Freiheiten für Geimpfte

Versuchen wir mal aus dem ganzen Interpretieren herauszukommen und klar und explizit zu sagen, was wir meinen. Ich meine:

  1. aktuell ist ein großer Teil der Bevölkerung noch nicht immun.
  2. ein relevanter Anteil von diesen hätte im Infektionsfall einen schweren und langwierigen Verlauf und würde intensivkapazität belegen (zu schweigen von Spätfolgen)
  3. die Intensivstationen sind aktuell schon voll.
  4. dies alles wird sich durch Impfungen aber noch bis Sommer ändern
  5. bis dahin müssen wir Infektionen minimieren (auch, um neuen Mutanten vorzubeugen)
  6. die aktuellen Maßnahmen sind dazu offenbar zu schwach, sie verlangsamen das Geschehen nur
  7. je später wir reagieren, desto härter und langwieriger wird es - aber um das Reagieren kommen wir nicht herum, weil die Intensivstationen jetzt schon überlastet sind.

Was soll es also bedeuten, mit dem Virus „zu leben“ - außer so schnell wie möglich zu impfen? Und natürlich ist das dann bestehende Restrisiko m.E. akzeptabel, aber wenn das in dem diskutierten Post so gemeint gewesen sein sollte, dann war es sehr unklar und unkonkret geschrieben. Es las sich eher wie eine Relativierung der Risiken und ein undifferenziertes Plädoyer für Öffnungen.

Und natürlich sind lange Maßnahmen das schlechteste Szenario, aber sie wären durch entschiedenes Handeln verkürzbar (gewesen).

In jedem Fall sollten wir doch jetzt durchhalten können, bis im Sommer wenigstens die Erwachsenen geimpft sind!

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Ich finde die Argumentation für die Lockerungen von Geimpften nicht nachvollziehbar.
Das Problem von Covid-19 ist die Überlastung der Intensivstationen, alle Maßnahmen werden getroffen um dies zu verhindern. Für ca. 50% der deutschen Bevölkerung kann das Virus mit einer hohen Wahrscheinlichkeit einen schweren Verlauf haben, für die anderen 50% nur mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit. Grundsätzlich ist dies ja mit den Zahlen des RKI bestätigt.
Die Argumentation ist jetzt, dass von Geimpften keine Gefahr ausgeht und aus diesem Grund keine Freiheitsbeschränkungen VON GESETZT AUS mehr gerechtfertigt sind.
Von ca. 50% der deutschen Bevölkerung ist jedoch nie eine Gefahr für das Gesundheitssystem ausgegangen.

Wo liegt hier der rechtliche Unterschied?

Es geht hierbei EXPLIZIT nicht um die Gleichstellung mit Negativ getesteten, sondern z.B. um die komplette Aufhebung von Ausgangsbeschränkungen und Kontaktbeschränkungen.

Ich weiß nicht, auf welchen Zeithorizont sich die Aussage von @roseman62 bezog. Für mich persönlich, ergibt sich aus der Sache selbst (also aus der Dauer einer Pandemie), dass sich eine Formulierung wie „mit dem Virus leben“ auf einen längeren Zeitraum bezieht. Für Dich scheint es fast ausschließlich um die nächsten Monate zu gehen - aber auch das hast Du nicht explizit gemacht. Insofern musst Du Dir dieselbe Kritik gefallen lassen, die Du hier übst.

Nein, das ist Deine Lesart gewesen. Gerade wenn eine Aussage „unklar und unkonkret“ ist, wie Du behauptest, auf welcher Grundlage behauptest Du dann, dass diese Lesart objektiv ist, dass die Aussage also nur so gemeint gewesen sein kann, wie Du sie interpretierst? Und welchen Sinn hat das, zumal ja mit Deiner Interpretation noch einiges an Unterstellungen über die vermeintliche Motivation der Aussage einhergeht. So ein Vorgehen verhindert meiner Meinung nach eine tatsächliche Diskussion über unterschiedliche Sichtweisen und Argumente.

