Ich weiß ja nicht in welcher freien Wirtschaft Sie leben, aber in der, die ich kenne und in der ich angestellt bin, gilt exakt dasselbe auch für eine große Zahl privatwirtschaftlicher Unternehmen. Insbesondere die aus dem Finanzbereich!
Das entscheidende ist auch gar nicht ob staatlich oder teilstaatlich oder privat. Entscheidend ist „eine zentrale Stelle“. Einmal Overhead. Keine Provisionen um sich gegenseitig Kunden abzujagen.
Renten und Pensionen müssen immer aus dem finanziert werden müssen, was aktuell erwirtschaftet wird (oder aus Krediten, so wie es bei einer Nettokreditaufnahme des Bundes jetzt schon ist aufgrund des Bundeszuschusses zur Deutschen Rentenversicherung, der eigentlich für die versicherungsfremde Leistungen ist wie Anrechnungszeiten, Erziehungszeiten, …). Ob die Finanzierung nun direkt über Beiträge erfolgt oder indirekt über einen Kauf von Aktien, Fonds,… ist eigentlich egal. Durch weltweit gehandelte Aktien wird nur die „Bemessungsgrundlage“ erweitert, weil es potentiell mehr Zahler gibt. Ob die dann aber tatsächlich den Alten bei uns die Aktien abkaufen, ist fraglich. Das müssten dann Käufer aus Ländern mit einer mehrheitlich jungen Bevölkerung sein, denn alle anderen haben ja das gleiche Problem wie wir. Diese Länder sind aber in der Regel arm. Wo sollen da die jungen Aktienkäufer herkommen? Wenn mehr Verkäufer weniger Käufern gegenüberstehen, dann gibt es das gleiche Problem wie beim Umlagesystem.
Eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage (Selbstständige und Beamte) ist auch bei uns sinnvoll, vor allem weil dann in den Parlamenten Leute über das Rentensystem entscheiden, die selber einmal ihre Altersbezüge aus diesem System bekommen.
Ich bin nicht sicher, dass ich Sie richtig verstehe, daher versuche ich das mal mit eigenen Worten wiederzugeben. Bitte ggf. am korrigieren.
Das heißt: Bei einer Umlage wird Geld im Inland transferiert von Versicherten zu Rentnern.
Sie argumentieren, eine Aktienrente würde letztlich genauso funktionieren, es würde nur Geld von den Aktienkäufern an die Verkäufer (Rentner) überwiesen, der Unterschied sei lediglich, dass diese Käufer auch im Ausland sitzen können?
Ok, ich glaube, Sie vereinfachen dabei deutlich zu stark. Zum einen macht es natürlich einen großen Unterschied, ob wir von ein paar Millionen (Beitragszahlern) im Inland sprechen oder potenziell Milliarden (Aktienkäufern) auf der ganzen Welt. Dass die auch nicht alle gleichzeitig mit der deutschen Bevölkerung altern kommt dazu. Sie glauben wahrscheinlich nicht, dass die Märkte komplett austrocknen und es weltweit keine Käufer für die Aktien der Rentner mehr gibt?
Zum Anderen ist aber auch ihr Bild des Investments zu einfach:
es werden nicht nur Aktien verkauft, sondern sie generieren auch Dividenden, aus denen man bei genügend Fondskapital Renten bezahlen könnte. Das mag man vernachlässigen, weil das Kapital zumindest bei den Versicherungen in Deutschland dafür zu gering ist, weil personenbezogen angespart.
der Wert von Aktien bestimmt sich ja nicht willkürlich nur durch Angebot und Nachfrage. Natürlich bildet sich so der Preis, aber der Wert und damit die Preisbereitschaft für eine Aktie basiert ja auf den Gewinnen, die die Firma macht. Solange die Firmen also Gewinne erwirtschaften, kann der Preis nicht dauerhaft zu stark sinken, weil dann die Nachfrage nach der unterbewerten Aktie steigt.
In Summe scheint mir Ihre Argumentation zu qualitativ. Da merken Sie richtige Punkte an (Finanzierung zum aktuellen Zeitpunkt, Demographie anderer Länder), scheinen mir aber die quantitative Dimension zu vernachlässigen bzw. falsch einzuschätzen.
