Einkommensunterschiede

Na, stehst Du jetzt nicht auf dem Boden des Grundgesetzes, wenn Du mit einer Entscheidung unseres obersten Gerichts nicht einverstanden bist. (Die Spitze durfte nach Deinen wertenden Kommentaren mal sein. Ist nicht böse gemeint !! :wink:)

Du rückst damit Dein Diskussionsgegenüber in eine bestimmte politische / ideologische Ecke, die weit mehr umfasst. Sowas wird gerne zum Diffamieren des Anderen genutzt, weil kein Sachargument sondern nur eine (abwertende) Wertung ist.

Wir müssen ja auch nicht Übereinkommen, sondern tauschen Meinungen und Argumente pro und contra einer Sichtweise aus. Ich tue das gerne, um andere Sichtweisen zu verstehen und meine zu überprüfen.

Nach über 20 Jahren in verschiedenen Führungsaufgaben, habe ich auch viele Menschen kennengelernt und neben sehr, sehr vielen positiven Erfahrungen halt auch die andere Seite kennengelernt. Daher mein Punkt: Fördern und Fordern, Unterstützen & Helfen, aber auch Grenzen für die, die keines guten Geistes sind. Das ist in meiner Erfahrung auch wichtig den anderen Mitgliedern einer Gruppe gegenüber, die sehr wohl darauf achten, was da passiert.

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Selbst innerhalb des BVerfG herrscht nicht immer Einigkeit, Urteile des BVerfG werden regelmäßig von der Literatur und Lehre zerrissen. Es ist absolut in Ordnung, die Meinung des BVerfG in einem Punkt nicht zu teilen.

Den Schuh ziehst du dir selbst an. Ich sage nur, wohin Arbeitszwang (und es ist letztlich Arbeitszwang, wenn man einem Menschen die Existenzgrundlage entzieht, wenn er nicht arbeitet) in letzter Instanz führt.

Und das ist das Problem.
Als Führungskraft lernst du die „andere Seite“ kennen und sorgst ganz schnell dafür, dass du nichts mehr mit ihr zu tun hast. Als Sozialarbeiter fängt an dem Punkt meine Arbeit gerade erst an.

Als Führungskraft siehst du nur, dass ein Mensch „nicht funktioniert“, du kannst aber nicht in der Tiefe verstehen, warum dieser Mensch „nicht funktioniert“. Es ist so leicht, auf den „nicht funktionierenden“ Menschen zu zeigen und ihm Vorwürfe zu machen - er könne ja einfach arbeiten, er könne sich ja einfach sozialer verhalten. Wenn man selbst eine gute Sozialisation durchlaufen hat und keine psychologischen Probleme hat erscheint das alles so selbstverständlich, und der Mensch, der „nicht funktioniert“, muss daran natürlich eine Schuld tragen.

In der Praxis der Sozialen Arbeit merkst du dann ganz schnell, dass diese Dinge nicht so selbstverständlich sind. Auch der Hartzer, der im Trash-TV stolz sagt, er „habe einfach keinen Bock zu arbeiten“, ist nicht einfach „asozial“ und muss nur richtig „gefordert“ werden. Diese Einstellung, zu behaupten, man habe einfach „keinen Bock zu arbeiten“ ist ein Schutzreflex, weil diese Menschen sich nicht eingestehen können, dass sie nicht in der Lage wären, einen Job zu halten.

Ich sage ganz klar:
Diese „Menschen, die einfach nicht arbeiten wollen“, gibt es nicht. Es sind alles, ausnahmslos, Menschen, die nicht arbeiten können. Keine Menge an „Druck“, „Forderung“ oder gar „Zwang“ kann daran etwas ändern.

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Würde ich so aus Erfahrung nur bedingt mitgehen.
Psychische Ursachen können eine Ursache sein, besonders bei Langzeitarbeitslosen.
Aber der Faktor Motivation spielt schon eine Rolle. Und sei es nur aus Scheu vor Veränderung.
Aber das in beiden Fällen äußerer Druck zu keinem besseren Ergebnis.

