Freiheiten für Geimpfte

Ok, aber was ist Ihr Fazit?

Weil ich als Mensch in einer bestimmten Altersklasse oder Bevölkerungsgruppe noch einige Zeit nicht die Chance haben werde, geimpft zu werden, und weil ich vorher mit den Anderen Solidarität geübt habe, fordere ich jetzt von den Geimpften Solidarität mit mir? (Bitte korrigieren Sie mich, wenn ich da was falsches reininterpretiert habe!)

Ich meine, das wäre an zwei Stellen ein falsches Verständnis von Solidarität: Erstens war unsere Teilnahme an Einschränkungen bisher kein Akt der Solidarität oder jedenfalls nicht nur, weil wir uns doch auch selbst damit geschützt haben (vor der Krankheit, vor dem Kollaps des Gesundheitssystems, explodierenden Krankenversicherungskosten, etc.). Zweitens wäre eine Teilnahme der Geimpften an den Einschränkungen keine Solidarität, weil wir als Ungeimpfte nun absolut nichts davon haben, wenn jemand anders nicht in die Kneipe, ins Kino oder zum Fußballspiel gehen kann. (Voraussetzung ist natürlich immer, dass die Impfung auch andere vor Ansteckung schützt).

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Mich würde wirklich mal interessieren, was denn wir Ungeimpften davon hätten, wenn die Geimpften sich weiter einschränken.

Ich sehe nur zwei Argumentationslinien:

  1. Auch Geimpfte können noch ansteckend sein.
    Das ist zwar richtig, aber da muss man die Wahrscheinlichkeiten anschauen. Die sind nach allem, was ich weiß (z.B. NDR Corona-Update) erheblich geringer als ohne Impfung. Und man verbietet ja auch nicht alle Verbrennungsmotoren wegen der von ihnen ausgehenden Gesundheitsgefahren, sondern legt irgendwo einen Grenzwert an. Allgemein gesprochen: Was hochgefährlich ist, wird verboten, was kaum gefährlich ist, ist erlaubt.

  2. Geimpfte sollen Solidarität zeigen.
    Das verstehe ich (aus dem oben schon mehrfach von mir und Anderen genannten Grund) einfach nicht: Ich profitiere doch überhaupt nicht davon.
    Im Übrigen müssen Sie Ihre Parallele 2020/2021 konsequent weiterführen: Sie sprechen ja von denen, die sich 2020 über das Gebotene hinaus (NB: „über Gebühr“ halte ich für einen abwegigen Ausdruck an dieser Stelle, aber wahrscheinlich war das nur ein sprachlicher Ausrutscher) solidarisch gezeigt haben. D.h. viele Menschen haben sich begrüßenswerterweise mehr eingeschränkt als vorgeschrieben. Genau das gleiche können die Geimpften doch auch in 2021 tun. Meinetwegen können sie das auch von ihnen fordern. Aber das ändert nichts an der Diskussion über die rechtliche Situation.

Ok, meine Antwort ist doch länger geworden als beabsichtigt. Daher noch mal ganz kurz die Frage, um die es mir eigentlich geht: Was nützt es mir, wenn sich Geimpfte weiter einschränken?

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Das sehe ich ein wenig anders: Neben der natürlich deutlich erhöhten Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufs haben ältere Menschen auch Corona unabhängig ein größeres Risiko eine ITS-Behandlung zu benötigen (hab dazu keine Zahlen; ist daher eher ne Vermutung). Daher denke ich schon, dass man von einer Solidarität der Jungen mit den Alten sprechen kann.

Nichts. Aber ich glaube, dass diese rationalen Überlegungen bei vielen Menschen nicht dominieren. Emotionale Reflexe werden mE überwiegen, insbesondere Neid (nicht im Sinne von Missgunst, sondern eher „ich will auch“). Dazu kommt ein subjektives Ungerechtigkeitsempfinden wg Impfprio, Astra Zeneca-Verweigerer bei den Älteren (–> Jüngere werden später geimpft) und Personen, die jeder kennt und sich vorgedrägelt haben (ich alleine kann solche Personen nicht an beiden Händen abzählen). Daher vermute ich, dass die Compliance der Kontaktbeschränkungen nochmal massiv abstürzen wird, sobald die Geimpften vor den Augen der Jüngeren ihr „normales“ Leben leben können.

