Ich höre euren Podcast seit über einem Jahr und freue mich auf jede neue Folge. Zuletzt habt ihr ja auch oft den Ausbau der erneuerbaren Energien thematisiert. Wie es umgesetzt werden soll und so weiter. Mir fehlt aber aktuell bei der Debatte, wie mit dem Hauptproblem der erneuerbaren Energien umgegangen werden soll. Der dunklen Flaute. Es gibt ja Überlegungen Energie zu speichern, aber so weit ich weiß gibt es keine Ansätze wie man damit ein ganzen Land versorgen kann. Aus der Politik höre ich auch relativ wenig und da muss eine Lösung für her. Ich würde mich auf jeden Fall freuen, wenn ihr das Thema mal anschneidet und meine Wissenslücke schließen könnt.
Hallo @Richa,
da gibt es schon einige Ansätze. Wurde z.B. kürzlich hier diskutiert: Stationäre und mobile Batteriespeicher, Elektrolyse, Bedarfs-Flexibilisierung etc. Aber klar, ist ein wichtiges und interessantes Thema.
Das mit der Dunkelflaute ist auch zumindest zum Teil ein Mythos. In Ländern mit hohem EE-Anteil ist die Versorgung zum Teil besser als in anderen Ländern.
Die gibt es auch.
Nur nach meinem Wissensstand* kann man die leider nicht schnell genug alle errichten, wenn Ende des Jahres die drei restlichen AKWs abgeschaltet werden und in den nächsten Jahren Kohlekraftwerke.
Ist imo ein Phantasiekonstrukt der Klimaleugner.
Gibt bestimmt ein paar schlaue Leute die sich sowas mal angeschaut haben. Intuitiv würde ich sagen: Gutes Wetter = viel Sonne
Schlechtes Wetter = viel Wind
Oder anders gesagt: Ich glaube, dass sich das statistisch gesehen rausmitteln wird.
Dabei ist noch nichtmals berücksichtigt, dass Solarzellen immer höhere Wirkungsgrade erzielen und auch bei bewölktem Himmel noch Strom produzieren…
Der deutsche Wetterdienst [1] hat sich mal angeschaut, wie oft eine 48h Periode auftritt, bei der die Summe aller Wind und PV Produktion unter 10% (!) ihrer Nennleistung fällt. Für Deutschland passiert das etwa zwei mal pro Jahr. Für Europa etwa alle fünf Jahre. Also ein Event, für das man planen sollte. Die Notwendigkeit für massive Speicher / Flexibilisierung ergibt sich allein schon aus den gegenläufigen saisonalen Tendenzen im Wärmebedarf und der PV Produktion und dem Ausfall der PV Produktion über Nacht.
Leider, wie so oft, scheint es nur zwei Positionen zu geben:
„Dunkelflaute ist die Erfindung der Klimaleugner“
„Wenn wir nur auf erneuerbare Energien setzen, bricht nachts bei Flaute die Stromversorgung zusammen“.
Dunkelflaute ist keine Erfindung, die gibt es wirklich. Ein Blick in den Stand der aktuellen Kenntnis hilft da weiter:
Eine zweiwöchige Dunkelflaute tritt in Deutschland im Schnitt alle zwei Jahre einmal auf.
Laut dem Deutschen Wetterdienst gab es in Deutschland von 1995 bis 2005 im Schnitt zweimal im Jahr Situationen, in denen großräumige Flauten und sonnenarme Zeiten über 48 Stunden gemeinsam auftraten. Bei einer Betrachtung auf europäischer Ebene reduziert sich die Auftretenshäufigkeit auf 0,2 Situationen pro Jahr.
Je größer das intelligent zusammengeschaltete Stromnetz ist, umso weniger häufig / wahrscheinlich ist eine solche Dunkelflaute.
Das ändert nichts daran, dass es sie gibt und dass diese bei der Planung von Netzen und Kraftwerken berücksichtigt werden müssen. Solange wir keine echten Stromspeicher haben, die Dunkelflauten abfangen können, brauchen wir neben Wasser-Speicherkraftwerken (in Deutschland leider sehr viel seltener als z.B. in Österreich) noch andere Kraftwerke.