Das bedeutet, dass wenn nur Arbeiten zur Verfügung stehen, die unakzeptabel niedrig bezahlt werden, angenommen werden müssen. Das ist fragwürdig. Auch wenn es momentan so ist, muss es überdacht werden, ob es gesellschaftlich gewollt ist, Arbeiten, die so schlecht bezahlt werden, dass sie niemand machen möchte, mit der Drohung, sonst zu verhungern, zwangsweise zu besetzen.

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Auch diese Scheu vor Veränderung ist im Prinzip eine psychologische Sache, eben weil die gegenwärtige Situation den Menschen eine Sicherheit gewährleistet und jede Veränderung Ängste auslöst, diese Sicherheit verlieren zu können.

Motivation ist letztlich nur ein Aspekt der Psyche - wenn dieser Aspekt positiv ist („hohe Motivation“) ist die Prognose für die Eingliederung in den Arbeitsmarkt natürlich ungleich höher.

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Will sagen, daß man das nicht mit psychologischen Einschränkungen gleichsetzen darf.
Die Menschen haben auch hinsichtlich dem Klimawandel Angst vor Veränderung, weil es das Sicherheitsgefühl tangiert. Aber deswegen sagen wir ja auch nicht, wir machen da mal dann nicht gegen den Klimawandel, um niemanden sein Sicherheitsgefühl zu verletzten.

Wenn Du die Notwendigkeit einer Beschäftigung oder bezahlten Arbeit nachzugehen, um Geld zu verdienen und so seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten als Arbeitszwang definierst, dann leiden wohl alle Menschen ohne ausreichend viel Vermögen darunter. Willkommen im Leben.

Ich persönlich fühle mich auch durch die Pflicht Steuern zu zahlen in meiner persönlichen Entfaltung stark eingeengt. Ich habe schon überlegt die nächsten Schreiben des Finanzamtes nicht zu öffnen, weil jedes Mal mein Herzrhythmus höher geht vor Aufregung.

Sehe es nicht als Problem, sondern als Unterschied der Arbeitsaufgaben. Und das Führungskräfte ganz schnell dafür sorgen sich dieser Fälle zu entledigen und nicht auch sich im gesunden Maße um diese kümmern ist mal wieder ein Vorurteil von Dir. Aber ja, Deine Arbeit fängt da erst an, das ist keine Frage. Nur ist mMn ein typisches Problem von Sozialarbeitern, dass sie reden ohne Ende aber nicht bereit sind dem Menschen vor Ihnen auch mal Konsequenzen seines Handelns aufzuzeigen und vor allem auch keine Grenzen zu haben. Und das halte ich für surreal, wenn Verhaltensweisen keinerlei Konsequenzen mehr haben und es keine Grenzen für Fehlverhalten gibt. Wohlgemerkt, wir haben über Fälle von Totalverweigerern gesprochen, nicht von Kranken, Behinderten oder unschuldig in Bedrängnis getragene Personen, die Hilfe brauchen, Hilfe kriegen sollen und Hilfe annehmen.

Habe ich eine andere Meinung zu. Aber dann möchte ich den Schutzreflex haben dürfen, keine Steuern mehr zu bezahlen. Ist das OK für Dich und siehst Du es so, dass ich dann von der Steuer befreit werden sollte. Und wenn nicht, warum wird dem Fall oben von Dir geholfen und mir dann nicht?

Habe heute unterwegs ein Interview von Wolfgang Heim mit Andreas Müller gehört. Er ist Jugendrichter; passt gut in die Diskussion hier. Empfehle ich Dir.

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Nein, tut es nicht. Es gibt ausreichend Musterurteile, was zumutbar ist und was nicht. Die Formulierung des BVerG ist da mMn sehr treffend: „… wenn und solange Leistungsberechtigte es selbst in der Hand haben, durch Aufnahme einer ihnen angebotenen zumutbaren Arbeit ihre menschenwürdige Existenz tatsächlich und unmittelbar durch die Erzielung von Einkommen selbst zu sichern …“.

