Es gibt schon ein paar Möglichkeiten jenseits der militärischen Hochrüstung der Ukrainer. Allerdings sind diese meist nicht weniger komplex, risikobehaftet, langwierig oder teuer und stehen manchmal im Widerspruch zueinander. Mal ein paar Beispiele:
1. Förderung eines langfristigen und friedlichen demokratischen Wandels in Russland:
Mit Putin an der Spitze Russlands wird es keine friedliche (im Sinne der Friedensforschung) Lösung für den Konflikt (bzw. das weitere Verhältnis mit Europa) geben. Europa/der Westen könnte aber durchaus viel stärker als bisher eine Demokratisierung Russlands unterstützen, indem der demokratischen russischen Zivilgesellschaft erhebliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, der westliche technologische und kulturelle Einfluss zur Unterminierung russischer Propaganda in Russland eingesetzt wird, der russische Einfluss in den Anrainerstaaten zurückgedrängt wird usw. Das Ziel wäre ein demokratischer Wandel innerhalb der nächsten 30 Jahre oder länger.
2. Internationale Isolierung Russlands durch Kompromisse mit russischen Verbündeten:
Russland kann ohne militärische Unterstützung und Handelsbeziehungen mit anderen Staaten keinen Krieg führen. Zu nennen wären hier beispielsweise China, Indien und Iran, aber auch generell Handelspartner z.B. in der EU (Erdöl/Gas), Türkei, etc… Ziel wäre eine vollständige Isolierung Russlands, wofür man aber innerhalb der EU erhebliche Kosten in Kauf nehmen müsste (Stop aller Gas/Erdölimporte, Abbruch aller Handelsbeziehungen und Sanktionierung von Zwischenhändlern).
Außerdem müsste man Staaten wie China, Indien und Iran die Kooperation in irgendeiner Form schmackhaft machen. Im Falle Chinas zum Beispiel durch einen weitgehend ungehinderten Zugang zum europäischen und amerikanischen Markt, im Falle Irans wohl eher durch ein Ende der militärischen Einhegung des Landes, Aufhebung der Sanktionen und Akzeptanz des ideologischen und militärischen Einflusses Irans in der Region.
3. Konkretes Angebot an Russland mit teilweisen Zugeständnissen
Wenn es erstmal nur um den Einstieg in Verhandlungen geht, könnte man Russland auch konkrete Zugeständnisse in Aussicht stellen. Zum Beispiel Verbleib der Krim bei Russland und Neutralität (à la Schweiz) der Ukraine. Sicher müsste man schauen, was Russland als Garantien für so einen Frieden anbieten würde und wie glaubhaft das ist. Es würde auch die Problematik des russisch-europäischen Verhältnisses nicht klären. Aber möglich ist das natürlich.
Es gibt sicher noch andere Möglichkeiten. Aber ich denke das jede alternative/ergänzende Strategie genauso wie die Fortsetzung der militärischen Unterstützung der Ukraine ein paar grundlegende Fragen beantworten muss:
- Was ist das Endziel/die Vision zu der die Strategie beitragen soll?
- Über welche Zeiträume sprechen wir und was passiert in der Zwischenzeit?
- Was sind die „unerwünschten“ Nebeneffekte und Kosten der Umsetzung?
- Welche anderen Strategien sind kompatibel oder stehen im Widerspruch?
- Was muss sich am Status Quo verändern, damit die Strategie erfolgreich sein kann und wie kann diese Veränderung erreicht werden?
Auf dem Niveau wird noch viel zu wenig diskutiert.