Einsatz westlicher Waffen auf russischem Territorium

Hallo liebes Lage-Team,
angeregt durch meine Tochter, höre ich Euren Podcast seit etwa einem Jahr und verfolge ausnahmslos jede Sendung, die ich sehr informativ und bereichernd finde - vielen Dank für Eure Arbeit! Auch Euer Buch „Baustellen der Nation“ finde ich sehr erhellend und wertvoll!
Neben allen unzähligen Themen, bei denen ich Euch zustimme, bin ich froh über Eure eindeutigen Worte zum Thema „Einsatz westlicher Waffen auf russischem Territorium“ - inzwischen ist ja wohl auch der Kanzler von seiner strikt ablehnenden Haltung abgerückt.

Ich möchte gerne Erfahrungen aus meiner Arbeit als Traumatherapeutin mit Euch bzw. mit dem Lage-Publikum teilen:

Seit vielen Jahren behandle ich traumatisierte Menschen, die in ihrer
Kindheit über viele Jahre (meist von ihren Eltern) schwer körperlich,
sexuell und psychisch misshandelt worden sind. Ich unterstütze sie
dabei, mit den Folgen der Traumatisierungen jetzt und in Zukunft besser
umgehen zu können. Wenn ich diese Menschen frage, wie denn z.B. der
körperliche Missbrauch aufgehört hat, bekomme ich immer wieder zu hören:
„In dem Moment, als ich zum ersten Mal zurückgeschlagen habe…“, oder:
„Als ich meiner Mutter die Hände festgehalten habe, so dass sie nicht
mehr schlagen konnte…“, oder: „Als mein Bruder und ich meinen Vater
festgehalten haben, damit er nicht die Axt aus dem Schuppen holen
konnte… da hörte die Gewalt auf.“

In aller Regel sollte Kommunikation auf verbale Weise stattfinden. Aber
bei Despoten (und das sind für mich sowohl Putin als auch misshandelnde
Eltern) hilft es nur, dem Aggressor deutlich zu machen, dass seine Kräfte
den Kräften des Opfers nicht (mehr) überlegen sind. Ansonsten geht der
Missbrauch über viele, viele Jahre weiter - meine Patientinnen führen mir
dies immer wieder vor Augen. So wie die misshandelnden Eltern meiner
Patient
innen wird sich Putin erst dann stoppen lassen, wenn er erkennt,
dass seine Macht begrenzt ist, weil die Ukraine ihm mit westlicher Hilfe
überlegen ist.
Ich bezweifle, dass Bundeskanzler Scholz regelmäßig Euren Podcast hört, aber ich würde ihn so sehr gerne diese meine Erfahrungen wissen lassen und ihm Mut machen, von seiner Appeasement-Politik abzurücken, damit dem Krieg ein Ende gemacht wird.