Genau das ist doch der Grund, warum Gaskraftwerke noch auf Jahre zum Energiemix gehören müssen. Allerdings am Besten solche Kraftwerke, die auch Wasserstoff verbrennen können. Dieser Wasserstoff würde - komplett klimaneutral - in Zeiten von Stromüberproduktion erzeugt und bei Dunkelflauten dann verbrannt. Damit werden Gaskraftwerke zu Stomspeichern. Solche Gaskraftwerke sind, im Übrigen, im Besten Sinne nachhaltig und damit „grün“. Aus diesem Grund hat die EU-Kommission in ihrer Taxonomie nur solche Gaskraftwerke als „grün“ bezeichnet, die auf Wasserstoff umrüstbar sind.
Ob die Dunkelflaute nun ein regelmäßiges Phänomen ist oder nicht - man wird sich schon auf die Möglichkeit vorbereiten müssen. Dabei gibt es einen Weg, der mir, unter Berücksichtigung des aktuellen Entwicklungspfads, einigermaßen simpel erscheint: die Überproduktion von erneuerbarer Energie und deren Speicherung per Elektrolyse als Wasserstoff oder Wasserstoffderivat. Ein Vorteil wäre dabei, dass die Gaskraftwerke, über deren Bau momentan gesprochen wird, eine grüne Weiterverwendung hätten, da sie meist auch mit Wasserstoff betrieben werden können.
Langfristig bietet eine solche Planung viele weitere Vorteile. Deutschland wäre damit beispielsweise unabhängig von Energieimporten aus dem Ausland, was auch insgesamt die Versorgungsstabilität verbessert. Auch die Energiekosten könnten mittelfristig möglicherweise drastisch sinken, da die variablen Kosten der Erneuerbaren quasi Null ist.
Kurz- und mittelfristig würden höhere Kosten auf uns zukommen, da mehr Windräder/Solaranlagen gebaut werden müssten. Der Wirkungsgrad von Elektrolyse + Brennstoffzelle beträgt, konservativ geschätzt, nur etwa 30%.
Das ist sicherlich eine korrekte Analyse, hat aber kaum Relevanz für die Frage, um die es hier eigentlich geht. Nämlich die der Speicherung.
Was hilft es denn, wenn z. B. nach 18 h „Dunkelflaute“ die Leistung von PV+Wind mal kurz über den magischen 10%-Wert der installierten Leistung hüpft und dann kurze später wieder darunter fällt? Ist dann nach obiger Definition keine Dunkelflaute - macht aber die gleichen Probleme.
Was man eigentlich tun müsste: Die Residuallast, also PV+Wind minus den jeweiligen Strombedarf, aufsummieren über die Zeiträume. Je länger da eine Unterdeckung vorliegt, desto größer wird der „Haufen“ an Energie, den man aus Speichern bereitstellen müsste. Wenn Überproduktion vorliegt, kann man die Speicher wiederum befüllen.
Was man dann sieht: selbst 50% Dunkelfaute wären kein so großes Problem, solange diese nur immer schön brav alle 12 Stunden auftritt und sich mit einer gleich langen Phase der Überproduktion abwechselt. Vereinfacht gesprochen muss man dann nämlich „nur“ noch den landesweiten Energiebedarf über 12 Stunden speichern. Eine solche Situation hat man, im besten Falle, nahe des Äquators, wenn man auf Sonnenenergie setzt. Da sind Kombinationen aus PV und Batteriespeicher schon heute in manchen Fällen wirtschaftlich die sinnvollste Lösung - gerade für Inseln, wo man sonst Brennstoffe erst aufwendig hinschippern muss.
Ganz anders sieht es aus, wenn eine Phase der Unterdeckung auch mal ein paar Wochen anhalten kann. Und das ist leider bei uns der Fall. Völlig unerheblich ist es dabei, ob PV+Wind da nun 9% oder 11% ihrer installierten Leistung liefern. Was allein zählt, ist die Energiemenge, die in der Summe über diesen Zeitraum fehlt.
Wenn man Deutschland als Insel betrachtet, dann kommt man dann bei einem Speicherbedarf von ungefähr 4 bis 6 Wochen aus. Das ist heftig.
Aber leider nicht den Speicherbedarf (TWh für die 4 bis 6 Wochen?) oder Prognosen bis wann wie viel Speicherkapazität möglich ist und wo wir jetzt gerade stehen.