Die Schlussfolgerung aus dieser Sichtweise kann natürlich nicht sein, dass man Geimpften ihre Rechte nicht „zurückgibt“. Man muss aber alles, wirklich alles, dafür tun, dass die soziale Spaltung klein gehalten wird. (Im Nachhinein ist es echt bitter, dass wir die Fallzahlen nicht auf einem niedrigen Niveau gehalten haben, sodass so wie im letzten Sommer leben können. Streckung der Zeitspanne zwischen den beiden Impfungen hätte außerdem die zeitliche Diskrepanz klein gehalten. Aber so vorausschauend war wohl keiner)

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@Lukas3 Alles richtig. Nur wird der „Ich will auch!“-Reflex durch ein „Du darfst auch nicht.“ ja nicht bedient.

Und ja, die Priorisierung war meiner Meinung nach von Anfang an nicht zielführend (oder auf ein falsches Ziel hin führend). Leider ist es jetzt zu spät, da noch viel zu drehen. Aber wer AZ nicht will, sollte jedenfalls auch seinen Prio-Status verlieren.

Edit: Ich sollte vielleicht dazu sagen, dass ich auch bei einer in meinen Augen besseren Priorisierung nicht eher dran wäre.

@vieuxrenard ich verstehe durchaus die Argumente, aber in der Diskussion in der Lage wünsche ich mir ehrlich gesagt ein paar mehr Graustufen. Es klang in der letzten Lage streckenweise doch eher nach Lobbyismus als nach einer sachlichen Diskussion. Beispiele:

Das Infektionsrisiko bei geimpften liege im Promillebereich - Nein es ist um ca. 95 % reduziert. Und das sind Studien direkt nach den Impfungen - der Schutz nimmt von diesem Zeitpunkt ab. Wir wissen nicht wie lange der Schutz hält aber es wird juristisch schwierig Maßnahmen nochmal einzuführen wenn das nicht von Anfang an in die Lockerungen eingepflegt wird. Außerdem kann man davon ausgehen dass geimpfte sich eher mit Immunescape Mutanten infizieren - dort sind die Wirksamkeiten weiter reduziert. Diese Mutanten könnten sich anteilig stark in der gesamten Bevölkerung ausbreiten da wir noch immer ein starkes Infektionsgeschehen haben. Spricht nicht grundsätzlich gegen Freiheiten aber muss wenigstens offen diskutiert werden.

Jeder wird bis ca. August ein Impfangebot bekommen können - selbst wenn das stimmt ist das noch kein Impftermin, wenn der durch ist gibt es eine ca. 3-monatige Wartezeit auf die Zweitimpfung und dann noch einmal einige Wochen bis die Lockerungen greifen. Das heißt dieses Jahr werden diese Freiheiten für Geimpfte für viele nicht verfügbar sein. Gleichzeitig werden Forderungen nach Öffnungen weiter laut und ganz ehrlich - die Erfahrung sagt dass dann gelockert wird. Bis zu diesem Zeitpunkt betrifft das Infektionsgeschehen z.B. stark Kinder, Jugendliche, deren Eltern und generell sozial schwächere Menschen in beengten Wohnverhältnissen ohne die Möglichkeit sich zu schützen.

Und etwas abseits vom Thema: Lauterbach habe beim Thema Ausgangssperren selektiv zitiert… Ich stimme nicht mit allem überein was Karl Lauterbach fordert und er liegt auch mal daneben. Über Verhältnismäßigkeiten lässt sich streiten aber mich würde doch mal die Studie interessieren, die zeigt dass Ausgangssperren keinen eigenen moderaten aber signifikanten Effekt haben bzw. das Zitat von Lauterbach indem er nach Ausgangssperren ohne andere harte Maßnahmen z.B. im Beruf geworben hätte…

