So seltsam das auch klingen mag habe ich tatsächlich die Vermutung, dass der Rechtsruck eigentlich genau diese Gegenbewegung ist. Ich halte viele der Fragen, die sich die AfD Wähler so stellen (Angst vor Armut, Rentenproblematik, Inflation, explodierende Preise bei Eigentum und Miete von Immobilien etc.) für vollkommen legitim, dummerweise suchen sie ihre Erlösung in der stark vereinfachten Darstellung, dass Ausländer daran schuld sind.
Hinter dem Spruch „unser Geld erstmal für unsere Leute ausgeben“ steckt ja eigentlich ein Bisschen die Anklage, dass zu wenig für die kleinen Leute getan wird (sei das die Alleinerziehende oder die Oma, der die Rente kaum für die Butter aufs Brot reicht). Dabei wird halt der kausale Zusammenhang komplett ausgeblendet und man jammert wegen den Kosten für Migration - wenn dann mal ein nicht-biodeutscher Mensch eine Straftat begeht fühlen sie sich bestätigt und es kommt genau zu diesem Rechtsruck.
Aus meiner Sicht ist das tatsächlich super paradox, weil ja gerade die rechten Parteien sich unterm Strich eben ausdrücklich gegen die finanziell Schwachen richtet, deren Ängste sie in ihre Hànde treiben.
Jetzt zum Problem, warum diese Potenziale nicht bei linken Parteien ankommen:
- Die Grünen sind mittlerweile eher wirtschaftliberal als sozial, das war mal anders
- Die SPD rennt den Seeheimern nach und macht keine wirklich sozialdemokratische Politik mehr
- Die Linke hat das Problem, dass sie zu viele Strömungen in sich vereint. Wagenknecht (die ja jetzt ausgetreten ist) ist eher autoritär, kann mit Gender, Klimaschutz und progressiv nicht so wirklich was anfangen, auf der anderen Seite hat man dann Strömungen, die eigentlich das gleiche wollen, sich aber beim „wie“ komplett zerreissen.
Ich mache hier mal ein Beispiel, einfach weil es so schön plastisch ist. Ich hatte vor Jahren mal eine Diskussion mit einer Frau, weil ich an einer Demo für Feminismus teilnehmen wollte. Diese Frau teilte mir dann mit, Männer sollten dies nicht tun, weil dann die Presse nur wieder die Männer interviewt und die Frauen ja doch wieder keine Stimme bekommen. Man kann jetzt hier wieder sagen, was man will, das Ziel ist gleich, aber das „wie“ ist ein riesen Streitpunkt. So findet man halt auch keine Mehrheiten für etwas, wenn man mal ehrlich ist. Viele Linke, die ich kenne haben genau dieses Problem - da wird etwas intellektuell so stark Differenziert und Abgegrenzt, dass man nicht mal den kleinsten gemeinsamen Nenner mit konkreten Zielen versehen kann.
Und genau hier liegt m. E. jetzt die Chance, denn BSW wird mutmasslich eher in einer autoritäre Richtung gehen, damit bietet sich für die LInke die Chance, sich neu zu erfinden und ebenjene Menschen aus der linksprogressiv-sozialen Ecke von Grünen und SPD abzuholen. Nur dafür muss man halt gemeinsame Kernwerte aufweisen. Ich hoffe darauf.
Mehr zu meiner Argumentation übrigens hier.