Und ganz konkret, auch auf die nächsten Monate bezogen, kann „mit dem Virus leben“ zum Beispiel heißen, mehr darauf zu achten, wo Infektionen stattfinden und mit gezielteren Maßnahmen als Schließungen ganzer Lebensbereiche darauf zu reagieren. Diskussionen darüber gibt es ja mehr als genug und wie schon gesagt ist das Vorgehen in verschiedenen Ländern hierbei sehr unterschiedlich - etwa beim Beispiel Schulen. Es ist ja nicht einfach so, dass es in allen Ländern mit Ausgangsbeschränkungen nur noch Niedriginzidenzen gibt und in allen Ländern mit Präsenzbetrieb in Schulen die Krankenhäuser vor dem Kollaps stehen. Solche Schwarz-Weiß-Bilder haben noch nie geholfen.

Ja, klar, das mag alles gemeint gewesen sein oder auch nicht, aber ich würde hier gerne die Exegese und Spekulation beenden und freue mich auf eine Antwort von @roseman62 .

Dass Maßnahmen möglichst zielgerichtet sein sollten, ist m.E. klar und da haben wir keinen Dissens @kaigallup . Am Schluss muss sich aber das Gesamtkonzert der Maßnahmen daran messen lassen, ob oder wie wirksam es ist oder nicht.

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Der Unterschied, nach meinem Verständnis, ist, dass man die Geimpften kennt, die 50%, von denen keine Gefahr ausgeht, aber nicht.

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Von den 50% geht sehr wohl eine größere Gefahr aus als von den Geimpften, da sie mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit infektiös sein können.

@ChristianF vielen Dank für den Artikel. Endlich mal eine rechtliche Argumentation :slight_smile:

Meiner Meinung nach kann man diese Argumentation auch für die Freiheitsrechte von Nicht-Risikogruppen verwenden. Es hätten ja auch die Freiheitsrechte der Risikogruppen noch stärker eingeschränkt werden können und dafür hätten die Nicht-Risikogruppen ihre vollen Freiheitsrechte behalten können. Bei den Lockdown-Regelungen gilt jedoch Gleichheit vor Freiheit. Bei der Impfregelung jetzt aber Freiheit vor Gleichheit.
Mir ist nicht klar wie eine demokratische Verfassung beide Grundsätze beinhalten kann?

Ein weitere Punkt der mir noch unklar ist. Sollten Freiheitsrechte durch ein Gesetzt an eine Impfung gekoppelt werden, ist es dann nicht gegen eine rechtlich Demokratische Grundordnung diesen Impfstoff und damit die Freiheitsrechte über Priorisierungen zu vergeben, wobei diese Priorisierung sich der Rechtstaatlichkeit entzieht?
Meines Wissen hat über die Impfpriorisierung kein Parlament entschieden und kein/e RichterIn. Wer eine Priorisierung bekommt ist ja in den meisten Staaten unterschiedlich.

Es geht hierbei EXPLIZIT nicht um die Gleichstellung mit Negativ getesteten, sondern z.B. um die komplette Aufhebung von Ausgangsbeschränkungen und Kontaktbeschränkungen.
Weiter halte ich die Entscheidung den Lockdown für alle Gleich anzuwenden für richtig, über die sozialen Aspekte brauche ich daher keine Belehrung :wink:

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https://www.zeit.de/campus/2021-04/corona-impfung-rechte-geimpfte-jugend-boomer-generation-neid

Ich glaube hier kann man nochmal schoen die Gefuehle nachlesen derjenigen, die sich gerade ein wenig uebergangen fuehlen.

Es ist zwar polemisch und ueberspitzt, aber grundsaetzlich spricht es mir aus der Seele.

Hier noch mehr Juristisches: Folge 163: Leere Versprechungen für Geimpfte — FAZ Einspruch — Overcast

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Endlich: Christine Lambrecht will Geimpfte von Corona-Beschränkungen befreien - DER SPIEGEL

Ich bin 14 also wird es höchstwahrscheinlich noch mind. ein 1/4 bis 1/2 jahr dauern bis ich geimpft werde, aber ich verstehe immer noch nicht, was es mir bringen soll, wenn es Geimpften genauso schlecht geht wie mir, obwohl das gar nicht nötig wäre. Das hat doch nichts mit Solidarität zu tun Noch dazu glaube ich, dass wenn man durch Impfungen (mehr) Freiheiten bekommen würde sich auch mehr menschen impfen lassen würden.