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Es geht mir eben nicht um einen messbaren Nutzen für mich, wenn andere nicht wieder dürfen wie zuvor. Es geht mir um das Signal, das von einem solchen Schritt ausgeht und die Frage: wie leben wir künftig zusammen? Tatsächlich solidarisch? Denn so ist ja unser Staat grundsätzlich aufgebaut (Hartz IV, Rente etc.). Es geht mir darum, dass die bisher Solidarischen sich künftig wohl verstärkt fragen werden, wie viel Solidarität sie noch gewähren wollen, wenn andere sie offenbar nicht oder nur temporär an den Tag legen. Das findest du bereits an so vielen Stellen (Steuerhinterziehung, wenngleich die tatsächlich eine Straftat, also kodifiziertes Recht ist). Mir geht es um unkodifizierte Regeln des Zusammenlebens. Die sind kaum messbar und objektivierbar, daher eine Debatte darüber durchaus schwer. Es geht mir um den Kitt der Gesellschaft, den erkenne ich in Solidarität, etwa auch in Spenden für Bedürftige oder in ehrenamtlicher Arbeit. Diese Dinge könnten Risse bekommen, wenn Menschen verstärkt feststellen, dass andere nicht auch bereit sind ihren Beitrag zu leisten, sondern ausschließlich zu profitieren. Und natürlich will ich auch den Impfstoff haben. Allerdings ist mir bewusst, dass nicht stante pede rund 160 Mio. Impfdosen vorhanden sind und alle Deutschen binnen weniger Wochen allesamt geimpft werden können. Nur zur Erinnerung: die erste Deutschen wurden vor mehr als vier Monaten geimpft. Die letzten werden wohl erst in vier Monaten an der Reihe sein. Acht Monate Differenz sind schon ne krasse Nummer. Und, man sollte auch bedenken, dass gefälsche Impfpässe deutlich mehr Konjuktur haben werden (gibt es ja bereits verstärkt), wenn damit tatsächlich Verbesserungen einher gehen. Sicher sollte sich Recht nicht beugen, nur weil Schindluder getrieben wird, aber bedenken sollte man dies auch.

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Den „Ich will auch!“-Reflex spüre ich auch bei mir. Jedoch macht es natürlich keinen Sinn, die Grundrechte von geimpften Personen deshalb weiterhin einzuschränken.

Den „sozialen Frieden“ würde man meiner Meinung nach am Besten dadurch fördern, dass die Impfkampagne vielleicht nochmal unter diesem Gesichtspunkt überdacht wird:

  • Höhere Priorisierung von Menschen die viele Kontakte haben (z.B. Supermarktpersonal).
  • Weniger Rosinenpicken beim Impfstoff (d.h. entweder den angebotenen Impfstoff nehmen, oder sich hintenanstellen).
  • Transparente Wartelisten für jeden (es kann doch nicht sein, dass man abends um das Impfzentrum schleichen muss, oder 10 Ärzte abtelefonieren, oder gute Kontakte haben, um übriggebliebenen Impfstoff zu bekommen).
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Es ist ja alles richtig was du schreibst und es ist ja aus rechtlicher Sicht soweit ich das sehen kann auch völlig klar, das Geimpfte von bestimmten Beschränkungen ausgenommen werden müssen.

Auf der anderen Seite: ich möchte mir keine Gesellschaft vorstellen, in der ein Drittel der Bevölkerung ein Sozialleben führen kann und fröhlich im Straßencafé sitzt, und der gesellschaftliche Rest zwar mit dem ÖPNV zur Arbeit, danach allerdings seine Zweizimmerwohnung nicht mehr verlassen und seine Eltern oder Freunde nicht besuchen darf, weil ihm sonst ein eifriger Ordnungshüter ein saftiges Bußgeld aufbrummt. Ich finde das geradezu dystopisch und ich glaube, dass da sehr viel innerhalb unserer Gesellschaft zu Bruch gehen wird.

Gerade weil es ja vielmals als Generationenkonflikt aufgefasst wird: die Alten haben uns nicht nur unseren Planeten und unsere Rente kaputt gemacht, sie haben uns auch noch zwei Sommer unserer Jugend geraubt, und jetzt hocken sie auf der AIDA während wir weiter in einem Lockdown stecken, dessen Alternativlosigkeit ja immer so begründet wurde, dass es nicht möglich sei, die Alten zu isolieren. Umgekehrt geht es plötzlich.

Nochmal: vollstes Verständnis für Lockerungen/Privilegien auf individueller Ebene. Ich freue mich für jeden, der wieder in ein normales Sozialleben zurückdarf. Andererseits fürchte ich, dass selbst zwei Monate dieser Zweiklassengesellschaft einen Schaden hinterlassen, den wir nicht mehr gekittet bekommen werden.

