Gendern verbieten - verfassungsgemäß?

Hessen und Bayern verbieten das Gendern im öffentlichen Bereich.

Ist das verfassungsrechtlich zulässig, oder endet das Genderverbot auch irgendwann kläglich in Karlsruhe?

Ich würde euch gerne relativ kommentarlos diese Quelle anbieten, habe mich vor wenigen Tagen nämlich das selbe gefragt, und bin daher darauf gestoßen.
Bin aber kein Jurist, und kann des daher juristisch nicht einordnen.

Wenn ich es richtig verstehe ist aktuell das Problem, dass es nur wenige Bundesländer bisher überhaupt geregelt haben, was zu einer unklaren Rechtslage führt. Beispiele im Link.
Ein Verbot zur Verwendung des Gendersternchens, oder anderen Satz- und Sonderzeichen, wäre wahrscheinlich rechtmäßig, sprachlich muss die Gleichstellung aber trotzdem abgebildet sein.

Pflicht zur Gendersprache in der öffentlich-rechtlichen Verwaltung?
Wie bereits zuvor gezeigt, gibt es aufgrund [Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG] zur Gleichstellung von Frauen und Männern durchaus die Vorgabe, dies auch sprachlich zum Ausdruck zu bringen. Dies betrifft somit nicht nur Bund, Länder und die Verwaltungen, wie das Arbeitsamt, das Jobcenter oder das Ordnungsamt, sondern beispielsweise auch Schulen und Universitäten.
Wie ebenso bereits aufgezeigt, ist ein Nachteil des Genderings, dass zumindest Sonderzeichen wie Sternchen, Bindestriche etc. sich von einigen technischen Geräten nicht einwandfrei lesen lassen, was wiederum etwa zu Problemen für blinde und sehbehinderte Personen führen kann. Es besteht insoweit jedoch die öffentliche Pflicht zur Barrierefreiheit.

Aber dürftest Du in einem offiziellen Dokument, dass nach außen geht, dann Mitarbeiter*Innen (oder andere Form) schreiben, oder musst Du „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ bzw. „Mitarbeitende“ schreiben. Bei der ersten Form, die ich bevorzuge, kommt ja gerne die Kritik, dass dies nur wieder beide klassischen Geschlechter anspricht und die anderen Geschlechter nicht.

Gleiche Frage für interne Kommunikation, darfst Du was Du möchtest nutzen, oder musst Du oben genannte Formen nutzen?

Das Problem ist ja eher, dass es x viele Formen gibt und während bei mündlichem Sprachgebrauch dies ja jeder gerne machen kann, wie er will, würde ich schon klare Regel für Schrift & Amtsdeutsch haben wollen.

In Hessen und Bayern geht es, soweit ich mitbekommen habe, allerdings nicht nur um „Amtsdeutsch“, sondern insbesondere auch um Universitäten oder den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Und da ist es meinem Eindruck nach bisher so, dass das vollkommen zu Recht unter die Pressefreiheit bzw. die Freiheit der Lehre fällt, wie Journalisten oder Dozenten sich sprachlich ausdrücken.

Das Zitat von Söder:

Im Gegenteil, wir werden das Gendern in Schulen und Verwaltungen sogar untersagen, meine sehr verehrten Damen und Herren

Damit ist höchstwahrscheinlich gemeint, dass sowas wie das Gendersternchen verboten werden soll. Das wäre wohl auch mit der Verfassung vereinbar.
Eine komplettes Verbot gegen jegliche Form der geschlechtergerechten Sprache wird jedoch nicht funktionieren.

Ich denke eher nicht, dass es z.B. mit der Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vereinbar wäre, wenn Söder denen seine Grammatik vorschreibt.

Aber völlig unabhängig davon, ob das nun verfassungswidrig oder „noch o.k.“ ist, ist es natürlich ein autoritärer Move und widerspricht im Wortlaut absolut dem, was er zu anderer Gelegenheit in umgekehrter Richtung verlautbaren ließ, z.B. „In Bayern gilt das Motto: Leben und leben lassen. Wir sind bodenständig und führen das Land mit gesundem Menschenverstand. Die Ampel regiert mit Verboten und Ideologie. Das lehnen wir ab.“

Zeigt halt, worum es den radikalisierten konservativen Kulturkämpfern in Wahrheit geht. Nämlich um Othering. Die Menschheit einzuteilen in „normal“ (= so wie ich/wir) und „unnormal“. Man kann dann ja sogar ein Stück weit tolerant sein gegenüber den Unnormalen, solange diese brav akzeptieren, dass sie nicht normal sind und nur durch Gnade der konservativen Mehrheitsgesellschaft auf Widerruf dazugehören.

