Der Westen und seine Werte

Welche diverse EU Staaten verstoßen systematisch ( planmäßig und konsequent) gegen Menschenrechte?

Nehmen wir als Beispiel Assange:

  • Das Vereinigte Königreich (damals noch EU Mitglied) wird vom UN-Sonderbeauftragten der systematischen Folter bezichtigt.
  • Schweden hat eine wohlabgestimmte Reihe von äußerst grenzwertigen Aktionen durchgeführt (ein paar Highlights: Anzeige fingiert, Ausreise genehmigt nur um kurz danach einen internationalen Haftbefehl zu erteilen, willkürliche Weigerung der schwedischen Behörden eine online-Befragung mit Assange durchzuführen). Hier fällt es mir schwer, das an genau einem Menschenrecht festzumachen, zu prüfen wären wohl Artikel 7-9; insbesondere Artikel 9 „keine willkürliche Verhaftung“ bzw. hier „kein willkürlicher internationaler Haftbefehl“.
  • Kein einziger EU Staat hat Assange Asyl gewährt bzw. angeboten. Und das schon seit 2010.
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Griechenland, Italien, Bulgarien, Kroatien mit Pushbacks oder unterlassener bis blockierter Seenotrettung zum Beispiel?

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Dasselbe gilt für Edward Snowden. Der sitzt zwar nicht in einem Hochsicherheitsknast ein, aber ist wahrscheinlich für den Rest seines Lebens in Moskau gestrandet.

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Polen und die Flüchtlinge an der Weißrussischen Grenze nicht vergessen (und wie zu besten Zeiten des Eisernen Vorhangs wurde dort eine 5km-Sperrzone eingerichtet, damit die Presse die Vorgänge ja nicht dokumentieren kann)

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Ich glaube inzwischen, dass der wichtigste Wert des Westen der Wohlstand ist. Natürlich schmücken wir uns gerne mit großen Worten wie Freiheit, Frieden und Rechtsstaatlichkeit.

Aber wenn die Frage ist, was ist uns wichtiger, Wohlstand oder Freiheit, dann ist die klare Antwort Wohlstand. Und ich glaube dieses Verhalten haben wir nicht nur nach außen, wie man jetzt am schwächelnden Beistand für die Ukraine sieht.

Ich denke wir würden diese Entscheidung auch für uns selbst so treffen. Die selbst-Zensur sowohl in den USA wie auch in der EU im Bezug auf China zeigt es ja. Wenn ein so wichtiger Handelspartner droht, dann lassen wir bei Meinungs- und Redefreiheit auch mal Fünfe gerade sein.

Sollte China irgendwann wirtschaftlich so stark und mächtig sein, dass es von uns z.B. die Einführung von Überwachungsmaßnahmen nach chinesischem Vorbild verlangen kann oder uns andernfalls mit hohen Zöllen oder gar Einfuhrverboten droht, dann möchte ich mal den deutschen Politiker sehen, der Millionen deutschen Automobil-Arbeitern sagt, dass sie morgen keinen Job mehr haben. Dann doch lieber WeChat auf alle deutschen Telefone.

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Tatsächlich würde ich das hier nicht zu Menschenrechtsverletzungen zählen, denn Polen ist für diese Menschen schlicht nicht zuständig.

Sie kommen schließlich aus einem sicheren Drittstaat (Belarus), der diese Menschen sogar mit Sonderflügen aus ihrer Heimat holt und an die Grenze schafft um Druck auszuüben.

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Nur zur Erinnerung: Bei diesem ganzen Geschiebe sind Menschen gestorben, auf dem Boden der EU. Welcher westliche Wert rechtfertigt den Tod dieser Menschen? Welches Menschenrecht wurde dabei gewahrt?
„Sicherer Drittstaat“ ist nebenbei gesagt ein Begriff aus dem deutschen und EU-Asylrecht. Weder die Europäische Menschenrechtskonvention noch die Genfer Flüchtlingskonvention kennen ihn.

Und da ich schonmal dabei bin: Welchem westlichen Wert entspricht es, auf Kinder zu schießen?

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BTW. Ich erinnere mich noch an die Bewertung von Ulf und Philipp ein paar Monate nach dem ersten Beitrag. Da haben die beiden gesagt: Assange war ja kein Journalist, also gilt für ihn auch nicht der Schutz den Journalisten haben. Ich fand das sehr irritierend. Das mag formaljuristisch korrekt sein. Gefühlt sehe ich das anders.