Wenn du ein wenig Zeit investierst, kannst du hier sehr bequem sowohl die Erzeugungsdaten als auch den Strombedarf von einigen europäischen Länder runterladen über zig Jahre: Data Platform – Open Power System Data
Zeitliche Auflösung ist stündlich oder gar viertelstündlich.
Diese Daten kann man dann mit Excel oder einem selbstgeschriebenen Skript verarbeiten. Ist kein Hexenwerk.
Wahrscheinlich kommt es drauf an, in welcher Phase des Energiesystem-Umbaus wir uns befinden. Für einen späten Zeitpunkt, wo wir notwendigerweise eine große Speicherkapazität aufgebaut haben müssen, tritt das Thema kurzfristige Dunkelflaute in den Hintergrund. Im jetzigen Zustand haben wir ja noch kaum Speicher und verbrauchen im Winter entsprechend mehr fossile Energie. Da spielt also das Thema gesicherte Leistung des Kraftwerksparks schon eine Rolle. Statt hier mehr gesicherte Leistung zuzubauen, könnte man alternativ auch auf Langzeitspeicher setzen (sofern verfügbar).
Edit: wobei das ehrlicherweise am Ende auch auf mehr Kraftwerke hinaus läuft …
Das ist richtig, aber es wird impliziert, dass das ein ausschließliches Problem von Wind und Solar ist. Aber auch bei Atomkraftwerken, Kohlekraftwerken und Gaskraftwerken gibt es geplante und außerplanmäßige Ausfallzeiten. Unser Stromnetz ist in der Lage diese zu kompensieren. Ein Kraftwerk mit bis zu 1,5 GW Leistung das spontan runtergefahren wird reist dabei ein wesentlich größeres Loch als die dank Wetterbericht planbaren Wind- und Solarkraftwerke.
Richtig, doch sehen wir momentan auch, dass gerade diese Kraftwerke besonders anfällig sind. Wenn Putin die Speicher leerfährt und den Gashahn zudreht, stehen die Gaskraftwerke und zwar alle! Über diese „Gasflaute“ spricht jedoch niemand.
Nur, dass das in seinen Auswirkungen für ein großes Stromnetz nicht ansatzweise vergleichbar ist mit der hier problematisierten Wirkung einer Dunkelflaute, wie ja schon an anderer Stelle diskutiert. Daher finde ich die (z.T. berechtigte) Kritik an der Störanfälligkeit von Kohle- und Atomkraftwerken in diesem Zusammenhang irritierend.
Was wir ja schon geklärt haben ist, dass die (kurzen, heftigen) Dunkelflauten in einem Netz mit großem Speicher gar nicht so einen entscheidenden Einfluss auf die einzuplanenden Speicherkapazitäten haben.
Ich will mich gar nicht an Spekulationen beteiligen, ob und wann Putin uns den Hahn zudrehen wird – da gibt es diverse Einschätzungen. Jedenfalls gebe ich dir Recht, dass die Devise sein muss, möglichst nicht zu lange in einem Zustand zu verharren, wo wir riesige Gaskraftwerk-Parks fossil betreiben. Die müssen natürlich so schnell es geht mit elektrolysiertem regenerativen Strom befeuert werden. Dann kann Putin mit seinem Gashahn machen, was er möchte. Wenn Power-to-Gas also nicht rechtzeitig hochskaliert, ist das durchaus ein Problem.
Du solltest die Quellen die Du benutzt auch lesen. Da steht nicht dass die Summer ALLER Anlagen fällt, sondern da ist nur von „bestimmten Gebieten“ die Rede…
Das sagt doch alles: Wenn ALLE auf erneuerbare Energien setzen, haben wir kein Problem.
Vielen Dank für den freundlichen Hinweis . Die Kritik verstehe ich allerdings nicht. Ich traue dem DWD schon zu, dass er für seine Aussagen repräsentative Gebiete auswählt. Oder welche Bedenken siehst du hier?
Ich teile die Meinung dass hier eher ein Phantom heraufbeschworen werden soll. Auf absehbare Zeit werden wir auch noch die Kohlekraftwerke in der Reserve haben, wenn es also Probleme gibt wird man auch auf die zurückgreifen können.
