Welcher Ökonom bestreitet das denn? Wie gesagt - es geht nicht darum, dass man den Mindestlohn nicht noch erhöhen könnte, sondern, dass es ein Level gibt, ab dem er ökonomische Schäden verursacht.
Hier kannst du verschiedene Meinungen lesen:
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/mindestlohn-266.html
Soweit ich weiß, gibt es außerdem Uneinigkeit, ob die neue Europa Mindestlohnrichtlinie einen höheren Mindestlohn verlangt, als er aktuell in Deutschland gilt.
Die freche Fast- Nicht-Erhöhung der Mindestlohnkommission hat übrigens dazu geführt, dass der Mindestlohn noch nicht einmal den Inflationsausgleich abbilden kann.
Auch nicht zwingend. Eine weitere Erhöhung dürften die Betriebe der Gastro/Hotell nicht verkraften.
Verfolg mal ein wenig die Klagen über die Preise dort.
Meine Schwester hatte berichtet, dass sie jetzt mit der Mehrwertsteuererhöhung die Speisekarte durchschauen werden. Höhere Preise sind kaum durchsetzbar, aber die Kosten steigen.
Am Rouladengericht für knapp 20€ haben sie noch 50 Cent verdient.
Noch eine Mindestlohnerhöhung on Top und sie können schließen.
Bringt dann auch keine Mehreinnahmen.
Würdest du denn im Restaurant, beim Frisör u.s.w. etsprechende Preise zahlen wollen?
Ich zahle bei mir ca. 35€ für den Trockenhaarschnitt, schlicht weil die Lohnkosten hier höher sind.
Viel Gewinn bleibt da für den Besitzer auch nicht.
Um bis dahin in Deutschland zu kommen ist es ein weiter Weg, ich kann mich dran erinnern dass man nur 5€ für den Haarschnitt bezahlt hat.
Du machst den großen Fehler nur auf passende Branchen zu schielen. Und gerade die Branchen, die du nennst, konnten doch eben nur so billig anbieten, weil der Staat das Lohndumping ermöglicht hat. Mein letzter Stand war, dass nur knapp über 10% Insolvenzbedroht sind. Finde ich nicht bedenklich. So arg würde das auch nicht steigen. Es geht außerdem darum überall die Löhne zu erhöhen.
Das Beispiel Frisör verstehe ich nie. Dort sind quasi ausschließlich gelernte Kräfte am Werk. Wenn nichtmal ausgebildete Kräfte Mindestlohn verdienen sollen, braucht es auch keine Ausbildungen.
Dann doch lieber Mindestlohn und eine Bereinigung der Branche, aber ich habe zumindest bei mir in der Region da nicht wirklich mitbekommen, dass der ein Problem war. Eher fehlende Kräfte.
In anderen Branchen mag es aber zumindest bei kurzfristigen hohen Erhöhungen Probleme geben. Denn im Wettbewerb steht man ja nicht immer nur mit Firmen aus dem Inland.
Natürlich muss man sich aber als Gesellschaft Gedanken machen, ob Branchen die nur mit geringen Löhnen überlebensfähig sind über kurz oder lang gehalten werden müssen.
Erhöhungen sollten daher weiterhin auch insgesamt planbar gestaltet werden.
Und du weichst aus, es sind genau die Branchen wo überwiegend Mindestlohn gezahlt wird.
Und ja auch die haben Personalmangel, schließlich wollen nicht alle zu den Öffnungszeiten der Restaurants arbeiten gehen und Mindestlohn ist da auch nicht gerade Anreiz, nur höhere Löhne bedingen höhere Preise, die aber kaum einer bezahlen will.
https://www.handelsblatt.com/unternehmen/dienstleister/inflation-weshalb-das-schnitzel-mit-pommes-bald-20-euro-kostet-/29426178.html
Dann überleg dochmal, ein Herrenhaarschnitt dauert etwa 15 Minuten, heißt max 4 pro Stunde.
Von denen musst du dann den Stundenlohn deines Frisörs, Strom, Miete, Gebühren für das Kassensystem (+ Kartengebühr bei Kartenzahlung) u.s.w. bezahlen, Nebenbei noch Rücklagen für neue Ausrüstung bilden und irgendwo einen Puffer wenn du gerade keine 4 Kunden pro Stunde hast.
Und am Ende des Tages möchtest du dann auch noch was verdienen.
Und dann stell dir nochmal selbst die Frage: wieviel bist du bereit für einen Frisörbesuch auszugeben.
Also bei meinem Frisör verdienen alle Mitarbeiter deutlich über Mindestlohn. Und selbst wenn ein höherer Mindestohn für manche Salons bedeuten würde, dass die Kraft pro Stunde 2 Euro mehr verdient, dann wäre das pro Herrenhaarschnitt gerade mal ein Euro mehr, wenn man mit einer halben Stunde inkl. Leerlauf kalkuliert.