Da ich aber selber auch keine Zahlen und Modellierungen recherchiert habe, sind das auch nur Vermutungen …
Sorry, dass ist ein so eindimensionales und holzschnittartiges Bild fast ohne relevante Argumente, dass ich nur empfehlen kann, sich mal mit den objektiven Problemen einer Umlagerente vor dem Hintergrund des demographischen Wandels auseinanderzusetzen. Solche ideologischen Glaubenssätze lösen diese jedenfalls nicht.
Und Investitionen in Indexfonds haben mit Roulette wirklich überhaupt nichts zu tun. Ich empfehle, erstmal das kleine 1x1 der Geldanlage zu studieren.
In dieser Diskussion hatte ich den Eindruck dass verschiedene Glaubenssätze gegeneinander angetreten sind.
Ich sehe bei dem System Aktien und Börse dass von dem Grundsatz des ewigen Wachstums ausgegangen wird. Ewiges Wachstum in einer endlichen Welt widerspricht sich.
Um z.B. die Klimaziele zu erreichen kommt es auf Reduktion und nicht Expansion an.
Solange es Produktivitätsfortschritt gibt, ist diese Aussage falsch. Und diesen gab es bislang immer und ich kann keinen Grund erkennen, warum der irgendwann aufhört.
Bestes Beispiel wäre eine effektive Klimapolitik: Der Shift von der CO2- in eine CO2-freie-Welt wird immense, neue Werte generieren, auch Unternehmenswerte. Ein Staatsfons, der seine Anlagen von CO2- in CO2-freie Unternehmen schiftet, wird für seine Anleger = Rentner viel Wohlstand im Alter schaffen
Bitte nicht diese ollen Totschlagargument-Kamellen…
Das Universum ist nach unseren Maßstäben unendlich und bietet somit Platz für unendliches Wachstum.
Nicht alles Wachstum geht mit erhöhtem Ressourcenbedarf einher. Anhäufung von Wissen ist auch Wachstum. Das Schaffen kreativer, nichtmaterieller Werte ist auch Wachstum. Etwas effizienter produzieren zu können ist auch Wachstum.
Nein, Klimaziele erreicht man nicht mit Reduktion. Man erreicht sie, indem man denselben Output, den Menschen nun einmal haben wollen, auf anderen, effizienter mit knappen Ressourcen (hier: CO2-Aufnahmekapazität der Erde) umgehenden Wegen zustande bringt. Was wiederum eine Art von Wachstum ist, siehe Punkt 2.
Unsere Lebensspanne ist nicht unendlich. So lange das so ist, besteht gar nicht der Bedarf, ein Rentensystem zu konstruieren, das in alle Ewigkeit funktioniert, sondern nur auf den Lebenshorizont von Menschen. Und auf menschliche Zeitspannen hin betrachtet hat das Konzept fortgesetzten wirtschaftlichen Wachstums bislang kein Anzeichen gezeigt, dass es fundamental in eine Sättigung laufen würde.
Und schließlich der allerwichtigste Punkt:
Auch ein Umlagesystem verlässt sich auf die wirtschaftliche Potenz der künftigen Generationen. Geht deren Produktivität aus welchen Gründen auch immer zurück, fehlen künftig die Beitragszahler. Unter Berücksichtigung der steigenden durchschnittlichen Lebensspanne der Menschen sowie der Inflation geht daher auch das Umlagesystem implizit von einem ewigen Wachstum der Produktivität aus. Der Kernunterschied ist nur, dass das heutige Umlagesystem primär die Arbeitskraft der Individuen zu seiner Finanzierung anzapft und daher direkt auf das Wachstum der für diese Arbeitskraft gezahlten Entlohnung angewiesen ist, während eine auf Aktien basierende Rente auf breiter Front jegliches wirtschaftliches Wachstum anzapft, so lange es sich in steigenden Unternehmenswerten und Gewinnen materialisiert.
