FDP will EU-Lieferkettengesetz in letzter Minute kippen

Die Gesellschaft ist bei weitem nicht industrieverachtend, jedenfalls nicht in dem Maße, wie die Indusrie menschenverachtend ist.

Man kriegt immer das Framing, dass es ganz doll schlimm für die Länder ist, wenn Unternehmen ihre ausbeuterischen Methoden dort einstellen müssen. Komischerweise kommen in solchen Diskussionen nie Stimmen von Menschen zu Wort, die tatsächlich in diesen Ländern leben. Vielleicht ist deine Meinung darüber, was die Menschen dort sich wünschen, selbst nur eine kolonialistische Projektion?

1 „Gefällt mir“

Es geht um Lieferketten bzw eben Lieferanten, oder Geschäftspartner. Demnach sind es auch deren Methoden. Nur um es klarzustellen.
Kann mir nicht vorstellen, dass deutsche Firmen Kinder oder Zwangsarbeiter beschäftigen.

Das befreit uns nicht von der Verantwortung.

Diese Ausrede wird auch an anderen Stellen in der Wirtschaft verwendet, indem man Umwege über Leiharbeit, Werkvertrag o.ä. such und nutzt.

1 „Gefällt mir“

Das ist richtig. Aber trotzdem ein großer Unterschied, auch in der Dimension der Verantwortung.
Schon heute werden Lieferanten von großen Firmen vertraglich zur Einhaltung von Menschenrechten und dem Verbot gefährlicher Stoffe verpflichtet. Wenn dann der Lieferant Kinder während eines Audits vor Ort versteckt, soll die Firma anschließend trotzdem verklagt werden können.

Wenn Unternehmen in Deutschland T-Shirts zum Spottpreis verkaufen, nur so als Beispiel, dann können sie das nur, weil in anderen Ländern Arbeitnehmern oder vielmehr Arbeitnehmerinnen ausgenutzt werden, unter oft gefährlichen Rahmenbedingungen, wie wir spätestens seit der Brandkatastrophe vor 10 Jahren in einer Textilfabrik in Bangladesch wissen. Man kann hoffen, dass es seitdem besser geworden ist, aber meines Wissens bessern Firmen solche Bedingungen nicht automatisch, ohne Vorschriften, ohne Druck.
Mir fallen viele Namen ein, die in irgendeiner Weise von menschenunwürdigen Verträgen oder Produktionsmethoden profitiert haben (-> höhere Gewinne): Tönnies, VW, BASF und viele andere.

Ja, sie tragen alle Verantwortung. Vielleicht sogar mehr, als die Firmen vor Ort, weil Letztere den Methoden der Unternehmen in reichen Staaten im Zweifel ausgeliefert sind.

1 „Gefällt mir“

So funktioniert Marktwirtschaft aber nicht.
Der deutsche Unternehmer gibt vielmehr dem Lieferanten eine Liste von Dingen, die einzuhalten sind und die Kontaktdaten eines Zertifizierers, der das prüfen wird.
Der Unternehmer wälzt also die Kosten auf den Lieferanten und die Verantwortung auf den Zertifizierer ab.

Es gibt sicher beides.
Wobei die von dir beschriebene Variante ja erst mal nicht verkehrt ist. In der Marktwirtschaft preist der Lieferant die Kosten dann mit ein. Mir ist schon klar, dass es auch hier häufig unfaire Partner gibt. Bei VW hieß der mal Gomez oder?

Wenn dieses Gesetz global, also von ganz vielen Ländern umgesetzt würde und somit den Status eines Marktstandards hätte, dann würde das vielleicht nützen. Aber so bewirkt es, aufgrund seiner lächerlichen Bedeutungslosigkeit im globalen Maßstab gesehen das Gegenteil in allen Richtigen und zum Schaden aller Beteiligten.

„Der moralisch richtige Weg wäre es, sich dafür zu engagieren, dass die Kinder in diesen Ländern eine angemessene Schulbildung erhalten, um aus diesem Teufelskreis ausbrechen zu können,“ Das ist der meines Erachtens genau richtige Ansatz. Da stimme ich dir voll zu. Ich selbst gebe viel persönliches Geld in genau diesen Ansatz, weil ich es nicht ertragen kann nur zu schwafeln. Ich lebe lieber einfach und bescheiden, als dass ich da weg schaue. Hier gebe ich dir 100% recht.

1 „Gefällt mir“

Mach Deutschland nicht kleiner als es ist.
Amerikanische Autimobilindustrie in Berlin, japanische in Köln, chinesische in München, Chiphersteller in Dresden und bald in Magdeburg, zwei der größten amerikanischen IT-Unternehmen in München und die weltgrößten Logistikunternehmen. Bisher liest man nichts, dass das Gesetz Gedanken wecken würde, den deutschen Markt aufzugeben.
Weltweite Vernetzungen führen aber zu weltweiten Folgen.
Darum war das, was die FDP da gemacht hat, der größte Fehler.

1 „Gefällt mir“

Dazu eine Nachfrage: Wenn Du es richtig findest, dafür persönlich einen Aufwand zu treiben, um einen Unterschied zu machen, warum lehnst Du dann ab, dafür kollektiv die viel größeren Ressourcen international agierender Konzerne zu nutzen? „Die Wirtschaft“ - d.h. Kapitaleigner:innen ihren Beitrag leisten zu lassen?

Das ungeachtet der Effektivität und Effizienz der LieferkettenRL, für deren Beurteilung man schon in die Details einzelner Regeln, ihrer Umsetzung und ökonomischer Folgen einsteigen müsste. Bei allem Respekt, das hat hier niemand getan und es wurden kaum bis wenige Ansätze oder Expert:innenwissen bislang beigetragen.

