Schmerzgriff als rechtsstaatliche Zwangsmaßnahme

Lieber Philip, lieber Ulf,

im Zuge der Aktionswoche der Letzten Generation tauchen wieder vermehrt Videos auf, in denen zu sehen ist, wie die Polizei als Zwangsräumungsmaßnahme den sog. Schmerzgriff anwendet. Ich würde mich freuen, wenn Ihr als alter rechtspolitischer Podcast das unter dem Gesichtspunkt der Rechtsstaatlichkeit (mildestes Mittel etc.) einmal einordnen könntet.
Ronen Steinke hatte bereits ein Video auf IG hochgeladen, in dem er die Gegenmaßnahmen der Nötigungsopfer unter dem Gesichtspunkt der Notwehr als nicht erforderlich an sieht, was ich teile. Wie es sich aber um den Schmerzgriff verhält, da würde mich eine professionelle podcastische Einschätzung brennend interessieren. @Community Falls ihr Podcasts kennt, wo das juristisch aufgearbeitet wird, wäre ich euch für Empfehlungen sehr dankbar.
Much love
Jacob

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Der Fall würde mich auch interessieren. Der Kriminologe Tobias Singelnstein äußerte sich im Tagesspiegel ja auch schon, dass er hier rechtswidrige Polizeigewalt sieht.
Da der Fall des auf der Straße sitzenden Aktivisten ja im Vergleich zum unübersichtlichen Acker um Lützerath verhältnismäßig klar definiert und gut dokumentiert ist und auch techt häufig vorkommt, würde er sich m.E. tatsächlich für eine Analyse eignen.

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Vorweg: Ulf hatte auf Instagram ein solches Video gepostet mit der Bitte um Meldung bei der LdN, wenn jemand die Polizisten kennt, die dort Straftaten begehen. Ich hoffe, ich erinnere mich richtig, aber ich rechne fest mit einer Einordnung in der Lage.

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Triggerwarnung Gewalt (Videolink im Text)
https://taz.de/Polizei-prueft-Video/!5929587/

Ich würde vorschlagen, dass wir in diesem Thread nicht das für und wider von Klimaaktivismus besprechen. Auf der anderen Seite sollten wir natürlich auch kein Polizei Bashing betreiben. Was mich (und dem Anschein nach auch den Thread Ersteller) interessieren würde ist schlicht die rechtliche Situation in so einem Fall.
Wann wäre so ein Schmerzgriff gerechtfertigt und wie verhält sich das relativ zu so einer häufig vorkommenden Sitzblockade?

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Danke erst mal an @J4hr3ndt für den Hinweis, an mir ist das so direkt bisher vorbeigegangen. Auch das Video von Ulf habe ich nicht gesehen.

Das die Polizei linken und grünen Demonstranten, da ordne ich die LG nach wie vor ein, gegenüber hart durchgreift, ist ja leider keine Neuigkeit. Ich mache mir aber auch schon seit einiger Zeit sorgen, dass diese Entwicklung bei der Letzten Generation eine neue Qualität erreichen könnte. Auch weil man von dem „politischen Führungspersonal“ der Polizei solche Sachen lesen muss:

Von daher wünsche ich mir auch, dass Aktionen, die eindeutig über die gebotenen Mittel hinausgehen, entsprechend geahndet werden.

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Ich schreibe als Mitglied der LG ,
Dass innerhalb der Bewegung eine positive Haltung zur Polizei existiert und die Erfahrungen in konkreten Situationen sei es Kleben , Protestmarschieren auch sehr häufig positiv sind.

Die Polizei beschützt die Altivistinnen auch vor Aggressionen von Passanten und Autofahrerinnen.
Dies ist in der Presse nicht zu lesen.

Der Polizist dem jedoch jetzt in Berlin den Schmerzgriff angewandt hat, hat dies auch bei meiner Gruppenkollegin vor etlichen Monaten getan.

Aus unserer Sicht ist es ein Teil der Polizei der sich so verhält ( auch Bundeslandabhängig), aber nicht der größere.

Viele Polizist*innen behandeln uns freundlich und respektvoll. Das ist mir wichtig zu betonen .

Mich persönlich hat die Inhaftierung der Aktivist*innen in Bayern quasi zur LG getrieben. Wenn eine Demokratie so weit kommt , dann kann ich das nicht mehr still hinnehmen.

Schmerzgriffe sind aus der Hölle. Ich könnte niemals einen Menschen der sich nicht wehrt derart quälen.
Die Aktivist*innen die das erlitten haben tun es auch , damit darüber diskutiert und verhandelt wird. Damit die Gesellschaft eine Position bezieht.