Sorry, das stimmt so nicht, bzw. eine Seite glaubt halt lieber, dass Aktien und Börse vom Teufel sind, als
die sicheren Probleme einer umlagebasierten Rente vor dem Hintergrund des demographischen Wandels einräumen und
die faktischen Vorteile einer Aktienrente anzuerkennen, namentlich, dass sie eben erlaubt, von der weltweiten Wertschöpfung zu profitieren und auch Wertschöpfung durch Maschinen und Software zu nutzen, statt nur das Arbeitseinkommen von Arbeitnehmern in Deutschland zu belasten.
Und ja, man muss wohl von Glaubenssätzen sprechen, bei der Unkenntnis von Investment-Basics, die aus manchen Äußerungen spricht.
Aber zu behaupten, dass sei auf beiden Seiten so, ist ein Beispiel von false balance.
Laut „Prosperity without Growth“ von Tim Jackson ist das Gegenteil der Fall. Ich kann leider die Argumente und Belege hier nicht wiedergeben. Aber vielleicht hat ja eines der Mitlesenden die nötige ökonomische Kompetenz. Das Buch kann ich jedenfalls jedem ans Herz legen!
Ok, wenn wir dann mal den nächsten Planeten besiedelt haben, unterhalten wir uns wieder!
Komisch, bei Klima und Corona sollen alle (zurecht!) auf die Wissenschaft hören, bei ökonomischen Fragen darf jeder auf Basis seiner „Glaubenssätze“ argumentieren.
Nicht-fossiles und auch qualitatives Wachstum hat nichts mit Glauben oder Überzeugung zu tun, sondern ist gut und empirisch in der Volkswirtschaftlichen Forschung belegt.
So, wie es keinen erstzunehmenden Virologen gibt, der eine 3. Welle geleugnet hat, gibt es keinen ernsthaften Volkswirt, der angesichts der Klimakrise oder (schon immer!) knapper Ressourcen den Zusammenbruch der Finanzmärkte vorhersagt.
Das heißt aber nicht, das diejenigen, die qualitatives statt quantitatives Wachstum fordern, nicht trotzdem auch recht hätten.
Die Naturwissenschaften können Experiemente machen, die immer dieselben Ergebnisse liefern, weil die Natur die Rahmenbedingungen vorgibt. Die Wirtschaftswissenschaften können das nicht, da sie auf einem Gedankenkonstrukt der Menschen basieren, an dem man jederzeit etwas ändern könnte.
Deswegen halte ich den Vergleich für falsch und irreführend.
Ich versuche meinen „Glaubenssatz“ mal zu erklären.
Der traditionelle Aktienmarkt wo sich Firmen Liquidität holen und Dividende auszahlen => ok
Firmen die durch Innovationen und gute Geschäfte an Wert gewinnen =>ok.
Jetzt zur Kritik:
Eine Aktie unterliegt Wertschwankungen. Wenn die gewünschte Aktie einen gewissen Schwellenwert unterschreitet wird sie vom Algorithmus gekauft und wird ein gewisser Schwellenwert überschritten wieder verkauft. Da werden (Luft)Gewinne gemacht denen buchhalterisch kein Gegenwert in der realen physischen Welt gegengerechnet werden kann! z.B. ist bei VW kein Auto mehr vom Band gelaufen. Noch schlimmer sind die sogenannten Leerverkäufe
Durch die aktienbasierte Rente wird regelmäßig sehr viel Geld in das derzeitige Aktienroulett gepumpt und lässt dieses Rad noch schneller drehen. Zusätzlich erhöht es die Nachfrage mit dem bekannten Effekten.
Das Geld wird dem Binnenmarkt für durchschnittlich ca. 30 Jahre entzogen.
Auch hier trifft die Demographie denn in diesem System wird es den Zeitpunkt geben wo mehr Geld heraus gezogen wird als reingepumpt wird und „der Markt“ wird darauf wie bekannt reagieren.
Wir werden nicht die einzige Volkswirtschaft sein die auf diese Idee kommt (Aufbläheffekt + Erhöhung der Nachfrage).
Ein System das auf immer mehr Konsum (höher, schnell, weiter und größer) ausgelegt ist (z.B. bei Fernseher, Autos, Reisen) ist langfristig aus ökologischen und ökonomischen Aspekten nicht überlebensfähig.
Mein Fazit:
Der Aktienmarkt gehört reformiert!
Die Aktienrente löst nicht das Problem der Armutsrente von Niedriglöhnen. Da diese dafür kein Geld übrig haben.