Hier muss ich korrigieren, ebenso wie beim obigen Paternalismus-Argument. Wenn man den Text des Vorschlags liest, sieht man: Die Pflichten beziehen sich auf negative Auswirkungen auf die Umwelt und auf die Menschenrechte, definiert in Art. 3 b) und c) mit Verweis auf die Anhänge. Dort sind internationale Abkommen aufgelistet und das sind alles Rechtstexte, die von der ganz überwiegenden Mehrzahl der Staaten weltweit unterschrieben und ratifiziert wurden. Basale Dinge wie Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und UN-Zivilpakt. Universalismus, anybody?

So besehen ist das Ziel eher, den betreffenden Staaten die Durchsetzung ihres selbstgewählten Rechts unter den gegebenen Bedingungen globaler wirtschaftlicher Ungleichverteilung zu erleichtern.

Wenn das BIP weltweit ca 96 Bill USD und das von DE ca. 4,5 Bill USD finde ich das nicht sonderlich machtvoll.

Das Problem ist, das wir exakt das gleiche Argument immer in der Klimadiskussion hören. Auch da heißt es immer „Aber wir können doch nicht unsere Wirtschaft ausbremsen, wir haben nur so wenig Einfluss auf das große Ganze, aber China und Indien…“

Diese Argumentation führt einfach zum Stillstand, weil sie allen politischen Entscheidungsträgern weltweit den „easy way out“ bietet, zu sagen: „Also wenn die anderen den ersten Schritt machen, gehen wir mit, aber wir machen doch nicht den ersten Schritt!“. Und da alle Regierungen das so ihren Bevölkerungen vermitteln ändert sich dann wirklich gar nichts.

Wir dürfen daher, weder beim Klimawandel, noch bei Menschenrechten / Kinderarbeit dieses Argument nutzen, denn irgendwer muss eben den ersten Schritt gehen. „Take one for the team“ sozusagen. Und das kann man nur von den wirtschaftlich stärksten Akteuren verlangen, und zu denen gehört die EU ohne jeden Zweifel. Wenn wir warten, bis China oder Indien den ersten Schritt macht, werden wir noch sehr, sehr lange warten müssen. Das sind Prozesse, die in Gang gesetzt werden müssen - und das EU-Lieferkettengesetz ist genau der Versuch, so einen globalen Prozess in Gang zu setzen.

3 „Gefällt mir“

Das sind aber nun wirklich zwei komplett verschiedene Themen. Zum Klima 100% Zustimmung. Wir können es hier verbessern und haben Nutzen und wir können technologisch Vorne sein und mit der Klimawende gute Geschäfte exportieren. Da müssen wir ranklotzen. Beim LKSG kann man eigentlich nur starten, wenn man gemeinsam mit den führenden Industrie staaten beginnt. So, wie jetzt ist es kontraproduktiv.

1 „Gefällt mir“

Zu deiner Frage: Das hat eben mit der relativen Bedeutungslosigkeit des deutschen LKSG (die europäische RL kommt ja nicht) in ihrer globalen Wirkung zu tun. Ich war in China und die Philippinen (>110 Mio Einwohner) kenne ich noch etwas besser. Da ist Deutschland wirklich bedeutungslos.

Du hast das Lieferkettengesetz nicht verstanden.
Unser Unternehmen produziert in USA, Mexiko, Indien, GB, Tschechien, Finnland, Schweden, Deutschland.
Meinst Du, dass da geprüft wird, welche Filialen deutsche Kunden beliefern, was sich bei einem Engpass ja auch schnell mal ändern kann? Nein, wir zertifizieren alle Werke. Und gleiches gilt natürlich für alle Lieferanten. Und deren Lieferanten.

1 „Gefällt mir“

Ja, auch die eigene Produktion ist gemeint.
Viel anspruchsvoller ist aber der Lieferant, und der Lieferant des Lieferanten usw. Die werden normalerweise gar nicht preis gegeben. Was machst du dann? Du qualifizierst einen neuen.
Oh sorry so ähnlich schreibst du es ja. Wobei ich nicht sicher bin, ob wir mit qualifizieren das gleiche meinen. Ist jedenfalls sehr hoher Aufwand.

Danke für den Hinweis. Deswegen ist das inhaltlich auch gar keine Diskussion der Unternehmen. Die Debatte gibt es nur hier im Forum. Was die FDP stört ist die Bürokratie.

Natürlich ist es sehr hoher Aufwand. Das sind solche Unternehmen aber gewöhnt. Wenn ich z.B. jährlich mit dem Code of Conduct konfrontiert werde, dann spielen da rechtliche Bedingungen aller Werke mit rein. Wer es drauf anlegen will, kann natürlich optimieren, dass das eine Werk in Bangladesch in keiner deutschen Lieferkette involviert ist, auf der anderen Seite ist es international aber auch ein selling point, wenn man Menschenrechte zertifiziert einhält.
Was mit den schwarzen Schafen passiert, weiß man eh erst wenn erste Strafen verhängt wurden.

1 „Gefällt mir“

Meinst du, dass nunmehr mindestens 60% der indischen oder chinesischen Unternehmen eine Zertifizierung für das deutsche LKSG benötigen? Ich übertreibe, wenn es in den Ländern 6% sein werden. Oder kennst du irgendwelche Zahlen?

China produziert großteils Endgeräte mittlerweile. Da dürfte das keine große Rolle spielen.
Beschäftige mich aber nicht damit, wer wieviele Roh- und Verarbeitungsstoffe wohun liefert. Ich sehe aber den Rattenschwanz, den es bei uns nachzieht - auch wenn in den USA nun irgendetwas plötzlich gesellschaftlich erwartet wird.