Wenn das zu bezahlen nicht drin ist, dann muss die Branche eben schrumpfen und die Herren gehen entsprechend nicht mehr alle 4 sondern alle 6 Wochen zum Frisör, dafür dann aber mit Löhnen die einem Ausbildungsberuf würdig sind.
Als Befürworter der Mindestlohn-Erhöhung wird hier Marcel Fratzscher genannt. Der hat seine Position hier begründet [1]. Daraus:
„Eine optimale Höhe des Mindestlohns aber, darin sind sich Befürworter wie Gegner einig, lässt sich aufgrund seiner vielfältigen Wirkungsweisen nur schwerlich bestimmen: Die Wirkung auf die Beschäftigungs- und Lohnstruktur ist ein Zusammenspiel von Marktstruktur, Preisüberwälzungs- und Substitutionsmöglichkeiten und unterscheidet sich nach Branche und Region. Daher ist es wichtig und richtig, dass Einführung und sukzessive Erhöhungen des Mindestlohns fortlaufend wissenschaftlich evaluiert werden.“
Das ist der Konsens den ich meine.
Aus diesem Grund ist es nicht besonders weitsichtig einfach zu sagen: dieser Lohn ist sozial gerecht, deshalb erhöhen wir den Mindestlohn auf diesen Wert. Ob sowas sinnvoll ist hängt von der konjunkturellen Lage ab. Da ist heute sicher mehr möglich als noch vor ein paar Jahren. Daher hat auch Fratzscher in anderen konjunkturellen Lagen andere Ratschläge gegeben [2].
Solche Probleme hat man bei der Senkung der Lohnnebenkosten nicht, weshalb sich das m.E. definitiv als zusätzliches Instrument empfiehlt.
[1]
[2]
Und schon handeln die 12 letzten Beiträge vom Bürgergeld, als ob das das einzige wäre, weswegen man eine Vermögenssteuer einführen müsste. Nein, auch der Mittelstandsbauch ist ein Problem. Und der Infrastrukturverfall ist ein Problem und dass Leute auf der Straße leben oder kurz davor sind, weil sie sich Miete und Energiekosten nicht mehr leisten können.
Und dass ein Teil der Bevölkerung sich besonders einbringen könnte, da er besonders leistungsfähig wäre, aber derart unter dem Radar läuft, dass er teilweise mit unter 5% Versteuerung seines Einkommens durchkommt.
1,5 Prozent Steuern zahlt Susanne Klatten auf ihre Dividende bei BMW
https://www.handelsblatt.com/downloads/27597072/2/2021-09-10-steuertricks-der-reichen.pdf
Vielleicht habe ich etwas übersehen, aber ich habe in dem Link des ersten Beitrags keine Details gefunden, wieviel Prozent und ab welcher Höhe Vermögen besteuert werden soll. Soll man da blind unterschreiben und hoffen, dass die eigene Unterschrift nicht für etwas genutzt wird, was man nicht will? Das sind doch wichtige Details, warum stehen die nicht an erster Stelle?
Ich kenne jetzt auch nur diese Quelle: https://www.taxmenow.eu/petition (verlinkt dazu noch ne andere Petition)
Unabhängig davon, ob wir durch Arbeit, Erbschaft, Unternehmertum oder Kapitalanlage zu Vermögen gekommen sind, rufen wir zu Reformen in fünf Bereichen auf:
- Wiedereinführung der Vermögenssteuer für Millionen- und Milliardenvermögen
- Begrenzung von Ausnahmen für Betriebsvermögen und anderen Sonderregelungen bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer
- Progressive Steuersätze statt Einheitssatz bei der Kapitalertragssteuer
- Eine Vermögensabgabe für Millionen- und Milliardenvermögen falls aufgrund der Schuldenbremse staatliche Aufgaben nicht finanziert werden können
- Striktere Regeln gegen Steuervermeidung und -hinterziehung und bessere Ausstattung der Steuerbehörden
Vielleicht führt mein Beitrag in die falsche Richtung. Aber ich halte es für notwendig darauf hinzuweisen, dass es an Geld auch ohne Vermögenssteuer nicht mangelt.