Konservative fürchten sich nicht wirklich davor, dass sie zu Gendersprache gezwungen werden, dass ihre Kinder in der Schule schwul gemacht werden, dass Kantinen nur noch vegetarisches Essen anbieten, dass keine Weihnachtsmärkte mehr stattfinden, usw. Sie fürchten sich davor, dass es irgendwann in der Gesellschaft als normal angesehen wird, wenn jemand Vegetarier ist, schwul, mit Weihnachten nichts anfangen kann oder Gendersternchen verwendet.

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Aber Söder spricht doch gar nicht vom ÖRR.

Ansonsten stimme ich ihnen voll und ganz zu. Das ist Kulturkampf in Reinform, der auch noch wunderbar ablenkt.

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Ich würde mal sagen für öffentliche Kommunikation und Amtsdeutsch ist es ja zunächst sinnvoll, wenn man eine einheitliche Sprache verwendet - und das erstmal unabhängig von der Frage nach gendern. Wenn da jeder so schreibt wie er will und offizielle Briefe dann mit „Ey Diggi“ anfangen oder massig Umgangssprache beinhalten oder so, das kann ja auch keiner wollen. Macht es für nicht-Muttersprachler sicherlich auch nicht einfacher. Von daher würde ich in dem Zusammenhang auch nicht unbedingt von einem Verbot des Genders sprechen, sondern eher von einem Gebot wie man sich ausdrückt - man repräsentiert ja schließlich den Staat. An zweiter Stelle kann man dann diskutieren, ob man diese einheitlichen Vorgaben auf Gendern umstellt, dafür scheint es mir aktuell aber keine Mehrheit zu geben.

Gendern im Sprachgebrauch zu verbieten, bspw. an Schulen, halte ich dagegen für absurd. Ich meine, was will man denn machen? Spitzel im Klassenzimmer und Lehrer rauswerfen, die Gendern? Dabei gibt es eh schon einen Mangel. Zudem müssen Schüler ja auch lernen, dass die Welt bunter ist als in einem urchristlich-konservativen Weltbild ggf. erwünscht. Auf der anderen Seite würde es in Bayern natürlich zu den albernen Holzkreuzen mit einem toten Prediger passen, die in Bayern in jedem Klassenzimmer hängen sollen, haha :wink:

Das ist der aktuelle Vorstoß aus Hessen: Hessen: CDU und SPD planen Verbot von Genderzeichen in öffentlichen Einrichtungen - DER SPIEGEL

Vielleicht macht Söder das jetzt noch nicht, aber ein konkreter Entwurf liegt doch noch nicht vor, und ich würde erstmal davon ausgehen, dass er in solchen wichtigen Angelegenheiten nicht auf Dauer hinter seinem Amtskollegen zurückbleiben wollen wird.

Ein Eckpunktepapier ist aber noch keine Gesetzesvorlage. Ob man sich wirklich traut in die journalistische Freiheit einzugreifen, mit allen juristischen Risiken, bleibt abzuwarten.

Das wirklich absurde ist daran doch, dass die Konservativen - in den USA ebenso wie in Deutschland - stets klagen, man wolle ihnen vorschreiben, wie sie sich auszudrücken hätten, wenn man eine geschlechtergerechte Sprache auch nur als Option vorschlägt, gleichzeitig eben diese Konservativen nun aber alles daran setzen, genau das zu tun, was sie der Gegenseite vorgeworfen haben: Es wird verboten, sich auf eine bestimmte Art auszudrücken.

Absolut, im Hinblick auf den ÖRR und die Hochschulen wäre es zweifellos ein verfassungswidriger Eingriff, der auch nicht zu rechtfertigen ist. Bei den Schulen und allgemeinen Ämtern hingegen ist es schwierig, herzuleiten, wie diese Dienstanweisungen an weisungsgebundenes Personal (also das ganze Beamtentum und den öffentlichen Dienst) im Hinblick auf die Außenkommunikation verfassungswidrig sein könnte. Das finde ich sehr schade.

