Friedrich Merz und der Zahnersatz

Die viel zu schlecht bezahlte Arbeit ist die eine Sache (die neoliberale Politik hat jahrzehntelang auf Profitmitnahme aus unterbezahlter Arbeit gesetzt) - und die muss korrigiert werden! Aber sie hängt nicht damit zusammen, dass mittellose, kranke Menschen menschenwürdige Behandlung zuteil wird. Es ist also nicht so, dass das aus der Unterbezahlung zurückgehaltene Geld für Geflüchtete ausgegeben wird - kein Verteilungskampf, sondern hier ein zu lösendes Problem, da Nothilfe.

Es ist verständlich, dass unterbezahlte Leute unzufrieden mit ihrer Lage sind, es ist aber nicht akzeptabel, dass sie deshalb nach den noch viel Schwächeren treten aus Frust - nicht weil es ihre Lage bessern würde. Man darf und sollte diese Leute fragen, ob sie gerne tauschen möchten mit Jemandem, der aus Not Alles hinter sich gelassen hat (Heimat und Familie immerhin) und in einem fremden Land, in dem er/sie nicht unbedingt willkommen ist, irgendwie sich zurechtzufinden. Frag das mal deine PatientInnen. Die machen es sich nämlich leicht in diesem Fall. Auch Unterbezahlte (relativ zu ihrer Umgebung) dürfen mal über Gerechtigkeit „nach unten“ nachdenken.

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Diese Angst wird ihnen aber nicht dadurch genommen, dass sie die gesellschaftlich und finanziell noch schlechter gestellten Menschen weiter abwerten.
Mal rein theoretisch angenommen, alle Flüchtlingen würden morgen verschwunden sein. Meint hier irgendwer, dass sich die Situaton für die Niedriglohnempfänger dadurch ändern würde?

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Ist das den von denen, die gegen Flüchtlinge Stimmung machen, gewollt?
Ist der Gegensatz von Arm zu Reich nicht ein notwendiges Element unseres kapitalistischen Systems?
Ist jetzt keine Systemkritik, nur eine Feststellung

Ja würde sie.

Gerade der Niedriglohnsektor ist der Einstieg für Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt.

Wenn also morgen alle weg sind, werden die wenigen Deutschen die noch da sind, noch mehr arbeiten müssen, dadurch mehr Geld durch mehr Stunden bekommen (Achtung keine Lohnerhöhung, die kann sich der AG ja nicht leisten, laut neoliberaler Darstellung), noch schneller an Überlastung zusammenbrechen und der Rest von Deutschland wird merken, wo überall Flüchtling und Ausländer zum Gelingen des Staates Deitschland beitragen.

Was uns wieder zum Schluss führt (wie am einigen anderen Stellen im Forum hier), das die einfache populistische Lösung nicht funktionieren wird, aber ein beträchtlicher Teil unserer Gesellschaft offenbar keine Lust auf komplexe und arbeitsintensive, aber tragfähige Lösungen hat, die evt sogar Veränderungen mit sich bringen.

Sind wir tatsächlich schon so abgestumpft und träge, oder nur temporär frustriert und erschöpft von Krisen und politischer Streiterei?

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… das ist wie Weihnachten. Man weiß, dass es kommt, aber solange es noch nicht da ist, können wir doch erstmal so weitermachen, oder?!

Könnte doch auch anders kommen … :wink:

Wir haben das in der Folge nicht erwähnt, weil das im Ergebnis nichts ändert: Auch nach dem SGB bekommt man praktisch keinen Zahnersatz ohne ganz erhebliche Zuzahlungen … und welche Geflüchteten können sich die leisten? Und wenn sie es ausnahmsweise doch können, erhalten Sie Zahnersatz ja nicht auf Kosten der deutschen Sozialsysteme.