Kapitel 5 - EU wahrscheinlich 1 Billionen durch Steuervermeidung und Hinterziehung
Die Welt ist ja nun wirklich mich bekannt, die großen Vermögen an den Pranger zu stellen. Mit der ganzen obrigen Diskussion wird mir wieder klar, dass unser Diskurs längst in die falsche Richtung abgeglitten ist (mich eingeschlossen). Anstatt für eine ausreichende Finanzaufsicht in den Ämtern zu sorgen, Steuerhinterziehung strikt zu verfolgen, diskutieren wir uns an Themen ab, die eh nicht kommen werden. Weder die CDU noch die FDP noch die AFD werden einer Vermögenssteuer, einer Erbschaftssteuer oder überhaupt eine höheren Steuer zustimmen. Und nachdem eine der drei Parteien auf jeden Fall an einer Regierung beteiligt sein wird, kommt gar nichts davon.
Würde man jedoch die FDP und die CDU in Richtung Rechtsstaatlichkeit drängen, wäre zumindest noch ein kleiner Hoffnungsfunke da, wenigstens das zu kassieren was dem Staat zusteht.
Leider zweifel ich sehr daran, ob die Union an dieser Rechtsstaatlichkeit interessiert ist. Da sehe ich genauso wenig Hoffnung wie bei einer Erbschaftssteuer und Vermögenssteuer.
Für mich auch unbegreiflich.
Das ist doch, vernünftig kommuniziert, ein absolutes Gewinnerthema.
Wenn man immer und überall erwähnt, dass der Freibetrag auf 1.000.000€ angehoben wird, kann doch eigentlich nichts schief gehen.
Und an alle, die zu viel Sozialismus fürchten:
Solche Vermögenssteuern lassen sich doch auch dynamisch gestalten:
Diese eklatante Ungleichheit wie hier dargestellt gehört abgeschafft.
Aber es wird einen Faktor (X) geben, der das Verhältnis Vermögen der reichsten 0,1% vs der ärmsten 50% beschreibt und dafür sorgt, dass die Demokratie stabil bleibt.
Ich habe keine Ahnung von diesen Größenordnungen, aber um meinen Gedanken zu verdeutlichen, ein Szenario:
Aktuell beträgt X 15,7. Deshalb wird Vermögenssteuer progressiv erhöht.
Deshalb beträgt X irgendwann nur noch 0,1. Dann wird die Vermögenssteuer reduziert, um diesen Wert langfristig zu erhalten.
Wäre auf jeden Fall eine gute Sache und wahrscheinlich kann man mit verhältnismäßig wenig zusätzlichen Prüfern da sehr viel bewirken. Über die Rendite dürfte sich jeder Unternehmer freuen. Aber es müssen die rechtlichen Lücken auch geschlossen werden und es kann natürlich auch nicht sein, dass es auf europäischer Ebene dazu nicht gleichartige Gesetzgebung & Verfahren gibt.
Und prominent dabei steht mal wieder Cum Ex … was willst Du da von der jetzigen Bundesregierung erwarten? Außer Erinnerungslücken
Das sehe ich leider so wie @Tris , denn es ist ja nun nicht so, als hätte die CxU nicht genügend Zeit gehabt an der Steuerhinterziehung/-vermeidung etwas zu ändern. Und zur FDP muss man bei dem Thema ja wirklich nichts sagen, das geht einfach gegen ihre Kernwählerschaft.
Cool, vielen Dank fürs Teilen! Man kann auch ohne eID ausfüllen!
So, für alle, die noch immer meinen, dass es keine Vermögens- und/oder Erbschaftssteuer geben sollte, folgender Podcast von Katharina Nocun mit Marlene Engelhorn.
Sollte Pflicht sein anzuhören. Mit viel Insidewissen und Widerlegung von Schein und Nebelkerzen.
Denkangebot
mit Quellen in den Shownotes.
Wer ihn gehört hat, wird vielleicht in der Lage sein, seine Einstellung zu überdenken.
Damit der Kontext, nämlich die konkrete Petition, mal klargestellt wird. Hier wird wieder über ein Konzept diskutiert ohne anscheinend die konkreten Größenordnungen zu kennen. Tax the Rich macht hierzu nämlich folgende Angaben/vorschlag:
„Wer wäre von dieser europäischen Vermögenssteuer betroffen?
Die Kriterien für die Definition eines „Ultrareichen“ sollten aufgrund der wirtschaftlichen, steuerlichen und sozialen Unterschiede zwischen den EU-Mitgliedstaaten von EU-Land zu EU-Land unterschiedlich sein. In Belgien schlagen wir beispielsweise vor, dass jede Person, die zusätzlich zu ihrem Hauptwohnsitz und dem Vermögen, das ihrer beruflichen Tätigkeit zugeordnet ist, über 1,25 Millionen Euro verfügt, als „ultrareich“ bezeichnet wird.“
So und jetzt gerne mal über diesen konkreten Vorschlag diskutieren. Bin ich mal gespannt, was da an Gegenstimmen noch übrig bleibt. Schönen Abend