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Das ist aber eine ganz böse Pauschalisierung. Mir ist klar, dass das mit Absicht überspitzt formuliert ist, aber erstens haben nicht alle Alten unsere Welt zugrunde gerichtet, zweitens sind es nicht die selben, die jetzt die Freiheit haben sollen, AIDA zu fahren, und drittens finde ich, die Themen sollte man nicht zusammenwerfen.

Das wollen wir alle nicht, aber es ist immerhin besser, als wenn gar niemand ins Straßencafé gehen kann, und es soll ja auch nur für eine Übergangszeit sein.

Aber bitte, was ist denn dann Deiner Definition nach Solidarität? Jedenfalls nicht das, was ich darunter verstehe, und auch nichts was ich für gesellschaftlich erstrebenswert halte. Wenn jemand nur leiden soll, weil ich auch leide, und ich keinen Nutzen davon habe, dann nenne ich das Missgunst, oder, wenn das Andere das freiwillig tut, unangebrachtes Mitleid.

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Ich wollte ein Satz Ulfs zu diesem Thema aus LdN239 kommentieren. Der ungefähre Wortlaut:

„Wenn zB Airlines sagen, es dürften nur noch geimpfte an Bord, dann ist es deren legitimes Recht.“

Auf die inhaltliche Richtigkeit möchte ich gar nicht eingehen, da kennt sich Ulf sicherlich mehr als gut genug aus.

Aber: die Airlines werden da kaum ein Wörtchen mitzureden haben. Aktuell ist es schon seit Monaten so, dass faktisch keiner mehr ohne negativ Test in irgendein Land einreisen darf (auch intra Schengen, meistens nicht mal die Staatsbürger des Landes selber). Was die Fluggesellschaft möchte, tut da nichts zur Sache, sie zahlt massive Strafen, wenn ein Fluggast ohne NegTest ankommt (der/diejenige gegebenfalls auch, bevor es umgehend auf direktem Wege dorthin zurück geht, wo man herkam).

Es ist von daher stark anzunehmen, dass spätestens ab 2022 nur noch geimpfte in irgend ein Land einreisen dürfen. Ergo dürften nur noch geimpfte in ein Flugzeug steigen.

Außer auf domestischen bzw hier bei uns innerdeutschen Strecken. Was aber aus anderen Gründen natürlich ein ganzes Thema für sich ist.

Das ist absolut richtig und ich denke, dass das auch jeder in einer rationalen Überlegung teilen würde. Ich würde aber @max1 Punkt noch weiter führen: Ich kann mir eine solche Gesellschaft nicht nur nicht vorstellen, sie wird mE auch nicht funktionieren. Ich bin zwar kein Soziologe, aber ich habe die ganz starke Vermutung, dass eine solche Spaltung der Gesellschaft von den Ungeimpften schlicht weg nicht akzeptiert werden würde; ganz egal ob, es jetzt juristisch/ethisch das Richtige wäre oder nicht.

Wenn also eine massive Ungleichbehandlung (ich weiß, dass es juristisch geboten wäre :wink: ) dazu führt, dass sich keiner mehr an die Regeln hält und in­fol­ge­des­sen die ITS-Belegung wieder am Limit läuft, ist das auch ein Problem für die Geimpften. Aus einer solch ähnlichen Überlegung mutet man Geimpten ja auch noch Maßnahmen mit geringer Eindringtiefe (zB Masken) zu. Und aufgrund dieses Arguments finde ich auch, dass man Maßnahmen mit mittlerer Eindringtiefe (zB Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum) auch für Geimpfte noch länger aufrecht erhalten sollte, insbesondere bis eine Überlastung der ITS ausgeschlossen ist. Nach letzterem wird man vermutlich eh dazu übergehen, die Maßnahmen für alle fallen zu lassen.