Weil das Argument „Flüchtlinge verschärfen die Konkurrenz“ in letzter Zeit häufig in verschiedenen Formen (Wohnung, Job, etc.) daher kam, hier noch einmal eine generelle Erwiderung dazu.

Dass die Konkurrenz um wohnen, arbeiten, usw. durch mehr Menschen erstmal intensiviert wird, leuchtet womöglich ein. Aber Achtung:
Weshalb gilt das gerade für die Migranten? Warum sollten ausgerechnet die darin ausschlaggebend sein? Wieso nehmen ‚uns‘ nicht die anderen Deutschen, die Pendler, die Multi-Jobber, usw alles mögliche weg?
Denn Die bereits hier lebenden, wie auch die neu zugezogen unterliegen allesamt der gleichen Konkurrenz.

Aus der Verschärfung allein ein Argument gegen die Migration ableiten zu wollen, geht einfach nicht auf. Es ist zwar ein wunderbarer Einwand gegen die Konkurrenz selbst - das dürfte aber dann ein Versehen sein.

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Ich verstehe was Du meinst, aber jeder Mensch (gleich welcher Nationalität) der bereits seit längerem in D wohnt, hat ja bereits eine Wohnung. Zieht er um, wird seine alte Wohnung frei. Berufspendler und Mini-Jobber sind ja ebenso alles Menschen die schon hier sind und damit bereits „Marktakteure“.

Menschen die neu hinzukommen, erhöhen ja die Nachfrage. Natürlich ist es egal, ob ein solcher Mensch aus Spanien, Ägypten oder Korea kommt.

Es gab die Diskussion doch schon immer. Ein Herr Podolski hat seine Urahnen ja auch nicht in Bayern, eine Frau Rossi wahrscheinlich auch nicht und Kollege Perić sowieso nicht. Deren Vorfahren sind zumeist auch irgendwann mal migriert.

Es gibt durchaus auch Deutsche, die mit zunehmendem Alter erstmals auf den Mietmarkt drängen - und die Eltern halten den eigenen Platz erstmal, wie man im Parallelthread zur Wohnungsnot lesen kann. Übrigens meist - was da interessanterweise noch gar kein Thema war: dass die Kinder, wenn sie zu Besuch kommen, weiterhin ihr Zimmer nutzen können (was sie auch als Ergänzung für ihre erste Miniwohnung brauchen) - und deshalb gerne kommen.
Damit kommt auch das nächste Problem: umgezogen wird dann später in der Regel nicht in weniger sondern in mehr Wohnraum.
Eigentlich wäre das ein gutes Argument für eine Reichensteuer: wenn die dann ins Ausland fliehen, (wie ja gerne gedroht wird), wird hier Wohnraum in lukrativen Gegenden frei.

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In der aktuellen Folge des Podcasts Die Neuen Zwanziger hat Wolfgang M. Schmitt mehr oder weniger direkt angeregt, doch „Flüchtlinge“ in der üblichen Rhetorik mal mit „Kinder“ zu ersetzen. Die Analogie trägt wirklich weiter, als ich zunächst dachte, schließlich sind auch die Neuankömmlinge, auf unseren Schutz angewiesen, haben viel Potenzial, wenn man ihnen hilft, es zu entfalten, aber das kostet erstmal Geld. Und Wohnraum nehmen sie auch noch weg.
Deine Frage ist absolut berechtigt und leider scheint die Antwort eine anthropologische Konstante zu sein, die wir auch derzeit mit all den Mitteln der Zivilisation, die wir uns ausgedacht haben, nicht hinreichend in die Schranken gewiesen bekommen: Fremdenhass. In der Regel auch verschränkt mit Klassismus/Armenhass, denn über reiche Ausländer vernimmt man doch recht selten Klagen, Stichwort Intersektionalität.