Mit den Pushbacks gebe ich dir recht.

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte duldet Massen-Pushbacks nach Griechenland — Frankfurter Info (frankfurter-info.org)

Push-Backs - Grundsatzurteil erlaubt direkte Abschiebung nach Grenzübertritt | deutschlandfunk.de

Was ich noch viel schlimmer finde, dass diese sogar vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) seit ca. 2 Jahren (meines Wissens) legitimiert wird und diese angeblich nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verstößt.

Ehrlicherweise muss ich aber sagen, dass ich weder die Urteilsbegründung noch in die EMRK geschaut habe. Von daher ist das eher mein Rechtsempfinden als eine rechtliche Beurteilung.

In Hinsicht auf die Flüchtlingspolitik der EU versagen wir regelmäßig. Dass da irgendwelche „Werte“ außer Menschenverachtung angewendet werden sehe ich nicht.

Hat eigentlich jemand was mitbekommen wie die „Fluchtursachen bekämpft“ wurden? Oder war das nur eine Redewendung die tatenlos verstandet ist?

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Das tun wir doch, zb. durch Bundeswehreinsätze in Zentralafrika zur Stabilisierung der Region. Vielleicht müssen wir uns aber auch klar machen, dass wir nicht die Macht haben, um Fluchtursachen immer zu bekämpfen. Erst recht wenn unsere westlichen Interessen (ob diese immer moralisch begründet sind, lasse ich mal so stehen^^) im Widerspruch zu den Interessen anderer Großmächte in der gleichen Region stehen (zb. China und Russland in Afrika).

Die Haftbedingungen sind zu beanstanden, wahrscheinlich für alle Insassen in diesem Gefängnis. Hier ein offizieller Bericht.
Report on an independent review of progress of HMP Belmarsh by HM Chief Inspector of Prisons 11-13 April 2022 (justiceinspectorates.gov.uk)

Zu dem Thema gibt es neben Nils Melzer, Uno-Sonderberichterstatter über Folter, auch durchaus eine andere Sicht auf die Vorgänge in Schweden.

Bei Nils Melzer fiel mir bei der Recherche auf, dass er in sich seinen häufig geführten Interviews immer wieder über die fehlende Medienaufmerksamkeit zu dem Thema Assange beschwert. Finde ich doch ein bisschen widersprüchlich.

Den Vorwurf verstehe ich nicht, Assange hat sich doch Ecuador selbst ausgesucht.
Aus Wikipedia
„An seinem Asylbegehren wurde kritisiert, dass Ecuador entgegen Assanges Vorstellungen und Zielen 2012 in der jährlich von Reporter ohne Grenzen veröffentlichten Rangliste der Pressefreiheit weit unten auf Platz 104 stand.[76] Jemima Khan, die einen Teil der Kaution für Assange hinterlegt hatte, äußerte sich über Twitter kritisch. Sie habe von ihm erwartet, sich den Vorwürfen in Schweden zu stellen.“
Ist übrigens sehr lesenswert auf Wikipedia.
Julian Assange – Wikipedia

Aha, Pushback und Pushback sind also unterschiedlich zu bewerten. Macht ja einen Unterschied, wer es warum macht. Wie war das noch mit den Werten und dem verlogenen Westen? Jeder macht sich seine Wirklichkeit, um ja nicht seine Bubble zu verlassen.

Nachtrag
Nach Kontakt mit @Myste möchte ich mich für den Ton entschuldigen.:peace_symbol:

Wenn die eigene Zeitrechnung erst im Jahr 2003 beginnt, dann mag das vielleicht so sein. Wenn man den Blick etwas weitet, dann werden die Unterschiede doch etwas deutlicher.

Während des Iran-Irak-Kriegs (1980-1988) produzierte der Irak signifikante Mengen an chemischen Kampfstoffen und setzte diese gegen iranische Truppen ein. Bis zum Zweiten Goldkrieg wurden auch tonnenweise VX produziert. Unter anderem – man kennt es – mit freundlicher Unterstützung deutscher Firmen, für die auch damals nur das Geld zählte. Trotz teilweise erdrückender Beweise stritt der Irak allerdings immer wieder ab, an Chemie- und Biowaffen geforscht und diese produziert zu haben. Der Irak war bis 1991 auch im Besitz eines umfangreichen Atomwaffenprogramms und stand an der Schwelle zum Atomwaffenstaat.