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Um auf meinen Kanalarbeiter zurückzukommen: das Einkommen sichert sein Existenzminimum. Die Bezahlung wird dem, was er leistet aber nicht gerecht. Dennoch hat die Agentur für Arbeit das Recht, ihm diese Arbeit zuzuweisen, da sie zumutbar ist und da sie sein Existenzminimum sichert.
Dass die Bezahlung nicht zumutbar ist, fällt da hinten runter.

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Mhm, da ich Pädagogik bei der Bundeswehr studiert habe, habe ich da wohl einen etwas pragmatischen Ansatz, was Motivation angeht. :slight_smile:

Mal aus der Praxis der beruflichen Reha. Da geht es darum, Menschen mit körperlichen oder psychischen Einschränkungen wieder zurück in Arbeit zu bringen. In der Beratung der betreffenden Menschen kommen bestimmte Aspekte häufig zum Tragen.

  1. Wer beispielsweise im Handwerk oder Industrie tätig war und mit 5000€ brutto nach Hause ging, seinen Lebensstandard darauf ausgerichtet hat, der schluckt erstmal wenn er hört, das er nach einer Umschulung als Berufsanfänger mal mit 2000€ brutto Einstiegsgehalt kalkulieren sollte. Dazu das Übergangsgeld in der Zeit der Umschulung, was bei etwa 68-75% vom netto liegt. Trotzdem MB machen es jährlich hunderte Arbeitnehmer in Deutschland, weil die Alternative die Erwerbsminderungsrente wäre. So hat man es zumindest selbst in der Hand. Es ist aber de facto ein finanzieller Einbruch in den meisten Fällen.
    Dazu gibt es Leute, die bestimmte Tätigkeiten nicht dauerhaft ausüben wollen. Dem Elektriker, der eher ein praktisch veranlagt ist, und dem sein Leustungsträger sagt, ach, sie werden jetzt Industriekaufmann, was anderes geht nicht, der sagt deutlich, ich arbeite nicht im Büro, dann gehe i h wieder auf den Bau bis nix mehr geht.
    Da muss man dann etwas intensiver nach passenden Alternativen suchen.
    Zudem gibt es einerseits das Wahl und Mitspracherecht der Betroffenen, zum anderen aber auch eine Mitwirkungspflicht, da eine Menge öffentliche Gelder fließen.
    Also müssen beide Seiten schon zusammen einarbeiten und was tun.

Langzeitarbeitslose sind wieder ein anderes Thema. Wer länger als 2 Jahre aus dem Erwerbsleben raus ist, seine Tagesstruktur verloren hat, und auch psychische Folgen durch die lange Arbeitslosigkeit davongetragen hat, da bringen Druck und Sanktionen gar nichts, da braucht es Sozialarbeit. Da hat unsere Gesellschaft über viele Jahre Potential verkümmern lassen. Das rächt sich jetzt

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Die Bezahlung wäre nur dann nicht zumutbar, wenn Dein Kanalarbeiter schlechter bezahlt würde als andere Kanalarbeiter bei gleicher Qualifikation. Wobei es dann nicht gerecht wäre. Zeitlich eng begrenzt vielleicht sogar zumutbar.

Ob Kanalarbeiter an sich einen gerechten Lohn bekommen ist davon unabhängig eine andere Frage.

Da haben wir eben unterschiedliche Ansichten.
Wenn den Job für die Bezahlung keiner machen möchte und die Agentur diesen nur noch mit Zwang besetzt, dann ist das Gehalt nicht in Ordnung und statt Leute zu zwingen sollten Gehalt oder Arbeitsbedingungen angepasst werden.
Ein Beispiel aus meinem Bekanntenkreis: da sollte die Bekannte ihre laufende Umschulung abbrechen, weil sie nach Corona jetzt dringend in der Gastronomie gebraucht würde. Nur mit viel Zeitaufwand und Diskussion konnte sie ihren Betreuer davon überzeugen, dass die Umschulung doch das langfristig tragfähigere Konzept wäre.