Finde es eigentlich spannend, dass das Thema überhaupt so hervorgezerrt werden kann. Es gibt bei den entsprechenden Stellen (Versorgungsnetzbetreiber, Behörden, Kraftwerksbetreiber, etc.) ja durchaus Leute die sich kompetent mit so etwas auseinandersetzen um es eben nicht zu einem Problem werden zu lassen - aber man denkt diese Leute existieren nicht oder sind alle inkompetent?
Ich denke, es gibt eine nicht völlig unbegründete Sorge, dass die Politik es verpennt, rechtzeitig den Bau von ausreichend Backup-Kraftwerken zu fördern. Von allein wird dieser nämlich nicht stattfinden. Und die heute existierenden Kraftwerke haben zum Teil schon Jahrzehnte auf dem Buckel. Ob die, nachdem sie einmal eingemottet sind, im Bedarfsfall wieder problem,os hochfahren kann, ist eine offene Frage.
Woher kommt die Sorge? Sogar unser grüner Energieminister, der nun mal nicht als Freund fossiler Brennstoffe bekannt ist, sieht das Problem. „Das hört sich bei Habeck anders an: „Wir brauchen für den Übergang Gaskraftwerke, das ist völlig unstrittig.“ Auch als Reservekapazität – etwa für windstille und sonnenfreie Zeiten – setzt er zumindest teilweise auf Gas.“ (Quelle: Wie Robert Habeck seine Pläne zum Klimaschutz erreichen will | WEB.DE)
@tlenz hat da völlig recht. Die Leute, die sich professionell mit dem Gelingen der Energiewende beschäftigen, sind ja nicht blöd. Trotzdem ist die Frage von @Richa berechtigt, und es gibt ja durchaus auch praktische Probleme dabei (z.B.: wo speichere ich diese Riesenmenge Wasserstoff oder synthetisches Gas? Wie soll sich Elektrolyse lohnen, wenn sie nur bei Spitzenlast voll ausgelastet wird?). Aber es gibt ja keine wirkliche Alternative dazu, in die Richtung zu gehen. Und da diese Technologien noch nirgendwo im großen Stil stehen, wird sich sicherlich auch noch eine deutliche Kostenreduktion und sehr viel Innovationsdynamik einstellen, eventuell sogar mehr als prognostiziert.
Das habe ich mir lange auch gedacht und dies war für mich auch immer einer der wichtigsten Gründe für die Energiewende. Allerdings fand ich dann auch den Perspektivenwechsel erhellend: Wenn ich im Kreml säße und hörte, dass diese EU-Länder nun ernst machen mit der Energiewende dann würde mir das Sorgen machen. Denn dies bedeutet, dass ich nun Jahr für Jahr 5% weniger Einnahmen aus Gasexporten generiere. Projekte wie Nord Stream 2 werden für meinen wichtigen Steuerzahler Gazprom zur Investitionsruine und ich bin als Gaslieferant auf einmal nicht mehr relevant. Das ist eine existentielle Bedrohung für den Staat Russland in seiner jetzigen Form - vielleicht sogar noch viel größer, als die ganze Russland-NATO-Säbelrasselei. Eine derartige Destabilisierung sehe ich als problematisch.
Das bedeutet nicht, dass eine Energiewende Mist ist, da sie das Funktionsmodell des Staates Russland in Frage stellt, und ich habe keine gute Lösung, aber ich finde, dass eine konsequent zu Ende gedachte Energiewendepolitik diesem Aspekt zumindest Rechnung tragen sollte. Zumal auch alle mir bekannten realistischen Simulationen zur Treibhausgasneutralität 2035, 2045 oder 2050 (Wuppertal Institut, Fraunhofer ISE, Umweltbundesamt) davon ausgehen, dass Klimaneutralität in Deutschland bis zu diesen Zeitpunkten beträchtliche Energieimporte in Form von grün erzeugtem Wasserstof/Windgas bedürfen wird. Vielleicht wäre es ja eine Vision für 2040, dass Russland dann durch die bestehende Pipeline-Infrastruktur Windgas nach Europa exportiert. Platz für WKAs scheint es in Russland ja erst einmal zu geben und eine geeignete Infrastruktur ist auch vorhanden (im Gegensatz z.B. zu den in der Schublade gescheiterten Desertec-Plänen).