Im Jahr 1991 annektierte der Irak das Emirat Kuwait in einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Auf Grundlage einer Resolution des UN-Sicherheitsrats intervenierte daraufhin eine von den USA angeführte Koalition und befreite Kuwait. Gemäß des Waffenstillstandsabkommen musste sich der Irak daraufhin Inspektionen der Internationalen Atomenergiebehörde und der United Nations Special Commission (UNSCOM) unterziehen. Allerdings konnte der Irak die internationale Gemeinschaft letztendlich nicht davon überzeugen, keine Massenvernichtungswaffen mehr zu besitzen, weil ständig falsche Angaben gemacht wurden.

Nach dem Zweiten Golfkrieg kam es im Norden und im Süden des Iraks zu Aufständen der schiitischen (Süden) und kurdischen (Norden) Minderheiten, gegen die Saddam Hussein brutal mit seinem Militär vorging. Aus Furcht vor einem weiteren Genozid ähnlich der „Anfal-Operation“ zwischen 1986 und 1989 flohen Millionen Kurden in den Norden des Iraks. Auf Basis der Resolution 688 des UN-Sicherheitsrates etablierten die USA, UK und Frankreich daraufhin zwei Flugverbotszonen über dem gesamten Land, um die Zivilbevölkerung zu schützen. Zahlreiche weitere Staaten, darunter auch Deutschland im Rahmen der „Operation Kurdenhilfe“, stellten humanitäre Hilfsgüter zur Verfügung. Die Flugverbotszonen über dem Irak blieben bis zum Irakkrieg 2003 bestehen – die Koalitionstruppen waren nach dem Zweiten Golfkrieg 1991 also nie ganz aus dem Land verschwunden, auch wenn Frankreich sich ab 1996 nicht mehr an den Flugverbotszonen beteiligte.

Long story short: Auf dem Papier sehen die Angriffskriege von 2003 und 2022 eben doch ziemlich verschieden aus. Der Irak unter Saddam Hussein war ein „Schurkenstaat“ durch und durch, der Minderheiten im eigenen Land brutal unterdrückte und so ziemlich an jeder erdenklichen Art von Massenvernichtungswaffen forschte (nur zum Zeitpunkt der Invasion 2003 eben nicht mehr) sowie diese teilweise zum Völkermord einsetzte. Selbiges lässt sich aber ganz und gar nicht über die Ukraine sagen.

Das macht den Irakkrieg 2003 nicht legal – er bleibt ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg und ein strategischer Fehler großen Ausmaßes. Aber dass der Westen damals nicht Partei für den Irak ergriffen und ihn unterstützt hat, das sollte vor diesem Hintergrund doch wirklich niemanden wundern.

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Weiterhin kann die Bundesregierung nicht erkennen wer die aktuellen Angriffe im Aserbaidschan/Armenien Konflik zu verantworten hat. Sorry, aber das ist total unglaubwürdig.
Die Gründe dürften sehr realpolitisch sein.

Und warum sollten wir als Westen uns in diesem Konflikt einseitig auf die Seite Armeniens stellen? Immerhin gehört das Land einem von Russland geführten Bündnis (OVKS) an.

Da bist du schon einen schritt weiter. man ist ja nichtmal in der lage einen angriff zu erkennen. Erinnert an die türkische offensive auf kurdengebiete auf irakischem staatsgebiet. Auf die frage, ob man den angriff der türkei verurteile antwortete das AA, man wisse zu wenig und die lage sei zu „volatil“ für eine bewertung.
Man könnte ein Muster erkenne …

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Vielleicht ist das AA aber auch nur zu Recht vorsichtig, zu einer unübersichtlichen Situation eine voreilige Bewertung abzugeben.
Ich sehe nach wie vor nicht, wie dieser Konflikt zu dem Thema dieses Threads passt.

mein vorwurf ist, dass eine wertebasierte bewertung von konflikten untern vorwänden nicht vorgenommen werden kann, weil unsere realpolitischen interessen dadurch gefährdet sind.
im fall aserbaidschan ist es augenscheinlich die annäherung an die EU und der neue gasdeal.
der türkei wollte man, das ist meine auslegung, keine anlässe bieten wieder mehr flüchtlinge gen europa zu schicken.