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Konkrete Beispiele finde ich immer besser als pure Theorie. Was war die Bekannte vorher und auf was sollte / wollte sie umschulen? Wäre auch interessant zu wissen, was sie zum Bürgergeld gebracht hat.

Eigentlich lenken Einzelbeispiele vom großen Ganzen ab.
Bei ihr war es ganz klassisch: jung geheiratet, Mann gut verdient, nach zwanzig Jahren die Trennung und sie mit Kind und ohne Ausbildung allein. Danach schulte sie zur Steuerfachangestellten um, um einen Bürojob anzunehmen. Da sie immer den Bürokram für ihren Mann gemacht hatte, hatte sie da schon Grundkenntnisse.

Nein, eben nicht! Die Jobs im Niedriglohnbereich werden teils auch vor allem deswegen so niedrig bezahlt, weil Menschen gezwungen werden, sie zu diesem Lohn zu machen! Der Marktaspekt, dass sich für jede Arbeit jemand fände, der sie machen würde, wenn sie gut genug bezahlt wird, wird völlig ausgehebelt, weil Menschen in den untersten Einkommensgruppen im Zweifel vom Amt zur Aufnahme der gering bezahlten Arbeit gezwungen werden! Dementsprechend kann eine Bezahlung schon eigentlich unzumutbar sein, auch wenn alle anderen Beschäftigten bei gleicher Tätigkeit gleich viel verdienen.

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Auf Basis Deiner Schilderungen bin ich absolut bei Dir, dass die Umschulung weit sinnvoller ist als deren Abbruch um als Servicekraft dann zu arbeiten. Hoffe dass sie es schafft / geschafft hat!

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Der Spruch wurde genutzt um in Berlin Striplokale mit Tänzerinnen zu versorgen.

Die durchgesetzte Leistungskürzung ( zumutbare Arbeit nicht angenommen) wurde dann zum Glück vom Gericht kassiert.

Bringt uns zu der Frage: Wie definiert man zumutbare Arbeit?

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Der Missbrauch Einzelner rechtfertigt doch nicht, das Gesamte in Frage zu stellen. Und es ist doch gut, dass das Gericht Recht gesprochen hat, wo Unrecht begannen wurde. Rechtsstaat scheint also zu klappen :wink:

Gibt es x Urteile zu, google mal ein wenig.

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Doch, denn:

Belegt ja, dass „zumutbare Arbeit“ zu schlecht definiert ist.

Abgesehen davon beweist die Existenz der Striplokale, dass es offensichtlich aich Grauen gint, die das als zumutbare Arbeit für sich definieren.

Die Frage der Zumutbarkeit ist juristisch immer individuell zu beantworten, daher: „Ist dieser Job für diese Person zumutbar?“. Einzig wenn es in die Illegalität geht gibt es natürlich eine absolute Unzumutbarkeit, in moralischen Grauzonen (z.B. der der Stripperin) mag der Job zwar für einzelne Zumutbar sein, aber es ist klar, dass niemand gegen seinen Willen gezwungen werden kann, einen Job zu machen, den er moralisch nachvollziehbar ablehnt.

Die Arbeit als „Stripper“ ist daher für die meisten Menschen nicht zumutbar, mag aber für manche doch zumutbar sein (z.B. für Stripperinnen, Ex-Pornodarstellerinnen usw., wobei auch diese kaum dazu gezwungen werden können), die Arbeit im Schlachthof mag für die meisten Menschen zumutbar sein, für den Vegetarier hingegen nicht, ebenso wie die Arbeit in der Waffenproduktion für den Kriegsdienstverweigerer aus moralischen Gründen unzumutbar sein kann (das wären alles sogenannte „personenbezogene Gründe“).

Die Frage der Zumutbarkeit wird daher naturgemäß öfter die Gerichte beschäftigen, eben weil es immer eine Abwägung ist, bei der Jobcenter und Arbeitsuchender oft unterschiedlicher Meinung sind.