Edit: Hier noch ein Kommentar von Frau Buyx zum Thema (ab: 3:52): Video: Alena Buyx, Vorsitzende Deutscher Ethikrat, zur Frage der Freiheit für Geimpfte und Genesene | tagesschau.de (@vieuxrenard vielleicht auch mal ein potentieller, weiblicher Gast für die Lage :wink: )

Das ist aber eine ganz böse Pauschalisierung. Mir ist klar, dass das mit Absicht überspitzt formuliert ist, aber erstens haben nicht alle Alten unsere Welt zugrunde gerichtet, zweitens sind es nicht die selben, die jetzt die Freiheit haben sollen, AIDA zu fahren, und drittens finde ich, die Themen sollte man nicht zusammenwerfen.

Natürlich sollte man die Themen zusammenwerfen. Denn das zugrundeliegende Problem ist ja stets dasselbe: die Interessen der jüngeren Generationen werden politisch nicht repräsentiert. Natürlich kann man es dann wieder auf die einzelne nette Oma runterbrechen, aber im Gesamtbild wählen die netten Großeltern dann wieder eine Regierung zusammen, die vom Bundesverfassungsgericht bescheinigt bekommt, dass sie keinen Müden Heller auf die Freiheitsrechte der jüngeren Generationen gibt. Und so wie beim Klimawandel werden natürlich auch die Corona-Kosten sehr einseitig verteilt sein.

Das wollen wir alle nicht, aber es ist immerhin besser, als wenn gar niemand ins Straßencafé gehen kann, und es soll ja auch nur für eine Übergangszeit sein.

Sicher. Aber meiner Meinung nach nur, wenn alle die Möglichkeit haben, an diesem Sozialleben auch zu partizipieren. Entweder durch ein Aufheben der Impfpriorisierung und Anerkennung der Erstimpfung für diese Privilegien, oder durch Schnelltests. Denn auch wenn die nicht perfekt sind: auch die sterile Immunität der vollständig Geimpften ist nicht perfekt.

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NACHIMPFUNGEN WERDEN NÖTIG WERDEN

Christian Drosten: Genau, wir können die Viruslast ja messen. Das sieht alles super aus. Diese Vakzinen sehen wirklich so aus, als würden die praktisch eine sterile Immunität vermitteln. Wohlgemerkt praktisch, also fast, annäherungsweise. Lücken gibt es immer. Ich will nur eine Sache gesagt haben. Nämlich, dass sich dieses Bild nach ein paar Monaten verändern wird. Dann werden diese Impfstoffe wahrscheinlich nicht mehr so gut belastbar aussehen, was die Weitergabe des Virus angeht. Das ist etwas, das muss einfach in der Öffentlichkeit mitgedacht werden. Es sollte auch nicht skandalisiert werden. Das ist ganz normal, das ist hier eine Infektionskrankheit. Und nicht die erste, die wir als Mediziner kennen. Alles, was wir hier sehen, ist wie bei den meisten ähnlichen Infektionskrankheiten auch. Darum ist das alles keine Überraschung. Es ist auch nicht so, dass das ein Grund für Sensationsüberschriften wäre, wenn jetzt irgendwer darüber nachdenkt zu schreiben: „Drosten sagt, die Impfung hilft nicht lange“, oder solche Dinge. Das ist trivial. Das wissen wir und erwarten wir. Wir kriegen jetzt in diesen Tagen einfach die ersten Datenpakete, die das auch bestätigen, dass das so sein wird. Und man muss damit planen. Denn warum sonst würden wir denn jetzt Impfstofffabriken hochfahren und Bestellungen tätigen für Impfstoffe für die nächste Saison, wenn wir doch andererseits uns ausrechnen können, dass wir über den Juli und August wahrscheinlich den großen Teil der erwachsenen Bevölkerung geimpft haben? Wenn dieser Impfschutz für immer so bliebe, dann müsste man nie mehr nachimpfen. Und das muss man eben nicht, weil irgendwelche Mutanten um die Ecke kommen, sondern in erster Linie deswegen, weil einfach Immunität gegen solche Schleimhaut-Viren nichts Lebenslanges, Steriles ist. Also wir sprechen hier eben nicht von einer Masernimpfung.

Ergeben die Lockerungen für Geimpfte dann noch Sinn, wenn sie nach einem halben Jahr zwar immer noch vor einem schweren Verlauf geschützt sind, aber das Virus weitergeben können, weil die Immunität gegen die Schleimhaut-Viren nicht mehr so ausgeprägt ist wie in den ersten Monaten? Dann müsste man doch zusätzlich überprüfen, ob die Impfung in den letzten Monaten geschah und Geimpfte könnten ihre Rechte auch wieder verlieren und sich testen lassen müssen.