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Leider ist das Thema, das @vrendl angeschnitten hat, hier untergegangen:

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Hmmm… Monetäre Entschädigung? Finde das etwas schräg.
Die Beschränkungen sind für ALLE schei**e nicht nur für junge Menschen.

Und es werden keine Priviliegien eingeräumt - wie oft behauptet - es werden nur Restriktionen für Geimpfte zurückgenommen. Und wenn Geimpfte wieder am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können, könnte das manchem Gastronomiebetrieb den Allerwertesten retten.

Jemand der 14 ist, leidet da jetzt nicht mehr oder weniger drunter als jemand der 40 ist.
Wie soll die Entschädigung aussehen? Ist 100 Euro im Mionat eine angemessene Entschädigung (vermutlich nicht)? Das kostet bei 3 Millionen Studierenden dann 300 Millionen im Monat.

Und ja, auch wenn es blöd klingt: Es gibt Gruppen in unserer Gesellschaft die bei weitem größere Probleme haben, als die Studierenden (kenne manche Leute aus der Event-Branche die jetzt im Konkurs sind und einen sechsstelligen Betrag an Schulden haben)

Und mal abgesehen davon denke ich: Wer jetzt geimpft werden WILL, der KANN auch geimpft werden. (natürlich nicht mit dem Impfstoff der Wahl).

Ich kenne eine Handvoll Kollegen die sich dahintergeklemmt haben, die haben alle in den nächsten zwei Wochen einen Termin.

Eine Frage die sich mir da immer stellt: Sind die Betreiber bzw Angestellten des Betriebs auch geimpft? Was wenn nicht? Dürfen sie dennoch öfffnen? Setzen sie sich einem Risiko aus?

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Ich versuche mal meine Meinung kurz zusammen zu fassen, weiß aber, das es wohl eh keinen interessieren wird:
Am Anfang der Pandemie hat man die jungen und mittelaten (zu denen ich mich mal zähle) Menschen dazu gebracht, sich solidarisch mit den Alten und Gefährdeden zu vehalten, was ich gerne mitgemacht habe, aber im Lichte der jetzigen Diskussion auch dazu führt, das man diese Massnahmen als unverhältnismässig einordnen könnte, weil von mir als Gesundem ja keine Gefahr ausgeht.

Jetzt wird gesagt, das wir in Kürze (einige Monate) alle geimpft werden können und dann von der Rückgewinnung der Grundrechet auch profitieren können.
Schön und gut, aber wenn der Impstoff jetzt nach und nach für Menschen unter 16 freigegeben wird, kommt es mit Sicherheit wieder zu eine Priorisierung für die Schüler (damit die Eltern auch ja weiter gut funktionieren können) und deren Eltern, so das ich mich als Gesunder, kinderloser Single darauf einstellen darf erst geimpft zu werden, wenn ich 70 werde, denn NATÜRLICH haben auch die Nachimpfungen (die ja kommen werden nach Aussagen der Hersteller) erst bei den Alten und Gefährdeten stattzufinden, dann bei Kindern und Eltern und das sind dann die anderen halt die Dummen, die für jedes Stück Freiheit Stunden auf Anfahrt und Durchführung zu (unsichern) Schnelltests verbringen und wohl auf absehbare Zeit nicht ohne schlechtes Gewissen und ein beachtliches tödliches Risiko an Konzerten oder ähnlichen wieder teilzunehemen.

OK, ist nicht kurz geworden. Sorry für die, die bis hierhin überhaupt gelesen haben.