Vor allem für die Schüler ist es kompletter Unsinn. In der Schule wird das Gendern verbannt, wenn sie dann in die Uni kommen wird es plötzlich teilweise gefordert, zumindest aber an den meisten Universitäten und Fachhochschulen erwartet. Der Plan der Konservativen - und das macht es natürlich auch zum Kulturkampf - ist, dass die Schüler, wenn sie auf die Uni kommen und Gender-Sprache nicht gewohnt sind, sich dagegen wehren werden und die Gendersprache an den Universitäten dann als Eingriff auffassen (was man nicht kennt oder gewohnt ist, wird bekämpft).

Söder und Rhein sind hier einfach nur populistische Kulturkämpfer und ich würde mir wünschen, dass mehr Menschen ihnen bei der Wahl einen Denkzettel verpassen würden, was leider nicht passieren wird, weil die Mehrheit der Deutschen leider ebenso sprach-konservativ ist und das Gendern ablehnt. Es sind genau diese Dinge, warum Deutschland in jedem Transformationsprozess so träge ist…

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Ist das überhaupt so? Wenn man mal nach konkreten Beispielen fragt, wo das wirklich angeblich vorgeschrieben ist, kommt eigentlich immer nur „da gab’s mal einen Prof an der Uni Kassel, der mit Punktabzug gedroht hat“, und dann war’s das auch schon. Wer sich natürlich irgendwo für Gender Studies einschreibt, muss sich tatsächlich nicht wundern, wenn er mit „Generischem Maskulinum“ eher der Außenseiter ist, und bei Erziehungswissenschaft an der FU Berlin würde ich es auch sofort glauben. Aber werden im Physik-Studium an der TU Dresden oder bei Jura an der Uni Tübingen tatsächlich Gendersternchen erwartet? Don’t think so.

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Also schon als ich damals (2009) meine Diplomarbeit zum Sozialarbeiter geschrieben habe wurde es von einigen Profs erwartet. Okay, das waren natürlich vor allem die Profs, die auch einen Bezug zu Gender Studies oder zumindest Gender Mainstreaming hatten… generell dürfte es im Sozial- und Geisteswissenschaftlichen Bereich wohl eher erwartet werden als in den Naturwissenschaften.

Hier ein paar Beispiele von Universitäten, bei denen es scheinbar zumindest erwartet wird:

Die Universität Leipzig schreibt hier recht klar, dass es „in wissenschaftlichen Texten üblich“ sei, zu gendern, was schon ein recht klarer Wink mit dem Zaunpfahl ist.

https://www.fu-berlin.de/sites/diversity/antidiskriminierung/sprache/gender/gendern-in-hausarbeiten-pruefungen.html

Der Artikel wird eingeführt mit „Wir erwarten, dass alle Mitglieder der Freien Universität Berlin das Ziel teilen, die Universität zu einem diskriminierungsfreien und diversitätsgerechten Ort zu machen.“, was schon eine klare Erwartungshaltung beinhaltet.

Dieser Leitfaden der eines Institutes der LMU wird auch sehr deutlich: „Es entspricht daher nicht mehr den Standards guten wissenschaftlichen Arbeitens, durchgängig die männliche Form von Gruppenbezeichnungen zu gebrauchen“

Klar ist, dass letztlich der zuständige Professor bzw. das zuständige Institut der Universität entscheidet, sodass man kaum allgemeine Aussagen machen kann. Aber wenn man sich so den wissenschaftlichen Output im deutschsprachigen Raum anschaut, kann man schon konstatieren, dass der Anteil nicht-gegenderter Texte immer weiter zurück geht (und das ist gut so!), von daher wird der Trend, dass Professoren zu der Überzeugung kommen, dass Gendern Bestandteil der Standards des wissenschaftlichen Arbeitens ist, wohl eher anhalten. Das gilt natürlich insbesondere für Sozial- und Geisteswissenschaften und nicht zwangsläufig so stark für Naturwissenschaften, wobei auch da vermutlich immer mehr gegendert wird.

… wenn dort nicht ohnehin längst Englisch geschrieben wird :wink:

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Sollte es tatsächlich Genderverbote an Schulen geben, dann wird das dem Gendern entgültig zum Durchbruch verhelfen.
Dadurch werden junge Menschen es erst Recht machen, um sich von den Älteren zu unterscheiden, so wie junge Menschen es schon immer gemacht haben.

