Das bestreite ich auch nicht - also weder bestreite ich, dass Polizeigewalt ein Problem in Frankreich ist (gleiches gilt für Deutschland!) noch bestreite ich, dass sich Polizeigewalt klassischerweise besonders stark gegen die Ärmsten richtet und leider kaum ein Staat ernsthaft bemüht ist, Polizeigewalt aufzuklären, sondern hier stets zuerst versucht wird, alles zu vertuschen. Auch bestreite ich nicht, dass dagegen vorgegangen werden muss, weil darin in der Tat eine Gefahr für die Demokratie liegt.
Auch stimme ich dir zu, dass man die Gewaltprobleme am besten durch mehr soziale Gerechtigkeit bekämpfen sollte, statt einfach mehr (gewaltbereitere) Polizisten auf das Problem zu werfen (im Prinzip das, was in den USA etwas ungeschickt als „Defund the Police“ bezeichnet wurde, daher mehr Geld in die Prävention, weniger Geld in die Repression).
Das Problem ist nur: Das sind - sowohl in den USA als auch in Frankreich als auch in Deutschland - alles Dinge, die langfristig geändert werden müssen. Kurzfristig geht es darum, die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten - brennende Vorstädte, so verständlich der Frust der abgehängten Menschen in den Vororten auch sein mag, kann ein Staat einfach nicht ignorieren.
Naja, das ist auch eine sehr einseitige Sichtweise, denn „friedlich“ waren die Opfer meist nicht. Das heißt nicht, dass es kein unangemessen großer Gewalteinsatz seitens der Polizei sei - das Missverhältnis von Unfriedlichkeit der Demonstration und Gewalteinsatz der Polizei besteht durchaus in vielen Fällen. Aber es ist eben nicht so, dass die Polizei im großen Maßstab das (Gummigeschoss-)Feuer auf eine vollkommen friedliche Demonstration eröffnen würde, sondern i.d.R. sind das immer sehr unübersichtliche Gemengelagen, an denen auch auf Seiten der Demonstranten immer einige massive Gewalttäter involviert sind. Dieses Framing von „Die bösen Polizisten schießen auf die friedlichen Menschen“ halte ich wie gesagt für sehr einseitig - das mag im Einzelfall durchaus mal so sein (und wird dann leider fast nie juristisch aufgearbeitet), aber in der Masse gibt es einfach auf beiden Seiten in den aktuellen Massenprotesten in Frankreich viel, viel mehr Grautöne als nur Schwarz und Weiß.