Die Aktienrente dürfte nicht auf das Vermögen bei Harz4 angerechnet werden!!!
Besser wäre die gesetzliche Rente zu reformieren, denn dort gäbe es noch Möglichkeiten dem Konkurs entgegenzuwirken.
Trotz aller Unterschiede und Probleme gibt es natürlich auch in der Ökonomie empirische Forschung, die sie zu mehr macht als einer reinen Meinungs- und Glaubensfrage. Alles andere zu behaupten ist nur noch ignorant.
Das wollte ich auch nicht behaupten. Wir (die Menschheit) haben komplexe mathematische Regeln für unser Finanzsystem eingeführt, welche logisch und nachvollziehbar sind. Aber man kann eben nicht immer eine gewisse Aktion ausführen und es kommt am Ende dasselbe raus. Oft wundern sich sogar die Fachleute was am Ende rauskommt. Das ist bei Naturgesetzen eben anders. Das wollte ich sagen.
Außerdem könnten wir, so wir denn wollten, das ganze System umformen oder sogar neu implementieren.
Du gehst hier von falschen Annahmen aus. Der wesentliche Teil der volkswirtschaftlichen Forschung basiert nicht auf Gedankenspielen, sondern auf Empirie. Und muss sich dem gleichen Peer Review unterziehen wie in der Naturwissenschaft.
Ja, VWL ist eine exakte Natur- sondern eine Geisteswissenschaft. Aber Du willst mir doch nicht allen Ernstes sagen, im Fall von geisteswissenschaftlichen Wissenschaftlern müssen wir nicht auf diese Experten hören, sondern jeder kann nach seine Glaubenssätzen und Bauchgefühl verfahren? Leider macht die Politik dass auch im Fall der Geisteswissenschaften all zu oft. Aber es bleibt ebenso falsch wie im Fall der Naturwissenschaften
Was Du hier postulierst, ist, dass Aktienmärkte keine effizienten Märkte sind. Diese oft wiederholte Behauptung ist durch die empirische Formung immer und immer wieder widerlegt worden. Gerade Leerverkäufe haben zur Bereinigung von Über- oder Unterbewertungen eine sehr essentielle Funktion und Bedeutung.
… was die günstige Finanzierung für Unternehmen beflügelt. Wo, genau, ist das Problem?
Den aus Deinem ersten Punkt? Siehe dazu meine Antwort oben.
Nein, im Gegenteil: Das Geld wird zur Unternehmensfinanzierung eingesetzt. Die Unternehmen finanzieren daraus Investitionen und Löhne. Bis auf Geld, dass Oma unter der Matratze hortet, wird Geld nie dem Markt entzogen!
Siehe oben.
Was hat das Kapitaldeckungsverfahren oder der Aktienmarkt mit Konsum zu tun?
VWL hat schon einiges von Religion in sich. Es gibt mindestens zwei große „Schulen“, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Und dennoch existieren sie neben einander und gelten beide.
Und da haben wir uns mit komplett anderen Ansätzen (ich sage mal: China) noch gar nicht befasst.
Egal, wir entfernen uns vom eigentlichen Thema.
Rentensicherung ist ein langfristiges Konzept, und so lange der Kapitalismus in seiner jetzigen Form weiter existiert wird vermutlich auch ein am Aktienmarkt etabliertes System „funktionieren“. Wenn nicht werden vermutlich auch alle anderen Systeme wie ein Kartenhaus zusammen fallen.
Als Sozialwissenschaftler und Verteidiger empirischer Forschung möchte ich diese energisch zumindest ein Stück weit von den Geisteswissenschaften abgrenzen, die mir für immer im hermeneutischen Strudel ohne Bodenhaftung gefangen zu sein scheinen
… sagst Du einem studierten Volkswirt :). Aber ja, es gibt - wie in vielen Geisteswissenschaften - mehr als eine Denkschule, von denen viele auf ihre Weise eine Existenzberechtigung haben. Im Gegensatz zu Naturwissenschaften gibt es bei Geisteswissenschaften auch kein falsch oder richtig. Sondern alles ist eine frage der (gesellschaftlichen oder politischen) Ziele.