Herzliche Grüße, Christine Arns

4 „Gefällt mir“

Liebes Lage Team, ich höre Euren Podcast seit ein paar Jahren. Ich meine sogar, seit Euren Anfängen. Heute habe ich Eure aktuelle Einschätzung zum Einsatz westlicher Waffen durch die Ukraine auf russischem Territorium gehört. Dabei ist mir etwas aufgefallen und ich möchte mich in gewisser Weise meiner Vorkommentatorin Christine Arns anschließen. Meine berufliche Aufgabe besteht im Grunde darin, Schulen, also Pädagoginnen und Pädagogen zum Umgang mit Gewalt und Mobbing zu fortzubilden. Leider mache ich dabei immer wieder die Erfahrung, dass Schulleitungen und Lehrpersonal auf Grund von Unsicherheit und auch Angst vor angenommenen Konsequenzen, zu zaghaft oder gar nicht auf Gewalt und Mobbing reagieren. So verschärfen sich solche Situationen jedoch nur. Im Falle von Mobbing ist eine Reaktion, die ich regelmäßig in Schulen erlebe die, dass das Opfer letztendlich von der Schule genommen wird. Als Grund hierfür wird dann der Schutz des Opfers und die Befriedung der Situation vorgehalten. Automatisch führt das aber zu der Situation, dass Täter in ihrer Strategie bestätigt werden und diese in ihr normales Verhaltens-Repertoire übernehmen. Wie es in solchen Schulen dann weitergeht, könnt Ihr Euch ausmalen. Ich rate den Schulen regelmäßig, eindeutige rote Linien im Vorfeld festzulegen, strikt zu verteidigen und gegen jede Gewalt mit Vehemenz vorzugehen. Nur so verstehen gewalttätige Schüler, wie der Werte-und Normenraum an der Schule aussieht und halten ihn dann letztendlich auch ein. Die Parallelen zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und dem Verhalten der westlichen Partner, sind nicht von der Hand zu weisen.
Ich frage mich, ob es hier eine Veränderung unserer Gesellschaft gab oder gibt, welche uns vor Despoten und Gewalttätern zusammenzucken lässt und eine wirksame Hilfe gegenüber der Gewaltopfer verunmöglicht.
Danke immer wieder für Eure Gedanken und Einordnungen.

Ganz liebe Grüße

Sebastian Kubasch

2 „Gefällt mir“

Man muss natürlich bedenken (um in der Analogie zu bleiben), dass gewalttätige Schüler:innen im Normalfall nicht über genug Sprengstoff verfügen, um die ganze Schule in die Luft zu jagen.

Ich würde trotzdem auf Härte gegenüber Putin bestehen, aber das Herunterbrechen auf eine Schulsituation wird doch nicht allen Erwägungen, die hier eingehen müssen, gerecht.

2 „Gefällt mir“

Stimmt natürlich. Aber ich finde die Vergleiche insofern hilfreich, weil Putin eher dem mobbenden Schüler, als dem suizidalen Amokläufer entspricht (würde ich jedenfalls so sehen).

Historisch und auch in der Gegenwart gibt es jede Menge Politiker und Staatsmänner (ich verwende hier mal bewusst die männliche Form), die dem archetypischen „Bully“ entsprechen. Menschen wie Putin (aber auch z.B. Trump) haben immer das Gefühl, im Recht zu sein, halten sich nicht an Regeln, sehen Gewalt als legitimes Mittel der Auseinandersetzung, eskalieren desto mehr, je mehr man ihnen nachgibt, etc.

Echte Neros, die die Geige rausholen während Rom brennt und bereit sind, das Schiff nicht nur in Richtung Riff zu steuern sondern auch mit ihm unterzugehen gibt es dagegen recht selten. Hitler war sicher so ein Kandidat, aber schon seine Zeitgenossen Mussolini und Stalin waren wenn es um das eigene (politische) Überleben ging sehr viel pragmatischer, auch wenn Mussolini am Ende seinen Fehleinschätzungen erlegen ist.

Putin redet gerne über einen Atomkrieg, aber seine roten Linien sind schon dutzendfach überschritten worden. Vielleicht erinnert sich noch der eine oder andere, dass schon die Lieferung westlicher Luftabwehr angeblich zu einem Atomkrieg führen würde. Eskaliert hat er eigentlich immer nur, wenn man ihm mit Schwäche begegnet ist, oder er durch die Eskalation keine ernsthaften Konsequenzen fürchten musste.

1 „Gefällt mir“

Vergleiche sind nie 1:1 zu sehen. Wenn das Ergebnis eines Vergleichs ist, dass es keine Unterschiede gibt, war der Vergleich sinnlos, weil es sich offensichtlich um identische Situationen handelt. Ein Vergleich soll oft nur einen Aspekt beleuchten, dass dieser Aspekt auch Wechselwirkungen zu anderen Aspekten hat ist dabei offensichtlich.