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Ich habe jetzt mehrere solcher Videos auf Insta gesehen, wo ein Polizeibeamter einen der (nicht festgeklebten) Blockierer in einem ruhigen Ton auffordert, die Straße zu verlassen, andernfalls müsse er ihm sehr weh tun. Keiner der drumherum stehenden Polizist:innen schien damit ein Problem zu haben, dass sich die (völlig widerstandslos sitzenden) Männer brüllend vor Schmerz am Boden wandten. Daraufhin entspannte sich eine Diskussion, ob das noch (umstrittene) Polizeigewalt, oder schon als Folter bezeichnet werden kann/darf, weil die Grenzen hier verfließen. Die Anwendung von Schmerzgriffen ist sicher verständlich bei einem Angriff bzw. einer körperlichen Überlegenheit des Angreifers, m.E. aber nicht, weil die Polizei zu faul (oder zu erschöpft) ist, Blockierer von der Straße zu tragen. Hinzu kommt, dass die Anwendung von Schmerzgriffen zwangsläufig eine körperliche Reaktion nach sich zieht, die von Polizei und Staatsanwaltschaft als „Widerstand …“ wertet und damit ganz andere juristische Konsequenzzen nach sich zieht. Die Dienstvorschriften zu Schmerzgriffen scheinen in den Ländern alle unter Verschluss zu sein; ich meine, dass „Frag’ den Staat“ die Offenlegung gefordert hat. Ein Nutzer schrieb, dass Schmerzgriffe in HH keine Anwendung fänden, in Berlin habe ich sie massiv erlebt.

Wenn ich es richtig sehe, ist genau zu diesem Vorfall gestern ein Beitrag im RBB gelaufen, der auch in dem Beitrag oben von @Margarete behandelt wird. (Hier auch Triggerwarnung: Gewalt):

In dem Zusammenhang ist es dann allerdings irritierend, wenn ein Polizeigewerkschaftssprecher schon vorauseilend verkündet, dass alles rechtens abgelaufen sei [1]. Zitat:

„Manuel Ostermann, Vize der DPolG-Sparte bei der Bundespolizei, sagte, es handle sich um Ausübung von Zwang nach vorangegangener Androhung. „Der Störer kam der Aufforderung im Vorfeld nicht nach und daraus resultierend wurde das nächstmildeste und geeignete Mittel gewählt“, erklärte er.
Der unmittelbare Zwang in Form von einfacher körperlicher Gewalt „steht im Gesetz, ist legitim und zielführend“. Das Verhalten des Aktivisten werde in Klimacamps trainiert. „Für mich ist hier alles sauber und gut abgearbeitet“, so Ostermann.“

Was mich besorgt ist auch nicht, dass sowas grundsätzlich passiert, sondern dass es systematisch passiert und seitens Polizei (zumindest in Teilen) gar nicht als unrechtmäßig angesehen wird.

[1]

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Dass Manuel Ostermann mit solchen Äußerungen auffällt ist aber auch nicht das erste mal. Man kann den Vize der DPolG insbesondere auf dem Kurznachrichtendienst Twitter oft dabei beobachten, wie er rechtsextreme Demonstrationen klein redet und schnell den „besorgten Bürger“ betont, bei eher linken Demos aber schnell in einen Jargon a la „Linke Zecken die Gewalt verdienen“ oder „die Schmerzschreie der Demonstranten sind wie Musik in meinen Ohren“ verfällt und den Untergang der Bundesrepublik heraufbeschwört, wenn man diese nicht hart verdrischt und wegsperrt.

Um es vielleicht etwas diplomatischer auszudrücken: Er ist mindestens ein extremer konservativer Law & Order Verfechter.

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Und leider auch nicht verwunderlich. Der Typ war zumindest mal bei der WerteUnion (Quelle), verschiedene andere Quellen, die aber nicht verifiziert werden konnten, geben sogar an, er sei mal Beisitzer im Vorstand gewesen.

Kurzum: Der ist selbst für CDU-Verhältnisse ziemlich weit rechts. Ebenso wie die DPolG im Vergleich zur GdP noch mal ein ganzes Stück weiter Rechts ist (nicht, dass alles, was die GdP sagt, gut sei, aber da kommt zumindest manchmal noch was produktives bei rum, bei der DPolG ist das so gut wie nie der Fall…)

In diesem Sinne:
Wenn ein Manuel Ostermann sagt, alles sei korrekt abgelaufen, ist das eher ein Grund, nochmal besonders kritisch hinzuschauen…

Seine Argumentation, dass die Anwendung von Schmerzgriffen nach einer Drohung das „nächstmildeste Mittel“ sei dürfte auch vor einem halbwegs sensiblen Richter keinen Bestand haben. Das nächstmildeste Mittel wäre, die Leute wegzutragen. Allenfalls in einer konkreten Notsituation (z.B. wenn tatsächlich gerade ein Rettungseinsatz blockiert wäre und deshalb Zeit ein entscheidender Faktor ist) ließe sich argumentieren, dass der Einsatz eines Schmerzgriffs notwendig sei - aber so ein Fall lag nicht vor (und in solchen Fällen würden die Demonstranten wohl freiwillig die Straße räumen…)

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Ich finde es spannend, dass es sich bundesmedial relativ konzentriert um dieses eine Video dreht. Denn, also ich bin seltenst auf Twitter, aber in der halben Stunde als ich`s dann mal war, wurde mir ein Thread der LG angezeigt in dem min. sechs (verschiedene!!) solcher Videos zu sehen war; turns out in deren Timeline sind regelmäßig solche Threads. Wenn dieses eine Video für Besorgnis sorgt, was ist dann erst los, wenn die Staatsanwaltschaften die ganzen anderen sehen?

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