Wenn man nicht weiter auf Lockdowns setzen möchte, muss eine Infrastruktur geschaffen werden, die es dem Großteil der Bevölkerung ermöglicht sich zweimal pro Jahr impfen zu lassen. Zumindest bis das Virus dann in einigen Jahren endemisch ist und bei fast niemanden mehr einen ernsthaften Verlauf haben kann. Man wird gesellschaftlich auch einfach für eine gewisse Zeit mit einer gewissen (niedrigen) Infektions- und Behandlungsquote leben müssen.

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Ich muss ehrlich sagen, dass ich über die aufgebrachten Argumente teilweise überrascht bin. Ich habe den Podcast auch gehört und finde, dass mit Wegwischen von Bedenken mit einem Verweis auf eine „Neiddebatte“ ehrlich gesagt nicht korrekt, weil es diese Bedenken ganz bewusst in einer moralisch wertenden Form in eine Ecke stellt.

Juristisch gesehen mag der Ist-Zustand so sein, dass es tatsächlich keine Grundlage gibt die Beschränkungen für Geimpfte aufrechtzuerhalten und dann muss man das entsprechend auch werten, aber das ist für mich noch kein Grund andere Perspektive ausserhalb der rein juristischen so abzuwerten.

Rein psychologisch gesehen ist der Mensch eben nicht nur Individuum sondern auch soziales Wesen und psychologische Studien haben relativ eindeutig gezeigt, dass das psychologische Wohlergehen sehr wohl davon abhängig ist wie der soziale Vergleich ausfällt. Studien in diesem Kontext waren zum Beispiel zur Gehaltsverteilung, wo Menschen unzufriedener waren wenn sie absolut mehr hatten, aber im sozialen Vergleich schlechter abschnitten. Man kann das Thema jetzt mit dem Verweis auf „Neid“ abtun und mit diesem Totschlagargument versuchen die Debatte zu beenden oder man guckt noch mal tiefer in die psychologische Forschung und findet beispielsweise einen Erklärungsansatz in der Forschung zum Selbstmitgefühl (welches stark mit Wohlergehen, Optimismus, etc. korreliert) bei der herausgefunden wurde, dass es einen entscheidenden Unterschied macht, ob ich mich in meinem Leiden als isoliert wahrnehme oder das Gefühl habe dieses Leiden mit vielen anderen Personen zu teilen. Im Prinzip also das an dem Spruch „geteiltes Leid ist halbes Leid“ irgendwie etwas dran ist und das es daher nicht unbedingt um Neid geht sondern darum ob ich mich im meinem Leiden isoliert fühle. Für mich ist eine Aufhebung der Einschränkungen für Geimpfte ein klares Zeichen dieser Gruppen, dass es nun die anderen alleine mit den Einschränkungen klar kommen müssen und man nicht gewillt ist sich selbst weiterhin zu beschränken, bis alle diese schwierige Phase durchgemacht haben. Auf diesen meiner Meinung nach eindeutigen negativen Effekt für die Nichtgeimpften jetzt noch mit Schuldzuweisungen wie Neid zu regieren ist in diesem Kontext absolut nicht fair und trägt auch nicht zu einer gesunden Debatte bei. Viel mehr haben viele der Betroffenen sich ja vor allem aus dem Grund eingeschränkt haben, weil sie die Risiken für andere minimieren wollten und in diesem Kontext quasi auch einem impliziten Sozialvertrag zustimmen welcher diesen anderen Personen zuerst den Impfschutz zukommen lässt, so dass ihre Bedenken jetzt so abzutun das Gefühl des alleine gelassen Werdens nur noch untermauern dürfte.