Der Vergleich von @SebastianK ist dabei durchaus hilfreich, denn im Kern ist es wahr:
Wenn wir der Ukraine nun die Hände auf dem Rücken zusammenbinden (oder sie gar überreden, Zugeständnisse im Hinblick auf die Krim und den Donbass zu machen) tun wir das gleiche, was Schulen tun, wenn sie die gemobbten Schüler auf eine andere Schule verweisen. Es mag den Konflikt lösen oder zumindest ein wenig deeskalieren, aber eben zum Vorteil des Aggressors und zum Nachteil des Opfers - und das ist ein großes Problem. Die von dir genannten Aspekte spielen bei diesem Vergleich tatsächlich keine Rolle (jedem ist bewusst, dass es sich um grundverschiedene Situationen handelt).

4 „Gefällt mir“

2 Beiträge wurden in ein existierendes Thema verschoben: Mobbing in der Schule

Nachdem ihr so detailliert begründet habt, warum doch deutlich " mutiger" mit militärischen Mitteln die Ukraine unterstützt werden müsste, um Putins fortschreitende Aggressionen zu stoppen erwarte ich , dass ihr jetzt auch mal einen Vertreter der Friedensbewegung einladen, um deren Sichtweisen kennenzulernen. Bisher werden die gern diffamiert. Das müsst ihr ja nicht nachmachen. Darunter gibt es kluge Menschen, die sich seit Jahrzehnten mit dem Thema Friedensforschung beschäftigen. Wir sind durchaus nicht alle Angsthasen!

2 „Gefällt mir“

Grundsätzlich eine gute Idee, die der Ausgewogenheit dient.

Welche Frage mich da interessieren würde, wie aus Sicht der Friedensforscher ein Frieden für die Ukraine aussehen könnte, ohne durch enorme Gebietsverluste wirtschaftlich stark beschnitten zu werden und eine langfristige Sicherheit vor weiteren militärischen Übergriffen zu haben.

Dazu im Detail wie Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland „auf Augenhöhe“ aussehen könnten. Also ohne das eine Seite Bedingungen diktiert und das auch das Völkerrecht gewahrt bleibt, was auch territoriale Souveränität berücksichtigt.

Wäre wirklich ein interessanter Ansatz, das mal aus Sicht von renommierten Friedensforschern zu erfahren.

2 „Gefällt mir“

Ich habe Friedensforschung und internationale Politik studiert, fühle mich also zumindest rudimentär in der Lage, da eine Antwort drauf zu geben.

Erstmal sollte man festhalten, dass anders als man den Beitrag von @HaBaWu vielleicht verstehen kann, Friedensforscher nicht automatisch „Pazifisten“ sind (wie auch immer man den Begriff wiederum definieren will).

Außerdem ist es wichtig zu verstehen, dass „Frieden“ in der Friedensforschung in der Regel in zwei Aspekte geteilt wird:

  • „Negativer Frieden“ = die Abwesenheit von physischer systematischer Gewalt
  • „Positiver Frieden“ = Eine Gesellschaft ohne systematische Gewalt jeglicher Art

Letzteres ist natürlich immer eine Art „Work in Progress“, ändert aber nichts an der Tatsache, dass was Möchtegern-Friedensschaffer wie Sarah Wagenknecht als Ziel formulieren wenig mit dem zu tun hat, was tatsächliche „Friedensforscher“ für die Ukraine und Russland anstreben.

Drittens ist in der Friedensforschung meiner Einschätzung nach ziemlich unumstritten, dass zum Frieden immer das grundsätzliche Interesse aller wesentlichen Konfliktparteien gehört, eine Verhandlung überhaupt zuzulassen. Und da sind wir schon beim ersten großen Problem: Die gibt es meines Erachtens auf russischer Seite derzeit überhaupt nicht.

Bei anderen Konflikten würde man jetzt nach Möglichkeiten suchen, der „unwilligen“ Konfliktpartei Anreize zu schaffen, sich zumindest an einen Tisch zu setzen. In der Vergangenheit waren dafür beliebte Optionen harte Wirtschaftssanktionen, militärische Interventionen, Strafandrohung, etc. Gegenüber einem Akteur wie Russland ist es aber schwer, solche Anreize zu schaffen, vor allem wenn sich der Rest der internationalen Gemeinschaft (Westen vs. China) in der Notwendigkeit dieser Anreize nicht einig ist.