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Aus meiner Sicht gibt es noch einen weiteren Aspekt, der derzeit in der Diskussion um das „Ob“ und „Wie“ der Aufhebung von Beschränkungen für Geimpfte zu kurz kommt: Die begrenzte Dauer des Impfschutzes. Derzeit gehen Experten und auch Hersteller selbst davon aus, dass der Schutz für etwa 6 Monate besteht und anschließend eine erneute Impfung erforderlich sein wird, um zu verhindern, dass bereits Geimpfte erneut dem Risiko einer schweren Erkrankung ausgesetzt sind und selbst zu Überträgern werden. Selbstverständlich ist dieser Umstand allein nicht geeignet um Öffnungen für Geimpfte grundsätzlich abzulehnen. Ich denke jedoch, dass man im Rahmen der aktuellen Diskussion um Öffnung von Kultur und Gastronomie sowie Sommerreisen in Europa nicht vernachlässigen darf, dass bis zur Einführung eines europäischen oder nationalen Impfpasses ein nicht ganz unerheblicher Anteil an Personen, darunter insbesondere Rentner über siebzig oder Lehrer, die bereits im „ersten Schwung“ zwischen Januar und März geimpft wurden, bereits zwischen August und Oktober aus dem Impfschutz herausfallen und eigentlich eine erneute Impfung benötigen würden. Ich habe bislang keine fundierten Informationen dazu gefunden, ob a) für die erneute, sukzessive Impfung nach sechs Monaten überhaupt Impfdosen einkalkuliert sind und rechtzeitig verfügbar sein werden und ob b) die geplante Aufhebung der Beschränkungen für Geimpfte entsprechend der Schutzdauer zeitlich begrenzt sein wird. Sowohl öffentliche Diskussion als auch Politik hinken meiner Ansicht nach leider auch insofern den sich fortentwickelnden Herausforderungen der Pandemiebekämpfung hinterher.

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Ganz klar: junge Menschen sind - mal wieder - die gelackmeierten der Politik. Dennoch muss man hier natürlich unterscheiden die Frage nach den Freiheiten ist eine juristische keine ethische. Die Maßnahmen müssen also für Geimpfte zurück genommen werden! Was allerdings eine ethische Frage ist, ist die der Impfpriorisierung! Hier sollte man ansetzten und drüber diskutieren! M.M.n. sollten hier SuS, deren Eltern, Auszubildende und Studierende in eine höhere Prioritätsgruppe kommen. Diese Gruppen stehen unter einer höheren psychischen Belastung und in einer viel entscheidenderer Lebensphase als alle anderen Bevölkerungsgruppen.

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Lieber Ulf, ich adressiere diesen Beitrag vornehmlich an dich, da du vom Fach bist.

Ich muss gestehen, dass ich anfangs über die Rufe nach Freiheiten (der Rückkehr von Freiheit) für Geimpfte bei gleichzeitig noch immens hohen Inzidenzwerten genervt war. Mittlerweile gestehe ich, dass ich über die Gemengelage wie derzeit diskutiert wird, sogar ein wenig erbost bin.

Besonders stört mich, dass bei dieser Frage nahezu ausschließlich juristisch argumentiert wird. Grundsätzlich haben alle, die dieser Gestalt argumentieren völlig recht (so auch du), aber ich finde, dass auch bei der juristischen Betrachtung solcher Entscheidung eben mehr in den Blick genommen werden muss, als der bloße Rechtstext.