Nur um das noch mal klarzustellen: Wie du juristische Situation ist mag ich nicht zu beurteilen und bei der Frage ob da Spielraum ist vertraue ich den Experten und dann muss man sicherlich auch die Einschränkungen aufheben. Mir geht es hier viel mehr um die Art des Diskurses wo meinem Empfindens nach diejenigen die teilweise sowieso schon viele Opfer erbracht haben noch mal in eine negative Ecke gestellt werden für Dinge die wissenschaftlich unterlegt einfach in der Natur des Menschen als soziales Wesen liegen. Es erfreut mein Herz in diesem Kontext dass viele sich hier im Forum an den dazugewonnen Freiheiten der Anderen so sehr erfreuen können, dass sie persönlich diese Freiheiten für Geimpfte für positive Empfinden auch wenn sie selbst dadurch keine Freiheiten erhalten, aber ich würde trotzdem davor warnen andere dann gleich immer so abzuwerten, vor allem auch weil der Leidensdruck unter Corona natürlich unglaublich unterschiedlich ist und umso höher der Leidensdruck umso schwieriger natürlich sich für andere zu erfreuen (auch hier wieder siehe psychologische Studien zu dem Thema).

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Hier noch zwei rechtliche Beiträge:

  • Auszüge aus dem zweiten:

    für die Unterscheidung zwischen Geimpften und Ungeimpften gibt es einen guten sachlichen Grund: die Impfung. Dabei ist unerheblich, ob alle Impfwilligen die gleiche Chance haben oder hatten, geimpft zu werden. Das Leben enthält viel fundamentalere Ungleichheiten bereit, an die wir ohne Weiteres und bisweilen durchaus fragwürdig verfassungsrechtlich gerechtfertigte Unterscheidungen anzuknüpfen bereit sind – etwa die Staatsangehörigkeit eines wohlhabenden Landes, eine robuste gesundheitliche Konstitution oder jugendliches Alter.
    […]
    Dass die «Befreiung durch Impfung» bei dem knappen Gut Impfstoff nicht allen gleichzeitig zuteilwird, sondern eben nacheinander, ist eine Banalität, die wir an anderen Stellen im Leben überhaupt nicht mehr bemerken: Soll beim Aufbau eines Breitband-Internetnetzes das Internet etwa ernsthaft erst dann eingeschaltet werden dürfen, wenn das Netz auch im gesamten ländlichen Raum fertiggestellt ist?

Es gibt bestimmt noch viele juristische Beiträge mehr.

Also was rechtliche Regeln angeht, geht mMn kein Weg an Freiheiten für kaum Infektiöse vorbei.

Die Ansätze gegen Freiheiten für Geimpfte (ich sag mal: Wertrationalität; Compliance-Bereitschaft; soziale Verwerfung; psychologisches Wohlbefinden) finde ich aber interessant. Die Aussage, dass da Neid mitspielt, ist vielleicht wahr; das so sehr auf Neid zurückzuführen ist fürs Diskussionsklima vielleicht nicht so gut.

Dass kaum-Infektiöse sich freiwillig einschränken, halte ich für unwahrscheinlich.

Ich erkenne an, dass es diese Erkenntnisse gibt, und dass das Glück eines Menschen davon abhängt, wie es sein Wohlergehen im Vergleich zu dem seiner Mitmenschen wahrnimmt. Aber genau dieses Phänomen nennt man eben landläufig „Neid“. Das muss nicht als Schuldzuweisung gemeint sein, kann aber auf jeden Fall dazu genutzt werden, um über die Beweggründe seiner Unzufriedenheit zu reflektieren. Wenn man das nämlich selbst für sich erkannt hat, dass die eigenen Impulse neidgetrieben sind, kann man die Unterschiede wahrscheinlich besser akzeptieren.

Dies sollte umso leichter fallen, wenn man weiß, dass es nur um temporäre Unterschiede geht, und dass man eben gerade nicht „isoliert“ ist.

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Das Neid Argument kommt auch immer wenns um steuererhöhung geht. Neid gegenüber den reichen…
Strukturelle Benachteiligungen von Gruppen, welche schlicht geringere Chancen haben früher an einen Impfstoff zu kommen sollte man nicht mit individuell emotionalisierenden und moralisierenden Argumenten abwerten , wie Ulf dies gemacht. Die Leute sind ja nicht einfach neidisch. Mal von den Querdenkern abgesehen haben auch viele einfach Angst dass sie sich noch mehr isolieren müssen. Da die Politik ja recht wenig initiative zum Schutz der Bevölkerung zeigt. Dann halt noch darauf zu verweisen dass recht den neutralen Blick ermöglicht.
Die Diskussion um die Freiheiten läuft doch wirklich relativ sachlich. Hindert einen natürlich nicht daran direkt wieder Neid zu rufen nur weil man darauf verweist das bürgerlich liberale Freiheiten der sozialen Situation einiger Leute gerade nicht hilft.