Wenn die militärische/politische Führung einer Konfliktpartei nicht Verhandlungsbereit ist, dann gibt es in der Regel die Möglichkeit, deren „Constituency“ (also zum Beispiel die Zivilgesellschaft) in irgendeiner Form mit ins Boot zu holen. Auch das scheint in Russland eher schwierig zu sein, ist aber vielleicht noch nicht ganz ausgeschöpft worden.

Am Ende des Tages würde es mich nicht wunder, wenn es auch „renommierte Friedensforscher“ geben würde, die eine stärkere militärische Unterstützung der Ukraine befürworten. Wohl aber mit einem erheblich stärkeren Angemerkt auf die Ermächtigung auch nicht-militärischer Stakeholder auf allen beteiligten Seiten.

8 „Gefällt mir“

Vielen Dank für die ausführliche Darstellung.
Ich würde da auch zwischen „idealistischen Pazifisten“ und Friedensforschern unterscheiden.

Wie du sehr treffend beschreibst, steht und fällt alles Bemühen in Richtung Frieden sehr mit der Bereitschaft Russlands, überhaupt Frieden zu wollen.

Da wären jetzt tatsächlich die Möglichkeiten interessant, diese Hürde realistisch zu meistern.

Es ist das gleiche Problem, wie schon immer: Gegenwehr/Verteidigung von Normen und Werten mag sich langfristig lohnen, kurzfristig ist es aber anstrengend und schlimmstenfalls riskant. Außerdem geben wir uns so viel Mühe, Menschen abzugewöhnen, die Welt in schwarz und weiß zu betrachten, dass sie dann, wenn eine Situation einfach schwarz und weiß ist, denken, dass das nicht stimmen kann. Eigentlich liegt die Lösung für den Ukrainekonflikt klar auf dem Tisch: Mit Waffenlieferungen dafür sorgen, dass die Ukraine die Friedensordnung der akzeptierten Grenzen in Europa wieder herstellen kann, anschließend mit Russland milde Reparationen und harte Sicherheitsgarantien für alle demokratischen Nachbarn Russlands aushandeln. Ist halt jetzt teuer und riskant und falls das längerfristig einen zukünftigen Überfall Russlands auf NATO-Staaten verhindern würde, würde man das nie beweisen können und die Vorteile lägen auch nicht zwingend vor allem bei den Staaten, die - wie Deutschland - jetzt viel dafür tun müssten.

3 „Gefällt mir“

Ich denke als allererstes muss man sich von dem Gedanken verabschieden, dass man irgendetwas „schnell“ lösen kann. Selbst wenn man den offenen Krieg irgendwie kurzfristig „einfrieren“ könnte, würde das Problem als solches weiterbestehen und könnte jederzeit wieder zum aktuellen Status Quo zurückkehren.

Insofern wäre es am besten, eine sehr langfristige Vision zu entwickeln und von dort aus die nötigen Schritte zu bestimmen.

In jedem Fall wollen wir wohl ein Europa (also die heutige EU), dass sich nicht der ständigen Bedrohung einer militärischen Invasion ausgesetzt sieht.

Ich persönlich würde außerdem die Ukraine in dieses Szenario einschließen.

Bleibt die Frage, was wir uns für Russland wünschen. Ist es uns egal, was dort passiert? Oder beziehen wir das Land in unsere Vision eines sicheren Europas mit ein?

Im ersten Szenario kann unsere eigene Sicherheit eigentlich nur durch Abschreckung garantiert werden. Die logische Konsequenz ist eine maximale Unterstützung der Ukraine, bis diese ihre eigene territoriale Integrität wieder herstellen kann. Außerdem die Aufrüstung der EU-Außengrenzen, Investitionen gegen asymmetrische Interventionsversuche (also „Abhärtung“ demokratischer Prozesse und Mobilisierung von Spionageabwehr) und ein Raketenschutzschirm kombiniert mit atomarer Abschreckung.