Springen wir kurz zurück ins Jahr 2020. Auch dort gab es viele festgeschriebene Regeln, Verordnungen, Gesetze, die unser aller Umgang in der Pandemie gestaltet haben. Aber, es gab zudem die Appelle an die Solidarität der Menschen miteinander. Diese Appelle fußten aber nicht auf bestehenden Regeln, sondern gingen darüber hinaus. Sie lauteten etwa nicht zu hamstern, das Außer-Haus-Gehen auf eine Minimum zu reduzieren, so wenig Kontakte wie möglich zu haben, Abstand zu halten etc. Das sind alles keine gesetzlich festgelegten und somit sanktionierbaren Umstände gewesen. Nirgendwo stand, man darf das Haus nur noch zwei Mal pro Woche verlassen und maximal fünf Personen innerhalb einer Woche treffen - bei Zuwiderhandlung = Strafe. Schon damals gab es viele Menschen, die sowohl auf die gesetzlichen Vorgaben als auch auf die Appelle pfiffen, es gab jene Millionen, die sich zumindest an die gesetzlichen Vorgaben hielten und es gab jene Millionen, die die Gesetze befolgten und sich an die Appelle hielten. Sie schränkten sich über Gebühr (also weitergehend als rechtlich vorgesehen) ein, um vor allem (aber nicht nur) Mitmenschen nicht zu gefährden. Denn sie selbst, hier beziehe ich mich und mein Umfeld ein (Menschen zwischen 30 und 40), hatten davon kaum einen Nutzen, sondern vorrangig Nachteile. Sie taten es aber zu Millionen, um einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten und vulnerable Gruppen nicht übermäßig zu gefährden. Und dies wird sich, so man es messen könnte, auch ganz sicher auf die Infiziertenzahlen positiv ausgewirkt haben. Es ist also nicht so, dass sich Millionen ohne Not bzw. ohne Sinn zusätzlich eingeschränkt hätten. Und ich gehe davon aus, dass sowohl politische Entscheider sowie besonders vulnerable Gruppen auch froh über diese Selbstbeschränkung vieler gewesen sind. Ich bin es im Übrigen auch.

Nun drehen wir das Rad weiter. Auch heute haben wir Menschen, die auf alle Vorgaben und Maßnahmen scheißen, jene Millionen, die tun, was vorgegeben ist und noch immer jene Millionen, die mehr tun. Allerdings wird aus der anfangs erbetenen Solidarität plötzlich das wunderbar deutsche Wort „Impfneid“. Das Wort „Neid“ wird im Deutschen übrigens besonders gern gebraucht, in der Regel deutlich öfter, als tatsächlich Neid besteht. Unter anderem deshalb reden wir Deutschen erwiesenermaßen (!) auch so wenig über Geld, Gehalt und Co. Dies aber nur am Rande.

Ich muss gestehen, dass ich die Forderungen nach Rückgabe der Rechte durchaus als legitim erachte. Ich finde nur, siehe eingangs des Beitrags, dass bei einer möglichen Rücknahme von Vorgaben durch Gerichte für Geimpfte eben auch gesellschaftliche Aspekte berücksichtigt werden müssten. Dass dies möglich ist, zeigt ja euer heutiges Thema eins, in dem du besonders überrascht warst, dass der BGH in seine Begründung etwas hat einfließen lassen, was rechtlich so gar nicht niedergeschrieben ist (Hypothek künftiger Generationen). Warum sollte dies also bei einer Entscheidung über die Rücknahme von Einschränkungen für Geimpfte nicht auch möglich sein - eine gesellschaftlich relevante Ebene? Warum wird hier wiederum ausschließlich anhand bestehender Gesetzestexte argumentiert? Und an dieser Stelle komme ich zur Dichotomie 2020 <>2021 bzw. „Solidarität“ <> „Impfneid“. Ich neide niemandem seine/ihre Impfung. Familie kam bereits in den Genuss, teils gleichaltrige oder jüngere Freunde auch. Ich sehe, dass jeder Geimpfte gesellschaftlich wichtig ist (wird im Übrigen auch gern vergessen: der gesellschaftliche Beitrag des Impfens) und einen Beitrag leistet, die Pandemie für alle zügiger zu bekämpfen. Was für mich aber nicht geht ist, dass man jenen, die im letzten Jahr die Appelle an die Mitmenschlichkeit, an die Solidarität nicht nur hörten, sondern sie aktiv in ihrem Alltag über nunmehr gut 14 Montae hinweg lebten, quasi in den Arsch tritt - und zwar gleich doppelt. Zum einen, wie schon geschrieben, indem sie auf den Priolisten nicht selten ganz hinten stehen, zum anderen, indem man ihrer Skepsis gegenüber der Rücknahme von Beschränkungen für Geimpfte mit Worten wie „Impfneid“ begegnet. Das finde ich in Teilen wirklich maßlos enttäuschend. Hier zeigt sich teilweise ein sehr changierendes Argumentieren zwischen „gesamtgesellschaftlich“ und „individuell“. Etwa wenn es heißt, naja, Geimpfte können sich zwar erneut anstecken, aber ihre Verläufe sind deutlich leichter, die Zahl jener, die erneut ins Krankenhaus müssten unter ihnen ist deutlich geringer, Todesraten sowieso. Das ist alles sehr schön, aber warum wird denn an dieser Stelle die Perspektive Gesamtgesellschaft nun wieder ausgeklammert? Ich denke, dass auch diese Menschen andere anstecken können (besonders andere Nicht-Geimpfte!), Chile ist ja aktuell leider ein negativer Beleg dafür (auch wenn die Wirksamkeit des chinesischen Vakzins dabei wohl massiv schlechter ist, als die anderer Hersteller). Warum nimmt man an dieser Stelle lediglich die Individualperspektive ein? Warum wird in dem Moment nur der Geimpfte betrachtet, aber nicht mehr, dass von ihm/ihr dennoch eine Gefahr für andere ausgehen kann?

