlich vertreten. Daher unterstützen Deine Ausführungen eher meine These, dass die Präsenz solcher „Aufregerthemen“ wie Du sie genannt hast, Folge einer bewussten Strategie ist, die eher von rechter Seite kommt - aber eben auch von Wagenknecht. Es ist aber mitnichten ein Beleg dafür, dass Linke sich vor allem mit absurden Nebensächlichkeiten beschäftigen und darüber wichtige Anliegen vernachlässigen.
An die Mods: Falls das hier zu sehr ausartete, gerne in einen neuen Thread „Was ist Links? Soziale Frage und Kulturkampf“ auslagern
Die Einschätzung würde ich so nicht teilen. Wagenknecht ist sehr wohl charismatisch und hat immer Wähler:innen gezogen. Und viele in der Linkspartei haben jahrelang den „Kompromiss“ zu fahren, ihre politische Strategie abzulehnen, aber die Stimmen, die sie mitbringt, trotzdem haben zu wollen. Und genau der Verlust dieser Stimmen ist nun, wofor die Partei Angst hat - nicht zuletzt auf Bundesebene, wo an der Fünfprozenthürde ja jede Menge Gelder hängen.
Hinter vorgehaltener Hand erzählt man sich auch, dass Wagenknecht mit einer Parteigründung nur deshalb so lange gewartet hat, weil alle wissen, dass sie gar nicht in der Lage ist, eine Partei entsprechend zu führen (dafür braucht es nämlich ganz andere Qualifikationen als eine gute Rhetorikerin zu sein, da muss man ständig anstrengende Netzwerkarbeit betreiben, das altbekannte Klinkenputzen). Genau deshalb ist die Gefahr, das große Teile der Partei wegbrechen, auch eher gering. Da kämpft gefühlt sowieso jeder gegen jede.
Oh weia. Da sind ja einige Sachen drin, wo ich absolut widersprechen muss. Fangen wir mit dem (meiner Ansicht nach) Offensichtlichen an:
Mir ist nicht bekannt, dass die NSDAP sich zu irgendeinem Zeitpunkt irgendwo mal als „links“ identifiziert hat. Klar, sie hatte „Arbeiterpartei“ im Namen. Aber das war doch ganz offensichtlich ein ähnlicher Etikettenschwindel wie Deutsche Demokratische Republik, oder wie wenn heutzutage rechtsradikale Anhänger von AfD, 3. Weg und Freie Sachsen „Frieden, Freiheit, keine Diktatur!“ rufen.
Zentral in der Ideologie war doch gerade die „Volksgemeinschaft“, in der es eben angeblich keine Interessengegensätze zwischen Arbeitern und der besitzenden Klasse gab, und in der alles Linke als von der jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung gesteuert galt, mit dem Ziel das deutsche Volk zu spalten. Das ist eine klassisch rechte Ideologie ohne jeglichen linken Ansatz, die im übrigen heute weiterlebt in den Erzählungen von den „woken globalistischen Eliten im Elfenbeinturm“, die ebenfalls „das deutsche Volk zerstören“ wollen.
Die Grenzen mögen zwar etwas verwischt sein, und auf den Boomer, der seit 40 Jahren als Facharbeiter bei VW arbeitet, mittlerweile sein Einfamilienhaus und seinen Mittelklassewagen abbezahlt hat, und mittlerweile überwiegend CDU wählt, mag das auch zutreffen. Aber die Reinigungs- oder Pflegekraft, der Lieferando-Bote oder die Scharen von Bauhilfskräften zu Niedriglöhnen, oft mit Migrationshintergrund, sind garantiert kein Teil des Bürgertums. Die Gesamtzahl derjenigen, die man heute noch als Arbeiter bezeichnen kann hat aber natürlich deutlich abgenommen im Vergleich zu den Heeren von Anzugträgern und Bullshit-Jobbern in irgendwelchen Büros. Das würde ich aber nicht als Arbeiter im klassischen Sinne bezeichnen.
Wenn das so ist, ist das garantiert kein „Glück“. Selbstverständlich sollte eigentlich immer Teil linker Politik sein, die durch den Kapitalismus verursachte Umverteilung von unten nach oben auszubremsen und am besten irgendwann mal wieder umzukehren. Dass Linke dieses Ziel gar nicht mehr verfolgen, sondern nur noch „progressive Positionen“, ist die Erzählung von Wagenknecht, aber auch aus der Rechten und ironischerweise von solchen Arbeiterfeinden wie Ulf Poschardt auf Twitter.
Man muss aber Wagenknecht zugestehen, dass es irgendwo im Kern ihrer Argumentation ein paar Prozent gibt, wo sie nicht Unrecht hat, nämlich dass man den Eindruck bekommen haben könnte, dass die Linke sich kaum noch um die Interessen der Arbeiter kümmert, sondern nur noch „Minderheitengedöns“. Das hängt meiner Ansicht nach damit zusammen, dass soziale Gerechtigkeit oft teuer ist, andere Projekte aber nicht. Für bezahlbare Mieten zu sorgen kostet entweder den Staat oder die Immobilienindustrie viel Geld, eine Ehe für Alle kostet nichts. Das „Bürgergeld“ erhöhen oder eine Kindergrundsicherung einführen ist verdammt teuer, Unisex-Toiletten oder ein paar Gender-Professuren gibt’s dagegen fast zum Nulltarif. Und inwiefern "Frauen-Quoten in DAX-Konzernen überhaupt eine linke Forderung sein soll, ist dann endgültig absolut unverständlich. Und da ist es für Linke in Koalitionsverhandlungen bedeutend einfacher (bzw. billiger), das eine durchzusetzen statt das andere, und da kann sich die Linke in Berlin oder anderswo – genauso wie die linken Teile bei SPD und Grünen, so sie noch existieren – mal hinterfragen, wo man vielleicht mal ein paar lohnende Kämpfe hätte führen können, statt sich mit den Kostenlosprojekten abspeisen zu lassen und dann damit zu brüsten, wieviel man doch von seinen Forderungen durchgesetzt hat.