Im zweiten Szenario müsste systematisch mit politischen, zivilgesellschaftlichen und diplomatischen Mitteln auf eine demokratischen Wende in Russland hingearbeitet werden. Für die Ukraine wäre das Endziel nicht die militärische Bezwingung Russlands, sondern eher eine Lösung nach europäischem Vorbild. Ähnlich wie Frankreich und Deutschland würde man in einem mühsamen und vermutlich jahrzehntelangem Prozess die Voraussetzungen für eine Überwindung der Feindseligkeit und ein Interesse an Kooperation schaffen. Die Frage der territorialen Kontrolle würde in diesem Szenario ähnlich wie die nationale Zugehörigkeit des Elsaß sekundär werden.

Beide Szenarien sind mühsam, risikobehaftet und teuer. Keines würde das Töten in der Ukraine schnell beenden. In beiden Szenarien kann die militärische Unterstützung der Ukraine weiter sinnvoll sein. Aber es wäre vermutlich sinnvoll, sich auf eine Vision festzulegen und diese dann auch Konsequent zu verfolgen.

Wie wahrscheinlich ist ein demokratischer Wechsel in Russland.
Diese Erfahrungswerte gibt es kaum dort.

Wie wahrscheinlich war er in Deutschland, in Polen, Indien, Südafrika, etc. ?

Aber ich stimme dir insofern zu, dass da „von alleine“ auf absehbare Zeit gar nichts passieren wird. Und die track record westlicher Staaten Einfluss auf die Entwicklung demokratischer Systeme im Ausland zu nehmen ist nicht besonders gut.

1 „Gefällt mir“

Es gibt Friedensforscher.innen und --institute und es gibt die Friedensbewegung, die verschiedensten Gruppen mit unterschiedlichen Sichtweisen. Dabei auch zum Beispiel im letzten Heft des Friedensforums einen Beitrag von Clemens Ronnefeldt zu Verhandlungsoptionen im Ukrainekrieg.Mir geht es auch um die Erweiterung des Horizonts mit anderen Konzepten als ausschließlich die militärische. Es erscheint mir absurd und einfach gruselig, wie hier Kriegstüchtigkeit, Aufrüstung, Veteranentagen, Werbung fürs Militär in Schulen quasi die jahrehntelang friedliche Orientierung der Gesellschaft umgekrempelt wird.

4 „Gefällt mir“

Natürlich passiert nichts so einfach. Aber es sollte doch wenigstens mal angefangen werden. Und die erstaunlichen Veränderungen in den von Ihnen genannten Ländern könnte doch auch Mut machen dazu, neue Wege oder auch erprobte frühere anzupacken. Dabei könnten wir letztlich alle gewinnen.

Was wären diese Verhandlungsoptionen im Ukrainekrieg?
Ganz konkret?

Und steht und fällt das nicht doch alles mit Russlands Festhalten an seinen Kruegszuelen?

3 „Gefällt mir“

Auch hier: was wären diese neuen Wege oder erprobte frühere ganz konkret?
Wandel durch Handel war es zumindest in der praktizierten Form nicht, denke ich…

Du meinst glaube ich diesen Artikel hier, oder? Verhandlungsoptionen im Ukraine-Krieg | Netzwerk Friedenskooperative

Der Artikel ist eine gute Übersicht über die aktuellen Verhandlungspositionen der beiden Kriegsparteien. Aber auch in der Darstellung von Ronnefeldt lässt sich die Russische Position so zusammenfassen: Aufgabe der ukrainischen Souveränität und Verteidigungsfähigkeit, Eingliederung des Landes in die russische Einflusssphäre, Anerkennung der russischen Annexionen und perspektivische Annexion des restlichen Landes („Russen und Ukrainer sind ein Volk“).

