Kann mich @Veche nur anschließen, möchte den Aspekt unterschiedlicher Erfahrungswelten ergänzen:
Was vielen nicht bewusst ist, dass Freiwilligkeit nicht immer gut erkennbar ist - für beide Seiten. Tendenziell (also nicht im Einzelfall, aber in der Masse) werden Mädchen bis heute eher dazu erzogen, immer brav „ja“ zu sagen, sich eher nicht zu beschweren und Situationen „hinzunehmen“, auch wenn sie sie nicht so angenehm empfinden. Jungs werden dazu angehalten, ihre Meinung laut kundzutun, sich durchzusetzen und auch mal anzuecken. Sie erhalten dafür eher ein Lob.
Ich selbst bin ziemlich selbstbewusst erzogen worden und habe oft den Mund aufgemacht und gesagt, wenn mir was nicht passt. Mir wurde das aber deutlich öfter negativ entgegengehalten als Jungs/Männern um mich herum (in Schule, Uni, Beruf, Hobby etc.). Trotz guter familiärer Voraussetzung, habe ich gelernt, dass es oft klüger ist „ruhig“ zu sein und Dinge hinzunehmen, weil es bei Frauen einfach nicht gut ankommt, „Widerstand zu leisten“ (Mann = meinungsstark, Frau = widerspenstig und anstrengend). Trotzdem fand ich es weiter richtig, selbstbewusst zu sein. Erschreckend stellte ich irgendwann fest, dass ich meinen Neffen viel mehr „durchgehen“ ließ als meinen Nichten. Wenn die Jungs wild und laut waren, war es ok, die Mädels lobte ich tatsächlich häufiger fürs „brav sein“. Diese Strukturen stecken tiefer in uns drin als wir denken.
Ich habe mich beim Fall Lindemann mehrfach gefragt, wie ich wohl mit 19, 20 reagiert hätte, wenn man mich dazu „auserwählt“ hätte meinen Lieblingssänger hinter der Bühne zu treffen. Ich hätte sofort „ja“ gerufen - freiwillig. Ich habe wie die meisten Teenies geschwärmt, mir Treffen ausgemalt, von wilden Knutschereien geträumt. Ein Quickie hinter der Bühne kam dabei eher nicht vor. Was hätte ich also gesagt, wenn es in die Richtung gegangen wäre? Ich hoffe, „Nein“. Sicher bin ich aber nicht.
Freiwillig heißt für mich, dass man in der Situation auch (gefühlt!) die Möglichkeit hat, Nein zu sagen – ohne Konsequenzen zu fürchten (und sei es der „schiefe Blick“ oder „dumme Spruch“). Das ist für viele – vor allem junge – Mädchen eher selten der Fall. Die tun drei Dinge freiwillig und wenn ihnen die vierte nicht mehr behagt, sagen sie aus anerzogener Höflichkeit trotzdem Ja. Dafür muss nicht mal ein Superstar vor ihnen stehen, da reichen auch „normale“ Menschen. Aber bei Stars wird die anerzogene „Unterwürfigkeit“ schneller aktiviert, weil das Gefälle so groß ist, vor allem wenn sie auch noch deutlich älter sind. Und da ist es egal, ob man für den Typen schwärmt, im Zweifel erschwert es das sogar.
(Fortsetzung folgt)