Das ist der Punkt, wo Wagenknecht absolut keine Linke mehr ist, weder „modern“, noch „historisch“. Wenn sie es z.B. als gegeben ansieht, dass Teile der deutschen Arbeiterschaft durch rechte Verhetzung rassistische Einstellungen in unterschiedlichem Grade haben, und daraus folgt, dass man dann eben mehr rassistische Politik machen müsse, oder wenn sie der ukr. Bevölkerung die Unterstützung im Kampf gegen eine Invasion durch ein faschistisch organisiertes Nachbarland verweigern will, dann hat das mit „links“ nicht viel zu tun. Früher haben Arbeiter völlig unterschiedlicher Länder bspw. die spanische Republik unterstützt und mit Stolz in alliierten Armeen gegen Nazideutschland gekämpft. Mit ihrer völligen Abkehr vom Antifaschismus ist Wagenknecht da gerade absolut keine „historische Linke“.
Diese Diskussionen werden doch praktisch ausschließlich von irgendwelchen rechten Populisten geführt, die dazu dann von CDU-geneigten Sendern in entsprechende Talkshows eingeladen werden.
Irgendwelche Gender-Sonderzeichen benutzt man oder nicht, wie es einem beliebt, interessiert von Mitte bis links eigentlich kaum jemanden, aber nur die Rechtspopulisten wollen es verbieten, weil sie Angst davor haben es könnte sich sonst im allgemeinen Sprachgebrauch durchsetzen.
Dass bestimmte, abwertende Bezeichnungen für nicht-weiße Menschen nicht mehr opportun sind, hat sich dagegen in den Altersklassen unter 80 bereits weitgehend durchgesetzt – ohne dass das Abendland untergegangen ist – außer jemand möchte bewusst rassistisch provozieren.
Und diese bescheuerte Winnetou-Debatte war von Anfang an eine rechte Ente. Es gab einfach keinen linken Shitstorm gegen Winnetou-Filme. Da hat die populistische Rechte eine Story komplett fabriziert. Aber exemplarisch für das, was seit einiger Zeit nicht nur die AfD, sondern auch FDP, Merz/Söder-Union und ihnen verbundene Konzernmedien so treiben.
Ich entnehme den (durchaus guten) Beiträgen hier wie in unserer Medienlandschaft trotz bester Anstrengungen überwiegend ziemliche Ratlosigkeit. In dieser Sache kann ich das Buch „Alles bewältigt, nichts begriffen“ von Freerk Huisken empfehlen, der sich kritisch mit der Aufarbeitung des Faschismus befasst. Es ist aktuell auf der Website des Verlags kostenlos verfügbar. Das Buch ist nicht gerade neu, und ich möchte nicht alle Aussagen 1:1 unterstützen. Aber es hält ein oder zwei lohnende Einsichten parat für jeden der sich fragt, wie denn ganz plötzlich in der Mitte unserer ach so schönen Gesellschaft der Rechtsextremismus wieder erstarken kann.
Diese Definition haben die Arbeiter aber ganz sicher nicht unterschrieben.
Kann man übrigens gern machen, so eine Definition. Dann darf man sich aber nicht wundern wenn die „Linken“ maximal 30% der Bevölkerung mobilisieren können. Die Linke verliert dann ihren Anspruch, die Massen zu vertreten und schafft sich somit selbst ab. Wieso also bitte, wählt man eine Definiton, die sich selbst unweigerlich im Widerspruch verliert?
Nur, wenn man davon ausgeht, dass die Massen den Interessen der Minderheiten gleichgültig oder gar ablehnend gegenüber stehen.
Sorry, aber eine linke Politik, die nur an die Massen mit Problemen „der Masse“ appelliert halte ich für genau so falsch und populistisch wie eine konservative Politik, die nur an die „Massen“ der Bürger und ihre Probleme appelliert („Wohlstandssicherung“).
Ich selbst gehöre nur einer (nicht offensichtlichen) Minderheit an (Herkunft aus der absoluten Unterschicht), trotzdem trete ich für eine Politik ein, die sich stark für alle Minderheiten einsetzt. Und das trifft zum Glück mit steigendem Bildungsstand auf umso mehr Leute zu.
Was du forderst läuft zwangsläufig auf Populismus hinaus und das ist meiner Meinung nach kein langfristig sinnvoller Kurs - wenngleich Populismus kurzfristig (leider) durchaus gute Wahlergebnisse erzielt.
Das Problem der Linken ist, dass sich jeder in seiner Bubble eingerichtet hat und es gefühlt gar kein Proletariat mehr gibt.
30% wären doch ein tolles Ergebnis, wo echter linker Politik nur noch ein Potential von maximal 25% prognostiziert wird.
Von „nur“ hat keiner was gesagt. Aber Minderheitenschutz ist nun einmal ein Thema von Vielen und wiederum nur abhängig von der Klasse ein Problem. Gibt kaum eine reiche Minderheit, die sich beschwert.
Vor allem aber ist die Taktik dumm. Wenn die Linken keine Wahlen mehr gewinnen, können sie erst Recht keine Politik für Minderheiten machen. Glückwunsch dann für den Antipopulismus, der bringt total viel wenn die AFD letztlich regiert. Den Minderheiten geht es dann erst Recht schlecht, aber wir Linken können uns für unsere Standhaftigkeit und Progressivität auf die Schultern klopfen.