Durch das Eingehen auf diese Forderungen würde man sicher das aktuelle Töten im Krieg beenden. Allerdings tauscht die ukrainische Bevölkerung damit den offenen Kriegszustand nur gegen die hohe Wahrscheinlichkeit einer russisch gelenkten Unterdrückung mit vielen (dann verdeckten) Toten. Und Europa tauscht den offenen Krieg gegen die hohe Wahrscheinlichkeit einer russischen Aggression direkt gegen EU-Mitglieder.

Ronnefeldt hat selbst keine konkreten Vorschläge, wie man auf die russische Verhandlungsposition einwirken könnte. Er verweist auf eine IPPNW- Studie „Waffenstillstand und Frieden für die Ukraine“. Die fordert aber in erster Linie einen Waffenstillstand, auch wiederum ohne konkrete Ansätze für die Veränderung der russischen Perspektive bzw. die Forderung nach einer konstruktiveren russischen Haltung als Voraussetzung für einen Waffenstillstand.

Bin ich total dafür. Es wird viel zu wenig über nicht-militärische Optionen und Perspektiven geredet. Zivile Akteure auf allen Seiten sollten deutlich mehr Unterstützung erhalten.

Aber das kann nicht von der (militärischen und politischen) Realität ablenken: es gibt derzeit keinerlei Bereitschaft auf russischer Seite, von den (für alle anderen Akteure inakzeptablen) Maximalforderungen abzuweichen. So lange man dafür keine Lösung findet (siehe meine anderen Beiträge wird es auch keine Möglichkeit für einen „positiven Frieden“ in der Ukraine geben.

2 „Gefällt mir“

Mal ein kleiner Gedanke zu dem Thema generell.

Ja es ist verständlich das man Angst vor Krieg hat. Und Krieg hat immer was unberechenbares. Aber es ist in seiner eigenen Logik auch wieder berechenbar.

Soweit vorab aber jetzt der eigentliche Gedanke.
Gerade wir Deutschen halten uns selber immer wieder dieses „NIE-WIEDER“ ganz groß vor die Nase und reagieren teilweise sogar hyperempfindlich bei der kleinsten Kleinigkeit die schon irgendwie Rassistisch wirken mag. Alles auf Grund unserer Vergangenheit und den Verbrechen die unser Land in der Vergangenheit begannen hat. Und das ist auch Richtig so (gut über die Ausmaße der Empfindlichkeiten kann man debattieren aber das ist ein anderes Thema, im Kern ist es aber Richtig, sich der Vergangenheit und der Schuld und Verbrechen bewusst zu sein.)

Und warum denke ich nun daran? Was hat das alles mit dem Ukraine-Krieg zu tun?
Nun ich frage mich eigentlich in welchen Land wir jetzt leben würden, wenn nicht Großbritannien und England irgendwann zu Nazi-Deutschland gesagt hätten „Jetzt bist du zu weit gegangen, dann ziehen wir halt in den krieg um dich zu stoppen!“. Wir profitieren heute davon, das damals Menschen gesagt haben „Bis hier hin und nicht weiter“. Und ja Geschichte ist deutlich komplizierter, aber letztlich haben wir hier einen eindeutigen Aggressor den man in die Schranken verweisen muss. Je schneller um so besser für alle. Auch wenn das bedeutet das man Dinge mach die einen Angst machen oder die man nicht will. Und auch wenn der Aggressor vielleicht seine „berechtigen“ Gründe und Motivationen hat, aber es sind so eindeutig Grenzen des Zusammenlebens verletzt worden, das man das nicht akzeptieren darf. Und gerade wir Deutschen sind doch experten dieser Grenzen extrem überschreiten. Gehört es dann nicht auch zu unserer Verantwortung des „Nicht-Vergessen“ und des „NIE-WIEDER“ genau solchen Aggressoren Einhalt zu gebieten? Auch wenn es uns zu Dingen zwingt vor denen wir eigentlich Angst haben?

1 „Gefällt mir“