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Ein Beitrag wurde in ein neues Thema verschoben: Deutscher Rechtschreibrat: Sinn und Befugnisse

Liebes Forum und liebes Lage-Team,

das Gendern erhitzt ja immer wieder die Gemüter und ist auch bei der Lage Thema. Ich bin neulich auf eine meiner Meinung nach super kluge Bearbeitung des Themas gestoßen, nämlich auf ein Video der Youtuberin Alicia Joe. Ich war beeindruckt vom Tiefegrad mit dem sie das Thema betrachtet und die verschiedenen Aspekte ordnet, sie bringt sehr interessante Argumente und bespricht das Thema sachlich.

Hier ein Link https://youtu.be/aZaBzeVbLnQ?si=Jiaw7eJy73PkcGSH

Das Video ist alleine schon interessant genug und mich würde freuen zu hören was hier dazu gedacht wird. Ich habe mir allerdings auch noch weitere Gedanken dazu gemacht:

Ein Key Aspect ist, dass Genus und Sexus eben zwei verschiedene Dinge sind. Deswegen finde ich, sollten wir das ganze Thema Gendern so angehen, dass wir uns die Trennung zwischen Genus und Sexus im Sprachgebrauch wieder mehr ins Bewusstsein rufen. Wie? Laut Alicia sind die Genera bei deutschen Substantiven relativ gleichverteilt. Bei Berufsbezeichnungen/Tätigkeitsbezeichnungen trifft dies aber vermutlich nicht zu. Wieso machen wir also nicht einfach Folgendes: Wir vergessen sämtliche „-in“-Endungen, um aber die Assoziation von den Standard-Berufsbezeichnungen mit Männlichkeit zu entfernen, Verändern wir den Genus von ein paar ganz zentralen Tätigkeitsbezeichnungen. Wir sagen dann „die Arzt“, „die Polizist“, „die Anwalt“. Schließlich gibt es ja auch „die Wache“, oder? Und um nicht nur männlich-weiblich zu berücksichtigen, wird bei ein paar weiteren zentralen Tätigkeiten das Genus der Neutrum. Das Gast, das Bürgermeister, zum Beispiel. Oder wieso nicht einfach nur noch „das Bürgermeisterin“?

Erstmal komisch und auch da gäbe es zunächst Widerstände bei den Leuten. Aber es setzt sich irgendwann in den Köpfen durch, dass Genus und Sexus 2 Paar Schuhe sind und es deswegen wenig Rolle spielt welches Genus ein Wort hat. Und dann gibts auch kein Argument mehr dagegen :blush:

Wenn wir zum Beispiel nur noch die Arzt und die Rechtsanwalt sagen, hätten wir schon eine eine immense Verschiebung in der Wahrnehmung und einen riesigen Beitrag zur Geschlechtergerichtigkeit. Und man müsste nur zwei (oder ein paar) Artikel ändern. Ich glaube da hätte die Mehrheit der Gesellschaft nach kurzem Überlegen nichts dagegen.

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Im Plural machen wir das doch schon immer so.

An dieser Stelle: Herzlichen Dank für Eure ausschließlich qualifizierten Beiträge!
Aber es sei hier an meine Frage erinnert: kann ich das Gendern in unserer Rechtsordnung, wenn auch in einem öffentlich-rechtlichen Bereich verbieten?
Eingriff in die öffentlich-rechtlichen Medien, Eingriff in die Wissenschafth? Ist das ok?
Ist es in Ordnung, Verbotsgesetze dieser Art mit Mehrheit zu erlassen und durchzusetzen?
Die Durchsetzung würde mich auch mal interessieren. Wie ginge das?

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Das würde mich auch interessieren. In Schulaufsätzen und Schulbüchern kann ich mir noch vorstellen, wie das funktionieren wird.

Im Arbeitsleben fände ich es eher witzig und auch ein wenig subversiv, wenn auf einmal bayerische Arbeitsgererichte damit belastet würden, Orthografiefragen zu verhandeln. Erinnert an das Karl-Valentin-Urteil von 2011, wo ich mir relativ sicher bin, dass der Spruch " Mögen hätte ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut." auch was die Grammatik anbelangt, nicht ganz koscher ist.