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Ok, streicht das Wort Neid! Das stammt nicht von mir, sondern ist von anderen in die Diskussion eingebracht worden.

Übrigens geht es hier auch nicht um Steuererhöhung.

Es geht, soweit es mich betrifft, um Solidarität, und was ich davon haben soll, wenn jemand angeblich mit mir Solidarität übt.

Die nicht-geimpften würden aber in dem Fall ihr Leid mit 100 tausenden, gar Millionen teilen. Nämlich mit allen anderen nicht-geimpften. Wie du schon richtig sagst, es heißt: „Geteiltes Leid ist halbes Leid“. Und nicht: "Geteiltes Leid ist nur dann halbes Leid, wenn es mit ALLEN geteilt wird. "

Bevor die Diskussion in die „falsche“ Richtung läuft, versuche ich den Stand dessen, was mich an der Unterhaltung interessiert, einmal zusammenzufassen. Ich hoffe, es ist auch das, was die meisten anderen hier interessant finden. Eine sogenannte Neid-Debatte brauchen wir jedenfalls nicht.

Ich denke, die juristische Seite ist abgehakt. Es geht also vor allem darum, was es mit unserer Gesellschaft macht, wenn die Geimpften wieder in den vollen Genuss ihrer Rechte kommen, die Ungeimpften aber weiter mit Einschränkungen leben müssen.

Ich glaube, die meisten stimmen auch darin überein, dass ich als Ungeimpfter keinen unmittelbaren Nutzen davon habe, wenn die Geimpften sich weiter einschränken. Jedenfalls lese ich das aus den bisherigen Kommentaren heraus.

Was aber ins Feld geführt wird, ist die Unzufriedenheit, die daraus erwächst, dass andere etwas dürfen, was man selber nicht darf. (Ja, @Hufschmied, das ist eine Emotion, aber ich finde es durchaus richtig, mit Emotionen zu argumentieren. Am Ende geht es immer um Emotionen, das ist meine wichtigste philosophische Prämisse. Zufriedenheit ist die Emotion, die es zu maximieren gilt. Leider kann man die nicht messen, und wenn man sie messen könnte, wäre noch die Frage ungeklärt, welchen Zeithorizont wir betrachten. Aber ich schweife ab.) Insbesondere könnte man unzufrieden damit sein, dass gerade die jetzt wieder mehr dürfen, für die man sich im letzten Jahr solidarisch eingeschränkt hat. Man erwartet nun, dass man eine entsprechende „Solidarität“ zurück bekommt.

Diese Erwartung hat Konfliktpotential, zumal, gerade weil die Einschränkung der Geimpften den Ungeimpften nichts greifbares bringt, kein juristischer Grund mehr dafür gefunden werden kann.

@Hufschmied hat nun auch noch die Angst vor weiterer Isolierung mit eingebracht (auch eine Emotion, btw).

Das heißt: Es führt kein Weg an der Ungleichbehandlung vorbei. Wie kann dann der Konflikt entschärft werden?

Meine Antwort heißt: Es muss allen klar gemacht werden, dass die Aufhebung von Einschränkungen für einen Teil der Bevölkerung dem Rest nicht schadet, sondern im Gegenteil sogar eher nützt. Denn das schafft für einige Branchen endlich wieder Geschäft. Und alle werden froh sein, wenn, nachdem die Einschränkungen für alle aufgehoben sind, wenigstens ein Teil der Gaststätten, Kinos, Fitnessstudios etc. überlebt haben werden.

Noch eine Anmerkung zu dem Nebensatz oben, dass „kein juristischer Grund mehr dafür gefunden werden kann“: Aus meiner laienhaften Sicht könnte schon das Konfliktpotential selbst einen juristischen Grund darstellen, je nach Schwere des Konfliktes und in entsprechender Abwägung der Verhältnismäßigkeit, der einzelnen Einschränkung. Ich glaube, deswegen wird auch das Tragen von Masken weiter für alle Vorschrift bleiben, genauso wie das Abstandsgebot. Und das ist auch gut so.

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