Hallo alle zusammen,
ich muss ganz offen zugeben, dass ich es nicht aus Zeitgründen geschafft habe, alles hier im Forum zu lesen und falls sich da jetzt was doppelt durch meinen Beitrag, dann entschuldigt. Ich melde mich, weil ich zunehmend irritiert bin von zwei Grundannahmen, die im Podcast in der Diskussion dieses Themas getroffen scheinen, und dann noch von einem ganz konkreten Widerspruch aus der aktuellen Folge:
Annahme 1 scheint mir zu sein: „Ein vorsichtiger Kanzler ist schlecht.“ Das verstehe ich bei einem so kommplexen Thema mit so hohen Risiken einfach nicht. Niemand von uns kann doch wissen, wie eine Eskalation eines solchen Krieges aussieht, egal was für Planspiele wir im Kopf so anstellen und wer die anstellt, es sind am Ende nur Vermutungen und dann auch noch Vermutungen, die wir alle auf deutlich schlechterer Datenbasis treffen als der Bundeskanzler (hoffe ich), der ja wissen müsste, was hinter den Kulissen international so besprochen wird (und bei diesem Thema kann es ja auch aus taktischen Gründen sehr sinnvoll sein, nicht alles davon auch öffentlich zu machen, so sehr ich sonst für Transparenz in einer Demokratie bin). Hier mit „Angst“ zu argumentieren scheint mir zu kurz gedacht, denn die Lage ist doch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit viel undurchsichtiger und komplexer als wir das beurteilen könnten.
Annahme 2: „Putin wird keine Atomwaffen einsetzen.“ Das soll der Kanzler uns ja erklären. Aber am Ende haben wir es mit Russland mit einem Staat zu tun, der diese Waffen hat und es ist eine Möglichkeit (wie unwahrscheinlich sie uns auch individuell erscheinen mag), dass sie eingesetzt werden. Und wir wissen um das Zerstörungspotenzial dieser Waffen. Ich möchte damit nicht sagen, dass man Russland machen lassen soll was es will, aber ich denke es ist durchaus sinnvoll diese Bedrohung ernst zu nehmen, auch wenn das taktisch die Lage komplizierter macht.
Ich würde zu beiden Punkten die Ausführungen des Stabschefs der Joint Chiefs Mark Millie zur Natur des Kriegs empfehlen, die er im Bezug auf den Krieg in der Ukraine machte, da steckten einige recht differenzierte Gedanken drin.
Und dann gab es noch diesen Widerspruch, dass gegen Ende der Diskussion quasi die Haltung des Bundeskanzlers mit der Haltung der EU gleichgesetzt wurde, obwohl vorher berichtet wurde, dass Macron da deutlich offensiver eingestellt ist. Also Scholz’ Haltung ist ja nicht gleich der Haltung der EU, das sollte man schon trennen.
Ich habe mich dabei auch gefragt, ob wir die Rolle Deutschlands an der Stelle vielleicht auch überschätzen in der Debatte, da mir Mächte wie die USA, China oder auch andere EU-Staaten, die selbst Atomwaffen haben (wie Frankreich), deutlich ausschlaggebender für den Verlauf erscheinen. Aber das ist eher ein persönliches Gefühl, für das ich mich bei weitem zu wenig auskenne, was die Entscheidungsfindungsprozesse im internationalen Geflecht angeht.
Wie dem auch sei, ich würde mich über ein paar Gedanken dazu freuen und bei allem, was ich sonst an der Lage schätze, hier auch über noch differenzierteres Berichten anstatt Argumentieren (auch wenn ich den konstruktiven Ansatz eigentlich sehr mag). Cheers!