Um das Ganze mal apokalyptisch weiterzuspinnen: was lernen wir Deutschen aus dieser Pandemie über uns und unseren Umgang miteinander? Ich finde, dass Lockerungen für eine vergleichsweise kleine Zahl vollständig (!) Geimpfter (das sind aktuell ja nicht mal zehn Prozent der Bevölkerung) bei gleichzeitiger Abkanzelung der Skeptiker als „Impfneider“ verheerend wirkt. Sollte es je zu unseren Lebzeiten zu einer vergleichbaren Situation kommen, oder (ich will es ja gar nicht beschreien) wir im nächsten oder übernächsten Jahr mit einer ganz neuen Mutante zu kämpfen haben, was meinst du/denkt ihr, wie jene Millionen, die sich über Gebühr eingeschränkt haben, um ihren gesellschaftlichen Beitrag zu leisten, wohl dann reagieren werden? Ich denke, dass ein großer Teil von ihnen sich an die dann bestehenden Regeln halten wird (schon um ihrer selbst Willen), aber nicht mehr viel darüber hinaus tun wird. Und ein nicht geringer Teil wird sicher auch die ein oder andere Regel links liegen lassen. So wie sich die Pandemie und der Umgang miteinander entwickelt hat, muss ich (als jemand, der absolut für die Maßnahmen ist) gestehen, dass ich dies dann sogar nachvollziehen kann. Mich stört diese immense Doppelzüngigkeit - einerseits das Beschwören aller (Solidarität) und dann plötzlich ein Umschwenken á la „selbst schuld, wenn du dich stärker eingeschränkt hast, als es das Gesetz vorsah“. Das kann tatsächlich ein verheerendes Signal sein und zwar ungeachtet des politischen Versagens, was ihr vollkommen zurecht auch so benennt.

Einen Unterschied mache ich an einer Stelle, nämlich beim Betrachten von Seniorenheimen und Co. als ein Haushalt, sprich der Rücknahme von Beschränkungen, wenn alle Bewohner und sämtliches Personal vollständig geimpft sind; Externe brauchen eh negativen Test für Zugang. Darüber hinaus plädiere ich aber bis zu dem Punkt, an dem nicht ein Großteil der Bevölkerung vollständig geimpft ist (rund 70 Prozent) dafür die Beschränkungen für alle weitestgehend aufrecht zu erhalten. Das ist juristisch sicher falsch, aber entspricht in meinen Augen gesellschaftlich betrachtet der Forderung nach Solidarität im Jahr 2020.

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Genau dieselbe Frage habe ich mir auch schon gestellt. Sollten die Mitarbeiter bis zur Öffnung für Geimpfte nicht selbst geimpft sein und bis dahin auch kein fälschungssicherer Impfnachweis existieren, wird es so laufen wie letztes Jahr. Die Betreiber nehmen gezwungenermaßen jeden Gast, den sie kriegen können, trotz gefälschten Anti-Masken-Attesten und Impfpässen. Erst mit einem digitalen Impfpass könnte dieses Problem etwas besser gelöst werden.