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Also meine Intention war jetzt wirklich nicht, mich darüber zu streiten, ob die Pendler oder wer auch immer nun tatsächlich schlimmer seien oder nicht. Der Punkt war eher, dass du mit „Verschärfung der Konkurrenz“ halt nicht speziell bei einer Kritik der Migration landen kannst. Bzw das umgekehrt für quasi jede Bevölkerungsgruppe behaupten kannst. @tacuissem hat das ja mal für Kinder vorgeschlagen (cooles Beispiel übrigens, danke dafür).

Woraus dann die nächste Einsicht folgen kann:
Wenn das nicht daraus gefolgert werden kann, dann muss eine andere Begründung dahinter stehen. Oder, und das finde ich im Sinne der Selbsterkenntnis viel interessanter: Es ist überhaupt nicht aus irgendwas erschlossen, sondern einfach beschlossen.

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ich würde den satz leicht umformulieren:
sich allein gelassen & nicht ernst genommen fühlen
Und dann ist es eben nicht einfach nur Regierungspolitik, die schicksalhaft rechten Hetzern in die Karten spielt sondern auch Oppositionshandeln, dass dieses Gefühl verstärkt oder gar erst erzeugt.

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Es ist schon bizarr, dass jede Idee das Sozial- oder Gesundheitssystem zu verbessern und dazu die Einkommens- oder Vermögensverteilung gerechter zu gestalten, von den gleichen Leuten als Neid-Debatte abqualifiziert wird, die dann den Neid innerhalb oder zwischen benachteiligten Gruppen maximal befeuern.

Diese Wut untereinander dient dabei der Stabilisierung des ungerechten Systems, weil es von den wahren Ursachen ablenkt.

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Mich würde ja mal interessieren, was Merz dazu sagt, dass z.B. die Gastro Branche ihre Auszubildenden „importieren“ müssen, da sie keine im Nahbereich finden.

Wäre auch eine interessante Frage an die AfD, da selbiges auch in ihren Hochburgen passiert.

Ergo eigentlich zur Demo gehen „Ausländer raus rufen“ und dann in die Gaststätte um sich von dem Ausländer den man so gerne los werden will bedienen zu lassen.

Es gibt auch Binnenmigration. Eine leere Wohnung in der Sächsischen Schweiz, die frei wird weil der ehemalige Bewohner verständlicherweise lieber in einer anständigen Gegend wohnen möchte, nützt dem Hamburger oder Münchener gar nichts.

Im Podcast „Der Tag mit“ im Deutschlandfunk Kultur kommt ein Bäcker aus Bayern mit 5 Filialen zu Wort. Es ist herzerfrischebd, wie er von seinen Auszubildenden und MitarbeiterInnen mit internationaler Geschichte spricht. Z.B. sagt er ganz klar, dass es nicht nur super funktioniert, sondern auch in seinem eigenen ökonomischen Interesse ist.
Podcastlink
Ich glaube, das Interview war ungefähr in der Mitte.

Die Argumentation kann ich nicht teilen. Dann kannst Du auch argumentieren, dass ein Münchener nichts davon hat, wenn jemand in Hamburg aus seiner Wohnung auszieht. Bestimmt gibt es auch reichlich Menschen die von nicht von Düsseldoof nach Köln umziehen wollen und umgekehrt (letzteres ist nachvollziehbar :grimacing:), aber dann ist jegliche Diskussion über den Wohnungsmarkt obsolet.

Nun, wenn ich in Köln wohne und in Stuttgart wird die perfekte Wohnung frei, nützt das tatsächlich nur bedingt. Zumindest wenn mein Arbeitsplatz und soziale Bindungen um Köln sind.
So räumlich flexibel dürften die wenigsten sein

Er hat schon recht. Es gibt nun mal Gegenden, in denen die Leute mehr weg- als hinziehen. Das verschärft die Situation in den Gegenden, wo es andersrum ist.
Bei einem Flüchtling kann übrigens der Staat beschließen, wo er ihm eine Wohnung und ein Aufenthaltsrecht gibt, bei einem europäischen Staatsbürger eher nicht.